BGE 128 II 285 | |||
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34. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
6A.45/2002 vom 5. September 2002 | |
Regeste |
Art. 33 Abs. 2 VZV; Warnungsentzug des Führerausweises; Berücksichtigung der beruflichen Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen. | |
Sachverhalt | |
A.- X. fuhr nach eigenen Aussagen am Mittwoch, 1. September 1999, ca. 06.50 Uhr mit seinem Personenwagen auf der Autobahn A1 Richtung Zürich. Weil er sich durch den vorausfahrenden Automobilisten schikaniert fühlte, wechselte er vom ersten Überholstreifen auf den Normalstreifen (rechte Spur). Er passierte mehrere Fahrzeuge rechts und wechselte kurz vor dem Limmattaler-Kreuz zurück in eine Lücke auf dem ersten Überholstreifen, weil sein Fahrziel Zürich-City war. Am betreffenden Ort ist die rechte Spur ausschliesslich für die Abzweigung auf die A4 bestimmt und entsprechend als Einspurstrecke markiert.
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X. besitzt seit 1969 den Führerausweis der Kat. B. Bis heute wurden keine Administrativmassnahmen gegen ihn ausgesprochen.
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C.- In Anwendung von Art. 16 Abs. 3 und Art. 17 SVG entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau X. am 23. November 2000 den Führerausweis für die Dauer von zwei Monaten.
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Das Departement des Innern des Kantons Aargau wie auch das aargauische Verwaltungsgericht wiesen den Antrag von X., auf einen Führerausweisentzug sei zu verzichten, im Beschwerdeverfahren kostenfällig ab.
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D.- X. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, es seien der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 23. Januar 2002 aufzuheben und der angeordnete Führerausweisentzug auf die Dauer von einem Monat zu reduzieren.
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E.- Das Verwaltungsgericht verzichtet unter Hinweis auf das angefochtene Urteil auf Vernehmlassung.
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Das Bundesamt für Strassen stellt mit seiner Vernehmlassung sinngemäss den Antrag auf Gutheissung der Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer seine berufliche Angewiesenheit auf ein Motorfahrzeug geltend mache.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
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1.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Annahme eines schweren Falles verletze Bundesrecht. Die Vorinstanz gehe unter Hinweis auf BGE 126 IV 197 davon aus, der Fahrzeuglenker auf der Autobahn müsse sich darauf verlassen können, dass er nicht plötzlich rechts überholt werde. Diese Betrachtungsweise verkenne, dass auf signalisierten Einspurstrecken immer damit gerechnet werden müsse, dass man sowohl links- als auch rechtsseitig passiert werde. So lange die Spuren nicht mit einer Sicherheitslinie voneinander getrennt seien, müsse auch mit Spurwechseln gerechnet werden. Mit Bezug auf die Gefährlichkeit des Manövers könne es nicht darauf ankommen, ob der Wechsel von links nach rechts erfolge. Im Gegensatz zu einem derartigen Überholmanöver auf offener Strecke könne vorliegend nicht von einer besonderen Nähe der Verwirklichung einer Unfallgefahr gesprochen werden. Das zugegebenermassen unzulässige Überholmanöver stelle bloss einen mittelschweren Fall dar.
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Gemäss Art. 35 Abs. 1 SVG ist links zu überholen, woraus ein Verbot des Rechtsüberholens folgt. Beim Fahren in parallelen Kolonnen darf der Fahrzeugführer rechts vorbeifahren (Art. 36 Abs. 5 lit. a der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11]). Das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen ist jedoch auch im Kolonnenverkehr untersagt (Art. 8 Abs. 3 Satz 2 VRV).
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Das Bundesgericht hat sich im Entscheid BGE 126 IV 192 eingehend zum Problem des Rechtsüberholens geäussert. Es hat unter anderem festgehalten, es liege Überholen und nicht blosses Vorbeifahren vor, wenn Ausschwenken, Vorbeifahren an einem oder wenigen Fahrzeugen und anschliessendes Wiedereinbiegen in einem Zuge erfolgen, also etwa dann, wenn ein Fahrzeuglenker die Lücken in den parallelen Kolonnen zum Vorfahren so ausnütze, dass er kurz auf die rechte Fahrbahn wechsle und gleich wieder nach links einbiege (BGE 126 IV 192 E. 2a S. 195 mit Hinweis). Ferner hielt es fest, das Verbot des Rechtsüberholens sei eine für die Verkehrssicherheit objektiv wichtige Vorschrift, deren Missachtung eine erhebliche Gefährdung der Verkehrssicherheit mit beträchtlicher Unfallgefahr nach sich ziehe und daher objektiv schwer wiege.
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Der Beschwerdeführer überholte am 1. September 1999 auf der am betreffenden Ort dreispurigen Autobahn A1 rechts. Er wechselte von der mittleren Spur nach rechts auf die ausschliesslich für die Abzweigung auf die A4 bestimmte Spur, überholte einen oder mehrere vorausfahrende Wagen und schwenkte wieder auf die mittlere Spur Richtung Zürich ein. Damit sind die Voraussetzungen des verbotenen Rechtsüberholens auf der Autobahn erfüllt, was der Beschwerdeführer auch selbst mit den Worten anerkennt, es liege zugegebenermassen ein unzulässiges Überholmanöver vor.
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1.4 Der Einwand des Beschwerdeführers, es habe sich um eine spezielle Situation gehandelt, weil er auf einer Einspurstrecke gefahren sei, ist unbehelflich. Einspurstrecken dienen zum Einspuren, gegebenenfalls zum Rechtsvorbeifahren, sofern der übrige Verkehr nicht gefährdet wird, auf keinen Fall aber dürfen sie dazu benützt werden, andere Fahrzeuge rechts zu überholen. Die Missachtung des Rechtsüberholverbotes wiegt objektiv schwer, weshalb der Führerausweis gemäss Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG zwingend zu entziehen ist.
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Vorliegend besteht umso weniger ein Grund, das Fahrmanöver anders zu beurteilen, als der Beschwerdeführer sich seines grob verkehrswidrigen Verhaltens sehr wohl bewusst war und nicht etwa die Situation falsch einschätzte. In der Befragung zur Sache durch die Kantonspolizei Zürich führte er aus, ab der Autobahnraststätte Würenlos, als er mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h gefahren sei, habe der vor ihm fahrende Automobilist ein Spielchen mit Beschleunigen und Verlangsamen begonnen und ihm so das Überholen verunmöglicht. Mehrmals sei er ausgebremst worden. Er sei deshalb an besagter Stelle rechts vorgefahren und habe die Lücke auf dem Überholstreifen zum erneuten Fahrbahnwechsel benutzt. Der Beschwerdeführer liess sich also zum verbotenen Fahrmanöver provozieren.
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Erwägung 2 | |
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2.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, das Verwaltungsgericht verkenne die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur beruflichen Angewiesenheit des Fahrzeuglenkers auf den Führerausweis und verletze damit Bundesrecht. Die Antwort auf die Frage, welche Entzugsdauer notwendig und geeignet sei, die gewünschte Wirkung zu zeitigen, sei nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des mutmasslichen Vollzugs und nicht der Verkehrsregelverletzung zu geben. Da kein missbräuchlicher Stellenwechsel vorliege, müssten die neuen Arbeitsumstände berücksichtigt werden.
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Der Beschwerdeführer bestreitet die "Einsatzmassnahme" von drei Monaten nicht. Er beantragt auch nicht, die Entzugsdauer müsse auf Grund seines guten automobilistischen Leumundes um mehr als einen Monat reduziert werden. Zu prüfen ist daher einzig, ob die Vorinstanz die geltend gemachte berufliche Angewiesenheit auf den Führerausweis hätte berücksichtigen müssen.
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Zwar verkennt die Vorinstanz diese Praxis nicht, sie verneint jedoch, die überdurchschnittliche berufliche Angewiesenheit des Beschwerdeführers auf den Führerausweis berücksichtigen zu können. Gemäss ihrer eigenen Rechtsprechung sei diejenige Massnahmeempfindlichkeit für die Bemessung der Massnahme relevant, welche zum Zeitpunkt des Vorfalls bereits bestanden habe. Ein nach der begangenen Verkehrsregelverletzung erfolgter Stellenwechsel sei deshalb unbeachtlich.
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Zu Recht stellt der Beschwerdeführer diese Auffassung in Frage. Massgebend für die Prüfung der Massnahmeempfindlichkeit ist der Zeitpunkt der Entscheidung über die Massnahme, nicht jener des Verkehrsregelverstosses. Die Dauer des Entzugsverfahrens kann sich aus verschiedensten Gründen in die Länge ziehen (etwa wenn der Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten ist oder wegen Überlastung der Behörden oder wegen Ergreifens von Rechtsmitteln). Sofern seitens des Fahrzeuglenkers kein Rechtsmissbrauch vorliegt, darf sich die Verfahrensdauer nicht zu seinen Ungunsten auswirken. Es ist einem Fahrzeuglenker auch nicht zuzumuten, nur wegen des hängigen Massnahmeverfahrens auf einen Stellenwechsel zu verzichten oder den Antritt einer neuen Stelle auf einen unbestimmten Zeitpunkt hinauszuschieben. Der Wechsel der beruflichen Tätigkeit hängt in der Regel von verschiedensten Umständen ab, welche der Betroffene oft nur teilweise oder gar nicht beeinflussen kann. Ist er nun in der neuen Tätigkeit stärker als früher und jedenfalls in grösserem Masse als der normale Fahrer beruflich auf ein Fahrzeug angewiesen, so muss diese Situation bei der Bemessung der Massnahmedauer berücksichtigt werden. Umgekehrt kann sich etwa ein Berufschauffeur, der während des Massnahmeverfahrens eine Arbeit aufnimmt, bei welcher er auf den Führerausweis nicht angewiesen ist, auch nicht mehr auf das entsprechende Zumessungskriterium nach Art. 33 Abs. 2 VZV berufen. Massgebend ist mit andern Worten die aktuelle berufliche Situation des Fahrzeuglenkers zu dem Zeitpunkt, an welchem letztmals neue Tatsachen betreffend die berufliche Situation berücksichtigt werden können.
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Zum gleichen Ergebnis führt die analoge Anwendung der im Bereich des Strafrechts geltenden Regeln. Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichts versteht den Warnungsentzug nicht nur als Verwaltungsmassnahme, sondern betont auch deren strafähnlichen Charakter. Wo die gesetzliche Regelung des Warnungsentzugs lückenhaft oder auslegungsbedürftig ist, rechtfertigt sich daher der Rückgriff auf strafrechtliche Grundsätze (vgl. BGE 128 II 173 mit zahlreichen Hinweisen). Im vorliegenden Zusammenhang ist deshalb zu beachten, dass bei der Strafzumessung gemäss Art. 63 StGB auf die Strafempfindlichkeit im Zeitpunkt des Urteils abzustellen ist (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, AT II, S. 238 N. 45, mit Hinweisen). Auch bei der Prüfung der günstigen Prognose im Hinblick auf die Gewährung des bedingten Strafvollzuges sind die persönlichen Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Entscheides miteinzubeziehen (Urteil des Bundesgerichts 6S.258/1997 vom 15. Dezember 1997).
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2.5 Der Beschwerdeführer hat die dem Führerausweisentzug zugrunde liegende Verkehrsregelverletzung am 1. September 1999 begangen. Am 1. Oktober 2001 - also mehr als zwei Jahre später - hat er eine neue Stelle angetreten. Es obliegen ihm Kontrollen in Industriebetrieben auf dem ganzen Gebiet des Kantons Zürich. Für die Arbeit werden Mess- und Hilfsmittel benötigt, die nur mit einem Personenwagen transportiert werden können. Damit ist der Beschwerdeführer vermehrt auf ein Fahrzeug angewiesen. Gemäss eigener Rechtsprechung bejaht das aargauische Verwaltungsgericht eine mittelgradig erhöhte Massnahmeempfindlichkeit, wenn der Betroffene aus beruflichen Gründen auch für den Transport von Material und Werkzeugen ein Auto benötigt. Die Vorinstanz berücksichtigt diesen Umstand vorliegend nicht. Indem sie damit bei der Bemessung der Entzugsdauer einem massgeblichen Gesichtspunkt nicht Rechnung trägt, verletzt sie Bundesrecht.
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Erwägung 3 | |
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Der Beschwerdeführer hat auf der Autobahn rechts überholt. Er ist seit 1969 im Besitze eines Führerausweises. Bis heute wurden keine Administrativmassnahmen ausgefällt. Beruflich ist er auf ein Fahrzeug angewiesen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Situation rechtfertigt sich damit eine Dauer des Führerausweisentzuges von einem Monat, wie sie auch der Beschwerdeführer beantragt. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher gutzuheissen.
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