![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. A.X. gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
2A.246/2002 vom 17. Januar 2003 | |
Regeste |
Art. 1, 7 und 17 Abs. 2 ANAG; Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 und 2 sowie Art. 191 BV; Art. 3 Anhang I FZA; Art. 3 Abs. 1bis BVO; Nachzug von ausländischen Familienangehörigen eines Schweizers nach Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens mit der EG. |
Die Familiennachzugsregelung des Freizügigkeitsabkommens (E. 3) findet nur bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Anwendung, weshalb sich aus einem Nichtmitgliedstaat stammende Familienangehörige von Schweizern im Inland grundsätzlich nicht darauf berufen können (E. 4). |
Angleichung der Rechtsansprüche von Schweizern beim Familiennachzug an die grosszügigere Regelung des Freizügigkeitsabkommens gestützt auf das Rechtsgleichheitsgebot bzw. das Diskriminierungsverbot? Das Bundesgericht bleibt gemäss Art. 191 BV trotz der möglichen Ungleichbehandlung von aus nicht EG- oder EFTA-Mitgliedstaaten stammenden Familienangehörigen von Schweizern an die geltenden Gesetzesbestimmungen (Art. 7 und 17 Abs. 2 ANAG) gebunden. Möglichkeit einer Gleichbehandlung im Rahmen des fremdenpolizeilichen Ermessens (Art. 3 Abs. 1bis BVO; E. 5). | |
Sachverhalt | |
1 | |
Bei seiner Ausreise aus der Türkei liess B.X. seine aus einer nicht ehelichen Verbindung hervorgegangene Tochter A.X., geboren 1987, bei ihrer Mutter in der Türkei zurück. Am 3. November 1999 reiste A.X. mit einem Besuchervisum in die Schweiz ein, worauf ihr Vater für sie ein Gesuch um Aufenthaltsbewilligung einreichte. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1999 wies die Direktion für Soziales und Sicherheit des Kantons Zürich (Fremdenpolizei; heute: Migrationsamt) B.X. darauf hin, dass die Gesuchseinreichung nichts an der Pflicht zur Wiederausreise seiner Tochter nach Ablauf des Visums ändere. Am 13. Januar 2000 ersuchte B.X. bei der Fremdenpolizei um eine Einreisebewilligung für seine Tochter im Rahmen des Familiennachzugs. Nach mehrmaliger Aufforderung, einen rechtskräftigen gerichtlichen Entscheid betreffend Regelung des Sorgerechts über seine Tochter vorzulegen, reichte B.X. am 27. September 2000 ein Urteil des "Friedensamtsgerichts" Adiyaman (Türkei) vom 15. September 2000 ein, mit welchem er zum Vormund von A.X. ernannt wurde.
| 2 |
Mit Verfügung vom 3. Oktober 2000 wies die Fremdenpolizei des Kantons Zürich das Gesuch um Bewilligung der Einreise zum Verbleib beim Vater ab mit der Begründung, die Voraussetzungen für den Familiennachzug seien nicht erfüllt. Einen gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich mit Beschluss vom 5. September 2001 ab.
| 3 |
Mit Entscheid vom 20. März 2002 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die von A.X., gesetzlich vertreten durch B.X., gegen den regierungsrätlichen Rekursentscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Das Gericht kam zum Schluss, es liege keine für den Nachzug erforderliche vorrangige Beziehung der Tochter zu ihrem in der Schweiz lebenden Elternteil vor.
| 4 |
Mit Eingabe vom 17. Mai 2002 lässt A.X., vertreten durch ihren Vater, beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde einreichen, mit der die Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts vom 20. März 2002 und die Erteilung der Bewilligung zur Einreise im Rahmen des Familiennachzugs an die Beschwerdeführerin beantragt wird.
| 5 |
Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
| 6 |
![]() | |
Erwägung 1 | |
1.2 Gemäss Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG (SR 142.20) haben ledige Kinder unter 18 Jahren Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern, wenn sie mit diesen zusammen wohnen. Die genannte Bestimmung gilt sinngemäss auch für ausländische Kinder eines Schweizers (BGE 118 Ib 153 E. 1b S. 155 f.). Der Vater der Beschwerdeführerin verfügt über das Schweizer Bürgerrecht. Seine nachzuziehende Tochter war zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, auf den es im Rahmen von Art. 17 Abs. 2 ANAG für die Eintretensfrage ankommt (vgl. BGE 129 II 11 E. 2 S. 13; BGE 120 Ib 257 E. 1f S. 262 f. mit Hinweis), noch nicht 18 Jahre alt. Die Beschwerdeführerin hat daher gestützt auf diese Bestimmung grundsätzlich einen Anspruch auf Nachzug zu ihrem Vater. Als auch heute noch nicht Volljährige kann sie sich im Verhältnis zu diesem zudem auf das in Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. in Art. 13 Abs. 1 BV garantierte Recht auf Achtung des Familienlebens berufen (vgl. BGE 129 II 11 E. 2 S. 13 f.; BGE 120 Ib 257 E. 1f S. 262 f.). Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit zulässig.
| 7 |
(...)
| 8 |
Erwägung 2 | |
2.1 Zweck des Familiennachzugs gemäss Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG ist es, das familiäre Zusammenleben zu ermöglichen. Sind die Eltern voneinander getrennt oder geschieden und hält sich der eine Elternteil in der Schweiz, der andere aber im Ausland auf, kann es nicht um eine Zusammenführung der Gesamtfamilie gehen. In solchen Fällen entspricht es dem Gesetzeszweck nicht, einen bedingungslosen Anspruch auf Nachzug der Kinder anzunehmen (BGE 129 II 11 E. 3.1.1-3.1.3 S. 14 f.; BGE 126 II 329 E. 2b S. 331; BGE 125 II 585 E. 2a S. 586, 633 E. 3a S. 639 f. mit Hinweisen). Ein Nachzugsrecht setzt vielmehr voraus, dass das Kind zu dem in der Schweiz lebenden Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung unterhält. Dabei kommt es nicht nur auf die bisherigen Verhältnisse an, sondern es können auch nachträglich eingetretene oder gar künftige Umstände wesentlich werden. Namentlich kann nicht entscheidend sein, in welchem Land das Kind bisher seinen Lebensmittelpunkt hatte, bliebe doch sonst ein Nachzugsrecht praktisch immer wirkungslos. Zu berücksichtigen ist aber, bei welchem Elternteil das Kind bisher gelebt hat bzw. wem die elterliche Gewalt zukommt; wenn sich das Kindesinteresse in der Zwischenzeit geändert hat, so ist für eine Anpassung der familienrechtlichen Verhältnisse in der Regel zunächst ![]() | 9 |
2.2 Das Verwaltungsgericht verneint in seinem Urteil das Vorliegen einer - nach dem Gesagten für die Bewilligung des Familiennachzugs in der zu beurteilenden Konstellation erforderlichen - vorrangigen familiären Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem Vater. B.X. habe seine Heimat 1989 verlassen, als seine Tochter rund zwei Jahre alt gewesen sei. Obwohl er seit seiner Heirat mit einer Schweizerin im November 1992 rechtlich die Möglichkeit gehabt hätte, seine Tochter nachzuziehen, habe er diese bei ihrer Mutter in der Türkei gelassen und bis zur Gesuchseinreichung über zehn Jahre getrennt von ihr gelebt. Auch wenn er sie regelmässig in der Heimat besucht und finanziell unterstützt habe, stellten ihre Mutter und ihre Grosseltern, welche sie in der Lebensphase zwischen zwei und 13 Jahren betreut hätten, ihre wichtigsten Bezugspersonen dar. Es bestehe keine Notwendigkeit, die Beschwerdeführerin aus diesem Beziehungsnetz und dem vertrauten sozialen und kulturellen Umfeld ihrer Heimat, wo sie die Schule besucht habe, herauszureissen. Das Urteil des Friedensamtsgerichts Adiyaman ![]() | 10 |
11 | |
In der Beschwerde wird geltend gemacht, es sei zutreffend, dass das Gesuch um Familiennachzug erst gestellt worden sei, als die Beschwerdeführerin 12 3/4 Jahre alt gewesen sei. Dies sei indessen darauf zurückzuführen, dass es für den voll erwerbstätigen Vater erst möglich gewesen sei, für die Erziehung und die Betreuung seiner Tochter aufzukommen, als ihm dies seine wirtschaftliche Lage einerseits und eine gewisse Selbständigkeit seiner Tochter andererseits erlaubt habe. Gerade die Einbürgerung des Vaters habe die notwendige Stabilisierung der Verhältnisse für einen anschliessenden Nachzug der Tochter gebracht, wobei der Vater als Rechtsunkundiger davon ausgegangen sei, dass ihm dieses Nachzugsrecht als Schweizer Bürger nicht verwehrt werden könne. Diese für die späte Geltendmachung des Familiennachzugs ins Feld geführten Gründe vermögen nicht zu überzeugen: Hätte das gemeinsame Familienleben für den Vater der Beschwerdeführerin tatsächlich im Vordergrund gestanden, so hätte er sich - seit seiner Heirat mit einer Schweizerin über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügend - bereits vor seiner ![]() ![]() | 12 |
13 | |
Art. 8 Ziff. 1 EMRK, der den Schutz des Familienlebens garantiert (vgl. dazu ausführlich BGE 127 II 60 E. 1d/aa S. 64 f. mit Hinweisen) und auf welchen sich die Beschwerdeführerin (ebenfalls) beruft, ändert nichts. Dass sie zu ihrem Vater die vorrangige familiäre Beziehung unterhält und sich der Nachzug als zu deren Pflege notwendig erweist, was auch das Nachzugsrecht nach Art. 8 EMRK bzw. nach Art. 13 Abs. 1 BV voraussetzt (vgl. BGE 125 II 633 E. 3a S. 640 mit Hinweisen), ist nach dem Gesagten nicht dargetan. Der angefochtene Entscheid verletzt das erwähnte Grundrecht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht.
| 14 |
Erwägung 3 | |
15 | |
16 | |
![]() | 17 |
2. Als Familienangehörige gelten ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit:
| 18 |
a) der Ehegatte und die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird;
| 19 |
b) die Verwandten und die Verwandten des Ehegatten in aufsteigender Linie, denen Unterhalt gewährt wird;
| 20 |
c) im Falle von Studierenden der Ehegatte und die unterhaltsberechtigten Kinder.
| 21 |
(...)."
| 22 |
Dieselbe Regelung findet sich auch im geänderten, den bilateralen Abkommen Schweiz-EG angepassten Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation vom 4. Januar 1960 (EFTA-Übereinkommen; SR 0.632.31; Fassung gemäss Änderung vom 21. Juni 2001; vgl. dazu die Botschaft, BBl 2001 S. 4963 ff.) für die Staatsangehörigen der EFTA-Mitgliedstaaten (Art. 3 Anhang K - Anlage 1/EFTA-Übereinkommen in der konsolidierten Fassung, wiedergegeben in Anhang XX des Abkommens vom 21. Juni 2001 zur Änderung des EFTA-Übereinkommens, BBl 2001 S. 5028 ff.).
| 23 |
3.3 Mit Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens wird die Rechtsstellung der Staatsangehörigen der EG-Mitgliedstaaten, ihrer Familienangehörigen sowie der entsandten Arbeitnehmer direkt durch das Freizügigkeitsabkommen geregelt. Analoges gilt für Staatsangehörige der EFTA-Mitgliedstaaten aufgrund der Änderungen des EFTA-Übereinkommens. Das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer ist für diese Personengruppen nur noch subsidiär anwendbar, soweit das Freizügigkeitsabkommen in einem bestimmten Bereich keine Regelung enthält oder wenn das Gesetz günstigere Regeln als das Abkommen vorsieht (Art. 1 ANAG, Fassung vom 8. Oktober 1999 bzw. vom 14. Dezember 2001; AS 2002 S. 701 bzw. S. 685). Die ausländerrechtlichen Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens (insbesondere jene im Anhang I) sind inhaltlich hinreichend bestimmt und klar, um als Grundlage für den Entscheid im Einzelfall zu dienen, weshalb sie grundsätzlich unmittelbar anwendbar (self-executing) sind (Botschaft zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG, BBl ![]() | 24 |
Erwägung 4 | |
4.1 Es stellt sich zunächst die Frage, ob sich der Vater der Beschwerdeführerin als Schweizer gegenüber den Schweizer Behörden direkt auf Art. 3 Anhang I FZA berufen kann, um gestützt auf diese ![]() | 25 |
4.2 Ziel des Abkommens ist es, den freien Personenverkehr auf der Grundlage der in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Bestimmungen zu regeln (vgl. abermals die Präambel sowie Art. 16 Abs. 1 FZA; Botschaft FZA, BBl 1999 S. 6310; KÄLIN, a.a.O., S. 13; THÜRER, a.a.O., Rz. 1.56; PETER GASSER, Grundsätzliche Charakteristik des Abkommens über die Freizügigkeit, in: Daniel Felder/Christine Kaddous [Hrsg.], Bilaterale Abkommen Schweiz-EU, Basel 2001, S. 272). Die Regelung des Familiennachzugs im Freizügigkeitsabkommen ist denn auch jener des Gemeinschaftsrechtes der EU nachgebildet (vgl. dort betreffend die Arbeitnehmer: Art. 10 der Verordnung Nr. 1612/68/EWG vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften [im Folgenden: ABl.] 1968, L 257, S. 2; betreffend die selbständig Erwerbstätigen sowie Dienstleistungserbringer: Art. 1 Abs. 1 lit. c und d der Richtlinie Nr. 73/148/EWG vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs, ABl. 1973, L 172, S. 14). Entsprechend ist bei der Auslegung des Freizügigkeitsabkommens die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu den analogen Normen des Gemeinschaftsrechts vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung (am 21. Juni 1999) zu berücksichtigen (vgl. Art. 16 Abs. 2 FZA; KÄLIN, a.a.O., S. 17 f.). Für die Geltendmachung eines Familiennachzugs gestützt auf die ![]() | 26 |
4.3 Aus der umschriebenen Beschränkung des sachlichen Geltungsbereichs des Freizügigkeitsrechts auf grenzüberschreitende Sachverhalte mit ausreichendem Auslandsbezug kann eine Schlechterstellung von Inländern gegenüber EG-Ausländern, eine sog. "Inländerdiskriminierung" oder "umgekehrte Diskriminierung" ("discrimination à rebours"), resultieren, welche - mangels Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts - nicht gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot verstösst (DIETRICH, a.a.O., S. 240 ff. sowie 374 f.; PATRICK DOLLAT, Libre circulation des personnes et citoyenneté européenne, Brüssel 1998, S. 103-105; HANS VON DER GROEBEN/JOCHEN THIESING/CLAUS-DIETER EHLERMANN, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl., Baden-Baden 1997, Rz. 9 ff. zu Art. 48; oben zitiertes Urteil des EuGH i.S. Morson und Jhanjan, Randnrn. 15-18). Demgegenüber hindert das Gemeinschaftsrecht diesfalls ein nationales Gericht nicht daran, eine innerstaatliche Rechtsvorschrift, welche inländische Arbeitnehmer gegenüber den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten benachteiligt, auf ihre Vereinbarkeit mit der ![]() | 27 |
28 | |
Erwägung 5 | |
5.1 Beim Familiennachzug kommen somit für Angehörige von in der Schweiz anwesenheitsberechtigten EG- oder EFTA-Ausländern ![]() | 29 |
30 | |
5.3 Die Rüge, es liege beim Familiennachzug eine verfassungsrechtlich unzulässige Schlechterstellung von Schweizern gegenüber Staatsangehörigen aus EU- oder EFTA-Staaten vor, beschlägt die Frage, ob die für den Nachzug von Schweizern zur Anwendung gelangenden Rechtsnormen oder Erlasse das Diskriminierungsverbot oder den Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung verletzen, indem sie ihnen die gleichen Nachzugsmöglichkeiten vorenthalten, die das Freizügigkeitsabkommen bzw. das EFTA-Übereinkommen den EG- und EFTA-Ausländern bietet (Frage der Diskriminierung oder Ungleichbehandlung in der Rechtsetzung). Es stellt sich ![]() | 31 |
5.4 Die Rüge der Verletzung von verfassungsmässigen Rechten ist im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich zulässig. Dabei ist jedoch Art. 191 BV (hier Art. 114bis Abs. 3 aBV entsprechend) zu beachten, wonach Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend sind. Danach ist es dem Bundesgericht verwehrt, einem Bundesgesetz mit der Begründung, es sei verfassungswidrig, die Anwendung zu versagen. Das schliesst die Anwendung allgemein anerkannter Auslegungsprinzipien, besonders der Regel, dass Bundesgesetze verfassungskonform auszulegen sind, nicht aus. Art. 191 BV statuiert in diesem Sinne ein Anwendungsgebot, kein Prüfungsverbot. Allerdings findet die verfassungskonforme Auslegung - auch bei festgestellter Verfassungswidrigkeit - im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung ihre Schranke (BGE 123 II 9 E. 2 S. 11 mit Hinweisen; vgl. zur neuen Bundesverfassung: Botschaft zur BV, BBl 1997 I 428f. sowie ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 5. Aufl., Zürich 2001, N. 2086 ff.). Hingegen kann das Bundesgericht auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin Verordnungen des Bundesrates vorfrageweise auf ihre Gesetz- und Verfassungsmässigkeit prüfen. Bei unselbständigen Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sich der Bundesrat an die Grenzen der ihm im Gesetz eingeräumten Befugnisse gehalten hat. Soweit das Gesetz den Bundesrat ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbständigen Verordnung. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Ermessensspielraum für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, so ist dieser Spielraum nach Art. 191 BV für das Bundesgericht verbindlich; es darf in diesem Falle bei der Überprüfung der Verordnung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, sondern es beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder aus anderen Gründen gesetz- oder verfassungswidrig ist (BGE 128 II 34 E. 3b S. 40 f., 247 E. 3.3 S. 252; BGE 123 II 472 E. 4a S. 475 f., je mit Hinweisen).
| 32 |
5.5 Das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer regelt die Rechtsansprüche auf den Familiennachzug in ![]() | 33 |
![]() | 34 |
Die Motionärin bezweckte damit insbesondere, die mit Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens entstehende Schlechterstellung von Schweizern gegenüber EG-Staatsangehörigen beim Familiennachzug unverzüglich und daher unabhängig von der Totalrevision des ANAG zu beheben. In seiner auf Ablehnung der Motion schliessenden Stellungnahme vom 17. Oktober 2001 verwies der Bundesrat darauf, dass den zuständigen Behörden die geschilderte Ausgangslage beim Abschluss des Freizügigkeitsabkommens bekannt gewesen sei. Das Freizügigkeitsabkommen enthalte keine Bestimmungen über den Familiennachzug von Schweizern, sofern sie selbst von der Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hätten. Jede Vertragspartei bleibe frei, eine selbständige Regelung hiefür zu treffen. Wohl habe der Bundesrat dem Parlament die notwendigen Gesetzesanpassungen sowie die flankierenden Begleitmassnahmen zur Bewältigung möglicher Auswirkungen der bilateralen Abkommen unterbreitet, doch habe er im Hinblick auf den Grundsatz der Einheit der Materie auf weiter gehende, nicht unmittelbar für die Umsetzung notwendige Regelungen verzichtet; dazu gehörten auch die in der Motion geforderten Bestimmungen. Auch der Bundesrat sei der Auffassung, dass Schweizer beim Nachzug ausländischer Familienangehöriger mit Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens den Angehörigen von EG-Mitgliedstaaten "grundsätzlich gleichzustellen" seien; demgegenüber lehne er die Anwendung dieser weiter gehenden Regelung auf niedergelassene Ausländer aus Drittstaaten ab. Eine generelle Neuregelung des Familiennachzugs ausserhalb des Freizügigkeitsabkommens sei mit dem neuen Ausländergesetz geplant, welches für Schweizer die gleichen Rechte für den Nachzug von ausländischen Familienangehörigen vorsehe. Auf eine Teilrevision des ANAG nur in diesem Punkt habe der Bundesrat im Hinblick auf die geplante Gesamtlösung im neuen Ausländergesetz verzichtet. Indem jedoch gleichzeitig mit dem Freizügigkeitsabkommen die vom Bundesrat beschlossene Änderung der Begrenzungsverordnung (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. cbis sowie Abs. 1bis) in Kraft trete, würden die in der Motion erwähnten Familienangehörigen von Schweizern neu von der Begrenzungsverordnung ausgenommen, was den zuständigen Behörden die Gewährung des erweiterten ![]() | 35 |
Es war alsdann auch dem Bundesrat als Verordnungsgeber nicht möglich, Schweizer hinsichtlich der Rechtsansprüche auf Familiennachzug Angehörigen aus EG- oder EFTA-Mitgliedstaaten gleichzustellen, kann doch auf Verordnungsstufe durch Bundesrecht kein Anspruch eines Ausländers auf Bewilligung geschaffen werden. Dies wäre mit Art. 4 ANAG, der den kantonalen Behörden freies Ermessen einräumt, unvereinbar. In der Verordnung kann der Bund gestützt auf Art. 18 Abs. 4 und Art. 25 Abs. 1 ANAG lediglich zusätzliche Vorschriften aufstellen, welche die Kantone in ihrer Freiheit ![]() | 36 |
Das Bundesgericht bleibt jedoch nach dem Gesagten trotz der möglichen Ungleichbehandlung gemäss Art. 191 BV an die für den Nachzug von aus nicht EG- oder EFTA-Mitgliedstaaten stammenden Familienangehörigen von Schweizern geltenden Vorschriften (Art. 7 und 17 Abs. 2 ANAG sowie Art. 3 Abs. 1bis BVO) gebunden. Eine Anerkennung weitergehender Rechtsansprüche, insbesondere eine Angleichung an Art. 3 Anhang I FZA, ist damit nicht möglich.
| 37 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |