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29. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. X. und Mitb. gegen Stiftung Spitalfonds Grenchen und Stiftung Bürgerspital Solothurn sowie Staat Solothurn und Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
2A.141/2004 vom 8. April 2005 | |
Regeste |
Art. 8 Abs. 3 BV, Art. 3 und 5 GlG; Geschlechtsdiskriminierung; Arbeitsplatzbewertung; Minusklassenentscheid; Berücksichtigung von konjunkturellen oder arbeitsmarktlichen Faktoren; Überführungsregelung. |
Arbeitsplatzbewertung mit Hilfe der vereinfachten Funktionsanalyse; einheitliche Methode und Bewertung der Kriterien für alle Funktionen; Problematik der Gewichtung der einzelnen Kriterien (E. 6). |
Unzulässigkeit eines Minusklassenentscheides (E. 5.2), mit dem der Arbeitgeber vom Ergebnis der Arbeitsplatzbewertung zum Nachteil der Arbeitnehmer abweichen will (Präzisierung der bisherigen Rechtsprechung; E. 7). |
Unterscheidung der Überführung in eine höhere Klasse nach Dienstalter und nach Frankenbetrag (E. 5.2 und 8.1). Die frankenmässige Überführung kann die zuvor bestehende Diskriminierung fortführen (E. 8.2-8.4). | |
Sachverhalt | |
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Am 28. Mai 2002 beauftragte das Verwaltungsgericht Prof. M., ETH Zürich, mit der Erstellung eines arbeitswissenschaftlichen ![]() | 2 |
Ferner verfügte das Verwaltungsgericht, es werde vorerst ein Teilurteil fällen über die Funktionen dipl. Krankenschwester DN 2 und dipl. Krankenschwester DN 2 Stationsleiterin, da die anderen Funktionen von der Besoldung dieser Funktionen abhängig seien.
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Mit Urteil vom 28. Januar 2004 wies das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Staat Solothurn ab, soweit sie die Funktionen Krankenschwester DN 2 und Stationsleiterin betraf.
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Ebenfalls am 7. Dezember 2000 erhoben Z. und 11 Mitbeteiligte eine analoge Klage beim Verwaltungsgericht (dortiges Verfahren 2000/13) gegen den Staat Solothurn und die Stiftung Spitalfonds Grenchen. Die Klägerinnen und Kläger waren ehemals oder aktuell im Spital Grenchen in unterschiedlichen Funktionen als Krankenpflegende, im Bereich der Ergotherapie oder als Hebammen tätig.
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Am gleichen Tage erhoben auch Y. und 64 Mitbeteiligte eine analoge Klage beim Verwaltungsgericht (dortiges Verfahren 2000/6) gegen den Staat Solothurn und die Stiftung Bürgerspital Solothurn. Sie waren ehemals oder aktuell im Bürgerspital Solothurn in unterschiedlichen Funktionen als Krankenpflegende tätig.
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Der weitere Verlauf der Verfahren 2000/6 und 2000/13 erfolgte parallel zum Verfahren 2000/10 betreffend Kantonsspital Olten.
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Mit Urteilen vom 28. Januar 2004 wies das Verwaltungsgericht die Klagen gegen den Staat Solothurn ab, da dieser in den Verfahren 2000/6 und 2000/13 nicht passivlegitimiert sei; die Klagen gegen die Stiftung Spitalfonds Grenchen und die Stiftung Bürgerspital Solothurn wies es ab, soweit sie die Funktionen Krankenschwester DN 2 und Stationsleiterin betrafen.
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X. und 88 Mitbeteiligte haben am 4. März 2004 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Verfahren 2A.141/2004) eingereicht gegen das Urteil im Verfahren 2000/10 mit den folgenden Anträgen:
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"1. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 28. Januar 2004 sei aufzuheben.
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2. Die Beschwerdegegner seien zu verurteilen, den Klägerinnen die diesen nach Beseitigung der diskriminierenden Wirkungen des sog. Minusklassenentscheids und der BERESO-Überführungsregelung ![]() | 11 |
Eventualiter:
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2.1 Es sei festzustellen, dass die Umsetzung der Besoldungsrevision mit dem Minusklassenentscheid und der gewählten Überführungsregelung diskriminierend war und die Sache sei zur Berechnung der Lohnansprüche an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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3. Die Beschwerdegegner seien zu verurteilen, den Klägerinnen die diesen nach Beseitigung der diskriminierenden Wirkungen der individuellen Lohnklasseneinreihung zustehende Besoldung gemäss Art. 8 Abs. 3 BV und Gleichstellungsgesetz zukünftig und rückwirkend seit wann rechtens nebst Zins seit wann rechtens zu bezahlen, einschliesslich Nachzahlung der entsprechenden Pensionskassenbeiträge auf die Vorsorgekonti der Klägerinnen.
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Eventualiter:
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3.1 Es sei festzustellen, dass die Lohnklasseneinreihung diskriminierend war und die Sache sei zur Berechnung der zukünftigen und rückwirkenden Lohnansprüche an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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4. Eventualiter zu Ziff. 2 und 3: Die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen."
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Verfahrensmässig beantragen sie, es sei ihnen eine Nachfrist zur Beschwerdeergänzung einzuräumen, da eine im Aktenverzeichnis und im angefochtenen Urteil erwähnte Urkunde sich nicht bei den Akten befunden habe.
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Ebenfalls am 4. März 2004 haben Z. und 9 Mitbeteiligte Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht (Verfahren 2A.142/2004) gegen das Urteil 2000/13 mit den gleichen Rechtsbegehren und dem zusätzlichen Antrag, es sei die Passivlegitimation des Staates Solothurn für die Klage vor Verwaltungsgericht festzustellen. Eine analoge Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Verfahren 2A.143/2004) haben sodann Y. und 61 Mitbeteiligte erhoben gegen das Urteil 2000/6.
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Mit Schreiben vom 27. April 2004 hat das präsidierende Mitglied der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts den Beschwerdeführerinnen Gelegenheit eingeräumt, sich zur Frage eines zweiten Schriftenwechsels zu äussern. Die ![]() | 20 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerden teilweise gut und weist die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurück.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Beschwerdeführerinnen haben im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht primär ein Leistungsbegehren gestellt. Ein solches kann sich naturgemäss nur gegen diejenige Person richten, welche die Leistung schuldet (vgl. ELISABETH FREIVOGEL, in: Margrith Bigler-Eggenberger/Claudia Kaufmann [Hrsg.], Kommentar zum Gleichstellungsgesetz, 1997, N. 104 zu Art. 3 GlG; HANSJÖRG SEILER, Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, ZBl 104/2003 S. 113 ff., insbes. S. 119). Vorliegend sind das die beiden Spitalstiftungen. Eine Passivlegitimation des Kantons wäre dann gegeben, wenn die von diesem erlassenen Regelungen als solche angefochten wären, allenfalls auch für ein reines Feststellungsbegehren (vgl. Urteil 1A.52/ 1999 vom 16. Juni 1999, E. 2; ELISABETH FREIVOGEL, a.a.O., N. 22-27 zu Art. 7 GlG). Indessen hatten die Beschwerdeführerinnen auch die eventualiter gestellten Begehren auf Feststellung, dass die vom Kanton getroffenen Regelungen gegen Art. 8 Abs. 3 BV und das Gleichstellungsgesetz verstossen, mit einem Leistungsbegehren verknüpft. Daher ist der Kanton nicht passivlegitimiert. Demzufolge hat das Verwaltungsgericht die Klagen insoweit zu Recht abgewiesen.
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4. Die Beschwerdeführerinnen rügen, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, weil sie zu der Urkunde 42a, ![]() | 24 |
Das Verwaltungsgericht bringt dazu vor, die betreffende Urkunde sei als Beilage zur Klageantwort des Kantons in einem parallel vom gleichen Anwalt geführten Klageverfahren eingereicht worden. Zudem sei die Urkunde im angefochtenen Urteil nicht zitiert worden, sondern nur im Gutachten M., auf dessen Schlussfolgerungen im Urteil Bezug genommen worden sei.
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Ob in diesem Vorgehen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt, kann offen bleiben: Die Beschwerdeführerinnen führen nämlich in ihrer Stellungnahme vom 7. Mai 2004 aus:
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"Auf einen zweiten Schriftenwechsel betreffend materiellen Inhalt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sowie der Vernehmlassung kann verzichtet werden, da die nachträgliche Kenntnis der Akte 42a die Begründung der Beschwerdeschrift nicht grundlegend ändern würde."
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Daraus, dass die Urkunde den Beschwerdeführerinnen beim Abfassen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zugänglich gewesen ist, ist ihnen somit nach ihren eigenen Aussagen kein Nachteil erwachsen. Von einer Aufhebung und Zurückweisung des angefochtenen Urteils wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist daher abzusehen, zumal die Beschwerdeführerinnen selber mit ihren Rechtsbegehren in erster Linie nicht eine Zurückweisung, sondern eine materielle Beurteilung verlangen (vgl. HANSJÖRG SEILER, Abschied von der formellen Natur des rechtlichen Gehörs, SJZ 100/2004 S. 377 ff., insbes. S. 383 f.).
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Erwägung 5 | |
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5.2 Der Kanton Solothurn führte in den 90er Jahren für das ganze Staatspersonal eine Revision des Besoldungswesens (sog. Projekt BERESO) durch (vgl. dazu BGE 125 II 385; BGE 124 II 436, 529; Urteile 2A.200/2001 vom 18. Juni 2002 und 2A.593/1998 vom 28. Juni 1999). Dabei wurde für eine Anzahl von Schlüsselpositionen aufgrund einer analytischen Arbeitsplatzbewertung in der Form ![]() | 30 |
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6.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die VFA als solche nicht diskriminierend (BGE 124 II 409 E. 10d S. 430). Das Bundesgericht hat wiederholt die im Rahmen von BERESO durchgeführte VFA auch seiner eigenen Beurteilung zugrunde gelegt (BGE 125 II 385 E. 6 S. 392 ff.; BGE 124 II 436 E. 5a S. 438, BGE 125 II 529 E. 5 S. 532 ff; erwähnte Urteile 2A.200/2001 und 2A.593/1998, jeweils E. 4), ebenso die damit verwandte im Rahmen der bernischen Besoldungsrevision BEREBE durchgeführte Bewertungsmethode (BGE 125 I 71 E. 3 und 4 S. 80 ff.). Die Funktionsanalyse kann zwar auf eine diskriminierende Art und Weise durchgeführt werden (BGE 124 II 409 E. 10 S. 429 ff.). Das ist jedoch nicht ![]() | 32 |
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Die Gutachterin hat allerdings in ihrem Gutachten auch ausgeführt, die geringere Gewichtung personenbezogener Dienstleistungen könne nicht unabhängig von der Tatsache betrachtet werden, dass die entsprechenden Tätigkeiten tendenziell eher frauentypisch seien; damit habe die systematische Geringerbewertung dieser Tätigkeiten letztlich ihren Ursprung in einer geschlechtsspezifischen Ungleichbehandlung. Ebenso kritisiert das Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann, dass die VFA nicht die "geeignetste Bewertungsmethode" suche und damit hinnehme, dass die Gesellschaft mit ihrer traditionellen und nicht wissenschaftlich objektivierbaren Werthierarchie Frauenarbeit besoldungsmässig schlechter behandle als Männerarbeit.
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Das Verwaltungsgericht hat die tiefere Einstufung der Krankenschwester damit erklärt, gemäss den Wertungshilfen des Kantons führe eine drei- bis vierjährige Berufslehre (wie dies für Krankenschwestern zutreffe) zum Wert 2,0. Eine Erhöhung um 0,25 erfolge nur, wenn vorgängige Berufserfahrungsjahre Voraussetzung für die Funktion bildeten. Das sei bei den Krankenschwestern nicht der Fall; sie könnten zwar die Ausbildung erst mit 18 Jahren beginnen, müssten aber in der Überbrückungszeit bis zum Beginn der Lehre nur ein dreimonatiges Praktikum absolvieren. Demgegenüber sei die Polizistenausbildung zwar nur einjährig; sie sei ![]() | 40 |
Diese Überlegungen sind sachlich haltbar. Es ist zulässig, eine Zweitausbildung höher zu bewerten als eine Erstausbildung. Zwar erscheint die Zweitausbildung der Polizisten zunächst relativ kurz. Die Funktion Polizist ist jedoch nicht in der Lohnklasse 14 eingereiht, die der Arbeitsbewertung entspräche, sondern zunächst nur in der Lohnklasse 12. Danach erfolgt in der Regel ein Gradaufstieg, der mit einem Lohnklassenaufstieg verbunden ist. Die anfängliche Tieferbewertung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Ausbildung nach der einjährigen Polizeischule nicht abgeschlossen ist. Erst nach mehreren Berufsjahren erreicht der Polizist die Lohnklasse 14, die seinem analytischen Arbeitswert entsprechen würde. Die Zweitausbildung, die erforderlich ist, um die nach der Arbeitsbewertung indizierte Lohnklasse zu erreichen, dauert somit faktisch erheblich länger als nur ein Jahr. Mit Rücksicht darauf ist eine Höherbewertung gegenüber der Ausbildung der Krankenschwester sachlich haltbar.
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Die Bewertung der Krankenschwester beim Kriterium K1 mit 2,0 erscheint auch im Vergleich mit den Physiotherapeutinnen zutreffend: Diese wurden mit 2,25 bewertet, was vom Bundesgericht als nicht diskriminierend beurteilt wurde (BGE 125 II 385 E. 6d S. 393 f.). Im Unterschied zu den Krankenschwestern wird für die Physiotherapeutenausbildung als Aufnahmevoraussetzung eine abgeschlossene Berufslehre oder eine elfjährige Schulbildung verlangt.
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Insgesamt ist die Bewertung der Funktion Krankenschwester DN 2 beim Kriterium 1 mit 2,0 nicht diskriminierend.
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6.6.2 Die Gutachterin bewertete das Kriterium K2 höher mit Rücksicht auf ihre für die Basisfunktion Krankenschwester ebenfalls vorgenommene Höherbewertung. Parallel hatte sie auch die männlichen Vergleichsfunktionen Polizist und Korporal höher bewertet. Die BERESO-Bewertung ist damit - wenn auch eine andere Bewertung ebenfalls vertretbar gewesen wäre - nicht geschlechtsdiskriminierend (vgl. oben E. 6.4). Das Verwaltungsgericht hat zudem ausgeführt, das System BERESO kenne beim Kriterium K2 keine Viertelnoten, so dass alle Funktionen - auch die männlichen - den Wert 2,75 nicht erreichen konnten. Der nächsthöhere Wert von 3,0 sei im Vergleich zu anderen Funktionen mit diesem Wert nicht gerechtfertigt. Die Einstufung mit 2,5 sei auch deshalb nicht diskriminierend, weil bei männlichen Vergleichsfunktionen wie Polizeikorporal mangels Viertelnoten ebenso wenig eine grössere Selbständigkeit berücksichtigt worden sei. Diese Überlegung überzeugt. Die Beschwerdeführerinnen bringen nichts vor, was sie als unzulässig erscheinen lassen würde. Die Bewertung mit 2,5 erscheint zudem auch im Vergleich mit den Physiotherapeutinnen ![]() | 47 |
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7.1 Eine analytische Arbeitsplatzbewertung, wie sie im Rahmen des Projekts BERESO durchgeführt wurde, kann zwar nicht den Anspruch erheben, eine allein richtige Bewertung darzustellen. Wie zuvor ausgeführt (E. 6), erweist sich die Lohneinreihung nach der systematischen Arbeitsbewertung als nicht geschlechtsdiskriminierend. Wird von der so ermittelten Lohnklasse alsdann aber - wie hier - zum Nachteil geschlechtsspezifischer Funktionen (Bereich Spitäler) abgewichen, so ist dies begründungsbedürftig und ![]() | 53 |
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7.3 Das Bundesgericht hat in BGE 125 I 71 (in Bezug auf die Krankenschwestern im Kanton Bern) erkannt, dass ein Minusklassenentscheid um zwei Klassen gegenüber dem Ergebnis der Arbeitsplatzbewertung nicht diskriminierend ist. Es hat dabei erwogen, dass es einem Kanton nicht verwehrt ist, sein Lohnsystem auf einen grösseren Markt auszurichten und die dort bezahlten Gehälter mit zu berücksichtigen, soweit er damit nicht einen typischen Frauenberuf in sachlich ungerechtfertigter Weise und in Abweichung von der Arbeitsplatzbewertung deutlich unterbezahlt (E. 4d/aa S. 84 f.). Ähnlich wurde auch in BGE 126 II 217 ausgeführt, die Berücksichtigung von Marktmechanismen bei der Ausgestaltung eines Entlöhnungssystems sei nicht grundsätzlich ausgeschlossen (E. 9b S. 226 f.). Auch in weiteren Urteilen hat das Bundesgericht eine Berücksichtigung von konjunkturellen oder arbeitsmarktlichen Faktoren als grundsätzlich zulässig erachtet (Urteil 1P.12/1999 vom 5. Dezember 1999, Pra 89/2000 Nr. 41 S. 223, E. 5e und f; Urteil 2P.369/1998 vom 21. März 2000, ZBl 102/2001 S. 265, E. 3h; Urteil 2A.192/2002 vom 7. März 2003, E. 5.2; in diesem Sinne auch ANDREAS C. ALBRECHT, Der Begriff der gleichwertigen Arbeit im Sinne des Lohngleichheitssatzes "Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit" [Art. 4 Abs. 2 BV], 1998, S. 155 ff.; MARTHA NIQUILLE-EBERLE, Lohngleichheit in der Praxis, ZBJV 137/2001 S. 689 ff., 759 ff.; HANSJÖRG SEILER, a.a.O., in: ZBl 104/2003 S. 145 ff., 153 f.; ![]() | 55 |
7.4 Der Arbeitgeber darf das Arbeitsmarktargument jedoch nicht derart anwenden, dass er daraus ohne sachliche, geschlechtsunabhängige Gründe nur zum Nachteil des einen Geschlechts bzw. von vorwiegend weiblichen Funktionenbereichen Schlüsse zieht, nicht aber beim anderen Geschlecht bzw. bei neutralen oder vorwiegend männlichen Funktionenbereichen (vgl. MARTHA NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 760). Wie das Bundesgericht zudem bereits erklärt hat, darf der zu Vergleichszwecken berücksichtigte Markt nicht als solcher diskriminierend sein (BGE 126 II 217 E. 9b S. 226). Demnach muss sich der Arbeitgeber - vor allem wenn es um Herabsetzungen geht - vergewissern, dass die Vergleichslöhne auf dem Markt nicht selber diskriminierende Züge aufweisen. Ansonsten würden allfällige auf dem Markt bestehende Geschlechtsdiskriminierungen (wieder) Einfluss in das Lohnsystem finden, obwohl es gerade ein Ziel der analytischen Arbeitsplatzbewertung war, sie auszuräumen. Im Weiteren müssen die geltend gemachten arbeitsmarktlichen Verhältnisse tatsächlich vorhanden gewesen sein und den Lohnentscheid beeinflusst haben (BGE 125 III 368 E. 5c/aa S. 378; erwähntes Urteil 2A.192/2002, E. 5.2).
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7.5.1 Der Kanton hat die Löhne auf dem öffentlichen Arbeitsmarkt einiger anderer Kantone (Aargau, Basel-Landschaft, Bern, Luzern und Thurgau) zum Vergleich herangezogen. Wie ausgeführt (E. 7.4), kann eine Anpassung an die Werte anderer Kantone bei geschlechtsspezifischen Funktionenbereichen von vornherein nur zulässig sein, wenn die Vergleichswerte ihrerseits diskriminierungsfrei sind. Es ist allgemein bekannt, dass gerade die weiblich dominierten Berufe im Pflegebereich lange unterbezahlt wurden. Insbesondere im Laufe der 90er Jahre sollten diese Diskriminierungen in den Kantonen im Rahmen verschiedener, dem BERESO-Projekt ähnlicher Besoldungsrevisionen behoben werden. Soweit ![]() | 58 |
Vor allem ist seitens der Beschwerdegegner auf Vergleichszahlen aus dem Jahre 1993 abgestellt worden, obwohl einige Kantone damals erst an einer Besoldungsrevision arbeiteten, die unter anderem die lohnmässige Geschlechtsdiskriminierung beseitigen sollte. Namentlich im Vergleichskanton Bern wurde in den folgenden Jahren (1995/1996) Beschlüsse gefasst, die dazu führten, dass das Anfangsgehalt der Krankenschwestern um monatlich über Fr. 400.- angehoben wurde (vgl. BGE 125 I 71 E. 4d/bb S. 85). Bezeichnenderweise wurde bereits für das Jahr 1999 festgestellt, dass die solothurnischen Löhne im Pflegebereich infolge der in anderen Kantonen vorgenommenen Besoldungserhöhungen tiefer als in den meisten anderen Kantonen lagen; dies führte im Jahre 2001 zur Aufhebung des streitigen Minusklassenentscheids, weil die Rekrutierung für solothurnische Spitäler schwierig geworden war.
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Somit haben die Beschwerdegegner den Nachweis nicht erbracht, dass für den Minusklassenentscheid diskriminierungsfreie Vergleichslöhne herangezogen worden sind.
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Gewiss kann es einem Gemeinwesen nicht verwehrt sein, seine Funktionen generell unter Berücksichtigung der Situation auf dem Arbeitsmarkt festzulegen. Dabei können auch budgetäre Erwägungen eine Rolle spielen. Führt ein Kanton aber für sein gesamtes Personal eine Arbeitsplatzbewertung nach einer einheitlichen Methode durch, so stellt das nur für einzelne Funktionen herangezogene Arbeitsmarktargument einen Eingriff in die Systematik des Besoldungsgefüges dar. Es wird lediglich für die betroffenen Funktionen ein neuer, systemfremder Bemessungsfaktor (nämlich das Verhältnis zum Durchschnittswert anderer Lohnsysteme) ![]() | 62 |
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Eine andere Frage ist, ob die erst im Jahre 1999 für Polizisten beschlossene höhere Anfangseinstufung innerhalb einer Lohnklasse auch Auswirkungen auf die Pflegeberufe hat (vgl. oben E. 6.5.2). Der Kanton beschloss diese höhere Anfangsbesoldung, um angesichts der Arbeitsmarktlage Polizeianwärter finden bzw. halten zu können. Verfahrensgegenstand sind hier aber die früher eingeführten Regelungen nach BERESO. Diese haben die Beschwerdeführerinnen angefochten, darunter den Minusklassenentscheid. Sie haben ihre Anträge jedoch nicht auf jene später vorgenommene höhere Anfangseinstufung erstreckt bzw. dargetan, dass diese auf diskriminierende Dispositionen im Rahmen von BERESO zurückzuführen ist. Für den hier zu beurteilenden Minusklassenentscheid spielte der Beschluss aus dem Jahre 1999 keine Rolle. Daher ist darauf vorliegend nicht weiter einzugehen.
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Das Verwaltungsgericht hat geprüft, ob diese Überführungsregelung eine indirekte Diskriminierung darstelle: Es hat erwogen, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) liege eine solche nur vor, wenn erheblich mehr Frauen als Männer nachteilig betroffen seien, wobei das massgebende Verhältnis in der Grössenordnung von etwa 10 zu 1 liege (vgl. Hinweis bei BGE 124 II 529 E. 5g S. 535 f.). Da das Verhältnis Frauen/Männer im Kanton Solothurn ungefähr 2 zu 1 betrage und die frankenmässige Überführung das gesamte Personal betreffe, liege keine indirekte Diskriminierung vor, weil nicht deutlich mehr Frauen als Männer betroffen seien. Zudem sei die frankenmässige Überführung aus finanzpolitischen Gründen gerechtfertigt.
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Die Beschwerdeführerinnen beanstanden, in Wirklichkeit seien durch die Überführungsregelung weit überwiegend Frauen betroffen, da in den weiblichen Funktionen viel mehr Aufholerinnen seien als in den anderen Funktionen. Zudem seien viele Frauen nachteilig betroffen, weil die durchschnittliche Verweildauer der Frauen beim Arbeitgeber gering sei; viele Frauen würden demzufolge gar nie in den Genuss des vollen höheren Lohnes gelangen. Sodann könnten finanzpolitische Überlegungen keine Rechtfertigung für eine Diskriminierung sein.
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8.2 Die zeitliche und betragsmässige Auswirkung einer frankenmässigen Überführung ist logischerweise umso bedeutender, je grösser die Aufholbewegung ist. Wer um mehrere Klassen höher ![]() | 69 |
Eine solche Überführungsregelung ist bei Lohnerhöhungen allgemein üblich und grundsätzlich zulässig, solange sie innerhalb eines Systems angewendet wird, welches als solches diskriminierungsfrei ist (Urteile 2A.48/2002 vom 14. August 2002, E. 2.4.2; 2A.363/1998 vom 18. Juni 1999, E. 6i). Dies gilt auch dann, wenn eine geschlechtsspezifische Funktion relativ zu männlichen Funktionen in eine höhere Klasse eingereiht wird: Ist schon der frühere Lohn nicht diskriminierend gewesen, so kann in einer frankenmässigen Überführungsregelung keine Diskriminierung liegen. Der Arbeitgeber wäre nämlich gar nicht verpflichtet gewesen, einen höheren Lohn zu bezahlen. Gewährt er eine Lohnerhöhung, so tut er dies freiwillig, ohne durch das Lohngleichheitsgebot dazu gezwungen zu sein. Wäre sogar der völlige Verzicht auf die Lohnerhöhung nicht diskriminierend, kann es logischerweise auch nicht diskriminierend sein, wenn die freiwillige Lohnerhöhung nicht sofort vollständig, sondern erst in Stufen erfolgt (vgl. Urteil 2A.290/ 2003 vom 8. September 2003, E. 2.5 und 2.6).
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8.3 Anders verhält es sich hingegen, wenn schon der frühere Lohn (vor der Neueinreihung) diskriminierend gewesen ist: In diesem Fall folgt aus dem Lohngleichheitsgebot, dass - im Rahmen der Verjährung - bereits dieser frühere Lohn sofort auf eine diskriminierungsfreie Höhe gehoben werden muss (Art. 5 Abs. 1 lit. d GlG; BGE 125 I 14 E. 3b S. 17; BGE 124 II 436 E. 10c und d S. 450 f.). Dabei ist die jeweils anwendbare Lohnregelung darauf hin zu überprüfen, ob sie diskriminierend ist, also nicht nur die aktuell geltende, sondern auch eine allenfalls früher noch massgebende, inzwischen aufgehobene Regelung (BGE 125 I 14 E. 3h S. 19; BGE 124 II 436 E. 10f S. 453 f.; Urteil 2A.558/2001 vom 27. Juni 2002, E. 5.3; MARGRITH BIGLER-EGGENBERGER, Justitias Waage - wagemutige Justitia?, 2003, S. 304 f.).
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8.4 Wie oben in Erwägung 7 ausgeführt, ist die BERESO-Einreihung der Funktionen dipl. Krankenschwester DN 2 bzw. Stationsleiterin in die Lohnklassen 13 bzw. 16 diskriminierend. Die Beschwerdeführerinnen haben Anspruch auf einen Lohn entsprechend den diskriminierungsfreien Lohnklassen 14 bzw. 17. Dieser Anspruch besteht im Rahmen der fünfjährigen Verjährungsfrist (Art. 128 Ziff. 3 OR analog; BGE 124 II 436 E. 10k S. 456) auch rückwirkend. Die Beschwerdeführerinnen haben ihre Klage beim Verwaltungsgericht am 7. Dezember 2000 eingereicht. Sie haben daher den Anspruch auf den höheren Lohn bereits ab Beginn der Gültigkeit von BERESO (am 1. Januar 1996). Die frankenmässige Überführung erweist sich damit als diskriminierend, weil sie diesen Anspruch nicht erfüllt.
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8.5 Im Rahmen von BERESO haben die Pflegeberufe gegenüber anderen Funktionen eine deutliche Besserstellung erfahren. Ist - wie dargelegt - schon die BERESO-Einreihung diskriminierend, so muss dasselbe auch gelten für den früheren, relativ zu anderen Funktionen noch tieferen Lohn. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerinnen vor Inkrafttreten von BERESO einen diskriminierenden Lohn hatten. Im Rahmen der Verjährungsfrist können sie auch für diese Zeit eine Lohnnachzahlung verlangen. Nachdem sie die Klage beim Verwaltungsgericht am 7. Dezember 2000 eingereicht haben, haben sie daher Anspruch auf Lohnnachzahlungen ab 8. Dezember 1995, also nicht erst ab Inkrafttreten der BERESO. Sie haben im Rechtsbegehren vor dem Verwaltungsgericht einerseits den Minusklassenentscheid und die Überführungsregelung kritisiert, was sich nur auf die BERESO-Regelung bezieht. Andererseits haben sie die "nach Beseitigung der diskriminierenden Wirkungen der individuellen Lohnklasseneinreihung zustehende Besoldung" beantragt. Dieses Rechtsbegehren bezieht sich nach seinem Wortlaut auch auf die vor dem 1. Januar 1996 bestehende Lohnklasseneinreihung. In der Klagebegründung ![]() | 74 |
Dies erweist sich nach dem Gesagten als zutreffend. Das Verwaltungsgericht wird für die Zeit zwischen dem 8. und dem 31. Dezember 1995 eine Lohneinreihung vorzunehmen haben, welche der neurechtlichen diskriminierungsfreien Lohnklasse 14 bzw. 17 entspricht und ab 8. Dezember 1995 den Beschwerdeführerinnen einen Lohn in dieser Höhe zuzusprechen haben.
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