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19. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 6. April 1995 i.S. B. gegen Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 15 OHG. Anspruch des Opfers auf Vorschuss. |
Summarische Prüfung eines Gesuchs um Vorschuss nach Art. 15 OHG durch die kantonalen Behörden (E. 2a). | |
Sachverhalt | |
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Durch ihren Anwalt liess B. am 16. September 1993 gestützt auf das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5) beim Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt ein Gesuch um angemessene Entschädigung und Genugtuung stellen. Dieses Gesuch ergänzte sie am 19. November 1993 mit dem Begehren gemäss Art. 15 OHG um einen Vorschuss von Fr. 8'000.--. Mit Verfügung vom 6. Dezember 1993 wies das Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt das Gesuch ab. Dagegen erhob B. Beschwerde beim Appellationsgericht Basel-Stadt und stellte dort während der Rechtshängigkeit am 17. August 1994 erneut ein Gesuch um einen Vorschuss von Fr. 8'000.--. Dieses Gesuch wies das Appellationsgericht Basel-Stadt mit einem als Zwischenentscheid überschriebenen Urteil vom 15. September 1994 ab.
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 31. Oktober 1994 stellt B. den Antrag, der Entscheid des Appellationsgerichts sei aufzuheben und das Amt für Sozialbeiträge anzuweisen, ihr einen Vorschuss von Fr. 8'000.-- zu leisten. Sie ersucht ausserdem um unentgeltliche Rechtspflege.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den Entscheid des Appellationsgerichts auf.
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Aus den Erwägungen: | |
1. a) Gemäss Art. 64ter BV haben der Bund und die Kantone dafür zu sorgen, dass die Opfer von Straftaten gegen Leib und Leben Hilfe erhalten. Dazu gehört eine angemessene Entschädigung, wenn das Opfer wegen der Straftat in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Der vierte Abschnitt des OHG konkretisiert diese Ansprüche. Nach Art. 11 ff. OHG erhält das Opfer (vgl. zum Opferbegriff Art. 2 OHG; BGE 120 Ia 157 E. 2d S. 162, BGE 120 IV 44 E. 2 S. 49) unter gewissen Voraussetzungen eine Entschädigung oder Genugtuung vom ![]() | 6 |
Entschädigung und Genugtuung gemäss OHG sind nach dem Gesagten Leistungen, die dem Bundesverwaltungsrecht zugeordnet werden müssen. Über sie wird im Rahmen einer Verfügung nach Art. 5 VwVG (SR 172.021) entschieden.
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b) In bezug auf den Rechtsschutz schreibt das OHG den Kantonen eine einzige, von der Verwaltung unabhängige Beschwerdeinstanz vor, welcher freie Überprüfungsbefugnis zukommen muss (Art. 17 OHG). Über den bundesrechtlichen Rechtsschutz sagt das OHG nichts. Es gelten daher die Regeln des OG. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gemäss Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen, sofern diese von den in Art. 98 OG genannten Vorinstanzen erlassen worden sind und keiner der in Art. 99 ff. OG oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe vorliegt.
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aa) Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hat letztinstanzlich im Sinne von Art. 98 lit. g OG entschieden.
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bb) Als Ausschlussgrund für eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde fällt hier zunächst Art. 99 lit. h OG in Betracht. Da indessen Art. 12 OHG einen Rechtsanspruch auf eine Entschädigung vorsieht, vermag Art. 99 lit. h OG nicht zu greifen. Für den Vorschuss auf die Entschädigung (Art. 15 OHG) gilt gleiches.
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cc) Die Vorinstanz hat ihren Entscheid als Zwischenentscheid überschrieben. Die Beschwerdeführerin ist dagegen der Meinung, es liege ein sogenannter Teilentscheid vor, der in gleicher Weise wie ein Endentscheid angefochten werden könne (vgl. BGE 120 Ib 97 E. 1b S. 99, mit Hinweisen).
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Das Gesuch um Vorschuss nach Art. 15 OHG hängt mit dem Gesuch um Entschädigung (Art. 11 ff. OHG) zusammen. Jenes nimmt sich zu diesem als vorläufige Massnahme aus. Der Vorschuss soll eine sofortige Hilfe gewähren ![]() | 12 |
dd) Zwischenentscheide müssen innert zehn Tagen angefochten werden (Art. 106 Abs. 1 OG). Diese Frist ist hier eingehalten worden.
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c) Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem Gesuch um einen Vorschuss gemäss Art. 15 OHG nicht durchgedrungen. Sie ist daher zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt (Art. 103 lit. a OG). Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen (Art. 108 OG) sind erfüllt. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach einzutreten.
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b) Die Vorinstanz hat den Entschädigungsanspruch der Beschwerdeführerin im angefochtenen Entscheid weder bejaht noch verneint. Sie hat vielmehr zu erkennen gegeben, dass sie darüber erst aufgrund eines fachärztlichen Gutachtens befinden könne. Sie ist verfahren, wie wenn die summarische Prüfung des Entschädigungsgesuchs ergeben hätte, dass die Anspruchsvoraussetzungen fehlten. Ob dem so ist, steht aber nicht fest. Vielmehr brachte die Vorinstanz selber zum Ausdruck, dass sie sich darüber nicht im klaren war. Indem die Vorinstanz alsdann ohne jede weitere Prüfung das Vorschussgesuch abgewiesen hat, hat sie nach dem in E. 2a hiervor Gesagten die ihr durch Art. 15 OHG aufgetragenen Prüfungspflichten verletzt. Das führt zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids.
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