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48. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. September 1997 i.S. I. gegen Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 16 Abs. 2 SVG und Art. 22 Abs. 1 SVG; Art. 30 Abs. 4 VZV; Warnungsentzug nach Auslandtat ohne Aberkennung des schweizerischen Führerausweises durch ausländische Behörden. | |
Sachverhalt | |
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Aufgrund desselben Vorfalls entzog das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons St. Gallen I. am 13. November 1995 den Führerausweis wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für die Dauer von einem Monat.
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Einen Rekurs des Betroffenen wies die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen am 13. Januar 1997 ab.
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I. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, die Entscheide der Rekurskommission und des Strassenverkehrsamtes seien aufzuheben.
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Das Bundesgericht hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen
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aus folgenden Erwägungen: | |
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a) Während die frühere Rechtsprechung den Warnungsentzug vorwiegend als eine der strafrechtlichen Sanktion ähnliche, aber dennoch von ihr unabhängige Verwaltungsmassnahme mit präventivem und erzieherischem Charakter beurteilt hatte (BGE 116 Ib 146 E. 2a), bejaht die neuere Rechtsprechung neben diesem Massnahmencharakter den Strafcharakter und damit die Anwendbarkeit der Verfahrensgarantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (BGE 121 II 22 E. 3 und 4, 219 E. 2a). Diese Tatsache vermag aber an der Rechtsprechung, wonach eine im Ausland begangene Verkehrsregelverletzung zum Entzug des Führerausweises in der Schweiz führen kann, nichts zu ändern. Das Bundesgericht hatte die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen in BGE 108 Ib 69 E. 2 und BGE 109 Ib 304 E. 1 und 2 nämlich auch unter dem Aspekt des Strafcharakters des Ausweisentzugs geprüft und die heute vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung abgelehnt. Nach geltendem Recht ist ein Führerausweisentzug ![]() | 8 |
b) Der Grundsatz ne bis in idem gilt zunächst als materielles eidgenössisches Strafrecht und besagt, dass niemand wegen der gleichen Tat zweimal verfolgt werden darf (BGE 120 IV 10 E. 2b; BGE 116 IV 262 E. 3a). Er leitet sich sodann aus Art. 4 BV her und besagt entsprechend, dass eine nach kantonalem Recht vorgenommene rechtskräftige Beurteilung in einem Kanton einer erneuten Beurteilung in einem andern Kanton entgegensteht (BGE 116 IV 262 E. 3a). Schliesslich folgt er auch aus Art. 4 Ziff. 1 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101.07) sowie Art. 14 Abs. 7 des UNO-Paktes II (SR 0.103.2) und verbietet, den rechtskräftig Verurteilten oder Freigesprochenen in einem Strafverfahren desselben Staats erneut vor Gericht zu stellen oder zu bestrafen; er gilt somit nicht im Verhältnis mehrerer Staaten zueinander (VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], Zürich 1993, N. 664). Folglich findet der Grundsatz im vorliegenden Zusammenhang keine Anwendung, weil die Sache in die Zuständigkeit zweier verschiedener Staaten fällt.
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c) Das Bundesgericht begründete diese Rechtsfolge des ausländischen Strafurteils auch damit, dass nur eine zusätzliche parallele Massnahme im Wohnsitzkanton die beabsichtigte Warnungswirkung in vollem Umfang erzielen könne, weil nur so die Verkehrssicherheit in der Schweiz hinreichend gewährleistet werden kann (BGE 109 Ib 304 E. 2). Die ausländische Behörde aberkennt nämlich den schweizerischen Führerausweis bloss im Umfang ihrer territorialen Zuständigkeit. Analog stellt es einen unzulässigen Eingriff in ausländische Hoheitsrechte dar, ohne internationalrechtliche Grundlage dem Inhaber eines aberkannten Führerausweises zu verwehren, mit dem ausländischen Ausweis im Ausland zu fahren (BGE 121 II 447 E. 3a und c). Allein der Wohnsitzstaat kann die folgerichtige Konsequenz der ausländischen Ausweisaberkennung in seinem Hoheitsgebiet ziehen.
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Nach schweizerischem Recht kann der Führerausweis, eine Polizeibewilligung, grundsätzlich nur von der Behörde des Wohnsitzkantons ![]() | 11 |
d) Auch gemäss Art. 3 ff. StGB steht eine im Ausland erfolgte Aburteilung einem zweiten Verfahren in der Schweiz nicht prinzipiell entgegen; umsoweniger, als im Ausland kein umfassendes Fahrverbot, und zwar gerade nicht für das Territorium der Schweiz, ausgesprochen werden kann. An der Rechtsprechung, dass auch eine im Ausland begangene Verletzung von Verkehrsregeln zum Entzug des Führerausweises führen kann, ist daher festzuhalten (BGE 123 II 97 E. 2c).
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3. Der Beschwerdeführer verweist auf den Wortlaut von Art. 30 Abs. 4 VZV, wonach der zuständige Kanton die Anordnung einer Massnahme nur zu prüfen habe, wenn der schweizerische Führerausweis durch eine ausländische Behörde entzogen worden sei. Diese Voraussetzung liege bei ihm nicht vor. Im Bussgeldbescheid vom 7. August 1995 hätten die deutschen Behörden rechtskräftig auf eine Geldstrafe von DM 150.- erkannt und auf ein Fahrverbot ausdrücklich verzichtet. Daneben seien in "Flensburg" drei Punkte eingetragen worden. Dies sei weder ein Ausweisentzug noch auch nur eine Verwarnung dazu. Vielmehr werde mit diesem Instrument ![]() | 13 |
Gemäss Art. 30 Abs. 4 VZV hat der für den Ausweisentzug zuständige Kanton bei Aberkennungen schweizerischer Führerausweise durch ausländische Behörden zu prüfen, ob eine Massnahme gegenüber dem Fehlbaren zu ergreifen ist. Fraglich ist somit, ob aufgrund der im Wortlaut der Verordnungsbestimmung enthaltenen sachlichen Beschränkung die Anordnung einer Massnahme in der Schweiz auch dann zulässig ist, wenn die ausländische Behörde auf einen eigentlichen Entzug des Führerausweises verzichtet hat.
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a) Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Rechtsnorm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (ausführlich dazu BGE 121 III 219, insbesondere E. 1d/aa).
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b) Die Verordnungsbestimmung des Art. 30 Abs. 4 VZV findet ihre gesetzliche Grundlage in Art. 16 und 22 Abs. 1 SVG (E. 2c). Die beiden letzteren Bestimmungen verpflichten den Wohnsitzkanton unter anderem, die Anordnung eines Warnungsentzugs zu prüfen, wenn ein Fahrzeugführer Verkehrsregeln verletzt und dadurch den Verkehr gefährdet oder andere belästigt hat. Solche Warnungsentzüge dienen der Besserung des Führers und der Bekämpfung von Rückfällen (Art. 30 Abs. 2 VZV). Um dieses Ziel erreichen zu können, darf das Tätigwerden der zuständigen schweizerischen Behörde nicht davon abhängen, ob eine ausländische Behörde nach einer Verkehrsregelverletzung im Ausland eine Massnahme ergriffen hat oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob der Führer angesichts ![]() | 16 |
Wie bereits festgehalten (E. 2c am Ende), sollte Art. 30 Abs. 4 VZV lediglich die Praxis aufnehmen. Dabei wurde aber bloss der Regelfall normiert, wonach im Anschluss an eine Aberkennung des schweizerischen Führerausweises durch eine ausländische Behörde auch die schweizerische einen allfälligen Führerausweisentzug zu prüfen hat; dass aber ausnahmsweise ein Tätigwerden der Wohnsitzbehörde erforderlich sein könnte, obwohl die ausländische Behörde auf einen Führerausweisentzug verzichtet hatte, wurde dabei offensichtlich übersehen. Da die Bedingung des Art. 30 Abs. 4 VZV, der eine Aberkennung des schweizerischen Führerausweises durch eine ausländische Behörde voraussetzt, somit dem Sinn und Zweck des Warnungsentzugs im übergeordneten Gesetz zuwiderlaufen kann, muss sie für das Tätigwerden der Wohnsitzbehörde nicht erfüllt sein. Hingegen ist den besonderen Gegebenheiten bei Verkehrsregelverletzungen im Ausland in bezug auf Unterschiede im Verkehrsverhalten, Untersuchungsverfahren usw. Rechnung zu tragen (BGE 102 Ib 59 E. 3, insbesondere S. 62 f.).
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Die Wohnsitzbehörde hat somit in einem öffentlichen Verfahren zu prüfen, ob die ausländische strafrechtliche Verurteilung den Verfahrensgrundsätzen des schweizerischen Rechts genügt und ob auch angesichts der besonderen Gegebenheiten bei einer Auslandtat die Anordnung einer Administrativmassnahme in der Schweiz noch gerechtfertigt ist. Ein solches Vorgehen genügt insbesondere auch im Hinblick auf den Strafcharakter des Führerausweisentzugs sowohl den verfahrensrechtlichen Anforderungen der EMRK als auch den Ansprüchen des Grundsatzes "ne bis in idem" (E. 2).
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c) Das soeben skizzierte Vorgehen, das keine Aberkennung des schweizerischen Führerausweises durch die ausländische Behörde voraussetzt, ist auch deshalb gerechtfertigt, weil sich ausländische Administrativmassnahmen stark von den schweizerischen unterscheiden können. Die Bundesrepublik Deutschland z.B. kennt - abgesehen von den Freiheits- und Geldstrafen - einerseits das Fahrverbot (§ 44 StGB) und die Entziehung der Fahrerlaubnis ![]() | 19 |
Im Vergleich zu den schweizerischen Administrativmassnahmen fällt vor allem auf, dass das Fahrverbot gemäss § 44 StGB und § 25 StVG, das grundsätzlich dem schweizerischen Warnungsentzug entspricht, lediglich für die Dauer von einem bis höchstens drei Monaten verfügt werden kann, und dass die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäss § 69 StGB und § 4 StVG im Vergleich zum schweizerischen Sicherungsentzug viel eher angeordnet wird. Wer etwa ein Fahrzeug in angetrunkenem Zustand führt oder grob verkehrswidrig und rücksichtslos Verkehrsregeln verletzt und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet (§ 69 Abs. 2 i.V.m. § 315 c Ziff. 1 und 2 StGB), ist in der Regel als fahrungeeignet anzusehen; das bedeutet, dass der Richter von der Entziehung nur dann absehen darf, wenn die Tat "Ausnahmecharakter" hat, also besondere Umstände objektiver oder subjektiver Art gegeben sind, welche die mangelnde Eignung ausschliessen (HORN, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, 6. Auflage, § 69 N. 17; vgl. auch JAGUSCH/HENTSCHEL, a.a.O., StVG § 4 N. 4 und 8).
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Weiter fällt auf, dass der Sicherungsmassnahme der Entziehung der Fahrerlaubnis (HORN, a.a.O., § 69 N. 2; JAGUSCH/HENTSCHEL, a.a.O., StVZO § 15b N. 1b), wenn sie aufgrund des Punktesystems von der Verwaltungsbehörde angeordnet wird, eine Verwarnung vorgeschaltet ist: Ergeben sich neun Punkte, so ist der Betroffene schriftlich zu verwarnen. Er ist eindringlich zu künftigem verkehrsgerechten Verhalten zu ermahnen und darauf hinzuweisen, dass er bei weiteren Verkehrszuwiderhandlungen mit einer Überprüfung seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen rechnen müsse, die zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis führen kann (StVZO § 15b N. 1d Ziff. 1). Dieses Punktesystem mit Verwarnung stellt somit, selbst wenn es schliesslich zur Anordnung der Sicherungsmassnahme der Entziehung oder Einschränkung der Fahrerlaubnis führt, zumindest faktisch eine Warnmassnahme dar.
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Den Kriterien des schweizerischen Rechts wird mit der Verfügung eines Minimalentzugs von einem Monat Dauer Rechnung getragen, und zwar selbst unter Berücksichtigung der Besonderheit der Auslandtat und dem Umstand, dass die in Frage stehende massive Überschreitung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit von den deutschen Behörden als weniger schwerwiegend gewertet worden sein dürfte; nach der zutreffenden Auffassung jener Behörde, die den Ausweis erteilt hat, handelt es sich nicht mehr um einen leichten Fall, weshalb aus verkehrserzieherischen Zwecken Anlass besteht zu mehr als bloss der Erteilung einer Verwarnung.
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