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30. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Verein "Freies Forum Schweiz" gegen Schweizerische Bundeskanzlei (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
1A.91/2003 vom 6. Juni 2003 | |
Regeste |
Art. 24, 76a und 77 ff. BPR; Art. 97, 98 lit. b und 100 Abs. 1 lit. p OG; Eintragung in das Parteienregister des Bundes; Rechtsmittelweg. |
Eine neu gegründete Partei, der ein Mitglied des Nationalrates angehört, welches bei der letzten Gesamterneuerungswahl als Vertreter einer anderen Partei gewählt worden war, erfüllt die Voraussetzungen für die Eintragung nicht (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Am 27. Februar 2003 ersuchte der Verein die Schweizerische Bundeskanzlei um Eintragung in das Parteienregister des Bundes.
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Mit Verfügung vom 19. März 2003 lehnte die Bundeskanzlei die Eintragung ab. Die Bundeskanzlei wies den Gesuchsteller darauf hin, er könne dagegen Beschwerde an den Bundesrat führen.
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Der Verein "Freies Forum Schweiz" erhob am 25. April 2003 gegen die Verfügung der Bundeskanzlei Beschwerde beim Bundesrat mit dem Antrag, die Eintragung in das Parteienregister sei vorzunehmen.
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Mit Schreiben vom 30. April 2003 überwies das Bundesamt für Justiz, Abteilung für Beschwerden an den Bundesrat, die Beschwerde zuständigkeitshalber dem Bundesgericht. Das Bundesamt ist der Auffassung, gegen die Verfügung der Bundeskanzlei sei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
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Art. 100 Abs. 1 lit. p OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der politischen Rechte aus gegen Abstimmungs- und Wahlentscheide. Die angefochtene Verfügung stellt offensichtlich keinen Abstimmungsentscheid dar. Ebenso wenig handelt es sich bei ihr um einen Wahlentscheid. Zwar geniessen im Register eingetragene Parteien Erleichterungen bei den Nationalratswahlen, indem ihnen gemäss Art. 24 Abs. 3 und 4 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (BPR; SR 161.1) die Beibringung des sonst erforderlichen Unterzeichnungsquorums für die Wahlvorschläge erlassen wird (dazu Näheres unten E. 2.1). Die Eintragung in das Parteienregister gehört deshalb jedoch noch nicht zur Vorbereitung von Nationalratswahlen. Insoweit wäre bei Unregelmässigkeiten gemäss Art. 77 Abs. 1 lit. c BPR die Beschwerde an die Kantonsregierung gegeben; deren Entscheid könnte nach Art. 82 BPR beim Nationalrat angefochten werden. Wie in der Botschaft vom 30. November 2001 über die Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte gesagt wird, hat die neue Bundesverfassung die Parteien im Grundgesetz verankert (Art. 137 und 147 BV). Dies solle nun auf Gesetzesstufe in massvoller Weise fortgesetzt werden. Unabdingbare Voraussetzung für jede Art von Parteienregelung bleibe ein Register. Die Registrierung solle, soweit mit der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV) vereinbar, durch gewisse Vorteile abgegolten werden (BBl 2001 S. 6420). Der Vorteil besteht ![]() | 7 |
Das Bundesgesetz über die politischen Rechte regelt die Rechtspflege in Art. 77 ff. Gemäss Art. 80 Abs. 2 BPR ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen der Bundeskanzlei über das Zustandekommen einer Volksinitiative oder eines Referendums. Gegen blosse Hinweise im Bundesblatt über das deutliche Verfehlen des Quorums bei eidgenössischen Volksbegehren steht keine Beschwerde offen. Gemäss Art. 80 Abs. 3 BPR steht den Mitgliedern des Initiativkomitees die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch gegen Verfügungen der Bundeskanzlei über die formelle Gültigkeit der Unterschriftenliste und betreffend den Titel einer Initiative zu. Darum geht es hier nicht. Art. 76a BPR, der das Parteienregister regelt, wurde mit Bundesgesetz vom 21. Juni 2002 eingefügt und steht seit dem 1. Januar 2003 in Kraft. Welches Rechtsmittel gegen eine Verfügung der Bundeskanzlei gegeben ist, mit der diese die Eintragung in das Parteienregister ablehnt, sagen weder Art. 76a noch Art. 77 ff. BPR. Dafür, dass der Gesetzgeber die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausschliessen wollte, enthalten weder der Gesetzeswortlaut noch die Materialien Anhaltspunkte. Es ist deshalb davon auszugehen, dass es der Gesetzgeber bei der allgemeinen Regelung des Bundesrechtspflegegesetzes belassen wollte, wonach hier die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist. Dafür spricht auch der Umstand, dass er bei der Revision vom 21. Juni 2002 mit dem neu eingefügten Satz 2 von Art. 80 Abs. 2 BPR die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in einem Teilbereich gegen Verfügungen der Bundeskanzlei ausdrücklich ausschloss. Wenn er die Verwaltungsgerichtsbeschwerde bei Ablehnung der ![]() | 8 |
Nach der zutreffenden Ansicht des Bundesamtes für Justiz ist gegen die angefochtene Verfügung danach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegeben.
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Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
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Erwägung 2 | |
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Nach Art. 2 der Verordnung der Bundesversammlung vom 13. Dezember 2002 über das Parteienregister (SR 161.15), in Kraft seit 1. Januar 2003, gilt als politische Partei im Sinne von Art. 76a BPR ein Verein, der auf Grund seiner Statuten vornehmlich politische Zwecke verfolgt.
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Parteien, welche sich registrieren lassen, geniessen administrative Erleichterungen. Gemäss Art. 24 BPR muss jeder Wahlvorschlag handschriftlich von einer Mindestzahl Stimmberechtigter mit politischem Wohnsitz im Wahlkreis unterzeichnet sein. Die Mindestzahl beträgt: a) 100 in Kantonen mit 2-10 Sitzen, b) 200 in Kantonen mit 11-20 Sitzen, c) 400 in Kantonen mit mehr als 20 Sitzen (Abs. 1). Das Quorum nach Absatz 1 gilt nicht für eine Partei, die: a) am ![]() | 15 |
Gemäss Art. 6 der Verordnung über das Parteienregister können für die Gesamterneuerungswahl vom 19. Oktober 2003 jene Parteien die administrativen Erleichterungen nach Art. 24 Abs. 3 und 4 BPR beanspruchen, welche die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen und sich bei der Bundeskanzlei bis zum 1. März 2003 angemeldet haben.
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"Der Verein bietet eine Plattform für Bürgerinnen und Bürger, welche sich ausserhalb der traditionellen Parteien oder in Ergänzung zu diesen politisch engagieren wollen. Im Vordergrund stehen das Handeln und die Aktion. Die Suche nach realisierbaren, tragfähigen Lösungen soll dabei als Richtschnur dienen. Schwerpunkte sind Lebensqualität, Solidarität, Offenheit und Eigenverantwortung."
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Der Beschwerdeführer verfolgt somit vornehmlich politische Zwecke. Er stellt gemäss Art. 2 der Verordnung über das Parteienregister eine politische Partei dar.
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Der Beschwerdeführer hat die Bundeskanzlei vor dem 1. März 2003 um die Eintragung ersucht und die Frist nach Art. 6 der Verordnung über das Parteienregister damit gewahrt.
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Er ist gemäss Ziffer 1 seiner Statuten ein Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB. Die Voraussetzung für die Eintragung nach Art. 76a Abs. 1 lit. a BPR ist ebenfalls erfüllt.
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Streitig ist einzig, ob der Beschwerdeführer nach Art. 76a Abs. 1 lit. b BPR unter dem gleichen Namen mit mindestens einem Mitglied im Nationalrat vertreten ist. Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Voraussetzung sei gegeben. Roland Wiederkehr sei Vereinsmitglied. Der Beschwerdeführer sei somit mit einem Mitglied im Nationalrat vertreten. Die Bundeskanzlei ist demgegenüber der Auffassung, die Voraussetzung nach Art. 76a Abs. 1 lit. b BPR sei nur dann erfüllt, wenn das Mitglied des Nationalrates bereits als Vertreter der betreffenden Partei gewählt worden sei. Dies sei bei Roland ![]() | 22 |
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Diese Ausführungen stützen die Auffassung der Bundeskanzlei. Eine Partei, die - wie hier - erst vor den Wahlen gegründet wird, hat den Nachweis noch nicht erbracht, dass sie fähig ist, auf Dauer und mit einem Mindestmass an Rückhalt bei den Wählern an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Das erforderliche Mindestmass an Kontinuität und Verankerung in der Bevölkerung ist bei ihr noch nicht gegeben.
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In der Botschaft vom 30. November 2001 wird zudem ausdrücklich gesagt, Gruppierungen, die sich erst für den Wahlprozess konstituierten oder die - bewusst niedrig gehaltenen - Registrierungsvoraussetzungen nicht erfüllten, hätten selbstverständlich weiterhin die Möglichkeit, die Zulassung zur Wahl durch das Beibringen der Unterschriftenquoren zu erreichen (BBl 2001 S. 6413). Diese Bemerkung spricht ebenfalls dafür, dass der Gesetzgeber einen vor den Wahlen neu gegründeten Verein wie hier nicht zur Eintragung zulassen wollte.
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Würde man der Auffassung des Beschwerdeführers folgen, könnte jeder Nationalrat nach einer Parteiauflösung oder einem Parteiaustritt im Hinblick auf die Wahlen eine eigene Partei gründen und diese im Register eintragen lassen. Dies würde einer weiteren Listenzersplitterung Vorschub leisten, welche der Gesetzgeber verhindern wollte.
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2.5 Roland Wiederkehr wurde bei der letzten Gesamterneuerungswahl vom 24. Oktober 1999 auf der "Liste der Unabhängigen - LdU" in den Nationalrat gewählt (BBl 1999 S. 9315). Den Beschwerdeführer gab es damals noch nicht. Er wurde erst am 26. Februar 2003 im Hinblick auf die Gesamterneuerungswahl vom 19. Oktober 2003 kurz vor dem für die Eintragung insoweit letztmöglichen Zeitpunkt (1. März 2003) gegründet. Der LdU war ![]() | 29 |
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Der Beschwerdeführer kommt somit für die Gesamterneuerungswahl vom 19. Oktober 2003 nicht in den Genuss der administrativen Erleichterungen nach Art. 24 Abs. 3 und 4 BPR. Es steht ihm jedoch frei, nach Beibringen des gemäss Art. 24 Abs. 1 BPR erforderlichen Unterzeichnungsquorums an der Wahl teilzunehmen.
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