BGE 124 II 103 | |||
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14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. März 1998 i.S. H. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 17 Abs. 1 lit. c, Art. 95 Ziff. 2, Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG; Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs, Unterschreiten der Mindestentzugsdauer. | |
Sachverhalt | |
A.- Mit Verfügung vom 4. November 1993 wurde H. schriftlich eröffnet, dass ihm für die Dauer vom 8. Dezember 1993 bis zum 7. Januar 1994 der Führerausweis entzogen werde. In der Folge telefonierte er mit dem Strassenverkehrsamt, um die Zeit des Entzugs auf den bevorstehenden Militärdienst zu verschieben. Diese Möglichkeit wurde ihm zugesichert, doch müsse er vorher die alte Verfügung ans Amt zurückschicken, damit neu verfügt werden könne. Darauf antwortete er, bevor er die Verfügung zurückschikke, müsse er noch das genaue Datum des Militärdienstes abklären. Ende Dezember ergab eine polizeiliche Kontrolle, dass H. trotz rechtskräftiger Entzugsverfügung während des ganzen Monats seiner Arbeit als Berufschauffeur der Kategorie B nachgegangen war.
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Der Bezirksamtmann Laufenburg büsste H. mit Strafbefehl vom 3. März 1994 wegen Führens von Liefer- und Personenwagen trotz entzogenem Führerausweis sowie Nichtänderns der Adresse bei Wohnsitzwechsel mit Fr. 300.--. In der Begründung wird unter anderem festgehalten, H. habe die Entzugsverfügung nicht zurückgeschickt, weil er angenommen habe, er müsse sich erst melden, wenn der Zeitpunkt des Militärdienstes festgelegt sei. Aufgrund der Abklärungen sei erstellt, dass H. sich nicht um den Ausweisentzug habe drücken wollen; er habe die Äusserungen des zuständigen Beamten aber falsch interpretiert und sei damit einem erheblichen Irrtum unterlegen. Er habe zwar pflichtwidrig gehandelt, doch seien die gesamten Umstände dergestalt, dass ihm Milderungsgründe zugestanden werden könnten und dass von einer Haftstrafe Umgang zu nehmen sei.
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B.- Das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau entzog H. am 30. Juni 1994 den Führerausweis wegen wiederholten Führens von Motorfahrzeugen trotz Entzugs des Führerausweises sowie Nichtbeherrschens des Fahrzeugs auf Autobahn mit Unfallfolge für die Dauer von sieben Monaten.
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Beschwerden des Betroffenen wurden vom Departement des Innern und vom Verwaltungsgericht des Kantons Aargau am 19. Januar 1995 beziehungsweise 23. Mai 1996 abgewiesen.
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Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde am 9. Juli 1997 erneut ab.
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D.- H. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, die kantonalen Entscheide seien aufzuheben und das Strassenverkehrsamt sei anzuweisen, dem Beschwerdeführer den Führerausweis für die Dauer von drei Monaten zu entziehen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Während das Verwaltungsgericht auf eine Stellungnahme verzichtet hat, beantragt das Bundesamt für Strassen Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
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aus folgenden Erwägungen: | |
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Zudem hielt das Bundesgericht fest: "In rechtlicher Hinsicht ist die Vorinstanz, wenn sie erneut ein "qualifiziert fahrlässiges Verhalten" annehmen sollte, auf die Rechtsprechung zur unbewussten Grobfahrlässigkeit hinzuweisen, die einer sorgfältigen Prüfung bedarf (BGE 118 IV 285 E. 4; 106 IV 48 E. 2b; 102 Ib 103 E. 4)".
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b) Die Vorinstanz führt aus, sie sei im ersten Entscheid davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer gewusst habe, dass er ab dem 8. Dezember 1993 nicht mehr zum Führen eines Motorfahrzeugs berechtigt gewesen sei. An dieser Beurteilung sei jedenfalls insofern festzuhalten, als er sich zumindest der ernsthaften Möglichkeit bewusst gewesen sei, dass er mit seinen im fraglichen Zeitraum ausgeführten Autofahrten einen Verstoss gegen die Verfügung vom 4. November 1993 begehen könnte. Darauf habe er indessen keine Rücksicht genommen. Es liege somit kein Irrtum vor, aufgrund dessen der Beschwerdeführer die Unrechtmässigkeit seines Verhaltens verkannt hätte.
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c) In BGE 119 Ib 158 E. 3c hat sich das Bundesgericht darüber ausgesprochen, ob und inwieweit ein rechtskräftiges Strafurteil die Entzugsbehörde bindet:
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aa) Von den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil darf die Verwaltungsbehörde nur dann abweichen,
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- wenn sie Tatsachen feststellt und ihrem Entscheid zugrunde legt, die dem Strafrichter unbekannt waren oder die er nicht beachtet hat;
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- wenn sie zusätzliche Beweise erhebt, deren Würdigung zu einem anderen Entscheid führt, oder wenn die Beweiswürdigung durch den Strafrichter den feststehenden Tatsachen klar widerspricht; hat sie hingegen keine zusätzlichen Beweise erhoben, hat sie sich grundsätzlich an die Würdigung des Strafrichters zu halten;
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- wenn der Strafrichter bei der Rechtsanwendung auf den Sachverhalt nicht sämtliche Rechtsfragen abgeklärt, insbesondere die Verletzung bestimmter Verkehrsregeln übersehen hat (vgl. BGE 109 Ib 204, mit Hinweis).
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Die Verwaltungsbehörde hat insbesondere dann auf die Tatsachen im Strafurteil abzustellen, wenn dieses im ordentlichen Verfahren mit öffentlicher Verhandlung unter Anhörung der Parteien und Einvernahme von Zeugen ergangen ist, es sei denn, es bestünden klare Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Tatsachenfeststellung; in diesem Fall hat die Verwaltungsbehörde nötigenfalls selbständige Beweiserhebungen durchzuführen.
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bb) Hängt die rechtliche Würdigung sehr stark von der Würdigung von Tatsachen ab, die der Strafrichter besser kennt als die Verwaltungsbehörde (was etwa dann der Fall ist, wenn er den Beschuldigten persönlich einvernommen hat: BGE 104 Ib 359), so ist die Verwaltungsbehörde auch in bezug auf die Rechtsanwendung an die rechtliche Qualifikation des Sachverhaltes durch das Strafurteil gebunden (BGE 102 Ib 196).
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d) Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei vor Erlass des Strafbefehls vom Bezirksamtmann von Laufenburg persönlich zur Sache einvernommen worden. Die Entzugsbehörde und die Vorinstanzen unternahmen keine weiteren Sachverhaltsabklärungen, sondern stützten ihre Entscheide auf die bestehenden Strafakten. Für die Beantwortung der Fragen, ob sich der Beschwerdeführer in einem Irrtum hinsichtlich seiner Fahrerlaubnis befand und in welchem Ausmass der Irrtum verschuldet war, kommt es wesentlich auf den inneren Sachverhalt, d.h. das Wissen und Wollen des Beschwerdeführers an. Für derartige Abklärungen ist die persönliche Einvernahme besonders geeignet, weshalb die Vorinstanz nach dem bisher Gesagten sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht an das Strafurteil gebunden war.
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Der Bezirksamtmann geht davon aus, der Beschwerdeführer habe sich nicht um den Führerausweisentzug drücken wollen. Er habe die Äusserung des zuständigen Beamten falsch interpretiert, und zwar in dem Sinne, dass er die ursprüngliche Verfügung nicht spätestens bis zum Beginn des angeordneten Vollzugs zurückschicken müsse, sondern erst, wenn er die genauen Daten des Militärdienstes kenne. Soweit die Vorinstanz einen Irrtum des Beschwerdeführers verneint, ist ihr somit nicht zu folgen.
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In rechtlicher Hinsicht beurteilt der Bezirksamtmann das Verhalten des Beschwerdeführers als pflichtwidrig, weshalb er zur Rechenschaft gezogen werden müsse. Doch bestünden Milderungsgründe, weshalb von einer Haftstrafe Umgang zu nehmen sei. Diese Ausführungen beschreiben das Ausmass des Verschuldens des Beschwerdeführers nicht detailliert. Es fällt jedoch auf, dass der Strafrichter auf die Ausfällung einer normalerweise obligatorischen Haftstrafe (Art. 95 Ziff. 2 SVG) verzichtete. Er sprach eine Busse von lediglich Fr. 300.-- aus. Zudem fehlt jeglicher Hinweis auf eine allfällige grobfahrlässige Begehung. Aus diesen Umständen ist zu schliessen, dass der Strafrichter auf einfache Fahrlässigkeit erkannte. Die Vorinstanz hält in einer Eventualerwägung fest, in Übereinstimmung mit dem Departement des Innern liesse sich das Verschulden allenfalls noch als "eher leicht" qualifizieren; es wäre aber keineswegs derart geringfügig, dass die gesetzlich vorgesehene Mindestentzugsdauer gänzlich unvertretbar wäre und davon abgewichen werden müsste. Diese Beurteilung bedarf einer Überprüfung.
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2. Nach Rechtsprechung und Lehre kann analog zu Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr (SVG; SR 741.01) in besonders leichten Fällen des Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs die sechsmonatige Mindestentzugsdauer des Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG unterschritten werden (BGE 117 IV 302 E. 3b/dd; RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band III, S. 345 ff. N. 2494 ff.; MICHEL PERRIN, Délivrance et retrait du permis de conduire, Fribourg 1982, S. 179). Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Möglichkeit dürfe nicht nur in "besonders leichten" Fällen, sondern müsse auch in "leichten" Fällen offenstehen.
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a) Für die Beantwortung dieser Frage ist wegleitend auf BGE 117 IV 302 hinzuweisen, wo zu entscheiden war, ob angesichts der hohen Strafdrohung des Art. 95 Ziff. 2 SVG (mindestens 10 Tage Haft und Busse) bei fahrlässiger Begehung der Strafrahmen nach unten geöffnet werden könne.
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Als erstes Ergebnis dieser von der Lehre geteilten Rechtsprechung kann festgehalten werden, dass die Mindeststrafdrohung des Art. 95 Ziff. 2 SVG beziehungsweise die Mindestentzugsdauer des Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG auf die typischen Fälle des Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs zugeschnitten sind, d.h. auf Fälle, in denen sich der Betroffene schlechterdings über die Massnahme hinwegsetzt - also vorsätzlich handelt - in der Hoffnung, er werde dabei nicht erwischt (SCHAFFHAUSER, a.a.O., N. 2495). Anderseits ist unbestritten, dass analog Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG in besonders leichten Fällen die Mindestentzugsdauer von sechs Monaten unterschritten werden darf. Da Art. 95 Ziff. 2 SVG nicht in andere Bestimmungen, die eine Mindeststrafe vorsehen, eingebettet ist, durfte sich das Bundesgericht in BGE 117 IV 302 darauf beschränken festzulegen, dass der Strafrahmen bei fahrlässiger Begehungsweise nach unten erweitert wird, um so eine dem Verschulden entsprechende stufenlose Strafzumessung zu ermöglichen. Bei den "besonders leichten" Fällen genügte wohl eine analoge Heranziehung von Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG, weil sich das Problem des "leichten" Falles gar nicht stellte. Doch sowohl die Unterteilung in vorsätzliche und fahrlässige Begehung als auch die analoge Anwendung von Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG werden der Systematik im Massnahmenrecht nicht gerecht. Der Tatbestand des Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG ist einerseits ein Tatbestand unter mehreren, die eine bestimmte Mindestentzugsdauer androhen, d.h. dass ihnen von Gesetzes wegen eine bestimmte Schwere zukommt; anderseits ist er mit einem Tatbestand zusammen geregelt, der als Voraussetzung einen obligatorischen Entzugsgrund, d.h. mindestens grobfahrlässige Begehung verlangt. Um diesen beiden Elementen gebührend Rechnung zu tragen, drängt es sich auf, auf den Tatbestand des Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs bei grobfahrlässiger Tatbegehung die Mindestentzugsdauer von sechs Monaten zur Anwendung zu bringen. Diese Mindestentzugsdauer erscheint jedoch bei bloss einfacher Fahrlässigkeit als stossend, weshalb in solchen Fällen auf einen Entzug von mindestens einem Monat zu erkennen ist. Die bisherige Rechtsprechung ist somit insoweit zu präzisieren, als unter "besonders leichten" Fällen die Begehungsform der einfachen Fahrlässigkeit zu verstehen und ab grobfahrlässiger Begehungsweise der qualifizierte Tatbestand des Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG erfüllt ist.
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b) Wie bereits dargelegt (E. 1d), hat der Strafrichter für das Administrativverfahren verbindlich auf die Begehungsform der einfachen Fahrlässigkeit erkannt. Folglich ist von einer Mindestentzugsdauer von einem Monat auszugehen (Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG; BGE 117 IV 302 E. 3b/dd). Der Beschwerdeführer beantragt einen Führerausweisentzug von drei Monaten. Unbestrittenermassen und im Einklang mit Bundesrecht ist der Entzug wegen Fahrens trotz Führerausweisentzugs aufgrund des Vorfalls vom 21. März 1994 um einen Monat zu erhöhen; der getrübte automobilistische Leumund des Beschwerdeführers und seine Sanktionsempfindlichkeit wiegen sich gegenseitig auf, haben mithin auf die Entzugsdauer keinen Einfluss, was ebenfalls unbestritten ist. Angesichts dieser feststehenden Beurteilungsmerkmale, der Vorgaben des Strafrichters und dem Umstand, dass bei einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung auch eine Zeitspanne von mehr als vier Jahren seit den fraglichen Ereignissen zu berücksichtigen wäre, würde eine längere Entzugsdauer als die beantragten drei Monate Bundesrecht verletzen. Deshalb rechtfertigt es sich, dass das Bundesgericht in der Sache selbst entscheidet; es darf weder zugunsten noch zuungunsten der Parteien über deren Begehren hinausgehen (Art. 114 Abs. 1 OG). Folglich ist dem Beschwerdeführer der Führerausweis für die Dauer von drei Monaten zu entziehen.
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