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35. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. März 1997 i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen Schweizerischen Hotelierverein, A. Hotel und B. Restaurationsbetriebe AG (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 2 lit. h ÜbBest. BV; Art. 30 Abs. 2 MWSTV; Beschränkung des Vorsteuerabzugsrechts auf Ausgaben für Unterkunft, Verpflegung, Getränke und Geschäftsreisen. |
Regelung des Vorsteuerabzugsrechts (E. 4) und Grundzüge des Mehrwertsteuerrechts (E. 5). |
Ein Vorsteuerabzugsrecht besteht nur für Ausgaben mit geschäftlichem Charakter, wobei weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Das Vorsteuerabzugsrecht geht als Prinzip dem Grundsatz der Besteuerung des Endverbrauchs nicht vor (E. 6). |
Endverbrauch kann auch bei Ausgaben mit geschäftlichem Charakter vorliegen. Vergleich mit ausländischen Rechtsordnungen. Der den Ausgaben mit geschäftlichem Charakter für Unterkunft, Verpflegung, Getränke und Geschäftsreisen innewohnende Anteil an Endverbrauch rechtfertigt es, das Vorsteuerabzugsrecht auf diesen Ausgaben zu beschränken (E. 7, 9). |
Art. 30 Abs. 2 MWSTV stellt eine Pauschalregelung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 lit. l ÜbBest. BV dar (E. 8). | |
Sachverhalt | |
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Mit Entscheid vom 1. März 1995, bestätigt auf Einsprache hin am 30. Juni 1995, stellte die Eidgenössische Steuerverwaltung fest, dass die Gesuchsteller auf Ausgaben für Unterkunft, Verpflegung, Getränke und Beförderung bei Geschäftsreisen des Steuerpflichtigen und seines Personals einen allfälligen Vorsteuerabzug nur im Umfang von 50 Prozent der darauf entfallenden Steuerbeträge geltend machen können.
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Die Eidgenössische Steuerverwaltung führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Begehren, der Entscheid der Eidgenössischen Steuerrekurskommission sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Beschwerdegegner ab 1. Januar 1995 auf Ausgaben für Verpflegung und Getränke einen allfälligen Vorsteuerabzug nur im ![]() | 4 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Begehren der Eidgenössischen Steuerverwaltung gut.
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Aus den Erwägungen: | |
6 | |
a) Bei der Mehrwertsteuerverordnung handelt es sich um eine selbständige, d.h. direkt auf der Verfassung beruhende Verordnung des Bundesrates. Sie stützt sich auf Art. 8 Abs. 1 ÜbBest. BV und stellt gesetzesvertretendes Recht dar, bis der Gesetzgeber das Mehrwertsteuerrecht geregelt hat.
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In BGE 123 II 16 E. 3 hat das Bundesgericht die Grundsätze aufgestellt, nach denen es die Mehrwertsteuerverordnung überprüft. Selbständige Verordnungen des Bundesrates sind daraufhin zu kontrollieren, ob sie mit den sachbezogenen Vorgaben der Verfassungsvorschrift, auf welcher sie beruhen, harmonieren. Bei der Mehrwertsteuerverordnung ist somit zu prüfen, ob der Bundesrat die in Art. 8 ÜbBest. BV (und Art. 41ter Abs. 1 lit. a und Abs. 3 BV) enthaltenen Grundsätze beachtet und sich an Gegenstand, Zweck und Umfang der ihm eingeräumten Kompetenz gehalten hat. Darüber hinaus ist zu untersuchen, ob die Verordnung nicht mit sonstigen Verfassungsnormen, besonders den Grundrechtsgarantien, kollidiert, soweit die ermächtigende Verfassungsnorm nicht selbst Abweichungen anordnet oder bewusst in Kauf nimmt.
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Zu beachten ist besonders, dass dem Bundesrat - im Rahmen der ihm vom Verfassungsgeber übertragenen Kompetenz - der gleiche ![]() | 9 |
b) Im übrigen überprüft das Bundesgericht die Anwendung des Bundesrechts frei. In diesem Rahmen befindet es auch über die Auslegung der Vorschriften der bundesrätlichen Verordnung durch die Vorinstanzen und darüber, ob das Auslegungsergebnis mit den sachbezogenen Vorgaben der Verfassung übereinstimmt.
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Art. 8 Abs. 1 ÜbBest. BV beauftragt den Bundesrat, in Abweichung von Art. 41ter Abs. 6 BV die Ausführungsbestimmungen zur Umsatzsteuer nach Art. 41ter Abs. 1 lit. a und Abs. 3 BV, die bis zum Inkrafttreten der Bundesgesetzgebung gelten, zu erlassen. Art. 8 Abs. 2 ÜbBest. BV enthält sodann die weiteren Grundsätze, welche der Bundesrat für die Ausführungsbestimmungen zu beachten hat. Abs. 2 lit. h bestimmt:
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2 Für die Ausführungsbestimmungen gelten die folgenden Grundsätze:
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h. Der Steuerpflichtige schuldet die Steuer auf seinem steuerbaren Umsatz; verwendet er die ihm gelieferten Gegenstände und die ihm erbrachten Dienstleistungen für steuerbare Umsätze im In- oder Ausland, so kann er in seiner Steuerabrechnung von der von ihm geschuldeten Steuer als Vorsteuer abziehen:
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1. die von anderen Steuerpflichtigen auf ihn überwälzte und
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2. die auf der Einfuhr von Gegenständen oder auf dem Bezug von Dienstleistungen aus dem Ausland entrichtete Steuer;
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3. 1,9 Prozent des Preises der Urprodukte, die er von nicht steuerpflichtigen Unternehmen nach Buchstabe d Ziffer 3 bezogen hat.
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Gestützt auf Art. 8 ÜbBest.BV hat der Bundesrat am 22. Juni 1994 die Mehrwertsteuerverordnung erlassen. Deren Art. 30 Abs. 2 in der bis 31. Dezember 1995 geltenden Fassung lautete:
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2 Vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen sind 50 Prozent der Steuerbeträge auf Ausgaben für:
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a. Unterkunft, Verpflegung und Getränke;
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b. Die Beförderung bei Geschäftsreisen des Steuerpflichtigen und seines Personals;
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c. ...
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Am 18. September 1995 hat der Bundesrat Art. 30 Abs. 2 MWSTV mit Wirkung ab 1. Januar 1996 wie folgt geändert (AS 1995 4669):
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2 Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind 50 Prozent der Steuerbeträge auf Ausgaben für Verpflegung und Getränke.
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b) Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass nur Ausgaben mit "geschäftlichem Charakter" zum Vorsteuerabzug berechtigen können. Das ergibt sich aus den vorbereitenden Arbeiten zu den Verfassungsartikeln, wo darauf hingewiesen wird, dass auf Ausgaben für Zwecke ausserhalb des steuerpflichtigen Unternehmens, also vor allem für den Privatverbrauch oder -gebrauch oder für eine der Steuer nicht unterliegende Unternehmenstätigkeit sowie für eindeutige Konsumausgaben, Luxusausgaben und Repräsentationsaufwendungen, der Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht werden kann (Bericht Matthey, Amtl.Bull. N 1993 331, 336, [französisch] 339, 344), und folgt eindeutig aus dem letzten Satz von Art. 8 Abs. 2 lit. h ÜbBest. BV: "Für Ausgaben, die keinen geschäftlichen Charakter haben, besteht kein Vorsteuerabzugsrecht." Das ist zwischen den Parteien nicht streitig.
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Fraglich ist indes, ob aus Art. 8 Abs. 2 lit. h letzter Satz ÜbBest. BV durch Umkehrschluss abgeleitet werden kann, dass für alle Ausgaben mit "geschäftlichem Charakter" ein Vorsteuerabzugsrecht besteht. Die Vorinstanz und die Beschwerdegegner bejahen diese Frage. Nach ihrer Ansicht belastet die Mehrwertsteuer nur den privaten Verbrauch (einschliesslich den Privatverbrauch im Rahmen von Privatbezügen und Privatanteilen). Die Vorinstanz hat deshalb Art. 30 Abs. 2 (lit. a und b) MWSTV, der das Vorsteuerabzugsrecht auf Ausgaben für Verpflegung, Unterkunft, Getränke und Beförderung bei Geschäftsreisen des Steuerpflichtigen und seines Personals ![]() | 27 |
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b) Ein modernes Verbrauchssteuersystem - wie die Mehrwertsteuer - muss nach Möglichkeit neutral sein in seinen Auswirkungen auf die Wettbewerbsverhältnisse (Grundsatz der Wettbewerbsneutralität), es darf nur den Verbrauch im Inland belasten (sog. Bestimmungslandprinzip) und muss das Gleichbehandlungsgebot ![]() | 29 |
Soll die Mehrwertsteuer den Endverbrauch belasten, muss der Steuerpflichtige zudem die Vorsteuern ausnahmslos abziehen können. Das Vorsteuerabzugsrecht beschränkt sich deshalb nicht auf den Einkauf von Handelswaren und Werkstoffen, es darf vielmehr auch beim Bezug von Investitions- und Anlagegütern sowie Betriebsmitteln ausgeübt werden. Damit wird die Steuerkumulation, die sogenannte "taxe occulte" der bisherigen Warenumsatzsteuer, weitgehend vermieden. Da jedoch der Abzug der Vorsteuer ausgeschlossen ist für Gegenstände und Dienstleistungen, die für nicht steuerbare Umsätze des Unternehmens (vgl. besonders Art. 8 Abs. 2 lit. b ÜbBest.BV, Art. 14 MWSTV) oder für private Zwecke verwendet werden, bleibt eine "taxe occulte" im Umfang der von der Steuer ausgenommenen Umsätze weiterhin bestehen.
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Auf diesen Gesichtspunkt wurde bereits bei den vorbereitenden Arbeiten zu den Verfassungsartikeln hingewiesen (Amtl.Bull. N 1993 330 f., 338 f.). Er muss auch bei der Auslegung von Art. 41ter Abs. 1 lit. a und Abs. 3, Art. 8 Abs. 2 lit. h ÜbBest. BV sowie Art. 30 Abs. 2 MWSTV beachtet werden.
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6. Die Vorinstanz erachtet die Beschränkung des Vorsteuerabzugsrechts auf den in Art. 30 Abs. 2 (lit. a und b) MWSTV genannten Geschäftsspesen (für Unterkunft, Verpflegung, Getränke und Beförderung bei Geschäftsreisen) als verfassungswidrig. Sie argumentiert vor allem mit der Systematik und den Prinzipien der Mehrwertsteuer, die als Verbrauchssteuer den privaten Verbrauch (und nur diesen) belaste. Werde für einzelne geschäftliche Ausgaben das ![]() | 32 |
a) Art. 8 Abs. 2 lit. h ÜbBest. BV legt als Grundsatz fest, unter welchen Voraussetzungen ein Vorsteuerabzugsrecht besteht: Die Vorsteuer kann auf Gegenständen und Dienstleistungen nur abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige sie für steuerbare Umsätze im In- und Ausland verwendet. Für Ausgaben ohne geschäftlichen Charakter besteht kein Vorsteuerabzugsrecht (Art. 8 Abs. 2 lit. h letzter Satz ÜbBest. BV). Es handelt sich um eine negative Voraussetzung, die ein Vorsteuerabzugsrecht nicht entstehen lässt. Dies hat die Vorinstanz mit Recht erkannt.
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Das bedeutet indessen nicht, dass Ausgaben mit geschäftlichem Charakter ohne weiteres zum Vorsteuerabzug berechtigen. Anspruch auf Vorsteuerabzug haben nur diejenigen Unternehmen, die der Mehrwertsteuerpflicht unterstehen und als solche registriert sind. Das folgt klar aus dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 lit. h ÜbBest. BV ("Der Steuerpflichtige ...") und entspricht dem System der Mehrwertsteuer als Allphasensteuer mit Vorsteuerabzug (vgl. dazu HEINZ KELLER, Vorsteuerabzug, ASA 63 S. 424 ff.).
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Damit ein Vorsteuerabzugsrecht besteht, ist zudem erforderlich, dass die mit der Vorsteuer belasteten Gegenstände oder Dienstleistungen für "steuerbare Umsätze" verwendet werden, wie sich aus Art. 8 Abs. 2 lit. h ÜbBest. BV ausdrücklich ergibt. Geschäftlich begründete Ausgaben, die nicht im Zusammenhang mit steuerbaren Lieferungen stehen, berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug. Das ist beispielsweise der Fall für alle Ausgaben, die im Hinblick auf von der Steuer ausgenommene Umsätze getätigt werden (Art. 8 Abs. 2 lit. b ÜbBest. BV, Art. 14 MWSTV). Gleich verhält es sich bei geschäftlichen Ausgaben für Leistungen, die von einem der Steuer unterstellten bei einem der Steuer nicht unterstellten Unternehmen angefordert werden (mit Ausnahme der bei nicht steuerpflichtigen Urproduzenten und Viehhändlern bezogenen Erzeugnisse, Art. 8 Abs. 2 lit. h Ziff. 3 ÜbBest. BV, Art. 29 Abs. 4 MWSTV), sowie für die Gesamtheit der geschäftlichen Ausgaben eines nicht der Steuer unterstellten Unternehmens (Art. 19 MWSTV). Verwendet der Steuerpflichtige Gegenstände oder Dienstleistungen sowohl für Zwecke, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für andere Zwecke, so ist der Vorsteuerabzug nach dem Verhältnis der Verwendungen zu kürzen (Art. 32 Abs. 1 MWSTV).
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b) Die Vorinstanz beruft sich für die Umschreibung der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgaben mit "geschäftlichem Charakter" auf das Recht der direkten Bundessteuer und den dort verwendeten Begriff der "geschäftsmässig begründeten Aufwendungen" (vgl. Art. 27 Abs. 1 und 58 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer, DBG, SR 642.11).
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Dieser Vergleich weckt Bedenken. Auch wenn sich die Begriffe teilweise überschneiden, lassen sich daraus keine Anhaltspunkte für die Bestimmung des Umfangs der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgaben gewinnen. Den beiden Steuern liegen unterschiedliche Besteuerungsziele zugrunde. Die direkte Bundessteuer erfasst das reine Einkommen bzw. den Reinertrag, der Massstab für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmung bildet. Im Rahmen dieser Steuer gehören zu den Gewinnungskosten der Unternehmung alle Aufwendungen, die weder zum Erwerb aktivierungspflichtiger Wirtschaftsgüter oder zur Schuldenzahlung bestimmt sind, noch Privatentnahmen oder verdeckte (und offene) Gewinnausschüttungen darstellen. Ferner gehören die Abschreibungen und Rückstellungen dazu (ERNST HÖHN, Steuerrecht, 7. Aufl. 1993, § 15 Rz. 81, S. 245 f.). Diese Begriffsumschreibung ist für die Mehrwertsteuer offensichtlich nicht geeignet. Wie namentlich Reich hervorhebt, belastet die Mehrwertsteuer im Unterschied zur Einkommenssteuer, ![]() | 38 |
Der Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 lit. h ÜbBest.BV führt zu keinem anderen Ergebnis. Es trifft zu, dass ein Vorentwurf zu Art. 8 ÜbBest. BV noch vorsah, dass für Ausgaben ohne "streng geschäftlichen Charakter" kein Vorsteuerabzugsrecht bestehe. Das Wort "streng" wurde von der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates in der Folge gestrichen. Aus dieser redaktionellen Änderung in der Kommission kann indes (entgegen HÖHN/VALLENDER, a.a.O., Art. 41ter Rz. 81) kaum geschlossen werden, dass beim Verfassungsgeber die Absicht bestanden habe, für den Vorsteuerabzug auf die Kriterien bei der direkten Bundessteuer zu verweisen. In den parlamentarischen Debatten gab denn auch dieser Satz zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass (vgl. Amtl.Bull. N 1993 336, 395, 399, 1246, S 1993 331, 336).
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c) Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid hervorgehoben, dass es sich bei der Mehrwertsteuer nach ihrer Funktionsweise ![]() | 40 |
d) Aus den Vorarbeiten zur Mehrwertsteuerverordnung ergeben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte, die dazu führen könnten, das Prinzip des Vorsteuerabzugs dem Grundsatz der Besteuerung des Endverbrauchs vorzuziehen:
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Der Entwurf vom 28. Oktober 1993 zur Mehrwertsteuerverordnung (Art. 31 Abs. 4) beschränkte sich darauf zu erwähnen, vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen seien die Auslagen ohne geschäftlichen Charakter wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen oder Repräsentationsaufwendungen. Eine dem Art. 30 Abs. 2 MWSTV entsprechende Vorschrift enthielt der Entwurf noch nicht. Im Kommentar zu diesem Entwurf unterscheidet das Eidgenössische Finanzdepartement deutlich zwischen dem Abzug der Vorsteuer im Rahmen der Mehrwertsteuer, die den Endverbrauch möglichst lückenlos und rechtsgleich erfassen soll, und den Abzügen bei den direkten Steuern. Die im Vernehmlassungsverfahren geäusserten Ansichten waren geteilt. Gewisse Kreise traten für eine restriktive Auslegung der Vorschrift ein, andere verlangten, dass sie vollumfänglich gestrichen werde (Bericht des Eidgenössischen Finanzdepartements über das Vernehmlassungsverfahren zum Verordnungsentwurf über die Mehrwertsteuer vom 28. Oktober 1993, S. 23 f.). Die Bestimmung im Verordnungsentwurf wurde teilweise in Art. 30 Abs. 1 der geltenden Mehrwertsteuerverordnung übernommen; sie ist hier nicht streitig. Art. 30 Abs. 2 wurde neu eingefügt. Die späteren parlamentarischen dringlichen Interpellationen (Amtl.Bull. N 1994 1812 ff., 1815 ff., 1838, bzw. ![]() | 42 |
7. a) Die Mehrwertsteuer ist eine Verbrauchssteuer, die den Endverbraucher belasten soll. Der verfassungsmässigen Umschreibung der Mehrwertsteuer lässt sich nicht entnehmen, was Endverbrauch ist. Verbrauch wird im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer nicht im Sinne eines physischen Verzehrs, sondern als Einkommensverwendung für den Erwerb von Gütern und Dienstleistungen für den persönlichen Gebrauch definiert (PETER WALDEN, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchssteuer, Berlin 1988, S. 48 mit Hinweisen). Endverbrauch liegt vor, wenn die fraglichen Güter oder Dienstleistungen nicht mehr Gegenstand von weiteren entgeltlichen Leistungen sein können. Endverbraucher ist somit derjenige, der einen Gegenstand oder eine Dienstleistung zu seinem persönlichen Gebrauch (und nicht für eine geschäftliche Tätigkeit) ersteht und der die Steuer schliesslich trägt, weil er sie nicht durch einen weiteren Umsatz überwälzen kann (BIRKENFELD/FORST, Das Umsatzsteuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, Bielefeld 1994, S. 74; DZIADKOWSKI/WALDEN, a.a.O., S. 8 und 9). Der Endverbrauch ist grundsätzlich privat, doch ist das nicht zwingend, wie die Vorinstanz annimmt (BEN TERRA, Sales Taxation, The Case of Value Added Tax in the European Community, Deventer/Boston 1988, S. 5/6; WALDEN, a.a.O., S. 200 ff.). Gewisse - aus der Sicht des Einkommenssteuerrechts - geschäftliche Ausgaben können für Tätigkeiten erfolgen, die ausserhalb des Unternehmenszwecks liegen, das heisst für die betriebliche Leistungserstellung nicht unmittelbar notwendig sind. Dazu gehören namentlich alle Ausgaben, die ![]() | 43 |
Das trifft auch für die in Art. 30 Abs. 2 (lit. a und b) MWSTV erwähnten Ausgaben für Unterkunft, Verpflegung und Getränke sowie Beförderung bei Geschäftsreisen zu, für welche die Vorinstanz und die Parteien anerkennen, dass sie einen Anteil Endverbrauch enthalten. "Gemischte" Ausgaben dieser Art dürfen in einem Umsatzsteuersystem, das den Verbrauch möglichst umfassend belasten will, ebenfalls berücksichtigt werden. Der Einwand, dass sie geschäftsmässig begründet seien und daher nicht der Verbrauchssteuer unterliegen dürfen, entspringt einem am Einkommenssteuerrecht orientierten Denken, das den Reingewinn der Unternehmung als Steuerobjekt betrachtet. Verbrauch durch eine Unternehmung kann daher auch vorliegen, wenn sie Güter oder Dienstleistungen in einer Art verwendet, wie das im Rahmen des Privatverbrauchs der Fall sein kann. Offensichtlich zu weit geht jedoch die Ansicht des Eidgenössischen Finanzdepartements (Kommentar zur Mehrwertsteuerverordnung, S. 33, ad Art. 30), dass praktisch in jeder geschäftlichen Ausgabe Endverbrauch liege.
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b) Die Ansicht, dass gewisse Ausgaben im Zusammenhang mit einer geschäftlichen Tätigkeit steuerbaren Endverbrauch darstellen, ist auch ausländischen Rechtsordnungen nicht fremd.
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Eingehend geregelt ist das Vorsteuerabzugsrecht in den Art. 17 - 20 der Sechsten Richtlinie (zit. vorn E. 5b). Abziehbar sind Vorsteuern unter den in Art. 17 Abs. 2 bezeichneten allgemeinen und ausserdem in Art. 17 Abs. 3 aufgezählten besonderen Voraussetzungen. Gemäss Art. 17 Abs. 5 sind bei gemischter Verwendung die Vorsteuerbeträge pro rata aufzuteilen. Art. 17 Abs. 6 bestimmt sodann:
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(6) Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen.
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Bis zum Inkrafttreten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die in den in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind.
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Der von der Kommission dem Rat vorgelegte Entwurf zu einem Art. 17 Abs. 6 sah noch vor, dass u.a. auf Ausgaben für Beherbergung (accomodation), Unterkunft, Bewirtung, Verpflegung, Getränke, Unterhaltung und Beförderung von Personen sowie für Luxusausgaben und Ausgaben für Vergnügungen die Vorsteuer nicht abgezogen werden kann. Im Bericht wird dazu ausgeführt, dass solche Ausgaben den Charakter von Endverbrauch haben, selbst wenn sie im Rahmen der üblichen Unternehmenstätigkeit anfallen und die Aufteilung in berufliche und private Ausgaben nicht genau nachprüfbar ist. Aus diesem Grund, und um eine einheitliche Steuererhebung ![]() | 50 |
Gestützt auf die Sechste Richtlinie und insbesondere auf deren Art. 17 Abs. 6 hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften dem Rat am 25. Januar 1983 einen Vorschlag für eine Zwölfte Richtlinie vorgelegt (Abl. EG 1983 Nr. C 37, S. 8). Dieser Entwurf sieht (in seiner Fassung gemäss Änderungsvorschlag vom 20. Februar 1984, Abl. EG 1984 Nr. C 56, S. 7) den vollständigen Ausschluss vom Vorsteuerabzug auf Ausgaben im Zusammenhang u.a. mit Sportbooten und Sportflugzeugen (Art. 1), Ausgaben für die Beförderung bei Geschäftsreisen des Steuerpflichtigen und seines Personals (Art. 2), für Unterkunft, Verpflegung und Getränke (Art. 3), auf Repräsentationsaufwendungen einschliesslich Aufwendungen für die Bewirtung von Geschäftsfreunden und unternehmensfremden Personen (Art. 4) sowie auf Aufwendungen für Vergnügungen und Luxusausgaben (Art. 5) vor. Der Steuerpflichtige kann aber den vollständigen Abzug der Vorsteuer verlangen, wenn er nachweist, dass diese Ausgaben "ausschliesslich beruflichen Charakter" haben (Art. 3a) (vgl. Abl. EG Nr. C 37, S. 8). Dieser Ausschluss vom Vorsteuerabzug geht wesentlich weiter als in der Sechsten Richtlinie. Allerdings konnte eine Zwölfte Richtlinie bis ![]() | 51 |
bb) Das französische Recht schliesst (mit gewissen Ausnahmen) den Abzug der Mehrwertsteuer, die auf den Ausgaben für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Vergnügungen lastet, grundsätzlich aus (Art. 236 Annexe II Code général des impôts 1995, CGI). Gleich verhält es sich mit den Ausgaben für die Beförderung von Personen (Art. 240 Annexe II CGI).
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cc) Die Regelung im deutschen Umsatzsteuergesetz, die allgemein als eher kompliziert erachtet wird, lässt zwar den Abzug der Vorsteuer auf Ausgaben für die Bewirtung und Beförderung aus geschäftlichem Anlass ohne Einschränkung zu. Doch sieht das Umsatzsteuergesetz (§ 1 Abs. 1 Ziff. 2 lit. c UStG 1993) die Besteuerung dieser Ausgaben als Eigenverbrauch vor, soweit sie nach den Vorschriften des Einkommenssteuergesetzes (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 - 7, Abs. 7 oder § 12 Nr. 1) nicht abgezogen werden können. Das gilt nicht für 20 Prozent der angemessenen und nachgewiesenen Bewirtungsaufwendungen, die bei der Einkommenssteuer nicht zum Abzug zugelassen werden. Diese Regelung schien dem Gesetzgeber geeigneter als der nach der Sechsten Richtlinie ebenfalls mögliche Ausschluss vom Vorsteuerabzug (vgl. BIRKENFELD, a.a.O., I Nr. 1419 ff., 1445 ff., 1488; DZIADKOWSKI/WALDEN, a.a.O., S. 147 ff.).
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dd) Die übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft beschränken den Abzug der Vorsteuern oder schliessen ihn meistens aus auf Ausgaben für Personenwagen, Motorräder, Sportschiffe, Flugzeuge, Beförderung von Personen aus beruflichen Gründen, Unterkunft, Verpflegung, Bewirtungskosten, Geschenke, Repräsentationsspesen und Luxusausgaben (vgl. die Nachweise vorn E. aa in fine). In ihrem Bericht aus dem Jahre 1988 hielt die Organisation ![]() | 54 |
ee) Es ergibt sich somit, dass das europäische Umsatzsteuerrecht keine Richtlinie enthält, welche die Mitgliedstaaten anhalten würde, wie die Besteuerung von Ausgaben für Unterkunft, Verpflegung, Getränke, Beförderung bei Geschäftsreisen und ähnlichen Ausgaben zu regeln sei. Zwischen den Landesrechten bestehen erhebliche Divergenzen, doch beschränken die meisten Mitgliedstaaten das Vorsteuerabzugsrecht auf solchen Ausgaben oder schliessen es ganz aus.
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c) Ausgaben für Verpflegung und Getränke sind im wesentlichen Verbrauchsausgaben, denen immer ein Anteil Endverbrauch anhaftet. In dieser Hinsicht kann dem Bundesrat nicht vorgeworfen werden, er habe die Ausgaben, auf denen er das Vorsteuerabzugsrecht beschränkt hat, nicht nach sachlichen Kriterien ausgewählt. Es handelt sich typischerweise um Ausgaben, für welche die meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften das Vorsteuerabzugsrecht beschränken oder ausschliessen. Die Regelung trifft zudem alle steuerpflichtigen Unternehmen mit gleichen oder ähnlichen Ausgaben in gleicher Weise. Sie mag sich auf einzelne Branchen oder Wirtschaftszweige mit einem hohen Anteil solcher Ausgaben stärker auswirken als auf andere. Unter dem Gesichtswinkel der Wettbewerbsneutralität der Mehrwertsteuer als entscheidend erscheint indes, dass nicht einzelne Konkurrenten derselben Branche oder desselben Wirtschaftszweiges bevorteilt werden.
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Das trifft auch auf die Ausgaben für Unterkunft und Beförderung bei Geschäftsreisen des Steuerpflichtigen und seines Personals zu. Zwar gehören Reisen und auswärtiges Übernachten nicht wie Verpflegung und Getränke zum lebensnotwendigen Bedarf. Es lässt sich daher durchaus die Auffassung vertreten, das diesen Ausgaben innewohnende Element des "privaten" Verbrauchs sei derart untergeordnet, ![]() | 57 |
Keine Regelung kann - für sich betrachtet - ganz befriedigen. Sowohl die uneingeschränkte Gewährung des Vorsteuerabzuges auf Geschäftsspesen wie auch der vollständige Ausschluss oder Zwischenlösungen haben ihre Vor- und Nachteile. Angesichts der unterschiedlichen Regelungen in den europäischen Staaten widerspricht die Beschränkung des Vorsteuerabzugsrechts in der Mehrwertsteuerverordnung dem System des europäischen Umsatzsteuerrechts nicht. Die meisten Länder schliessen das Vorsteuerabzugsrecht auf Geschäftsspesen teilweise oder vollständig aus. Das deutsche Recht verweist auf das Einkommenssteuerrecht, das seinerseits geschäftlich begründete Ausgaben nur insofern zum Abzug zulässt, als sie angemessen sind. Unter diesen Umständen entsteht den schweizerischen Unternehmungen durch Art. 30 Abs. 2 (lit. a und b in der bis Ende 1995 gültigen Fassung) MWSTV kein Wettbewerbsnachteil gegenüber ihren europäischen Konkurrenten. Für die vom Bundesrat getroffene Lösung sprechen sachliche Gründe - Gleichbehandlung der Unternehmungen untereinander, konsequente Besteuerung des Endverbrauchs - so dass sie auch nicht gegen die Grundrechtsgarantien des Art. 4 BV oder gegen Grundsätze der Art. 41ter Abs. 3 BV und 8 ÜbBest. BV verstösst.
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d) Der vollständige Abzug der Vorsteuern auf Geschäftsspesen, wie die Vorinstanz ihn vorsieht, würde jegliche Überbesteuerung vermeiden, aber dazu führen, dass der Endverbrauch, den diese ![]() | 59 |
Die Beschwerdeführerin rechtfertigt die Beschränkung des Vorsteuerabzugsrechts auch damit, dass die in Frage stehenden Ausgaben ihrer Natur nach die Gefahr von Missbräuchen und Steuerhinterziehungen enthalten, was zu Wettbewerbsverzerrungen führen könne. Auf diesen Gesichtspunkt hat bereits die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der Begründung zum Entwurf vom 25. Januar 1983 für eine Zwölfte Richtlinie (Abl. EG 1983 Nr. C 37, S. 8) hingewiesen. Zwar vermag die Gefahr von Missbräuchen allein keine Regelung zu rechtfertigen, die zu einer Überbesteuerung - insbesondere der ehrlichen Steuerzahler - führt. Wo aber verschiedene Lösungen gleichermassen denkbar sind und zu einer sachgerechten Besteuerung führen, kann eine Lösung nicht schon deshalb als verfassungswidrig bezeichnet werden, weil sie der Missbrauchsgefahr ebenfalls Rechnung zu tragen sucht. Eine Steuerrechtsordnung ist um so gerechter, als sie eine rechtsgleiche Behandlung aller Steuerpflichtigen sichert. Dazu gehört, dass sie für Missbräuche wenig anfällig ist. Das trifft auch auf die hier in Frage stehende Regelung zu.
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8. Gemäss Art. 8 Abs. 2 lit. l ÜbBest. BV kann der Bundesrat Vereinfachungen anordnen, wenn sich daraus weder auf die Steuereinnahmen noch auf die Wettbewerbsverhältnisse in wesentlichem Ausmass Auswirkungen ergeben und sofern dadurch die Steuerabrechnung für andere Steuerpflichtige nicht übermässig erschwert wird. Gestützt auf diese Bestimmungen können den Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen Erleichterungen gewährt und insbesondere die annähernde Ermittlung der Steuer ![]() | 61 |
Es ist auch nicht zwischen den verschiedenen Arten von Ausgaben zu unterscheiden (Ausgaben für Verpflegung und Getränke einerseits und Ausgaben für Unterkunft und Beförderung bei Geschäftsreisen andererseits), weil es nicht darum gehen kann abzuklären, ob sie einen mehr oder weniger grossen Privatanteil enthalten, sondern einzig in Frage steht, ob ihr gemischter Charakter, der sich aus der engen Bindung an die geschäftliche Tätigkeit einerseits und aus dem Endverbrauch, den sie für die Begünstigten darstellen, anderseits ergibt, die Beschränkung des Vorsteuerabzuges zu rechtfertigen vermag. Insofern die Beschwerdegegner geltend machen, dass die Beschränkung des Vorsteuerabzuges höchsten 20 Prozent betragen dürfe - weil der Privatanteil nur soviel ausmache -, gehen ihre Ausführungen an der Sache vorbei.
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9. Aufgrund dieser Erwägungen kann die vom Bundesrat in der Mehrwertsteuerverordnung getroffene Lösung nicht als verfassungswidrig bezeichnet werden. Massgebend ist die Überlegung, dass den erwähnten Ausgaben (Geschäftsspesen) unabhängig von ihrer geschäftlichen Verwendung immer ein Anteil Endverbrauch innewohnt. Der Bundesrat besteuert ihn indirekt, indem er den ![]() | 63 |
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