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8. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Juli 1997 i.S. X. gegen Schweizerische Bundesbahnen (SBB) und Eidgenössische Personalrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 69 Abs. 2 AO SBB, Art. 8 AngO, Art. 336c Abs. 1 lit. b OR; Kündigungsschutz bei Krankheit und Unfall. |
Die Kündigung wegen gesundheitlicher Nichteignung ist nicht missbräuchlich, auch wenn der Betroffene dadurch seinen Anspruch auf eine pensionskassenrechtliche Invalidenrente verlieren sollte (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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X. hat hiergegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht, welche das Bundesgericht abweist
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aus folgenden Erwägungen: | |
1. a) Nach Art. 69 Abs. 1 der Angestelltenordnung SBB vom 2. Juli 1993 (Reglement 102.1; AO SBB) kann die Wahlbehörde das Dienstverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfristen jederzeit aus triftigen Gründen auflösen oder umgestalten. Als solche Gründe gelten namentlich die gesundheitliche Nichteignung oder Untauglichkeit (lit. a), die Nichteignung hinsichtlich Leistung oder Verhalten (lit. b) sowie der Mangel an Arbeit (lit. c). Das Dienstverhältnis ![]() | 3 |
b) Für das privatrechtliche Arbeitsverhältnis sieht Art. 336c Abs. 1 lit. b OR vor, dass der Arbeitgeber nicht kündigen darf, während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab dem zweiten bis und mit dem fünften während 90 Tagen und ab dem sechsten während 180 Tagen. Weder die Angestelltenordnung SBB noch die allgemeine Angestelltenordnung vom 10. November 1959 (AngO; SR 172.221.104) kennen eine entsprechende Vorschrift. Das Beamtengesetz (BtG; SR 172.221.10) und die Beamtenordnungen (BO 1/2/3; SR 172.221.101/2/3) enthalten ihrerseits keine Bestimmungen über die Beendigung des Dienstverhältnisses zur Unzeit, da das Beamtenverhältnis an sich auf Amtsdauer begründet und deshalb normalerweise nicht durch Kündigung beendet wird (vgl. aber VPB 59/1995 Nr. 2 S. 22 ff.).
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a) Die Sperrfrist bei Krankheit ist mit der Revision des Arbeitsvertragsrechts von 1971 im Obligationenrecht verankert worden (Art. 336e Abs. 1 lit. b aOR). Bis zu diesem Zeitpunkt bestanden Kündigungsbeschränkungen bei Krankheit und Unfall bereits im Geltungsbereich des Fabrikgesetzes (OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, Zürich 1936, N. 35 zu Art. 347 OR). Die geltende Fassung des privatrechtlichen Kündigungsschutzes bei Krankheit und Unfall (Art. 336c OR) ist seit dem 1. Januar 1989 in Kraft (AS 1988 1474 ff.). Die hier massgebende Angestelltenordnung SBB stammt aus dem Jahre 1993. Sie ersetzte jene vom 20. Dezember 1968 (vgl. Art. 74 Angestelltenordnung SBB). Die Botschaft des ![]() | 6 |
b) Auch sachlich lässt sich nicht sagen, die Regelung der Angestelltenordnung SBB sei unvollständig und weise eine vom Richter zu schliessende Lücke auf:
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aa) Der privatrechtliche Arbeitsvertrag kann an sich frei gekündigt werden (Art. 335 OR). Dieser Grundsatz wird einzig insofern eingeschränkt, als die Kündigung nicht missbräuchlich sein (Art. 336 OR) und nicht zur Unzeit erfolgen darf (Art. 336c OR). Das öffentliche Dienstverhältnis kann demgegenüber nur bei Vorliegen eines triftigen Grunds aufgelöst werden. Bereits insofern ist der öffentlichrechtliche Kündigungsschutz besser als der privatrechtliche. Sodann garantiert Art. 336c OR lediglich, dass dem Arbeitnehmer der Arbeitsplatz vorerst erhalten bleibt, nicht jedoch auch, dass er den Lohn erhält. Dieser ist im ersten Dienstjahr für drei Wochen geschuldet, nachher nur "für eine angemessene längere Zeit [...], je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen" (Art. 324a Abs. 2 OR). Im öffentlichen Dienstrecht gilt dagegen eine weitreichende Lohnfortzahlungspflicht: Nach Art. 56 AO SBB hat der Angestellte bis zur Wiederaufnahme des Dienstes oder bis zur Auflösung des Dienstverhältnisses Anspruch auf Besoldung. Erst wenn die Dienstaussetzung länger als ein Jahr gedauert hat, wird der Lohn des ständigen Angestellten um die Hälfte gekürzt. Selbst dann darf die Besoldung aber gewisse sozial- und pensionskassenrechtliche Leistungen nicht unterschreiten (vgl. auch Art. 62 AngO). Das privatrechtliche Arbeitsverhältnis kann schliesslich nach Ablauf der Sperrfrist ohne weiteres gekündigt werden, auch wenn der Grund hierfür die Krankheit selber ist (STAEHELIN/VISCHER, ![]() | 8 |
bb) Unter diesen Umständen beruht die Ungleichbehandlung der Krankheit im privaten und öffentlichen Dienstrecht auf sachlichen Gründen. Wohl wäre auch in diesem eine Regelung denkbar, die Sperrfristen und darauf abgestimmte Lohnfortzahlungsgarantien vorsieht (vgl. etwa Art. 3 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 2 lit. b der Verordnung vom 30. September 1996 über das Statut des Personals des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum; AS 1996 2772). Eine solche Lösung wurde aber gerade nicht gewählt; sie ist im übrigen auch verfassungsrechtlich nicht geboten: Es ist sachlich nicht unhaltbar, einen Angestellten zu entlassen, der aus gesundheitlichen Gründen für seine Tätigkeit nicht mehr geeignet ist und seine Beschäftigung auf Dauer nicht wieder wird aufnehmen oder fortsetzen können. Der Verordnungsgeber durfte bei der Ausgestaltung des Kündigungsschutzes darauf abstellen, ob die Arbeitsunfähigkeit nur vorübergehender Natur ist oder auf Dauer besteht. Im ersten Fall kann das Dienstverhältnis - wie dargelegt - an sich nicht aufgelöst werden und ist der Lohn weiter geschuldet, weshalb sich eine Sperrfrist erübrigt; im zweiten besteht eine medizinische Untauglichkeit, die eine Beendigung des Dienstverhältnisses nahelegt oder geradezu unumgänglich macht. Dass bei einer Krankheit, die ohne Einfluss auf die medizinische Eignung für die Tätigkeit des Betroffenen bleibt, unter Umständen während längerer Zeit der Lohn ausbezahlt werden müsste, ändert hieran nichts, wie das Bundesgericht in einem Tessiner Fall entschieden hat, dem eine ähnliche Regelung wie die vorliegende zugrunde lag (Urteil vom 19. August 1994 i.S. S., veröffentlicht in RDAT 1995 I Nr. 5 S. 9 ff.). Eine bestimmte Frist, vor deren Ablauf eine Auflösung des Dienstverhältnisses nicht zulässig wäre, obwohl die Arbeit auf Dauer nicht wieder aufgenommen werden kann, ist verfassungsrechtlich nicht geboten und darf vom Richter auch nicht lückenfüllend eingeführt werden.
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3. Zu Unrecht wendet der Beschwerdeführer ein, er hätte nicht kurz vor Vollendung des fünften Dienstjahres entlassen werden dürfen, ![]() | 10 |
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