![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
15. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. März 1994 i.S. Albert H. Steiner gegen Schweizerische Eidgenossenschaft (Direktprozess) | |
Regeste |
Urheberrecht an Werken der Baukunst. Urheberpersönlichkeitsrecht des Architekten. Entstellungsverbot (Art. 11 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 3 URG). |
Begriff der Entstellung (E. 8b). | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
Aufgrund der starken Zunahme der Studentenzahlen in den achtziger Jahren und der auch Lehre und Forschung beeinflussenden technischen Entwicklung wurden im Jahre 1983 die Raumsituation der ETHZ überprüft und der künftige Bedarf ermittelt. Basierend auf der "Akademischen Vision 2001 der ETH Zürich" vom Dezember 1984 entstand im Jahre 1985 ein mittel- und langfristiges Entwicklungskonzept. Dieses strebt u.a. an, die naturwissenschaftlichen Abteilungen auf dem Hönggerberg zu konzentrieren. Der darauf beruhende Richtplan 1989 sieht einen Ausbau der dortigen Anlagen von insgesamt 80'000 m2 Hauptnutzfläche vor.
| 2 |
Im Jahre 1990 wurde ein Projektwettbewerb für die ersten beiden Phasen einer dritten Ausbauetappe ausgeschrieben, aus welchem das Projekt "ELEMENTAR" der Architekten Campi und Pessina als Sieger hervorging. Das Projekt umfasst ein sich südlich an die erste Etappe anschliessendes kammartiges Lehr- und Forschungsgebäude mit fünf Institutstrakten und angeschlossenem Auditoriengebäude sowie getrennt davon ein in den Zwischenbereich der ersten und der zweiten Etappe gestelltes kleineres Dienstleistungsgebäude (zum Gesamten: BBl 1992 III 1593 und 1993 II 1297, 1334 ff.).
| 3 |
B.- Der Kläger spricht dem Projekt "ELEMENTAR" die gebotene Integration in das bestehende Überbauungskonzept ab und hält daraus seine Urheberrechte für verletzt. Mit Klage vom 24. März 1993 beantragt er dem Bundesgericht, die Rechtsverletzung festzustellen und der Beklagten die Ausführung der dritten Ausbauetappe nach diesem Projekt zu untersagen. Zur Begründung macht er geltend, die bestehende Anlage auf dem Hönggerberg stelle nicht bloss bezüglich der Einzelbauten, sondern auch als Gesamtanlage ein urheberrechtlich geschütztes Werk dar, welches zwar weiterhin als sein Werk erkennbar bleibe, durch das Erweiterungsprojekt "ELEMENTAR" aber derart verstümmelt und entstellt würde, dass seine Ehre schwer verletzt wäre. Er beansprucht Schutz nach Art. 6bis der am 26. Juni 1948 in Brüssel revidierten Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst (RBÜ; SR 0.231.13), Art. 11 Abs. 2 URG 1992 (SR 231.1) und Art. 28 ZGB.
| 4 |
Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Klage.
| 5 |
Das Bundesgericht weist die Klage ab, soweit es darauf eintritt.
| 6 |
![]() | |
7 | |
8 | |
a) Die deutsche Rechtsprechung subsumiert diese indirekten Eingriffe unter den Tatbestand der Entstellung und stellt sie insoweit den direkten Veränderungen gleich (BGH in GRUR 1982, S. 107, 109; FROMM/NORDEMANN, N. 2 zu § 14 DURG). Auch für das schweizerische Recht wird postuliert, auf solche indirekte Eingriffe analog Art. 12 Abs. 3 URG anzuwenden (PEDRAZZINI, Neuere Entwicklungen im Urheberrecht des Architekten, BR 1993, S. 7). Dem ist im Grundsatz beizupflichten, doch drängt sich eine Relativierung der Analogie aus dem Schutzbereich des Urheberrechts auf. Das Urheberpersönlichkeitsrecht wirkt ausserhalb vertraglicher und damit relativer Beziehungen grundsätzlich absolut, d.h. gegenüber jedermann, aber auch gegenüber jedermann in gleicher Weise. Zwar ist nach den zitierten Gesetzesbestimmungen der Eigentümer eines Bauwerks grundsätzlich weitergehend zu urheberrechtlichen Beeinträchtigungen desselben befugt als ein unberechtigter Dritter, was unmittelbar aus dem Werkeigentum folgt und sich der Sache nach auf direkte Einwirkungen bezieht. Indessen kann aus diesem Privileg des Eigentums am Werkexemplar für den Bereich indirekter Eingriffe nicht die Pflicht abgeleitet werden, der Eigentümer des geschützten Bauwerks habe bei der Gestaltung des Umfelds dessen Integrität weitergehend zu wahren als ein benachbarter Dritteigentümer. Mit andern Worten ist ausservertraglich unter dem Gesichtspunkt der Widerrechtlichkeit grundsätzlich bedeutungslos, ob die Beeinträchtigung vom früheren Vertragspartner des Urhebers, von einem nachfolgenden Eigentümer am Werkexemplar oder von einem daran unbeteiligten Dritten ausgeht. Der ![]() | 9 |
![]() | 10 |
b) Untersagt ist dem Eigentümer die persönlichkeitsverletzende Entstellung seines Bauwerks (Art. 11 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 3 URG). Entstellung liegt dabei nur vor, wenn eine erhebliche Veränderung mit negativen Auswirkungen in Frage steht (BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 13 zu Art. 11 URG), bloss geringfügige und dem Urheber zumutbare Änderungen fallen nicht darunter. Erforderlich ist eine grobe Entstellung (Amtl.Bull. NR 1992 17/8 Votum BR Koller), eine als Verstümmelung in Erscheinung tretende Änderung (TROLLER, Immaterialgüterrecht, 3. Aufl., Band II, S. 691), eine einschneidende ![]() | 11 |
Geht es sodann um indirekte Eingriffe aus dem urheberrechtlich nur mittelbar geschützten Umfeld eines bestehenden Bauwerks, bedarf es nach dem Gesagten darüberhinaus einer sittenwidrigen Inanspruchnahme eigenen Urheberrechts des Zweitschaffenden, einer letztlich moralischen Unredlichkeit, wie sie vergleichbar dem Regelungsgedanken von Art. 41 Abs. 2 OR zugrunde liegt (dazu BK-BREHM, N. 233 ff. zu Art. 41 OR; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band II/1, 4. Aufl. S. 61 ff.).
| 12 |
13 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |