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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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30. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. April 1997 i.S. Schweizer Heimatschutz gegen Pilatus-Bahn-Gesellschaft und Gemeinderat Hergiswil sowie Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 22 Abs. 1 RPG und 24 RPG; Art. 6 NHG. Raumplanung und Umweltschutz - Bewilligung der Beleuchtungsanlage auf den Pilatusgipfeln (BLN-Objekt Nr. 1605). |
Die Scheinwerfer sind nicht als geringfügige Änderung der Bergstation zu betrachten, weshalb sie nicht gemäss Art. 24 Abs. 2 RPG bewilligt werden können (E. 4). |
Standortgebundenheit der Anlage bejaht (E. 5a). |
Bei der Beurteilung der ungeschmälerten Erhaltung eines BLN-Objekts ist von der Umschreibung von dessen Schutzgehalt auszugehen (E. 6a). Wird die Bewilligung der Beleuchtung an Bedingungen und Auflagen geknüpft, wird vom Grundsatz der ungeschmälerten Erhaltung der Landschaft nicht wesentlich abgewichen. Die vom Inventarschutz auch erfassten Aspekte der Sagenumwobenheit und der Aussichtsfunktion des Pilatus werden durch die Beleuchtung hervorgehoben (E. 6d). Vom Bundesgericht verfügte zusätzliche Einschränkungen der Beleuchtungszeit (E. 6e). |
Keine präjudizielle Wirkung für die grossflächige Beleuchtung anderer Berggipfel, da sich der Pilatus in verschiedener Hinsicht wesentlich von solchen unterscheidet (E. 7). | |
Sachverhalt | |
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"Der Beginn der Beleuchtung ist der jeweiligen Dämmerungszeit anzupassen. Die Dauer der Beleuchtung ist auf maximal 2 Stunden pro Nacht zu begrenzen.
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Zwischen der Betriebseinstellung der Zahnradbahn, spätestens jedoch ab Ende November, und bis Mitte März darf die Beleuchtung nur an Samstagen und Sonntagen sowie an einzelnen ausserordentlichen Anlässen betrieben werden.
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Bei Nebel und tiefhängenden Wolken darf nicht beleuchtet werden. Der Beleuchtungsbeginn und das Ende haben in gestaffelter zeitlicher Reihenfolge innerhalb minimum 5 Minuten zu erfolgen.
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Sollten wider Erwarten auf die Tierwelt negative Auswirkungen festgestellt werden, wird auf vorliegende Bewilligung zurückgekommen.
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Veränderungen der Beleuchtung (Lichtstärke, Farbe, Intensität, Zeitdauer, Flächenbestrahlung) sind nicht erlaubt resp. müssten wiederum raumplanerisch beurteilt werden.
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Die Baudirektion behält sich das Recht vor, bei Nichteinhaltung obiger Bedingungen und Auflagen vorliegende Bewilligung zu entziehen."
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Gegen diese Bewilligung erhob der Schweizer Heimatschutz Beschwerde an den Nidwaldner Regierungsrat. Dieser wies am ![]() | 8 |
Mit Urteil vom 12. Dezember 1994 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden die vom Schweizer Heimatschutz gegen diesen Regierungsratsbeschluss erhobene Beschwerde ab.
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Gegen dieses Urteil reichte der Schweizer Heimatschutz am 14. Februar 1995 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht ein. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Beleuchtung des Pilatus sowie die dazu erforderliche Anlage seien als unzulässig zu bezeichnen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut
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aus folgenden Erwägungen: | |
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Bauten und Anlagen im Sinne von Art. 22 Abs. 1 RPG sind jene künstlich geschaffenen und auf Dauer angelegten Einrichtungen, die in fester Beziehung zum Erdboden stehen und geeignet sind, die Vorstellung über die Nutzungsordnung zu beeinflussen, sei es, dass sie den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen (BGE 120 Ib 379 E. 3c mit Hinweisen). Dazu gehören gemäss bundesgerichtlicher Praxis auch Fahrnisbauten, welche über nicht unerhebliche Zeiträume ortsfest verwendet werden (BGE 119 Ib 222 E. 3a; BGE 118 Ib 1 E. 2c je mit Hinweis[en]). Die Baubewilligungspflicht soll der Behörde ermöglichen, das Bauprojekt - in bezug auf seine räumlichen Folgen - vor seiner Ausführung auf die Übereinstimmung mit der raumplanerischen Nutzungsordnung und der übrigen einschlägigen Gesetzgebung zu überprüfen (BGE 119 Ib 222 E. 3a). Obwohl die ![]() | 13 |
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Fünf Scheinwerfer der Beleuchtungsanlage sind an der Aussenfassade der Bergstation, zwei auf einer Felsrippe und zwei an einem Fliegermarkierseil montiert. Es mag zutreffen, dass diese ![]() | 15 |
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a) Die Standortgebundenheit darf nach der bundesgerichtlichen Praxis zu Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG nur dann bejaht werden, wenn eine Baute aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist, oder wenn ein Werk aus bestimmten Gründen in einer Bauzone ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzungen beurteilen sich nach objektiven Massstäben, auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des einzelnen kommt es dabei nicht an (BGE 119 Ib 442 E. 4a; BGE 118 Ib 17 E. 2b, je mit Hinweisen). Die umstrittenen Scheinwerfer sind standortgebunden, d.h. aus technischen Gründen auf einen Standort auf dem Pilatusgipfel und somit ausserhalb der Bauzone angewiesen (Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG). Es liegt in der Natur der Sache, dass die Beleuchtung der Pilatusgipfel auf den Standort in und um die Installationen der in der touristischen ![]() | 17 |
b) aa) Zu prüfen ist, ob der Beleuchtungsanlage überwiegende Interessen im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG entgegenstehen. Als solche kommen die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Interessen des Naturschutzes in Betracht. Er rügt, durch die Beleuchtung würden das Landschaftsbild und die Flora beeinträchtigt. Abgesehen davon, dass der zweite Einwand den Begründungsanforderungen gemäss Art. 108 Abs. 3 OG kaum genügt, erweist er sich im übrigen als unbegründet. Zum einen macht der Beschwerdeführer nicht geltend, die bereits seit 1991 betriebene Beleuchtung der beiden felsigen Gipfel habe zu Schäden der Flora geführt; solche ergeben sich auch nicht aus den Akten oder dem Augenschein. Zum andern insistiert auch das BUWAL in seiner Beschwerdevernehmlassung in diesem Punkt nicht, genausowenig wie hinsichtlich einer Beeinträchtigung der Fauna.
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bb) Der Beschwerdeführer beruft sich weiter auf die Schutzwürdigkeit der Landschaft des Pilatusgipfels und macht geltend, diese werde durch die Abend- und Dämmerbeleuchtung vom frühen Frühlingsbeginn bis zum Spätherbst beeinträchtigt.
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Da der Pilatus als Objekt Nr. 1605 im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (Verordnung vom 10. August 1977 über das BLN-Inventar [VBLN; SR 451.11], Anhang Ziffer 1605) verzeichnet ist, holte die Baudirektion gemäss Art. 7 NHG (SR 451) ein Gutachten bei der ENHK ein. Diese beantragte, die Beleuchtung sei nicht zu bewilligen. Die Baudirektion setzte sich in ihrem Bewilligungsentscheid mit dem Gutachten auseinander und räumte ein, die grossflächige Erhellung des Pilatus könne als Fremdkörper in Erscheinung treten. Sie erachtete es auch als problematisch, wenn der Pilatus in Winternächten zwischen 22.00 Uhr und 24.00 Uhr beschienen werde, da dieses Konzept den natürlichen Gegebenheiten (jahreszeitlicher Verlauf; Übergang Dämmerung/Nacht usw.) und den Lebensgewohnheiten von Menschen und Tieren nicht gerecht werde. Anderseits anerkannte die Baudirektion den Pilatus als touristisches Wahrzeichen für die Stadt und Region Luzern, dessen Beleuchtung aus der Sicht des Tourismus eine Bereicherung darstelle. Um zwischen den sich widerstreitenden Interessen einen Ausgleich zu finden, knüpfte sie die Bewilligung an verschiedene Auflagen und Bedingungen, wonach insbesondere der Beginn der Beleuchtung der jeweiligen Dämmerungszeit ![]() | 20 |
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"Unvermittelt aus dem Flachland aufragende Felsbastion der nördlichen Kalkalpen. Vielfältige Pflanzenwelt verschiedener Höhenstufen mit Hochmooren, Bergföhrenwäldern und reicher Felsflora. Sagenumwobenes Gebiet.
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Aussichtsberg von internationalem Ruf."
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An diesen Komponenten des Schutzgehalts hat sich die Gewichtung des vorliegend zu beurteilenden Eingriffs durch die Beleuchtung zu orientieren.
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b) Das Bundesgericht hatte sich schon verschiedentlich mit dem für BLN-Objekte verlangten Schutz der ungeschmälerten Erhaltung zu befassen. In BGE 114 Ib 81 ging es um eine Wasserskianlage mit Sprungschanze in der Chamer Bucht des Zugersees. Nach Ansicht des Bundesgerichts wäre mit der Bewilligung dieser Anlage von der von ![]() | 25 |
c) Allen diesen Entscheiden ist gemeinsam, dass es um bauliche Massnahmen ging, mit welchen in ein BLN-Objekt eingegriffen werden sollte. Einmal bewilligt, waren bzw. wären diese Landschaften mit dem betreffenden Eingriff nicht mehr in ihrem natürlichen Erscheinungsbild sicht- bzw. erlebbar. Eine nächtliche Beleuchtung unterscheidet sich wesentlich von solchen baulichen Veränderungen. Einerseits wird in das geschützte Objekt körperlich nicht eingegriffen und anderseits ist bei Tageslicht das Erscheinungsbild des geschützten Objekts in keiner Weise tangiert. Durch die Beleuchtung wird nur das natürliche Landschaftsbild des Pilatusgipfels im Anschluss an die Dämmerung akzentuiert und in der Dunkelheit zeitweise sichtbar gemacht.
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d) Die Beleuchtung der beiden Pilatusgipfel tritt, wie der Augenschein vom 30. September 1996 gezeigt hat, deutlich in Erscheinung. Es ist nachvollziehbar, dass das Licht, das sich von den vielen andern Beleuchtungen in der Luzerner Bucht und auf den umliegenden Bergen u.a. durch seine weisse, kalte Farbe unterscheidet, als störend empfunden, bzw. als "Verdinglichung der Natur" im Gegensatz zum Eigenwert der Landschaft betrachtet werden kann. Bei der Beurteilung der Beleuchtung ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die ursprünglichen Konturen der Berggipfel während den Beleuchtungszeiten nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form hervortreten, sondern vielmehr als künstlich wirkende, etwas gespensterhafte ![]() | 27 |
Wie die Beschwerdegegnerin am Augenschein darlegte, wurde im regenreichen Sommer 1996 die Beleuchtung von Mai bis 30. September nur ca. fünfmal eingeschaltet. Als wesentlich erscheint, dass die Beleuchtung eher eine Ausnahme und nicht die Regel darstellen darf. Mit einer entsprechend restriktiven zeitlichen Beschränkung kann gewährleistet werden, dass auch im Sommer in schönen und (mond)klaren Nächten die Silhouette der Gipfellandschaft sowie die natürliche Dämmerung ohne Beleuchtung erlebbar bleiben. Wird diese Möglichkeit gewahrt, so wird von der ungeschmälerten Erhaltung der Landschaft des Pilatus, insbesondere von dem auch zum natürlichen Landschaftsbild gehörenden Wechsel von Tag und Nacht, nicht wesentlich abgewichen. Bei klar eingeschränkten Betriebszeiten für die Beleuchtung kann somit nicht von einer gemäss Art. 6 NHG massgeblichen Beeinträchtigung des BLN-Schutzzwecks die Rede sein. Die zeitweise Beleuchtung der beiden Pilatusgipfel hat keinen nennenswerten Einfluss auf Fauna und Flora. Sie schmälert auch weder die Aussichtsfunktion des Pilatus noch dessen Sagenumwobenheit. Die letzten beiden Aspekte des Inventarschutzes werden durch die Beleuchtung vielmehr noch hervorgehoben bzw. in Erinnerung gerufen. Abgesehen davon würden als allfällige geringfügige Nachteile betrachtete Veränderungen wohl ausgeglichen durch anderweitige Vorteile, vorliegend v.a. durch das Hervorheben der ebenfalls im Schutzziel genannten kulturgeschichtlich bedeutsamen Sagenhaftigkeit sowie der touristischen Bedeutung des Pilatus als Aussichtsberg und den mit dieser Attraktion verbundenen Impulsen für den Fremdenverkehr. Der Pilatus ist im übrigen seit Jahrzehnten dem Tourismus erschlossen ![]() | 28 |
e) Die bereits von der Bewilligungsbehörde vorgenommene In-teressenabwägung ist aufgrund der obgenannten Argumente nicht grundsätzlich anders zu gewichten: Hingegen ist durch eine zusätzliche Beschränkung der Häufigkeit der Beleuchtung eine tägliche Beleuchtung zu verhindern. Dass die Beleuchtung nicht an jedem schönen Abend eingeschaltet und das unbeleuchtete Panorama weiterhin erlebbar sein soll, kann wie folgt gewährleistet werden: Zusätzlich zu den bereits verfügten Bedingungen und Auflagen wird angeordnet, dass während der Sommersaison nicht häufiger als an drei Abenden pro Woche beleuchtet werden darf, wobei sich nicht zwei Abende mit Beleuchtung folgen dürfen. Bei zwei aufeinander folgenden schönen Abenden bleibt somit einmal die unbeleuchtete Silhouette des Pilatus sichtbar. Im übrigen ist klar festzulegen, dass die Scheinwerfer nur im Anschluss an die (abgeschlossene) Dämmerung und nur in gestaffelter Reihenfolge (innerhalb von minimal fünf Minuten) eingeschaltet werden dürfen. Mit diesen Auflagen wird gewährleistet, dass das Naturschauspiel der Dämmerung, insbesondere der farblichen Veränderungen der Berggipfel während den Dämmerungsphasen nicht beeinträchtigt wird sowie dass es nicht zu einer störenden schockartigen Erhellung des Pilatusgipfels kommt, die Beleuchtung vielmehr "sanft" an die Dämmerung anschliesst.
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