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20. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. Mai 1999 i.S. F. gegen Fremdenpolizei des Kantons Bern und Haftgericht III Bern-Mittelland (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG und Art. 13c Abs. 4 ANAG, Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK, Art. 105 Abs. 2 OG; Verhältnismässigkeit der Ausschaffungshaft eines straffällig gewordenen Kosovo- Albaners. |
Trotz grundsätzlichem Novenverbot (E. 3a) berücksichtigt das Bundesgericht die veränderten Verhältnisse in casu selber, da der Haftrichter ein seit seinem ersten Entscheid eingereichtes weiteres Entlassungsgesuch entgegen BGE 124 II 1 ff. nicht an die Hand genommen hat (E. 3c). | |
Sachverhalt | |
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Am 23. März 1999 ersuchte F. um Haftentlassung, was das Haftgericht am 29./31. März 1999 ablehnte: Nach Auskunft des Bundesamts für Flüchtlinge vom 26. Februar und 26. März 1999 sei F. aufgrund seines strafrechtlich relevanten Verhaltens von der generellen Verlängerung der Ausreisefrist in den Kosovo ausgenommen; zwar seien für die Zeit vom 26. März 1999 bis 9. April 1999 alle geplanten Rückführungen in die Bundesrepublik Jugoslawien eingestellt, ohne anders lautende Verfügung würden diese hernach aber ![]() | 2 |
Hiergegen hat F. am 20. April 1999 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, diesen Entscheid aufzuheben und seinem Haftentlassungsgesuch zu entsprechen. Die Fremdenpolizei des Kantons Bern und das Bundesamt für Ausländerfragen (für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement) beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Das Haftgericht III Bern-Mittelland hat ohne ausdrücklichen Antrag Stellung genommen und ein am 21. April 1999 bei ihm eingegangenes weiteres Haftentlassungsgesuch von F. nachgereicht. Dieser liess sich seinerseits nicht mehr vernehmen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und ordnet die unverzügliche Haftentlassung an
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aus folgenden Erwägungen: | |
1. Die zuständige Behörde kann einen Ausländer bei Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 13b ANAG in Ausschaffungshaft nehmen bzw. dort belassen; diese waren vorliegend ursprünglich erfüllt: Der Beschwerdeführer wurde rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen (vgl. Art. 13b Abs. 1 ANAG; BGE 121 II 59 E. 2 S. 61; BGE 122 II 148 E. 1 S. 150). Sein bisheriges Verhalten (Untertauchen, Verwendung einer falschen Identität, Einreise trotz entsprechender Sperre) liess ohne weiteres den Schluss zu, dass er sich - ohne Haft - zu gegebener Zeit für den Vollzug der Wegweisung nicht zur Verfügung halten würde (Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG; BGE 122 II 49 E. 2a S. 50 f.; BGE 119 Ib 193 E. 2b S. 198). Die Behörden sind dem Beschleunigungsgebot nachgekommen (Art. 13b Abs. 3 ANAG; BGE 124 II 49 ff.); die Haftbedingungen ihrerseits wurden nie beanstandet (vgl. Art. 13c Abs. 3 sowie Art. 13d Abs. 2 ANAG; BGE 123 I 221 ff.; BGE 122 II 299 ff.; BGE 122 II 49 E. 5 S. 52 ff.). Der angefochtene Entscheid ist deshalb bundesrechtskonform, falls die Aufrechterhaltung der Haft weiterhin verhältnismässig ist und der Vollzug der Wegweisung nicht - wie der Beschwerdeführer einwendet - aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen inzwischen als undurchführbar zu gelten hat; in diesem Fall liesse sich die Haft nicht mehr mit einem hängigen Ausweisungsverfahren rechtfertigen, und sie verstiesse deshalb gegen Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK (vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; BGE 119 Ib 193 E. 2c S. 198 f.; ![]() | 5 |
2. Der Umstand allein, dass die Ausreise nur schwer organisiert werden kann, lässt die Haft nicht bereits dahinfallen oder die Ausschaffung als undurchführbar erscheinen. Gerade wegen solcher Schwierigkeiten und Ungewissheiten hat der Gesetzgeber die Haftdauer erheblich erhöht und die Möglichkeit der Haftverlägerung geschaffen (BBl 1994 I 305ff. S. 316). Die Haft ist gestützt auf Art. 13c Abs. 5 lit. a (2. Halbsatz) ANAG, weil unverhältnismässig, nur dann aufzuheben, wenn für die Undurchführbarkeit des Vollzugs der Entfernungsmassnahme triftige Gründe sprechen oder praktisch feststeht, dass sich die Ausschaffung innert der gesetzlichen Frist kaum wird realisieren lassen (BGE 122 II 148 E. 3 S. 152 f.). Dies ist in der Regel nur der Fall, wenn die Ausschaffung auch bei gesicherter Kenntnis der Identität oder der Nationalität des Betroffenen bzw. trotz seines Mitwirkens bei der Papierbeschaffung mit grosser Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen erscheint. Zu denken ist etwa an eine längerdauernde Transportunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen bzw. an eine ausdrückliche oder zumindest klar erkennbare und konsequent gehandhabte Weigerung eines Staates, gewisse Staatsangehörige zurückzunehmen (Alain Wurzburger, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, in: RDAF 1997 I S. 330 f., so auch statt zahlreicher anderer unveröffentlichter Entscheide das Urteil vom 2. November 1998 i.S. Musa, E. 4b). Als rechtliche Gründe können der Ausschaffung das Gebot des Non-refoulements oder eine Unzumutbarkeit des Vollzugs entgegenstehen, weil der Ausländer im Heimatstaat einer konkreten Gefährdung ausgesetzt wäre (Art. 14a Abs. 3 und 4 ANAG). Diesbezüglich sind die Prüfungspflichten des Haftrich- ters allerdings beschränkt: Gegenstand seines Verfahrens bildet ausschliesslich die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Ausschaffungshaft als solcher (vgl. Art. 13c Abs. 2 ANAG), indessen nicht auch die Asyl- und Wegweisungsfrage; über diese entscheiden die zuständigen ausländerrechtlichen Behörden an sich abschliessend und verbindlich (vgl. Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 und 5 OG und Art. 11 Abs. 2 lit. b AsylG). Der Haftrichter hat die Haftgenehmigung deshalb nur zu verweigern, wenn sich der zu sichernde Wegweisungsentscheid als offensichtlich unzulässig erweist (vgl. BGE 121 II 59 E. 2c S. 62). Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn eine Wegweisung trotz Ausschaffungsstopps vollzogen wird, weil der ![]() | 6 |
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bb) Heute hat die entsprechende Einschätzung indessen anders auszusehen: Der Bundesrat hat am 7. April 1999 die gruppenweise vorläufige Aufnahme jener jugoslawischen Staatsangehörigen beschlossen, «die in der Schweiz keine ordentliche fremdenrechtliche Aufenthaltsbewilligung erhalten können oder die ein Asylgesuch gestellt haben und bei denen feststeht, dass sie ihren letzten Wohnsitz in der Provinz Kosovo hatten»; er hat damit entsprechende Wegweisungsvollzüge als zurzeit unzumutbar bewertet. Zwar hat er diesen Beschluss am 28. April 1999 insofern präzisiert, als davon Personen ausgenommen sind, «bei denen festgestellt wird, dass sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung verletzt haben oder in schwerwiegender Weise gefährden oder sich der Gewaltanwendung oder massiver Drohungen gegen das Personal von Wohneinrichtungen für Asylsuchende sowie gegen Mitglieder und Angestellte der Fürsorgebehörden schuldig gemacht haben» (Ziff. 10 lit. c des BRB vom 28. April 1999; vgl. Art. 14a Abs. 6 ANAG). Gemäss der Vernehmlassung des Bundesamts für Ausländerfragen ist dabei an schwere oder wiederholte Zuwiderhandlungen gegen Strafbestimmungen ![]() ![]() | 9 |
c) Aufgrund der konkreten Verhältnisse des Einzelfalls und mit Blick auf Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK ist das Bundesgericht -im Gegensatz zur dargestellten Praxis (vgl. E. 3a) - vorliegend verfahrensrechtlich nicht an die Sachverhaltsfeststellungen des Haft-richters und an das Novenverbot gebunden; es kann deshalb den veränderten Umständen in seinem Urteil selber unmittelbar Rechnung tragen:
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aa) Die Fremdenpolizei hat nach der Rechtsprechung die Rechtmässigkeit und Verhältnismässigkeit der Haft fortlaufend zu prüfen und dabei insbesondere zu berücksichtigen, ob allenfalls einer der in Art. 13c Abs. 5 ANAG genannten Haftbeendigungsgründe eingetreten ist. Ihre jeweilige Beurteilung kann im Rahmen der vom Gesetz vorgesehenen, regelmässigen, obligatorischen und fakultativen Haftkontrollverfahren (zumindest) alle zwei Monate richterlich geprüft werden (BGE 124 II 1 E. 2c S. 5). Der Haftrichter hat seinerseits ein innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen Sperrfristen eingereichtes Entlassungsgesuch an die Hand zu nehmen, wenn sich die Haft aufgrund neuer Umstände augenfällig als rechtswidrig erweist. Es geht - wie das Bundesgericht bereits festgestellt hat - nicht an, dass der inhaftierte Ausländer in solchen Fällen schutzlos bleibt und allenfalls lediglich aufsichtsrechtlich gegen die Fremdenpolizei vorgehen kann (BGE 124 II 1 E. 3a S. 6; ANDREAS ZÜND, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Verfahrensfragen und Rechtsschutz, in AJP 7/95 S. 863 f.).
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bb) Die Fremdenpolizei des Kantons Bern hat sich geweigert, den Beschwerdeführer aus der Haft zu entlassen; dies solle der Haft- richter beurteilen. Dessen negativer Entscheid vom 29. März 1999 war - wie dargelegt - als solcher zwar nicht bundesrechtswidrig, doch wäre er es heute gestützt auf die inzwischen veränderten Verhältnisse. Der Beschwerdeführer hat am 21. April 1999 ein weiteres Haftentlassungsgesuch eingereicht, das der Haftrichter dem Bundesgericht mit seiner Vernehmlassung am 27. April 1999 übermittelt hat, da es innerhalb der Sperrfrist von Art. 13c Abs. 4 ANAG ![]() | 12 |
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