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7. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Dezember 1999 i.S. C. gegen Schweizerische Bundesbahnen (SBB) und Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 19 und 21 Eisenbahngesetz; Pflicht zur Übernahme der Kosten für Sicherheits- und Sanierungsvorkehren. | |
Sachverhalt | |
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Im Hinblick auf diese Bauvorhaben schlossen die SBB und C. am 15. Juli 1988 einen neuen Dienstbarkeitsvertrag für die Hochspannungsleitung, die bis anhin offenbar durch blosse Durchleitungsrechte gesichert war. Die Dienstbarkeit wurde am 19. August 1988 als "umschriebenes Überleitungsrecht für Hochspannungsfreileitung, Bau- und Pflanzbeschränkung" zu Lasten der Parzelle Nr. 621 und zu Gunsten der SBB im Grundbuch eingetragen.
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Nach Erstellung des Gewerbehauses "Äschi" wurde festgestellt, dass der vorgeschriebene Mindestabstand zwischen der Hochspannungsleitung und dem Gewerbehaus nicht eingehalten war. Nachmessungen ergaben, dass bei der Vermessung von falschen Höhenkoten ausgegangen worden war. Der Grundbuchgeometer bestätigte mit Schreiben vom 27. August 1990, dass auf Grund dieses Fehlers die an sich plangemäss erstellte Baute 4,39 m zu hoch liege. Die SBB luden hierauf C. ein, ihnen raschmöglichst Vorschläge zur Behebung des bewilligungswidrigen Zustands zu unterbreiten. Nach weiteren Besprechungen und Aufforderungen von Seiten der SBB beauftragte C. die Firma Z., sichernde Sofortmassnahmen zu ergreifen und Varianten zur endgültigen Sanierung auszuarbeiten. Da in der Folge keine Vorkehren mehr getroffen wurden und C., nunmehr vertreten durch einen Rechtsanwalt, mit Schreiben vom 4. April 1991 erklärte, die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes sei Sache der SBB, erhoben diese am 20. April 1991 Klage beim BAV ![]() | 3 |
Mit Zwischenverfügung vom 30. Mai 1991 untersagte das BAV mit sofortiger Wirkung die Nutzung des obersten Geschosses des Gewerbehauses "Äschi". In der Folge einigten sich die Parteien nach Beizug von Experten über die definitiven Sanierungsmassnahmen, die vom BAV mit Verfügung vom 10. Juni 1992 angeordnet wurden.
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Im Rahmen des nachfolgenden Verfahrens zum Entscheid über die Übernahme der Sanierungskosten verpflichtete das BAV C. gestützt auf Art. 21 Abs. 2 EBG, den SBB den Betrag von Fr. 140'906.20 nebst Zins zu 5% seit 1. Dezember 1993 zu bezahlen. Gegen diesen Entscheid des BAV erhob C. Verwaltungsbeschwerde beim eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (heute: Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation, UVEK). Das Departement hiess die Beschwerde von C. am 14. Juni 1999 teilweise gut und setzte den von diesem zu bezahlenden Kostenanteil auf Fr. 96'906.40 fest. In den Erwägungen zu seinem Entscheid führte das UVEK - soweit hier interessierend - aus, dass entgegen der Annahme des BAV im vorliegenden Fall nicht Art. 21, sondern Art. 19 EBG anwendbar sei. Durch die Nichteinhaltung des Minimalabstandes zwischen Leitung und Gebäude werde nämlich nicht die Sicherheit der Leitung, sondern jene des nachträglich erstellten Gebäudes und der sich darin aufhaltenden Personen beeinträchtigt. Die Beurteilung der Streitsache sei daher ausschliesslich in Anwendung von Artikel 19 EBG vorzunehmen.
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C. hat gegen den Entscheid des UVEK Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben, die vom Bundesgericht abgewiesen wird aus folgenden
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Erwägungen: | |
2. Der Beschwerdeführer beanstandet, dass das UVEK seinen Entscheid auf Art. 19 EBG stütze, während das BAV von der Anwendbarkeit von Art. 21 EBG ausgegangen sei. Werde eine neue Norm beigezogen, so falle die Grundlage für die von den SBB gestellte Forderung dahin. Art. 19 EBG sehe ganz andere Voraussetzungen als Art. 21 EBG für die Kostentragungspflicht Dritter vor. Diese Voraussetzungen seien für den Beschwerdeführer nicht erfüllt, da er höchstens Zustandsstörer sei, während der Kanton Schwyz für den Vermessungsfehler einzustehen habe und als Verhaltensstörer ![]() | 7 |
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Die Bestimmung von Art. 19 EBG trägt dem Gefährdungspotential von Bahnanlagen Rechnung und hält die Bahnunternehmung dazu an, jene Vorkehren zu treffen, die für die Sicherheit der Bahn selbst sowie auch zur Vermeidung von Gefahren für Personen und Sachen erforderlich sind. Art. 21 EBG bezieht sich demgegenüber auf die Gefahren, die von Arbeiten, Anlagen, Bäumen oder Unternehmungen Dritter ausgehen und die Sicherheit der Bahnanlagen beeinträchtigen können. Er verpflichtet daher diese Dritten, auf Begehren der Bahn - im Streitfall auf Verfügung der Aufsichtsbehörde - durch geeignete Massnahmen Abhilfe zu schaffen.
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Im vorliegenden Fall wurde durch den Bau des Gewerbehauses "Äschi" - der Anlage eines "Dritten" - der aus Sicherheitsgründen vorgeschriebene Mindestabstand zwischen Hochspannungsfreileitung und Gebäude unterschritten. Dadurch ist einerseits die Sicherheit des Bahnstromversorgungsnetzes beeinträchtigt und mithin ein Gefährdungstatbestand gemäss Art. 21 Abs. 1 EBG geschaffen worden.
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Bestimmt sich demnach die Pflicht zur Beseitigung der gefahrenträchtigen Situation sowohl nach Art. 21 wie auch nach Art. 19 EBG, so sind bei der Regelung der Kostenfolgen dem Grundsatze nach ebenfalls beide Vorschriften zu berücksichtigen.
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Wird die Sicherheit der Bahn durch Anlagen oder Unternehmungen Dritter beeinträchtigt, so wird die Bahn dann kostenpflichtig, wenn die Anlagen oder Unternehmungen schon vor Inkrafttreten des Eisenbahngesetzes oder vor Erstellung der Bahnanlagen bestanden (Art. 21 Abs. 2 Satz 1 EBG). Für die nach diesem Zeitpunkt erstellten Anlagen oder eröffneten Unternehmungen tragen deren Inhaber die Kosten der Sanierung (Art. 21 Abs. 2 Satz 2 EBG).
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Die Kostenfolgen der Beseitigung eines gefährlichen bzw. polizeiwidrigen Zustandes, der durch das Aufeinandertreffen von Bahnanlagen und Anlagen Dritter verursacht wird, bestimmt sich somit nach der zeitlichen Priorität, das heisst nach der Frage, welche Anlage - jene der Bahn oder jene des Dritten - zuerst vorhanden war. Die Massgeblichkeit des Vorbestehens der einen oder anderen Anlage, die jedenfalls seit dem Inkrafttreten des Eisenbahngesetzes im Jahre 1958 gilt (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 19. Mai 1998 i.S. Ferrovie Federali Svizzere, publ. in RDAT 1998 II S. 196), ist wie dargelegt in Art. 21 Abs. 2 EBG klar festgehalten. Sie ergibt sich aber auch aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 2 EBG, wo von Bau-"Vorhaben" Dritter gesprochen wird sowie von anderen Bedürfnissen Dritter, für welche Vorkehren "nötig werden". Damit wird ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass die Kosten für Massnahmen, die erst hinterher im Interesse Dritter getroffen werden müssen, zu deren Lasten gehen sollen. Übrigens ist das einfache Kriterium, dass zu bezahlen hat, wer später kommt und den bisherigen ![]() | 15 |
Für die Auferlegung der Kosten ist somit auch im vorliegenden Fall ausschlaggebend, welche der beiden sich gegenseitig gefährdenden Anlagen zuerst am Platze war und welche durch ihr späteres Hinzukommen den bisherigen Zustand änderte. Nur wenn sich diese Frage der Priorität nicht lösen lässt, ist auf weitere, sich aus der Lehre und Rechtsprechung ergebende Kriterien abzustellen, so etwa darauf, wer als "Störer" im polizeirechtlichen Sinne gelte und aus diesem Grunde zur Kostentragung beizuziehen sei.
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Allerdings könnte hiergegen eingewendet werden, den SBB hätten ursprünglich blosse Durchleitungsrechte für die Überspannung der Parzelle Nr. 621 zugestanden. Diese Dienstbarkeiten hätten die Baufreiheit des Grundeigentümers in keiner Weise eingeschränkt; vielmehr seien die SBB, als der Beschwerdeführer sein Grundstück überbauen wollte, zur Verlegung der Leitung oder zum Erwerb von Bauverbots-Servituten verpflichtet gewesen (vgl. BGE 115 Ib 13 E. 2 S. 17 mit Hinweisen auf weitere Urteile). Rechtlich gesehen sei daher der Bestand der Leitung am gegebenen Ort erst durch den Dienstbarkeitsvertrag vom 15. Juli 1988 und die darin vereinbarte Baubeschränkung gesichert worden. In diesem Sinne komme der Leitung keine Priorität zu.
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Einer solchen Betrachtungsweise - die übrigens vom Beschwerdeführer nicht vertreten wird - wäre jedoch schon deshalb nicht zu folgen, weil bei der Gefahrenabwehr und der Beseitigung polizeiwidriger ![]() | 19 |
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Ebenso wenig vermag der Hinweis darauf, dass mehrere "Störer" vorhanden seien und Haftungskonkurrenz bestehe, dem Beschwerdeführer zu helfen. Die Bestimmungen von Art. 19 und 21 EBG regeln die Kostenverteilung zwischen der Bahnunternemung und dem "Dritten", welcher Eigentümer der Anlage oder Verantwortlicher für die Unternehmung ist, die im Zusammentreffen mit der Bahn Gefahren schafft. Haben auf der Seite des "Dritten" weitere ![]() | 21 |
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Das Eisenbahnrecht enthält keine Bestimmung über die Verjährung von Schadenersatzforderungen für Sicherheitsvorkehren im Sinne von Art. 19 und 21 EBG. Beginn und Dauer der Verjährungsfrist sind deshalb anhand vergleichbarer Regelungen oder - wenn auch solche fehlen - nach allgemeinen Rechtsprinzipien festzulegen (vgl. BGE 108 Ib 150 E. 4a, mit Hinweisen). Nun hat das Bundesgericht schon mehrfach festgestellt, dass die in Art. 60 OR vorgesehene einjährige Verjährungsfrist nicht auf öffentlichrechtliche Schadenersatzansprüche übertragen werden könne. Fehle eine ausdrückliche Bestimmung, die die Verjährungsfrist auf nur ein Jahr festsetze, so müsse der Forderungsberechtigte nicht mit einer derart kurzen Frist rechnen. Mit Rücksicht auf das Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sei bei der Lückenfüllung eine längere Frist zu wählen und in der Regel von einer - einzigen - Verjährungsfrist von fünf Jahren auszugehen (vgl. BGE 105 Ib 6 E. 3c S. 13 f.; BGE 108 Ib 485; BGE 113 Ia 461 E. 2 S. 464 f.; BGE 122 II 26 E. 5 S. 32 f; BGE 124 II 543 E. 4a S. 550). Diese fünfjährige Verjährungsfrist ist vom Bundesgericht auch in Fällen angewandt worden, in denen es um die Überbindung der Kosten für Sicherheitsvorkehren und die Beseitigung polizeiwidriger Zustände ging. Dabei ist zum Fristenlauf präzisiert worden, die Verjährung beginne erst, wenn die effektiven Kosten für die ergriffenen Massnahmen bekannt seien (BGE 122 II 26 E. 5, Entscheid des Bundesgerichts vom 17. Dezember 1980 i.S. X, publ. in ZBl 82/1981 S. 370 E. 2). Gemäss diesen Grundsätzen, an denen auch im vorliegenden Fall festzuhalten ist, ist die Forderung der SBB nicht verjährt.
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