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2. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. Januar 1996 i.S. Schweizerische Bundesbahnen gegen Primarschulgemeinde Rüthi und Mitb. und Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 11 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 lit. d EntG in Verbindung mit Art. 9 und Art. 7 Abs. 2 EntG; Verlegung einer elektrischen Leitung zum Schutze eines Kulturdenkmals. | |
Sachverhalt | |
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Die für den Bau der SBB-Übertragungsleitung und für die Verkabelung der SAK-Leitung erforderlichen Rechte wurden weitgehend freihändig erworben. Einzig mit den Eigentümern von drei in Rüthi gelegenen Parzellen konnten keine Vereinbarungen geschlossen werden. Nach Eröffnung eines sog. abgekürzten Enteignungsverfahrens erhob die Primarschulgemeinde Rüthi als Eigentümerin einer der betroffenen Parzellen gegen die Enteignung Einsprache. Die SBB ersuchten hierauf den Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 11, um vorzeitige Besitzeinweisung. An der Einigungsverhandlung vom 26. Oktober 1995 widersetzten sich die Enteigneten diesem Gesuch. Mit Verfügung vom 30. Oktober 1995 wies der Schätzungskommissions-Präsident das Begehren um vorzeitige Inbesitznahme der in der Gemeinde Rüthi zu enteignenden Rechte zur Zeit ab. Die SBB haben diese Verfügung mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten, die vom Bundesgericht gutgeheissen wird.
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Die SBB bringen ihrerseits vor, die SAK-Leitung sei nur zu verlegen, weil das bestehende SAK-Trassee zur Wahrung öffentlicher Interessen - nämlich aus Gründen des Landschafts- und Ortsbildschutzes - in Anspruch genommen werden müsse. Es gehe also nicht darum, der SAK irgendwelche neuen Rechte im Rahmen einer Gemeinschaftsleitung zu verschaffen, sondern es solle nur die bereits vorhandene Leitung in ihrer Funktion aufrechterhalten werden. Die SBB seien als Verursacher verpflichtet, die für die Ersatzvorkehr erforderlichen Durchleitungsrechte zu erwerben, wozu sie nach Art. 4 lit. d des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG; SR 711) auch das Enteignungsrecht ausüben dürften.
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Handelt es sich bei der umstrittenen Verkabelung wirklich um eine Massnahme im Sinne von Art. 4 lit. d EntG, so sind die SBB in der Tat gehalten, diese notfalls auf dem Enteignungswege selbst zu treffen.
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a) Nach Art. 4 lit. d EntG darf das Enteignungsrecht unter anderem für Vorkehren beansprucht werden, die zum Ersatz enteigneter Rechte oder zur Wahrung der öffentlichen Interessen erforderlich sind. Damit wird dem Enteigner die Möglichkeit verschafft, bei Inanspruchnahme von Grundstücken, die öffentlichen Zwecken dienen, oder bei Beeinträchtigung öffentlicher Interessen den in Art. 7 bis 10 EntG umschriebenen Ersatz- und Erhaltungspflichten nachzukommen (vgl. Art. 35 lit. b EntG). So dürfen nach Art. 7 Abs. 2 EntG jene Rechte enteignet werden, durch die die Fortbenützung von bestehenden öffentlichen Einrichtungen, wie Wege, Brücken oder Leitungen, sichergestellt werden kann, soweit diese durch den Bau oder ![]() | 6 |
Über Streitigkeiten betreffend die Art und den Umfang solcher Schutz- und Ersatzvorkehren sowie über die Frage, ob und inwieweit die Voraussetzungen für eine Enteignung überhaupt erfüllt seien, hat die zum Entscheid über die Einsprachen berufene Behörde zu befinden. Dagegen urteilt die Eidgenössische Schätzungskommission im Anschluss an den Einspracheentscheid darüber, ob trotz der Ersatzmassnahmen des Enteigners ein Schaden entstanden sei, wie die Eigentumsverhältnisse zu gestalten seien und wer für den Unterhalt aufzukommen habe (Art. 26 sowie Art. 64 lit. c und d EntG; vgl. BGE 116 Ib 241 E. 3a S. 246).
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b) Im vorliegenden Fall hatten die SBB ursprünglich geplant, ihre Übertragungsleitung längs der bestehenden Eisenbahnlinie westlich des St. Valentinsberg zu erstellen. Dadurch wäre die Pfarrkirche, die seit 1983 als Baudenkmal unter dem Schutz des Bundes steht, von Hochspannungsleitungen sozusagen umrahmt worden, da bereits die SAK-Leitung und eine 380/220kV-Leitung der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK) östlich des Schutzobjektes vorbeiführen. Die SBB sind daher im Plangenehmigungsverfahren auf die Einwendungen der Gemeinde Rüthi und des BUWAL hin aufgefordert worden abzuklären, ob ihre Leitung nicht auch auf die Ostseite, das heisst auf die "Rückseite" des Kirchenhügels verlegt werden könne, wobei zur Vermeidung einer Anhäufung von Leitungen die SAK-Leitung zu verkabeln sei. Die SBB haben hierauf ihr Projekt im fraglichen Bereich geändert und sehen, wie im Sachverhalt geschildert, die Erstellung ihrer Übertragungsleitung auf dem Trassee der nunmehr unterirdisch zu führenden SAK-Leitung vor.
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Aus diesem Sachverhalt ergibt sich, dass es sich bei der Verkabelung der SAK-Leitung nicht bloss um eine Ersatzvorkehr im Sinne von Art. 7 Abs. 2 EntG für eine durch das Werk beeinträchtigte Leitung handelt, deren Funktion es in erster Linie aufrechtzuerhalten gälte. Ausschlaggebend für ![]() | 9 |
c) Geht es demnach bei der Verkabelung der SAK-Leitung um eine Schutz- und Ersatzvorkehr im Sinne von Art. 4 lit. d EntG in Verbindung mit Art. 9 und 7 Abs. 2 EntG, müssen die SBB sie selbst vornehmen und dürfen hiezu auch das Enteignungsrecht ausüben. Dieses steht ihnen schon von Gesetzes wegen zu (Art. 3 Abs. 1 EBG). Einer Verleihung des Enteignungsrechtes an die SAK bedarf es nicht. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als begründet.
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