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12. Urteil des Kassationshofes vom 5. Dezember 2000 i.S. Bundesamt für Strassen gegen U. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 14 Abs. 2 lit. c, Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1bis SVG; Art. 30 Abs. 1 VZV; Sicherungsentzug des Führerausweises, Drogensucht, Abklärung der Fahreignung. |
Ein die momentane Fahrfähigkeit beinträchtigender Cannabiskonsum kann unter Umständen Anlass bieten, die generelle Fahreignung des Betroffenen durch ein Fachgutachten abklären zu lassen (E. 4b). | |
Sachverhalt | |
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Das Untersuchungsrichteramt I Berner Jura-Seeland verurteilte U. mit Strafmandat vom 19. Mai 1999 unter anderem wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung und Führens eines Personenwagens in nicht fahrfähigem Zustand (Drogen) zu einer bedingt aufgeschobenen Strafe von 30 Tagen Gefängnis (Probezeit 3 Jahre) sowie zu einer Busse von Fr. 2'000.-. Der Entscheid ist in Rechtskraft erwachsen.
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Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern entzog U. mit Verfügung vom 17. Mai 2000 den Führerausweis gestützt auf die Art. 16 Abs. 3 lit. a und 17 SVG (SR 741.01) für die Dauer von zwei Monaten. Eine von U. hiegegen erhobene Beschwerde wies die Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern am 4. Juli 2000 ab.
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Gegen diesen Entscheid führt das Bundesamt für Strassen (ASTRA) Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei die Sache an das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern zur medizinischen Abklärung der Eignung von U. zum Führen von Motorfahrzeugen zurückzuweisen, mit der Auflage, von Amtes wegen die Notwendigkeit einer vorsorglichen Massnahme zu prüfen.
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Aus den Erwägungen: | |
2. a) Das beschwerdeführende Amt macht geltend, der Beschwerdegegner sei am Tag des Verkehrsunfalls schon am Morgen unter dem akuten Einfluss von Cannabis gestanden. Auf Grund der vom IRM festgestellten THC-COOH-Konzentration von 71,3 ng/ml sei zudem davon auszugehen, dass dieser kein blosser Gelegenheitskonsument sei. Überdies sei er als ![]() | 5 |
b) Die Vorinstanz beurteilt das Verschulden des Beschwerdegegners und die von ihm zu verantwortende Verkehrsgefährdung als äusserst schwer. Hinsichtlich seiner Fahreignung und zur Frage einer möglichen Drogensucht verweist sie auf die vom Beschwerdegegner beigebrachte Bestätigung seines Hausarztes, welcher eine Drogensucht klar verneint.
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c) Der Beschwerdegegner bringt vor, im Zeitpunkt des Unfalls hätten bei ihm keine Anzeichen für eine Drogensucht bestanden. Jedenfalls genüge der gelegentliche Konsum von Cannabis nicht, um eine Drogenabhängigkeit anzunehmen bzw. ein medizinisches Gutachten über die Fahreignung anzuordnen. Die Abklärungen der kantonalen Behörden erschienen daher als ausreichend. Zudem sei er sich in der Zwischenzeit der möglichen Auswirkungen des Cannabiskonsums auf seine Fahrfähigkeit bewusst geworden.
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c) Voraussetzung für den Sicherungsentzug gemäss Art. 14 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 17 Abs. 1bis SVG ist das Vorliegen einer Sucht. Trunksucht wird bejaht, wenn der Betreffende regelmässig so viel Alkohol konsumiert, dass seine Fahrfähigkeit vermindert wird und er diese Neigung zum übermässigen Alkoholgenuss durch den eigenen Willen nicht zu überwinden vermag. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei Personen, bei denen die Blutalkoholkonzentration 2,5 und mehr Promille beträgt, eine medizinische Fahreignungsuntersuchung anzuordnen, auch wenn sie während der letzten fünf Jahre vor der aktuellen Trunkenheitsfahrt keine einschlägige Widerhandlung begangen haben. Denn wer eine derart hohe Blutalkoholkonzentration aufweist, verfügt über eine so grosse Alkoholtoleranz, dass in aller Regel auf eine Alkoholabhängigkeit geschlossen werden muss (BGE 126 II 185 E. 2d und e). Dasselbe gilt für einen Lenker, der ein erstes Mal mit mindestens 1,74 Promille gefahren und sich rund ein Jahr später wiederum angetrunken, mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,79 Promille, ans Steuer gesetzt hat (BGE 126 II 361 E. 3c).
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Das IRM nahm im vorliegenden Fall die chemisch-toxikologische Untersuchung vor. Seinem der Strafbehörde am 26. Januar 1999 erstatteten Bericht zufolge stand der Beschwerdegegner im Zeitpunkt des Unfalls unter dem akuten Einfluss von Cannabis, was zu einer Einschränkung seiner Fahrfähigkeit geführt hat. Das IRM empfahl auf Grund dessen eine Überprüfung der Fahreignung durch die zuständige Behörde.
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Nach Abschluss der strafrechtlichen Beurteilung verfügte die Administrativbehörde einen zweimonatigen Warnungsentzug. Diesen Entscheid schützte die Vorinstanz. Sie hielt aber fest, beim Beschwerdegegner handle es sich entgegen seinen Behauptungen nicht bloss um einen Wochenendkonsumenten von Drogen. Insbesondere treffe seine im kantonalen Verfahren vorgebrachte ![]() | 14 |
b) Nach der Rechtsprechung erlaubt ein regelmässiger, aber kontrollierter und mässiger Haschischkonsum für sich allein noch nicht den Schluss auf eine fehlende Fahreignung (BGE 124 II 559 E. 4d und e). Ob diese gegeben ist, kann ohne Angaben über die Konsumgewohnheiten des Betroffenen, namentlich über Häufigkeit, Menge und Umstände des Cannabiskonsums und des allfälligen Konsums weiterer Betäubungsmittel und/oder Alkohol, sowie zu seiner Persönlichkeit, insbesondere hinsichtlich Drogenmissbrauch und Strassenverkehr, nicht beurteilt werden (BGE 124 II 559 E. 4e und 5a). Aus dem angeführten Entscheid ergibt sich indessen, dass ein die momentane Fahrfähigkeit beeinträchtigender Cannabiskonsum Anlass bieten kann, die generelle Fahreignung des Betroffenen durch ein Fachgutachten näher abklären zu lassen. So verhält es sich auch im zu beurteilenden Fall. Der Beschwerdegegner war den Behörden als Betäubungsmittelkonsument bekannt, konsumierte am fraglichen Tag bereits am Morgen Cannabis und verursachte unter akutem Cannabiseinfluss einen schweren Unfall mit hiefür typischen Fahrfehlern. Nach seinen eigenen Angaben raucht er ca. einmal pro Woche Haschisch und konsumierte ausserdem früher, d.h. ca. zwei Jahre vor dem Unfall, harte Drogen. Dass die Administrativbehörde in Anbetracht dieser Umstände und angesichts des rechtsmedizinischen Befundes, der auf einen starken Konsumenten hinweist (PETER X. ITEN, Fahren unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss, Forensische Interpretation und Begutachtung, Zürich 1994, S. 114), daran gezweifelt hat, ob der Beschwerdegegner in der Lage sei, Haschischkonsum und Strassenverkehr ausreichend zu trennen, und auf Grund dessen eine Abklärung seiner Fahreignung anordnete, ist nicht zu beanstanden. Wenn das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt aber eine solche Abklärung für erforderlich hielt, durfte es sich nicht mit der Bestätigung des Hausarztes des Beschwerdegegners begnügen, die letztlich bloss in einer knappen und - auf Grund missverständlicher Fragestellung - unklaren Beantwortung vorgedruckter Fragen auf dem beigelegten Formular "Ärztliches Zeugnis betreffend Fahreignung nach Drogenkonsum" bestand. Dies gilt nicht zuletzt im Hinblick auf einen allfälligen Interessenkonflikt des Arztes. Unter diesen Umständen war das ärztliche Zeugnis unzureichend. Die Abklärungen der Administrativbehörden erweisen sich daher als offensichtlich unvollständig. Wie das beschwerdeführende Amt zu ![]() | 15 |
c) Die Dauer des Warnungsentzugs von zwei Monaten ist unbestritten. Sollte die Abklärung des Sachverständigen ergeben, dass beim Beschwerdegegner kein Eignungsmangel vorliegt und deshalb ein Sicherungsentzug nicht erforderlich ist, bleibt es beim angefochtenen Entscheid.
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Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache an das Strassenverkehrs- ![]() | 18 |
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