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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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20. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. April 1995 i.S. Bubenberghaus AG gegen Schweiz. Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe) und Präsident der Eidg. Schätzungskommission, Kreis 6 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 27 Abs. 1 und 3, Art. 76 EntG; Pflicht zur Vorlage eines Werkplanes und Voraussetzungen zur vorzeitigen Besitzeinweisung. |
Von der Pflicht zur Auflage eines Werkplanes ist der Enteigner nur bei Enteignungen für künftige Erweiterungen bestehender Werke befreit, nicht dagegen bei konkreten Ausbauvorhaben, die vor der Realisierung stehen (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Der Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 6, eröffnete das Enteignungsverfahren am 23. Dezember 1993. Während der öffentlichen Planauflage erhob die Bubenberghaus AG gegen die Enteignung Einsprache und meldete ihre Entschädigungsforderungen an. An der Einigungsverhandlung hielt die Grundeigentümerin an ihrer Einsprache fest. Zum Begehren um vorzeitige Besitzeinweisung wollte sich die Enteignete zur Zeit nicht äussern.
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Mit Verfügung vom 13. Juni 1994 gab der Präsident der Schätzungskommission, Kreis 6, dem Gesuch um vorzeitige Besitzergreifung hinsichtlich der Parzelle Nr. 3263 statt. Die PTT wurden aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Enteignete während der Dauer der Bauarbeiten über hinreichende Anlieferungsmöglichkeiten verfüge.
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Gegen diesen Besitzeinweisungs-Entscheid hat die Bubenberghaus AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie rügt im wesentlichen, dass die Frage der Notwendigkeit einer vorzeitigen Besitzergreifung ungeklärt geblieben sei und dass die Voraussetzungen für die Bewilligung der Inbesitznahme nicht erfüllt seien; insbesondere dürften die PTT mit den Bauarbeiten ohnehin erst beginnen, wenn die im Zusammenhang mit dem Erweiterungsprojekt abgeänderte Überbauungsordnung rechtskräftig geworden ![]() | 4 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden
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Erwägungen: | |
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Das Bundesgericht hat bereits in BGE 115 Ib 424 E. 4d S. 432 ff. eingehend dargelegt, dass die vorzeitige Besitzeinweisung bei der Revision des Enteignungsgesetzes im Jahre 1971 wesentlich erleichtert wurde, sich jedoch an zwei grundlegenden Voraussetzungen, die sich aus dem Zweck und Wesen des Institutes selbst ergeben, nichts geändert hat: Zum einen ist weiterhin erforderlich, dass der Gesuchsteller bereits mit dem Enteignungsrecht ausgestattet ist. Muss das Enteignungsrecht für ein bestimmtes Werk eigens noch erteilt werden, bleibt eine vorzeitige Besitzeinweisung vor dem Verleihungsakt ausgeschlossen. Zum andern kommt die Anwendung von Art. 76 EntG nur in Frage, wenn das Werk, für welches enteignet wird, nach den massgebenden Spezialbestimmungen bewilligt und zum Bau freigegeben worden ist. Solange aus bau- und planungsrechtlicher Sicht mit den Bauarbeiten noch nicht begonnen werden kann, hat der Enteigner - wie in BGE 116 Ib 241 E. 4b erneut betont worden ist - keinen Anspruch auf vorzeitigen Besitz der für die Erstellung des Werkes benötigten Rechte.
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Wie sich aus dem Gesuch der Enteignerin und dem angefochtenen Entscheid selbst ergibt, war hier im Zeitpunkt der Besitzeinweisung weder die für das Erweiterungsprojekt massgebende Überbauungsordnung in allen Teilen rechtskräftig, noch das Bewilligungsverfahren auch nur eingeleitet worden. Der Stand des Baubewilligungsverfahrens gestattete somit die Inangriffnahme der Bauarbeiten nicht; damit fehlte es auch an der Grundlage für eine ![]() | 8 |
Nun hat allerdings die Enteignerin stets geltend gemacht, die vorzeitige Besitzeinweisung müsse auch deshalb erfolgen, weil sie als Baugesuchstellerin gemäss kantonalem Recht die Verfügungsgewalt über die beanspruchten Grundstücke benötige, um das Baubewilligungsverfahren überhaupt einleiten zu können. Das bernische Baurecht kann jedoch offensichtlich nicht in dieser Weise ausgelegt werden. Wohl schreibt Art. 10 Abs. 2 des kantonalen Dekretes über das Baubewilligungsverfahren vom 10. Februar 1972 (heute vom 22. März 1994) vor, dass das Baugesuch vom Bauherrn, vom Projektverfasser und "bei Bauten auf fremden Boden ausserdem vom Grundeigentümer" zu unterzeichnen sei. Nach dem von der Enteignerin selbst zitierten Kommentar zu dieser Bestimmung bzw. zu Art. 34 des Berner Baugesetzes vom 9. Juni 1985/22. März 1994 ist jedoch die Mitunterzeichnung durch den Grundeigentümer u.a. dann entbehrlich, wenn der Gesuchsteller das Enteignungsrecht am Baugrundstück besitzt (ALDO ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 1985, 1.A. 1987, N. 8 zu Art. 34, 2.A. 1995, N. 10 zu Art. 34 und dort zitierte Entscheide). Die Ausübung des Enteignungsrechts gegenüber den vier für die Erweiterung der Schanzenpost beanspruchten Parzellen ist aber der Schweizerischen Eidgenossenschaft bzw. den PTT-Betrieben bereits mit Bundesratsbeschluss vom 30. Juni 1993 bewilligt worden. Es ist daher nicht einzusehen, weshalb die Enteignerin zur Einleitung des Baubewilligungsverfahrens auf eine vorzeitige Besitzeinweisung - die ihr ja das Eigentum an den beanspruchten Rechten nicht zu verschaffen vermag - angewiesen wäre. Im übrigen könnten kantonale Bestimmungen ohnehin an den im Bundesrecht festgelegten Erfordernissen für die vorzeitige Besitzergreifung im Enteignungsverfahren nichts ändern.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher gutzuheissen und die Besitzeinweisungs-Verfügung aufzuheben.
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Aus den Ausführungen über die Natur der vorsorglichen Enteignung ergibt sich im übrigen, dass dieses Sonderverfahren, welches der Deckung des Landbedarfes für zukünftige Projekte dient, und das Institut der vorzeitigen Besitzeinweisung, welches die beschleunigte Verwirklichung einer bereits bewilligten Baute oder Anlage bezweckt, sich von ihrem Wesen her gegenseitig ausschliessen.
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Der Präsident der Schätzungskommission hätte demnach das Enteignungsverfahren mangels eines Werkplanes gar nicht eröffnen dürfen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob das ganze Verfahren aufsichtsrechtlich aufzuheben sei (vgl. BGE 115 Ib 13 E. 3, 111 Ib 15 E. 9). Indessen sind, wie in der angefochtenen Verfügung erwähnt wird, von der Enteignerin detaillierte Projektstudien aufgelegt worden, welche dem Werkplan im Sinne von Art. 27 Abs. 1 EntG nahe kommen. Es darf deshalb davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin in der Lage war, sich ein Bild über das Bauvorhaben zu machen und sachgerechte Begehren und Einwendungen gegen das ![]() | 14 |
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