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1. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Justiz gegen Beschwerdekammerpräsident des Bundesstrafgerichts sowie Schweizerische Bundesanwaltschaft (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
1A.180/2005 vom 25. Oktober 2005 | |
Regeste |
Art. 2 und 8 BVE, Art. 1 und 6 BÜPF; Art. 33 SGG, Art. 63 Abs. 2 IRSG; rechtshilfeweiser Einsatz verdeckter ausländischer Ermittler; Zuständigkeit des Beschwerdekammerpräsidenten im Genehmigungsverfahren. |
Der Gesetzgeber hat die rechtshilfeweise Anwendung des BVE nicht durch qualifiziertes Schweigen ausgeschlossen (E. 3.2). Der rechtshilfeweise Einsatz verdeckter Ermittler ist besonders problematisch, weil der Informationsfluss zwischen Ermittler und Auftraggeber nicht kontrollierbar ist und damit das Grundprinzip des Rechtshilferechts in Frage steht, wonach dem ersuchenden Staat verwertbare Informationen erst zukommen dürfen, wenn die Schlussverfügung in Rechtskraft erwachsen ist (E. 3.3). Es rechtfertigt sich daher, diese Rechtshilfemassnahme nur zu Gunsten von Staaten zuzulassen, zu denen ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht; als Ausdruck dafür kann der Abschluss eines entsprechenden Staatsvertrages gesehen werden (E. 3.4). Das Zweite Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen wäre ein derartiger Vertrag; da ihn die Niederlanden noch nicht ratifiziert haben, verletzte die Bundesanwaltschaft mit ihrer Verweigerung der anbegehrten Rechtshilfe kein Bundesrecht (E. 3.5). | |
Sachverhalt | |
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Am 6. Juni 2005 wies der Präsident der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts das Gesuch der Bundesanwaltschaft ab, seinen Entscheid vom 5. Januar 2005 in Wiedererwägung zu ziehen. Mit Schlussverfügung vom 28. Juni 2005 wies die Bundesanwaltschaft das Rechtshilfeersuchen einer niederländischen Staatsanwaltschaft im Strafverfahren gegen B., C. und andere wegen Verdachts der Mitgliedschaft einer kriminellen Organisation, des qualifizierten Betäubungsmittelhandels und der Geldwäscherei ab und verweigerte die Rechtshilfe. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 5. Juli 2005 beantragt das Bundesamt für Justiz, die Schlussverfügung der Bundesanwaltschaft vom 28. Juni 2005 sowie die Entscheide des Präsidenten der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts vom 5. Januar 2005 und vom 6. Juni 2005 aufzuheben. Zudem sei die Bundesanwaltschaft anzuweisen, dem Bundesstrafgericht erneut die Genehmigung des Einsatzes des im Rechtshilfeersuchen einer niederländischen Staatsanwaltschaft vom 29. Juli 2003 beantragten verdeckten Ermittlers zu beantragen.
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Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
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Aus den Erwägungen: | |
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Erwägung 2 | |
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Über die Gewährung der Rechtshilfe hatte indessen die Bundesanwaltschaft als dafür zuständige Behörde bereits am 12. September 2003 entschieden, sie als zulässig betrachtet und bewilligt. Deren Entscheid werden die Betroffenen, denen er gemäss Dispositiv-Ziffer 8 eröffnet werden muss, sobald keine Verdunkelungsgefahr mehr besteht, beim Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechten können (Art. 80g ff. IRSG). Die abschliessende Beurteilung der Zulässigkeit der Gewährung der Rechtshilfe steht somit nach dieser unzweideutigen gesetzlichen Regelung dem Bundesgericht zu.
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Diese Verfügung der Bundesanwaltschaft bindet den Präsidenten der Beschwerdekammer jedenfalls dann, wenn sie nicht offensichtlich unhaltbar ist (allgemein zur Bindungswirkung von Verwaltungsverfügungen: BGE 102 Ib 35 E. 3 S. 44; ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Neuchâtel 1984, vol. I, p. 188 ff.; RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel und Frankfurt am Main 1990, S. 130). Eine vorfrageweise Überprüfung der Verfügung der Bundesanwaltschaft vom 12. September 2003 durch den Beschwerdekammerpräsidenten im Verfahren zur Genehmigung des Einsatzes verdeckter Ermittler nach Art. 18 BVE ist damit bloss in einem sehr engen Rahmen zulässig, indem dieser befugt ist, die Genehmigung ohne vorgängige Prüfung der Voraussetzungen des BVE zu verweigern, wenn die Bundesanwaltschaft ganz offensichtlich zu Unrecht Rechtshilfe gewährte. Im Übrigen ist er an deren Verfügung gebunden und nicht befugt, sie zu überprüfen.
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Die Verfügung der Bundesanwaltschaft vom 12. September 2003 war keinesfalls offensichtlich unhaltbar (dazu unten E. 3) und ![]() | 12 |
Erwägung 3 | |
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3.2 Allerdings ist es bei dieser Ausgangslage gesetzgebungstechnisch merkwürdig, dass im BÜPF und im BVE, welche mit der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs bzw. der verdeckten Ermittlung besonders einschneidende strafprozessuale Zwangsmassnahmen regeln und die wegen des engen Sachzusammenhangs vom Bundesrat in einer gemeinsamen Botschaft vom 1. Juli 1998 (BBl 1998 S. 4241 ff.) ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurden, der Geltungsbereich unterschiedlich geregelt wird, indem im BVE jeder Hinweis auf seine rechtshilfeweise ![]() | 14 |
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3.4 Diese Eigenheiten des rechtshilfeweisen Einsatzes verdeckter Ermittler rechtfertigen, diese Rechtshilfemassnahme nur zu ![]() | 16 |
3.5 Die verdeckte Ermittlung wird, wie ausgeführt, im von der Schweiz unterzeichneten und ratifizierten Zweiten Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen ausdrücklich geregelt. Die Niederlanden haben dieses zwar unterzeichnet, indessen (noch) nicht ratifiziert, weshalb es auf das hier strittige Rechtshilfeersuchen keine Anwendung finden kann. Somit fehlt es an der nach dem Gesagten für die rechtshilfeweise Zulassung einer verdeckten Ermittlung erforderlichen staatsvertraglichen Grundlage. Die Bundesanwaltschaft hat daher in ihrer Schlussverfügung vom 28. Juni 2005, mit welcher sie die anbegehrte Rechtshilfe verweigerte, kein Bundesrecht verletzt.
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