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32. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Juli 1997 i.S. H. gegen Bundesamt für Polizeiwesen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Auslieferung an Deutschland; Alibibeweis, Art. 53 IRSG; Art. 3 EMRK. |
Voraussetzungen, unter denen die Garantien von Art. 3 EMRK einer Auslieferung entgegenstehen (E. 2d). | |
Sachverhalt | |
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Am 4. Februar 1997 erliess das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) gegen H. einen Auslieferungshaftbefehl, dies gestützt auf einen Haftbefehl des Amtsgerichts Landshut/D vom 4. Juli 1996 wegen Diebstahls, begangen am 12. November 1995 in Velden/A und am 18. November 1995 in Feldkirchen/A. Mit Beschwerde vom 7. Februar 1997 beantragte H. der Anklagekammer des Bundesgerichts, seine Auslieferung nach Deutschland abzulehnen und ihn aus der Haft zu entlassen. Mit Entscheid vom 20. Februar 1997 wies die Anklagekammer die Beschwerde ab, soweit auf sie einzutreten war.
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Am 17. März 1997 wurde der Verfolgte im Zusammenhang mit dem Auslieferungsbegehren einvernommen. Er erklärte, an sich bereit zu sein, freiwillig in jedes der Bundesländer Deutschlands zu gehen, nicht aber nach Bayern, da er, falls er dort in den Vollzug käme, gemäss bereits erhaltenen Drohungen um sein Leben zu fürchten oder schwere Misshandlungen zu erwarten hätte, nachdem er der Anstaltsleitung im Gefängnis in der Schweiz vertrauliche Informationen darüber habe zukommen lassen, wie eine im Strafvollzug tätige ausländische Drogenbande aufgehoben werden könne. Mit einer vereinfachten Auslieferung im Sinne von Art. 54 IRSG (SR 351.1) sei er also nur einverstanden, wenn er nicht an die Justiz des Bundeslandes Bayern ausgeliefert werde, da er kein Vertrauen in die dortige Justiz habe. Unter diesen Umständen sah das BAP von einer vereinfachten Auslieferung ab.
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Mit Eingabe vom 14. April 1997 wandte sich auch der dem Verfolgten beigeordnete amtliche Anwalt gegen eine Auslieferung.
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Am 25. April 1997 bewilligte das BAP die Auslieferung an Deutschland für die dem Begehren vom 6. März 1997 zugrundeliegenden Straftaten.
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Mit Eingabe vom 28. Mai 1997 erhob H. Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Begehren, der Entscheid vom 25. April 1997 sei aufzuheben; er, H., sei aus der Auslieferungshaft zu entlassen, und es sei ihm die Ausreise zu seiner Lebensgefährtin nach Tschechien zu bewilligen, vorzugsweise per Flugzeug.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
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aus folgender Erwägung: | |
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Der Beschwerdeführer selber hätte sich denn auch mit einer vereinfachten Auslieferung nach Art. 54 IRSG einverstanden erklärt ![]() | 10 |
b) Das Bundesgericht ist grundsätzlich an die Sachdarstellung im Auslieferungsbegehren gebunden. Es ist Aufgabe des ausländischen Sachrichters, sich über das Bestehen dieser Tatsachen und über die Schuld des Verfolgten auszusprechen. Ausnahmen von diesem Grundsatz rechtfertigen sich nur, wenn es darum geht, einer offensichtlich unschuldigen Person die Unbill des Strafverfahrens zu ersparen (BGE 122 II 373 E. 1c; BGE 109 Ib 60 E. 5a und 317 E. 11b).
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Solche Zweifel sind hier nicht zum vornherein von der Hand zu weisen, zumal die vom Beschwerdeführer zu den Akten gegebenen Bestätigungen von ihm nahestehenden Bezugspersonen abgegeben worden sind und nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich dabei um blosse Gefälligkeitserklärungen handelt.
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Abgesehen davon treffen die genannten Voraussetzungen im vorliegenden Fall aber ohnehin auch deswegen nicht zu, weil das Auslieferungsbegehren verschiedene Tatvorwürfe enthält und ein Alibi nur für einen Teil dieser Vorwürfe geltend gemacht wird, nämlich nur für die in der Zeit vom 12.-18. November 1995 verübten Delikte, nicht aber für diejenigen, die den ebenfalls Gegenstand des Auslieferungsbegehrens bildenden zwei Urteilen zugrundeliegen. Ein bloss partieller Alibibeweis, also ein solcher, der sich nur auf einen Teil des Auslieferungsersuchens bezieht, ist unerheblich, wie die Vorinstanz zu Recht erwogen hat (s. nicht publizierte Urteile des Bundesgerichts vom 19. Februar 1996 i.S. M., vom 17. November 1994 i.S. G.).
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Die Rüge der Verletzung von Art. 53 IRSG geht unter diesen Umständen fehl. Weitere Abklärungen im Sinne dieser Bestimmung sind nicht vorzunehmen.
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Auch ist unter den dargelegten Umständen nicht ersichtlich, inwiefern der vom Beschwerdeführer kritisierte Haftbefehl vom 4. Juli 1996 ungültig sein soll.
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c) Wie das BAP sodann zutreffend festgestellt hat, ist hier unerheblich, wie schwerwiegend die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte sind bzw. wie hoch die noch zu verbüssende Reststrafe ![]() | 17 |
d) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bildet dessen momentaner Gesundheitszustand unter dem Gesichtswinkel von Art. 37 IRSG keinen Grund, um die von Deutschland verlangte Auslieferung verweigern zu können. Die Schweiz hat die sich aus dem hier in erster Linie anwendbaren Staatsvertragsrecht ergebenden Verpflichtungen einzuhalten (s. insbesondere auch Art. 1 EAUe). Soweit Art. 37 IRSG den in einem Fall wie dem vorliegenden massgebenden staatsvertraglichen Bestimmungen widerspricht, ist er nicht anwendbar (s. BGE 122 II 485 ff.).
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Auch aus der vom Beschwerdeführer im weiteren angerufenen Bestimmung von Art. 3 EMRK lässt sich - entgegen seiner Auffassung - kein Anspruch entnehmen, nicht ausgewiesen oder nicht ausgeliefert zu werden (BGE 117 Ib 210 E. 3b/cc, s. auch nicht publizierte Urteile des Bundesgerichts vom 21. April 1997 i.S. P., vom 5. November 1996 i.S. S.). Bei drohender Ausweisung oder Auslieferung kann zwar allenfalls die Anwendbarkeit von Art. 3 EMRK in Frage kommen, dies aber in der Regel auch nur dann, wenn die Gefahr besteht, dass der Betroffene im Verfolgerstaat einer Strafe oder Behandlung ausgesetzt wird, welche die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung erreicht und daher ![]() | 19 |
Aussergewöhnliche familiäre Verhältnisse im Lichte von Art. 8 EMRK, welche nach der Rechtsprechung einer Auslieferung ausnahmsweise entgegenstehen könnten (s. nicht publizierte E. 3e von BGE 122 II 485 ff.), werden vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Auch in andern Fällen, die nicht derart besonders gelagert waren wie die soeben zitierte Rechtsprechung, vermochten geltend gemachte Suizidgefahr oder ein Hungerstreik des Verfolgten keinen Einfluss auf ein hängiges Auslieferungsverfahren bzw. auf eine allfällige Auslieferung zu haben (s. etwa nicht publizierte Urteile des Bundesgerichts vom 21. April 1997 i.S. P., vom 5. November 1996 i.S. S., vom 17. Januar 1992 i.S. L.).
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e) Sind demgemäss die Auslieferungsvoraussetzungen erfüllt, so ist die Schweiz staatsvertraglich verpflichtet, dem deutschen Begehren stattzugeben (Art. 1 EAUe), zumal der ersuchende Staat seinerseits weder sein Begehren fallengelassen noch ein Strafübernahmeersuchen bzw. Vollstreckungsbegehren an die Schweiz gerichtet hat.
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Im Sinne der vorstehenden Erwägungen hat das BAP dafür besorgt zu sein, dass dem derzeit schlechten Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und den von diesem geäusserten Befürchtungen beim Vollzug der Auslieferung wie auch hernach, im Verlaufe des weiteren Verfahrens in Deutschland, angemessen Beachtung geschenkt wird.
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