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36. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen Bundesamt für Justiz (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
1A.91/2002 / 1A.92/2002 vom 11. September 2002 | |
Regeste |
Vorbehalt der Schweiz zu Art. 2 EUeR, Art. 67 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 IRSG; Rechtshilfe in Strafsachen, Spezialitätsvorbehalt, Verwendung für das Strafverfahren herausgegebener Unterlagen in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren im ersuchenden Staat, Zustimmung des Bundesamtes. | |
Sachverhalt | |
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Im Rahmen verschiedener Rechtshilfeverfahren übermittelte die Bezirksanwaltschaft IV für den Kanton Zürich (im Folgenden: Bezirksanwaltschaft) der Staatsanwaltschaft Berlin Unterlagen und Informationen, welche insbesondere Bankkonten betrafen.
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Am 17. September 2001 stellte die Staatsanwaltschaft Berlin dem Bundesamt für Justiz (im Folgenden: Bundesamt) den Antrag, es sei ihr zu bewilligen, die von der Bezirksanwaltschaft übermittelten Unterlagen und Informationen in zwei Verwaltungsstreitverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin zu verwenden.
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Am 15. März 2002 entsprach das Bundesamt dem Gesuch.
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A., die Stiftung B. und C. einerseits sowie die Bank D., E., F. und die Firma G. anderseits erheben je Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den übereinstimmenden Anträgen, die Verfügung des Bundesamtes vom 15. März 2002 aufzuheben, dem Ersuchen der Staatsanwaltschaft Berlin vom 17. September 2001 sei nicht zu entsprechen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
3.1 Das Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (EUeR; SR 0.351.1) verlangt, dass die Rechtshilfe für ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren erfolgt ![]() ![]() | 7 |
In BGE 122 II 134 erwog das Bundesgericht, Art. 67 Abs. 1 IRSG stehe einer zivilprozessualen Verwendung der im Rechtshilfeverfahren erlangten Auskünfte jedenfalls dann nicht entgegen, wenn es sich um die Forderung des durch die Straftat Geschädigten handle. Es wäre widersinnig, Rechtshilfe zur Verurteilung eines Straftäters zu leisten, aber gleichzeitig dem Geschädigten zu verwehren, sich auf die Ergebnisse der Rechtshilfeleistung zu berufen, um zu seinem Recht zu kommen. Dies müsse unabhängig davon gelten, ob über die zivilrechtlichen Forderungen des Geschädigten im Adhäsionsverfahren oder in einem separaten Zivilprozess entschieden werde. Dagegen könne man einwenden, der durch eine Straftat Geschädigte werde damit beweismässig besser gestellt als andere Kläger, die auf die Gewährung zivilrechtlicher Rechtshilfe angewiesen seien und denen das Bankgeheimnis in weiterem Umfang entgegengehalten werden könne als bei der Rechtshilfe in Strafsachen. Es sei jedoch ein legitimer Nebenzweck des strafrechtlichen Verfahrens, dem Geschädigten zu seinem Recht zu verhelfen. Unter diesem Blickwinkel erscheine die beweismässige Besserstellung des durch eine Straftat Geschädigten gegenüber "normalen" Forderungsklägern durchaus gerechtfertigt (E. 7c/cc und dd S. 139).
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In BGE 125 II 258 führte das Bundesgericht aus, die Verwendung der durch Rechtshilfe in Strafsachen erlangten Auskünfte und Schriftstücke in einem Zivilprozess bedürfe grundsätzlich der Zustimmung des Bundesamtes nach Art. 67 Abs. 2 Satz 1 IRSG. Das gelte jedoch nicht, soweit das Zivilverfahren die Rückführung der deliktisch erlangten Vermögenswerte an den Berechtigten zum Gegenstand habe und insofern das Strafverfahren ergänze (E. 7a/bb). Die Frage, ob auch die zivilprozessuale Verwendung für Schadenersatzforderungen des Opfers wegen der dem Rechtshilfeverfahren zugrunde liegenden Straftat der Zustimmung des Bundesamtes bedürfe, liess das Bundesgericht offen (E. 7a/cc).
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In BGE 126 II 316 ging es um die Zulässigkeit der Weiterverwendung rechtshilfeweise übermittelter Unterlagen im Verfahren vor einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages. Ein Untersuchungsausschuss soll dem Bundestag die für bestimmte politische Entscheidungen erforderlichen Informationen beschaffen. Er ist ein Instrument parlamentarischer Kontrolle und dient der ![]() | 10 |
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In den beiden Verwaltungsstreitverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin geht es um die Frage, ob - wie die BvS geltend macht - das Vermögen der Y. GmbH der ehemaligen Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) und damit heute dem deutschen Staat zusteht oder ob - wie X. behauptet - das Vermögen der Y. GmbH der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) zuzurechnen sei. Dabei handelt es sich um eine für das Strafverfahren entscheidende Vorfrage. Die Verurteilung der Beschuldigten und die Einziehung eines unrechtmässigen Gewinns im deutschen Strafverfahren kommen nur dann in Betracht, wenn das Vermögen der Y. GmbH der SED zuzuordnen ist. Der Bezug der beiden Verwaltungsstreitverfahren zum Strafverfahren ist demnach noch enger als der Bezug der separaten Verfahren zum Strafverfahren in den vom Bundesgericht bisher beurteilten Fällen. Zwar stellen die Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin rechtlich selbständige Verfahren dar. Faktisch kann man sie aber als Teil des Strafverfahrens betrachten, da den Urteilen des Oberverwaltungsgerichtes Berlin für das Strafverfahren zumindest die Bedeutung einer gutachterlichen Stellungnahme zukommt. Die Beschwerdeführer räumen in ihren Vernehmlassungen an die Vorinstanz vom 10. Januar 2002 selber ein, dass das Ergebnis der Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin für das Strafverfahren von Bedeutung sein wird. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, wenn das Bundesamt die Zustimmung zur Verwendung der übermittelten Unterlagen in den beiden Verwaltungsstreitverfahren erteilt hat. Würde über die Vorfrage im Strafverfahren entschieden, dürften sich die deutschen Behörden ohne weiteres auf die übermittelten Unterlagen stützen; das gilt auch dann, wenn in einem besonderen Verfahrensabschnitt ein selbständiger Zwischenentscheid über die Vorfrage getroffen würde. Es wäre widersprüchlich, den deutschen Behörden die Verwendung der Unterlagen zu untersagen, nur weil auf Klage von X. bzw. der Y. GmbH hin - also ohne dass dies die deutschen Behörden zu vertreten hätten - über die Vorfrage nun in getrennten Verwaltungsstreitverfahren befunden wird.
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Das Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Berlin vom 17. September 2001 umschreibt den Gegenstand der Verwaltungsstreitverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin in sachlicher und persönlicher Hinsicht im Übrigen klar.
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