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22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) 6A.102/2001 vom 9. Januar 2002 | |
Regeste |
Art. 16 und 17 SVG; Warnungsentzug. |
Bemessungskriterien für die Entzugsdauer (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich entzog X. wegen dieses Vorfalls am 18. Mai 2000 den Führerausweis für die Dauer von vier Monaten. Es berücksichtigte dabei insbesondere, dass ihm wegen Vereitelung einer Blutprobe der Führerausweis bereits 1994 für einen Monat entzogen worden war.
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X. hat Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben und beantragt, es sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an diese Instanz zurückzuweisen. Eventualiter sei ihm der Führerausweis für die Dauer von zwei Monaten zu entziehen und der Vollzug so auszugestalten, dass er weiterhin seiner Arbeit nachgehen könne.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Das Strassenverkehrsgesetz regelt in Art. 17 SVG die Dauer des Führerausweisentzugs. Es setzt die minimale Entzugsdauer grundsätzlich auf einen Monat fest. Für gewisse Widerhandlungen gelten jedoch höhere Mindestdauern, und bei Sicherungsentzügen erfolgt der Entzug auf unbestimmte Zeit. Beim Warnungsentzug bemisst sich die konkrete Dauer vor allem nach dem Verschulden, dem Leumund des Motorfahrzeugführers und der beruflichen Notwendigkeit, ein Fahrzeug zu führen (Art. 33 Abs. 2 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr [VZV; SR 741.51]). Beim Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit wird eine Probezeit von mindestens einem Jahr angesetzt, vor deren Ablauf der Führerausweis auch bedingt nicht ausgehändigt werden darf (Art. 17 Abs. 1bis SVG; Art. 33 Abs. 1 VZV). Für längere Zeit entzogene Ausweise können im Übrigen nach sechs Monaten unter angemessenen Auflagen bedingt wieder erteilt werden (Art. 17 Abs. 3 SVG). Weitere Vorschriften über die zeitliche Ausgestaltung des Führerausweisentzugs kennt das Bundesrecht nicht.
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Der Umfang des Ausweisentzugs wird im Strassenverkehrsgesetz selber nicht geregelt (vgl. BGE 105 Ib 22 E. 2b S. 25). Art. 34 Abs. 1 VZV stellt den Grundsatz auf, dass ein Führerausweisentzug für ![]() | 8 |
Aus der Tatsache, dass sich die massgeblichen Bestimmungen zu der vom Beschwerdeführer verlangten Vollzugsform nicht ausdrücklich äussern, kann entgegen der Ansicht der kantonalen Instanzen noch nicht geschlossen werden, es liege eine Gesetzeslücke vor. Es fragt sich vielmehr, ob sich den angeführten Normen auch auf dem Weg der Auslegung keine Antwort entnehmen lässt.
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b) Der Gesetzgeber hat den vorübergehenden Entzug des Führerausweises gemäss Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG als fühlbare Warnung an jene Motorfahrzeuglenker eingeführt, deren Verhalten voraussehen lässt, dass sie es an Sorgfalt und Rücksichtnahme fehlen lassen werden. Die Behörden sollten durch frühzeitige Warnung der gefährlichen Fahrer Unfällen zuvorkommen (Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II 1, S. 23; Botschaft über die Änderung des Strassenverkehrsgesetzes vom 27. August 1986, BBl 1986 III 209, S. 221). Auch die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat stets erklärt, der Warnungsentzug stelle eine Administrativmassnahme mit präventivem und erzieherischem Charakter dar. Sie bezwecke, den Lenker zu mehr Sorgfalt und Verantwortung zu erziehen und ihn dadurch von weiteren Verkehrsdelikten abzuhalten. Diese Funktion des Warnungsentzugs ist auch in der jüngsten Praxis, die den gleichzeitigen strafähnlichen Charakter der Massnahme stärker betont, nicht in Frage gestellt worden (BGE 125 II 396 E. 2a/aa S. 399; BGE 123 II 225 E. 2a/bb S. 228; BGE 116 Ib 146 E. 2a S. 148).
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Der vom Beschwerdeführer angestrebte auf die Freizeit beschränkte Führerausweisentzug stünde mit dem dargestellten gesetzgeberischen Ziel im Widerspruch. Der fehlbare Lenker soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers vielmehr für eine gewisse Zeit vollständig vom Führen eines Motorfahrzeugs ausgeschlossen werden.
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Im Lichte des dargestellten gesetzgeberischen Zwecks, der dem Warnungsentzug gemäss Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG zu Grunde liegt, erscheint eine zeitliche Beschränkung der Massnahme auf die Freizeit als ausgeschlossen. Die kantonalen Instanzen, die sich bisher zu dieser Frage zu äussern hatten, sind zum gleichen Resultat gelangt (vgl. die Hinweise bei RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des Strassenverkehrsrechts, Bd. III, Bern 1995, N. 2466).
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c) Der Beschwerdeführer hält das dargestellte Verständnis des Warnungsentzugs offenbar für überholt. Er betont den strafähnlichen Charakter des Warnungsentzugs und verlangt, dass dieser noch täter- und resozialisierungsspezifischer ausgestaltet werde als die bei Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz auszusprechenden strafrechtlichen Sanktionen. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, wieso die bei der Strafverbüssung mögliche Form der Halbgefangenschaft nicht auch beim Vollzug des Führerausweises gemäss Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG möglich sein solle.
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Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts versteht den Warnungsentzug wohl nicht mehr allein als Verwaltungsmassnahme, sondern betont auch deren strafähnlichen Charakter, was in gewissen Belangen die analoge Anwendung der im Bereich des Strafrechts geltenden Regeln rechtfertige (BGE 123 II 225 E. 2a/bb S. 228, 464 E. 2a S. 465; BGE 121 II 22 E. 3 S. 25 f.; BGE 120 Ib 504 E. 4b S. 507). Sie hat aber wie erwähnt auch in den jüngsten Entscheiden ![]() | 15 |
Das geltende Recht bietet demnach keine Grundlage für einen Vollzug des Warnungsentzugs lediglich während der arbeitsfreien Zeit, wie ihn der Beschwerdeführer verlangt. Eine solche Vollzugsform würde eine Änderung der massgeblichen gesetzlichen Bestimmungen voraussetzen. Die Revision des Strassenverkehrsgesetzes, welche die Eidgenössischen Räte vor kurzem verabschiedet haben, sieht ebenfalls keine Änderung in dem vom Beschwerdeführer gewünschten Sinn vor. Das Recht des Warnungsentzugs ist im Gegenteil von strafrechtlichen Erwägungen stärker verselbständigt und verschärft worden (vgl. Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes vom 31. März 1999, BBl 1999 S. 4462, 4485 f.; vom Parlament beschlossene Vorlage vom 14. Dezember 2001, BBl 2001 S. 6499 ff.).
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d) Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, soweit damit die von den kantonalen Behörden angeordnete Vollzugsform kritisiert wird.
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4. Im angefochtenen Entscheid wird erklärt, die vom zuständigen Amt festgesetzte Entzugsdauer von vier Monaten bewege sich ![]() | 18 |
a) Nach Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG beträgt die Dauer des Führerausweisentzugs mindestens zwei Monate, wenn der Lenker in angetrunkenem Zustand gefahren ist. Ist ein Lenker innert fünf Jahren seit Ablauf eines früheren Entzugs wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand erneut in diesem Zustand gefahren, beläuft sich nach Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG die minimale Entzugsdauer auf ein Jahr.
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Die kantonalen Instanzen sind gestützt auf Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG zu Recht von einer minimalen Entzugsdauer von zwei Monaten ausgegangen. Da der frühere Entzug im Tatzeitpunkt bereits über fünf Jahre zurücklag, findet Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG keine Anwendung. Das Verwaltungsgericht durfte den früheren Vorfall aus dem Jahre 1993 hingegen bei der Beurteilung des automobilistischen Leumunds berücksichtigen (BGE 121 II 134 E. 3d S. 136 f.).
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b) Im dargestellten Rahmen ist die Dauer des Warnungsentzugs nach den Umständen festzusetzen (Art. 17 Abs. 1 SVG). Massgebend für die Bemessung sind vor allem die Schwere des Verschuldens, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen (Art. 33 Abs. 2 VZV). Alle Umstände sind dabei gesamthaft zu würdigen, und es ist im Einzelfall die Entzugsdauer so festzusetzen, dass die mit der Massnahme beabsichtigte erzieherische und präventive Wirkung am besten erreicht wird (BGE 124 II 44 E. 1 S. 46). Den kantonalen Behörden steht bei der Bemessung der Entzugsdauer ein weiter Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn dieses Ermessen überschritten oder missbraucht wurde. Dies ist namentlich der Fall, wenn die kantonalen Behörden einzelne Umstände zu Unrecht ganz ausser Acht lassen oder in einer unhaltbaren Weise gewichten (BGE 115 Ib 163 E. 3 S. 166).
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Der angefochtene Entscheid geht von diesen Bemessungskriterien aus. Der Beschwerdeführer wirft dem Verwaltungsgericht zu Unrecht vor, es habe gewisse Umstände - namentlich ausserhalb von Art. 33 Abs. 2 VZV liegende Gründe - völlig ausser Acht gelassen und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht beachtet.
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c) Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Beurteilung des Verschuldens im angefochtenen Entscheid. Es treffe zwar zu, dass dieses objektiv betrachtet schwer wiege. Bei Berücksichtigung seiner subjektiven Situation und der nach der Tat gezeigten Einsicht und Reue erscheine es jedoch in einem viel milderen Licht, als das Verwaltungsgericht annehme.
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Zur Begründung dieser Ansicht beruft sich der Beschwerdeführer zu Unrecht auf verminderte Zurechnungsfähigkeit. Selbst wenn eine solche im Tatzeitpunkt bestanden haben sollte, würde dies an seiner vollen Verantwortlichkeit unter dem Gesichtspunkt der actio libera in causa (Art. 12 StGB) nichts ändern (vgl. BGE 117 IV 292 E. 2b S. 295 f.). Der Beschwerdeführer ist denn auch mit Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft vom 17. Januar 2000 des Fahrens in angetrunkenem Zustand ohne Verminderung der Zurechnungsfähigkeit für schuldig erklärt worden, und er hat diese Verfügung nicht angefochten.
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Ebenfalls fehl geht der Einwand des Beschwerdeführers, er habe sich bei der Trunkenheitsfahrt nicht mehr an seine frühere Verurteilung wegen Vereitelung einer Blutprobe aus dem Jahr 1993 erinnern können, was sein Verschulden milder erscheinen lasse. Entscheidend ist indessen nicht diese Tatsache, sondern dass dem Beschwerdeführer vor dem Trinkbeginn die frühere Verurteilung noch bewusst sein musste.
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Das Verwaltungsgericht durfte es im Übrigen auch ablehnen, im Verkauf des Privatwagens des Beschwerdeführers rund anderthalb Monate nach der Trunkenheitsfahrt ein Zeichen von besonderer Einsicht und Reue zu sehen. Tatsächlich legt der Beschwerdeführer nicht näher dar, dass er sein Auto aus Reue und nicht aus anderen Gründen verkauft hat. Dem Verkauf kommt aber vor allem deshalb kein erhebliches Gewicht zu, weil der Beschwerdeführer damit ja ![]() | 27 |
d) Auch der automobilistische Leumund des Beschwerdeführers wurde vom Verwaltungsgericht als Umstand gewürdigt, der für eine Erhöhung der gesetzlichen Mindestentzugsdauer spreche. Es berücksichtigte in diesem Zusammenhang wie erwähnt (E. 4a) zu Recht den 1993/1994 erfolgten Ausweisentzug wegen Vereitelung einer Blutprobe. Die vom Beschwerdeführer erwähnte Tatsache, dass er erheblich mehr Fahrten als der Durchschnittsbürger unternehme, lässt seine Tat aus dem Jahre 1993 nicht in einem milderen Licht erscheinen.
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e) Das Verwaltungsgericht hat weiter der beruflichen Angewiesenheit des Beschwerdeführers auf ein Motorfahrzeug kein grosses Gewicht beigemessen. Es ging zwar grundsätzlich von einer erhöhten Massnahmenempfindlichkeit aus, verwies aber zugleich darauf, dass der Beschwerdeführer selber erklärt habe, er verrichte in einem erheblichen Umfang Büroarbeiten, was nicht auf eine intensive Beschäftigung im Aussendienst hinweise. Der Beschwerdeführer betont demgegenüber, für die Kundenbesuche auf das Auto nicht verzichten zu können. Seine Massnahmenempfindlichkeit werde dadurch erhöht, dass es seine finanziellen Verhältnisse auch nicht zuliessen, während des Entzugs einen Chauffeur zu entschädigen oder unbezahlten Urlaub zu nehmen.
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Nach der Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Massnahmenempfindlichkeit zu berücksichtigen, in welchem Mass ein Fahrer aus beruflichen Gründen auf seinen Führerausweis angewiesen ist (BGE 123 II 572 E. 2c S. 575). Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer als Disponent für Umzüge die Wohnungen der Kunden besichtigen muss, um anschliessend Offerten ausarbeiten zu können. Eine Angewiesenheit auf ein Motorfahrzeug ist damit grundsätzlich zu bejahen, doch ist sie nicht mit der Situation etwa eines Berufschauffeurs zu vergleichen. Ein vorübergehender Entzug verunmöglicht ihm die Berufsausübung nicht vollständig. Aus dem Schreiben der Arbeitgeberin geht hervor, dass eine Kündigung nur erfolgen müsste, wenn der Beschwerdeführer längere Zeit auf den Führerausweis verzichten müsste. Bei dieser Sachlage hat das Verwaltungsgericht sein Ermessen nicht überschritten, wenn es der Massnahmenempfindlichkeit des Beschwerdeführers kein grosses Gewicht einräumte.
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f) Schliesslich sprechen nach Auffassung des Beschwerdeführers in seinem Fall weitere, in Art. 33 Abs. 2 VZV nicht genannte ![]() | 31 |
g) Die von den kantonalen Instanzen festgesetzte Entzugsdauer von vier Monaten erweist sich auch bei gesamthafter Betrachtung aller Umstände nicht als bundesrechtswidrig. Sie bewegt sich durchaus im Rahmen vergleichbarer Fälle. In einem neueren Entscheid hielt das Bundesgericht gegenüber einem Lenker, der nach 5 Jahren und neun Monaten wiederum in angetrunkenem Zustand gefahren und beruflich stark auf das Auto angewiesen war, ebenfalls eine Entzugsdauer von vier Monaten für angemessen (BGE 124 II 44 E. 2 S. 47). In einem anderen Fall setzte es die Dauer auf drei Monate fest, doch lag hier der frühere Entzug fast sieben Jahre zurück und das Tatverschulden wog wesentlich leichter (Urteil 6A.49/2001 vom 30. Oktober 2001, E. 2d).
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