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51. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. November 2000 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Thurgau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Übereinkommen des Europarates vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen (SR 0.343); Anpassung eines ausländischen Urteils an das schweizerische Recht. |
Voraussetzungen für die Vornahme einer Anpassung des ausländischen Urteils aufgrund der genannten Vorschrift (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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X. reichte gegen diesen Entscheid eine staatsrechtliche Beschwerde ein. Das Bundesgericht behandelt die staatsrechtliche Beschwerde als Verwaltungsgerichtsbeschwerde und weist sie ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Gemäss Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen, sofern sie von einer der in Art. 98 OG genannten Vorinstanzen erlassen worden sind und keiner der in Art. 99 ff. OG oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe vorliegt.
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Der Beschluss der Rekurskommission des Thurgauer Obergerichts ist eine Verfügung der letzten kantonalen Instanz im Sinne von Art. 98 lit. g OG. Er stützt sich auf das Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen, mithin auf öffentliches Recht des Bundes, da zu diesem auch das Staatsvertragsrecht gehört (BGE 124 II 293 E. 4b S. 307; BGE 118 Ib 137 E. 3b/bb S. 141 f. mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat in einem Urteil vom 13. März 1992 (BGE 118 Ib 137) erklärt, nach dem erwähnten Übereinkommen könne der Verurteilte nur den Wunsch äussern, dass er zum Vollzug der gegen ihn im Ausland verhängten Sanktion in sein Heimatland überstellt werde. Ein Recht auf Überstellung werde ihm nicht zuerkannt. Der in der Schweiz inhaftierte Ausländer könne deshalb den die Überstellung ablehnenden Bescheid der kantonalen Instanz mit keinem Rechtsmittel beim Bundesgericht anfechten. Hingegen könne er mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Verletzung von Rechten geltend machen, die ihm nach dem Übereinkommen zustünden (BGE 118 Ib 137 E. 3 S. 141 ff.).
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Im Entscheid der Rekurskommission des Obergerichts ging es nicht um die Frage der Überstellung des Beschwerdeführers, sondern um die Fortsetzung des Vollzugs der gegen ihn in den USA ausgefällten Strafe in der Schweiz. Nach Art. 10 Ziff. 2 des Übereinkommens kann der Vollstreckungsstaat die vom Urteilsstaat festgelegte Sanktion, wenn diese nach Art oder Dauer mit seinem Recht nicht vereinbar ist, an die nach seinem eigenen Recht für eine Straftat derselben Art vorgesehene Strafe oder Massnahme anpassen. Der Beschwerdeführer hatte nach seiner Überstellung in die Schweiz das ![]() | 7 |
Die vorliegende, als staatsrechtliche Beschwerde bezeichnete Eingabe kann als Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegengenommen werden, da sie die für dieses Rechtsmittel geltenden formellen Erfordernisse erfüllt (Art. 108 OG). Die unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels schadet dem Beschwerdeführer nicht (BGE 124 I 223 E. 1a S. 224; BGE 120 Ib 379 E. 1a S. 381 mit Hinweisen).
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"1. Im Fall einer Fortsetzung des Vollzugs ist der Vollstreckungsstaat an die rechtliche Art und die Dauer der Sanktion, wie sie vom Urteilsstaat festgelegt worden sind, gebunden.
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2. Ist diese Sanktion jedoch nach Art oder Dauer mit dem Recht des Vollstreckungsstaats nicht vereinbar oder schreibt dessen Recht dies vor, so kann dieser Staat die Sanktion durch eine Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung an die nach seinem eigenen Recht für eine Straftat derselben Art vorgesehene Strafe oder Massnahme anpassen. Diese Strafe oder Massnahme muss ihrer Art nach soweit wie möglich der Sanktion entsprechen, die durch die zu vollstreckende Entscheidung verhängt worden ist. Sie darf nach Art oder Dauer die im Urteilsstaat verhängte Sanktion nicht verschärfen und das nach dem Recht des Vollstreckungsstaats vorgesehene Höchstmass nicht überschreiten".
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Der Beschwerdeführer wurde vom amerikanischen Gericht wegen "conspiracy to commit money laundering" (Verschwörung zur Geldwäscherei) zu einer Freiheitsstrafe von 78 Monaten verurteilt. Die Bezirksgerichtliche Kommission Steckborn setzte in Anwendung von Art. 10 Ziff. 2 des Übereinkommens die Strafe auf das in der Schweiz für die qualifizierte Geldwäscherei zulässige Höchstmass von fünf Jahren Zuchthaus herab. Die Rekurskommission des Obergerichts vertrat die Ansicht, die von der Bezirksgerichtlichen Kommission vorgenommene Anpassung sei nicht zu beanstanden. Sie führte im Wesentlichen aus, die dem Beschwerdeführer vom amerikanischen Gericht zur Last gelegten Handlungen würden nach schweizerischem Recht unter den Tatbestand der Geldwäscherei fallen, wobei von einem schweren Fall im Sinne von Art. 305bis Ziff. 2 StGB auszugehen sei. Die Maximalstrafe für den im amerikanischen Urteil ausgefällten Schuldspruch betrage damit nach schweizerischem Recht fünf Jahre Zuchthaus. Das amerikanische Urteil sei in Bezug auf die Feststellung des Sachverhalts, die Subsumtion des Sachverhalts unter einen Tatbestand und die strafrechtliche Würdigung einschliesslich der Strafzumessung für den schweizerischen Richter im Exequaturverfahren verbindlich. Zu prüfen sei nur die Frage der Vollstreckbarkeit der im Urteilsstaat gefällten Sanktion bzw. deren Übereinstimmung mit dem schweizerischen Ordre public. Da hinsichtlich Geldwäscherei die Freiheitsstrafe von 78 Monaten nicht mit dem schweizerischen Ordre public vereinbar sei, müsse die zu vollstreckende Strafe auf 60 Monate herabgesetzt werden.
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c) Der Beschwerdeführer wendet ein, wenn die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid festhalte, bei der Anpassung des ausländischen ![]() | 14 |
d) Art. 10 Ziff. 2 des Übereinkommens sieht eine Ausnahme vom Grundsatz vor, dass der Vollstreckungsstaat an die rechtliche Art und die Dauer der vom Urteilsstaat festgelegten Sanktion gebunden ist. Falls diese Sanktion nach Art oder Dauer mit dem Recht des Vollstreckungsstaates nicht vereinbar ist, kann sie der Vollstreckungsstaat an die Sanktion anpassen, die nach seinem eigenen Recht für eine Straftat derselben Art vorgesehen ist (Art. 10 Ziff. 2 Satz 1 des Übereinkommens). Dieser Anpassung sind jedoch Grenzen gesetzt: die angepasste Sanktion muss soweit wie möglich der im Urteilsstaat verhängten Sanktion entsprechen (Art. 10 Ziff. 2 Satz 2 des Übereinkommens); sie darf hinsichtlich Art oder Dauer diese Sanktion nicht verschärfen und das nach dem Recht des Vollstreckungsstaates vorgesehene ![]() | 15 |
aa) Die Vorschrift von Art. 10 Ziff. 2 des Übereinkommens enthält einen Ordre public-Vorbehalt. Allgemein greift der Vorbehalt des Ordre public nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur dann Platz, wenn das einheimische Rechtsgefühl durch die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Urteils in unerträglicher Weise verletzt würde, weil durch dieses Urteil grundlegende Vorschriften der schweizerischen Rechtsordnung missachtet werden. Dabei sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts der Anwendung der Ordre public-Klausel mit Bezug auf die Vollstreckung eines ausländischen Urteils engere Grenzen gesetzt als im Gebiet der direkten Rechtsanwendung (BGE 103 Ia 199 E. 4a S. 204 mit Hinweisen).
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bb) Art. 10 Ziff. 2 des Übereinkommens erlaubt eine Anpassung zunächst dann, wenn die im Urteilsstaat ausgefällte Sanktion nach ihrer Art mit dem Recht des Vollstreckungsstaates nicht vereinbar ist. Hierunter sind die in den anderen Vertragsstaaten geltenden Formen der Freiheitsentziehung (z.B. Zuchthaus, Kerker, Gefängnis, Haft) zu verstehen. Würde in einem ausländischen Urteil z.B. eine Freiheitsstrafe in Form schweren Kerkers bei Wasser und Brot angeordnet, so würde damit die grundlegende Vorschrift von Art. 10 Abs. 3 der Schweizerischen Bundesverfassung missachtet, die jede Art unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung untersagt. Die Art der vom Urteilsstaat ausgefällten Sanktion bildete jedoch im vorliegenden Fall nicht Gegenstand der Anpassung, da die vom amerikanischen Gericht ausgesprochene Freiheitsstrafe (imprisonment) ihrer Art nach mit den Zuchthaus- und Gefängnisstrafen des schweizerischen Rechts vereinbar ist.
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cc) Eine weitere Anpassung ist nach Art. 10 Ziff. 2 des Übereinkommens zulässig, wenn die vom Urteilsstaat ausgefällte Sanktion nach ihrer Dauer mit dem Recht des Vollstreckungsstaates nicht vereinbar ist. Massgeblicher Anknüpfungspunkt ist die Strafe, die nach dem Recht des Vollstreckungsstaates für eine Straftat derselben Art vorgesehen ist. Die Sanktion darf das nach dem Recht des Vollstreckungsstaates vorgesehene Höchstmass nicht überschreiten und nicht gegen dessen Ordre public verstossen.
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Bei der Frage der Anpassung der vom amerikanischen Gericht gegen den Beschwerdeführer ausgefällten Strafe ist von der Straftat auszugehen, die ihm vorgeworfen wird. Diese entspricht, wie die kantonalen Instanzen mit Recht annahmen, einem schweren Fall der Geldwäscherei im Sinne von Art. 305bis Ziff. 2 StGB. Die Höchststrafe ![]() | 19 |
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