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58. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Dezember 1995 i.S. Bundesamt für Polizeiweisen (BAP) gegen C. und Regierungsrat des Kantons Luzern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 25 Abs. 2 lit. b SVG, Art. 45 Abs. 1 und 4 VZV; Aberkennung und Herausgabe eines italienischen Führerausweises. |
Soweit Art. 45 Abs. 4 VZV generell vorschreibt, dass der aberkannte ausländische Führerausweis dem Berechtigten beim Verlassen der Schweiz nicht auszuhändigen ist, wenn er hier Wohnsitz hat, verstösst er - mangels Rechtsgrundlage - gegen das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip (E. 2-5). | |
Sachverhalt | |
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Der Regierungsrat des Kantons Luzern hiess eine Beschwerde hiergegen insofern gut, als er anordnete, C. sei der italienische Führerausweis mit dem Vermerk zurückzugeben, dass das Dokument für die Schweiz ungültig sei; dessen Einziehung wäre völkerrechtswidrig.
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Das Bundesamt für Polizeiwesen hat Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Es beantragt, den regierungsrätlichen Entscheid vom 7. Februar 1995 im Sinne der Erwägungen aufzuheben und den italienischen Führerausweis C. nicht auszuhändigen bzw. wieder einzuziehen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Das Bundesgericht kontrolliert auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin die Anwendung des Bundesrechts von Amtes wegen; an die Begründung der Begehren ist es nicht gebunden (Art. 114 Abs. 1 in fine OG; BGE 117 Ib 114 E. 4a S. 117, mit Hinweis). Es kann vorfrageweise Verordnungen des Bundesrats auf ihre Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit (BGE 120 Ib 97 E. 3a S. 102, mit Hinweisen) und auf ihre Übereinstimmung mit übergeordneten staatsvertraglichen Bestimmungen (vgl. BGE 118 Ib 277 E. 3b ![]() | 6 |
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b) Nach Art. 25 Abs. 2 lit. b SVG erlässt der Bundesrat Vorschriften über "ausländische Motorfahrzeuge und Fahrräder und ihre Führer sowie internationale Fahrzeug- und Führerausweise". Der revidierte Art. 45 Abs. 4 VZV (Änderung vom 7. März 1994, in Kraft seit 1. April 1994) hat folgenden Wortlaut:
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"Aberkannte ausländische Führerausweise werden bei der Behörde
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hinterlegt. Sie sind dem Berechtigten auszuhändigen:
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a) nach Ablauf der Aberkennungsfrist oder Aufhebung der Aberkennung;
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b) auf Verlangen beim Verlassen der Schweiz, wenn er hier keinen Wohnsitz
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hat. Bei unbefristeter Aberkennung kann die Ungültigkeit in der Schweiz
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vermerkt werden, wenn die Gefahr von Missbräuchen besteht."
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Während nach der entsprechenden alten Regelung ein aberkannter ausländischer Ausweis nicht in jedem Fall einzuziehen war (unveröffentlichtes Urteil vom 14. Oktober 1980 i.S. Sch., E. 2b), ist er nunmehr aufgrund der zitierten (revidierten) Bestimmung bei der Behörde zu hinterlegen und kann dem Berechtigten, solange er in der Schweiz Wohnsitz hat, nicht ausgehändigt werden.
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c) Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, es sei völkerrechtswidrig, wenn eine schweizerische Behörde einem italienischen Bürger verbieten wollte, mit einem von Italien ausgestellten Führerausweis in Italien zu fahren: Gemäss Art. 7 Abs. 4 des italienisch-schweizerischen Abkommens vom 19. September 1957 über den Motorfahrzeugverkehr und die Strassentransporte (SR 0.741.619.454; AS 1960 329 ff.) könne ein Vertragsstaat einen vom andern ausgestellten Führerausweis nur für sein Gebiet ungültig erklären. Nach Art. 42 Abs. 1 lit. a des Übereinkommens vom 8. November 1968 über den Strassenverkehr ("Wiener Übereinkommen"; für die Schweiz in Kraft seit dem 11. Dezember 1992; SR 0.741.10; AS 1993 402 ff.), dem Italien zwar nicht ![]() | 16 |
Das beschwerdeführende Bundesamt bringt demgegenüber vor, der umstrittenen Bestimmung stehe kein internationales Recht entgegen: Art. 42 Abs. 1 des "Wiener Übereinkommens" betreffe lediglich den Lenker ohne Wohnsitz in der Schweiz; diesem sei der aberkannte Führerausweis beim Verlassen der Schweiz wieder auszuhändigen, wie Art. 45 Abs. 4 VZV dies vorsehe. Weder das Übereinkommen noch das erwähnte Abkommen (von 1957), das Italien im übrigen auf den 31. Dezember 1969 "aufgekündet" habe, bestimme, was beim Wohnsitzwechsel des Führers aus dem Ausland mit dessen ausländischem Führerausweis zu geschehen habe, insbesondere wenn ein Entzugs- oder Aberkennungsgrund vorliege.
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b) Die umstrittene Verordnungsbestimmung kann sich - mit Bezug auf ihre Geltung über den schweizerischen Hoheitsbereich hinaus - weder auf die einschlägige Delegationsnorm (Art. 25 Abs. 2 lit. b SVG) noch auf anderes Bundesrecht der Gesetzes- oder Verfassungsstufe stützen (vgl. dagegen z.B. Art. 56 Abs. 2 SVG betreffend Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer). Die heikle Frage, in welchem Verhältnis derartiges ![]() | 19 |
c) Die Schweizer Behörden können somit dem Beschwerdegegner mangels (internationaler) Rechtsgrundlage nicht verbieten, mit seinem ausländischen Führerausweis im Ausland zu fahren. Sie können ihm wohl den aberkannten italienischen Ausweis während der Dauer seines Aufenthalts in der Schweiz abnehmen, müssen ihn aber wieder aushändigen, wenn er die Schweiz verlässt (vgl. BGE 102 Ib 290 E. 1 S. 292); das gilt auch dann, wenn der Aufenthalt in der Schweiz - wie hier - auf Wohnsitznahme beruht. Daran ändert nichts, dass die Regelung in Art. 45 Abs. 4 VZV auf Gründen der Gleichbehandlung aller Motorfahrzeugführer mit Wohnsitz in der Schweiz und solchen der Verkehrssicherheit beruht, wie das beschwerdeführende Bundesamt ausführt; sie vermag als rein landesrechtliche Norm die fehlende zwischenstaatliche Grundlage für einen Eingriff in italienische (oder andere ausländische) Hoheitsrechte nicht zu ersetzen.
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Der Regierungsrat des Kantons Luzern weist zutreffend darauf hin, dass die Verkehrssicherheit in der Schweiz nicht berührt ist, wenn ein (in der Schweiz aberkannter) ausländischer Führerausweis vom Inhaber mit Wohnsitz in der Schweiz im Ausland verwendet wird, und dass jene im betreffenden Staat in dessen alleinige Hoheit fällt. Das übersieht das Bundesamt, wenn es argumentiert, die Verkehrssicherheit könne nicht "an der Grenze ![]() | 21 |
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Das "Wiener Übereinkommen" sieht eine Anmerkung der Ungültigkeit explizit nur für internationale Führerscheine vor (Art. 42 Ziff. 1 lit. c). Das Bundesgericht hielt im unveröffentlichten Urteil vom 14. Oktober 1980 fest, die Aberkennung eines ausländischen Führerausweises für das Gebiet der Schweiz könne auch in nationale Ausweise eingetragen werden, wenn sich der Inhaber dieses Ausweises mit einer solchen Anmerkung ausdrücklich einverstanden erkläre (E. 2a; vgl. auch BGE 108 Ib 57 E. 3c S. 61). Der Beschwerdegegner hat vorliegend gegen einen entsprechenden Vermerk keine Einwendungen erhoben; er hat sich verpflichtet, "den in Italien erworbenen Führerschein in der Schweiz nie zu verwenden", und um Rückgabe des Dokuments gebeten. Das Vorgehen der Vorinstanz ist unter diesen Umständen nicht zu beanstanden: Der Führerausweis wurde dem Beschwerdegegner auf unbestimmte Zeit aberkannt und kann ihm während des Aufenthalts in der Schweiz abgenommen werden (oben E. 3c). Wie das Bundesgericht im erwähnten unveröffentlichten Urteil erwog, ist eine Ungültigerklärung des Ausweises durch Anmerkung und Stempelung der Urkunde zweckmässig, weil dadurch der betreffende ausländische Ausweis für das Gebiet der Schweiz unmittelbar entwertet wird. Die polizeiliche Kontrolle ist damit ebenso gut gewährleistet wie bei einer Einziehung; gleichzeitig wird dem Umstand ![]() | 23 |
5. a) Soweit Art. 45 Abs. 4 VZV generell vorschreibt, dass der aberkannte ausländische Führerausweis dem Berechtigten beim Verlassen der Schweiz nicht auszuhändigen ist, wenn er hier Wohnsitz hat (lit. b e contrario), verstösst er - mangels Rechtsgrundlage - gegen das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip.
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