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34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Motorfahrzeugkontrolle, Departement des Innern und Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_79/2007 vom 6. September 2007 | |
Regeste |
Art. 16d Abs. 1 lit. a SVG; Sicherungsentzug des Führerausweises. |
Gesetzliche Grundlagen für den Sicherungsentzug des Führerausweises der Kategorie D1 gestützt auf ein solches verkehrspsychologisches Gutachten (E. 3); Handhabung im konkreten Fall (E. 4). Notwendigkeit weiterer Abklärungen zur Fahreignung bezüglich der Kategorie B (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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Daraufhin absolvierte X. eine verkehrspsychologische Untersuchung; das gestützt darauf abgefasste Gutachten stammt vom 4. Oktober 2005. Die psychologische Expertin kam zum Schluss, die kognitive Fahreignung für die Kategorie D1 sei nicht und jene für die Kategorie B knapp gegeben. Bezüglich der Kategorie B sei eine weitere verkehrsmedizinische Beurteilung angezeigt. Eine solche wurde in der Folge im Sinne eines Aktengutachtens durchgeführt. Dabei kam eine andere Expertin am 24. Oktober 2005 zur Einschätzung, dass die Fahreignung für die Kategorien B und D1 aus psychiatrischer Sicht nicht befürwortet werden könne; eine weitere medizinische Untersuchung wurde allerdings vorbehalten. Daraufhin verfügte das Departement des Innern des Kantons Solothurn am 30. November 2005 einen Entzug des Führerausweises für alle Kategorien auf unbestimmte Zeit.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn hiess am 29. März 2006 die Beschwerde von X. gegen den auf unbestimmte Zeit ausgesprochenen Führerausweisentzug teilweise gut. In der Sache wurde die Beschwerde mit Bezug auf Kategorie D1 abgewiesen. Mit Blick auf Kategorie B wurde hingegen die Verwaltungsbehörde zu weiterer Abklärung des Sachverhalts verpflichtet. Dieses Urteil hob das Bundesgericht auf Beschwerde von X. am 27. Juni 2006 wegen eines Verfahrensmangels auf.
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Mit Eingabe vom 27. April 2007 erhebt X. beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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Demgegenüber behauptet der Beschwerdeführer im Wesentlichen, seine körperliche, geistige und seelische Leistungsfähigkeit zum Führen von Motorfahrzeugen sei nach wie vor ausreichend gegeben. Insofern seien alle eingeholten Gutachten, einschliesslich das verkehrspsychologische Gutachten falsch; Letzteres ziehe die falschen Schlussfolgerungen aus den durchgeführten Tests. Zudem bestehe bei den Expertinnen eine Befangenheitsproblematik. Dass der angefochtene Entscheid gestützt auf das verkehrspsychologische Gutachten einen Sicherungsentzug bei der Kategorie D1 bestätigt habe, sei unverhältnismässig hart. Einerseits sei seine langjährige, tadellose Fahrpraxis nicht berücksichtigt worden. Anderseits habe er inzwischen an der Universität Luzern den Bachelor of Law erworben, was ![]() | 7 |
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Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen (Art. 16 Abs. 1 SVG). Art. 16d Abs. 1 SVG - in Kraft seit 1. Januar 2005 - bestimmt überdies, dass der Führerausweis einer Person auf unbestimmte Zeit entzogen wird, wenn ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nicht oder nicht mehr ausreicht, ein Motorfahrzeug sicher zu führen (lit. a), sie an einer Sucht leidet, welche die Fahreignung ausschliesst (lit. b) oder sie auf Grund ihres bisherigen Verhaltens nicht Gewähr bietet, dass sie künftig beim Führen eines Motorfahrzeugs die Vorschriften beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht nehmen wird (lit. c).
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Angesichts des in Art. 16 Abs. 1 SVG verankerten Grundsatzes muss ein Sicherungsentzug in jedem Fall angeordnet werden, bei dem die Fahreignung nicht mehr gegeben ist. Unter Art. 16d Abs. 1 lit. a SVG fallen alle medizinischen und psychischen Gründen, welche die Fahreignung ausschliessen (vgl. die Botschaft, BBl 1999 S. 4491). Die einzelnen Tatbestände des Katalogs von Art. 16d Abs. 1 SVG dürfen weder eng noch streng ausgelegt werden; geboten ist eine Gesamtbetrachtung des Einzelfalls im Hinblick auf die Fahreignung. Nach dem früheren Recht verhielt es sich nicht anders und die diesbezügliche Gesetzesrevision hat nicht bezweckt, den Anwendungsbereich des Sicherungsentzugs einzuengen. Vielmehr kommt es darauf an, dass der Entscheid über den Sicherungsentzug, der einen ![]() | 11 |
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3.5 Psychologische Aspekte der Fahreignung sind - ausserhalb der Frage der charakterlichen Eignung im Sinne von Art. 16d Abs. 1 lit. c SVG - ![]() | 15 |
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Erwägung 4.2 | |
4.2.1 Das Verwaltungsgericht hat beim Beschwerdeführer, gestützt auf das verkehrspsychologische Gutachten, eine verkehrsrelevante Verlangsamung der Wahrnehmungs-, ![]() | 21 |
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4.2.3 Wie jedes Beweismittel unterliegen auch Gutachten der freien richterlichen Beweiswürdigung. In Sachfragen weicht der Richter aber nur aus triftigen Gründen von einer gerichtlichen Expertise ab. Die Beweiswürdigung und die Beantwortung der sich stellenden Rechtsfragen ist Aufgabe des Richters. Dieser hat zu prüfen, ob sich auf Grund der übrigen Beweismittel und der Vorbringen der Parteien ernsthafte Einwände gegen die Schlüssigkeit der gutachterlichen Darlegungen aufdrängen. Erscheint ihm die Schlüssigkeit eines Gutachtens in wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat er nötigenfalls ergänzende Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben. Das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen kann gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 130 I 337 E. 5.4.2 S. 345 f.; BGE 129 I 49 E. 4 S. 57; BGE 128 I 81 E. 2 S. 86 mit weiteren Hinweisen).
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4.2.4 Das Verwaltungsgericht hat eingehend begründet, weshalb es das verkehrspsychologische Gutachten für schlüssig erachtet. Der ![]() | 24 |
Erwägung 4.3 | |
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4.3.3 Der Beschwerdeführer absolvierte bei der verkehrspsychologischen Untersuchung nur eine einzige Testserie für beide Ausweiskategorien zusammen. Das Gutachten enthält entsprechend nur einen psychophysischen Befund und zieht daraus differenzierte Schlussfolgerungen für die Kategorien B und D1. Mit Blick auf Kategorie D1 ist daran zu erinnern, dass hier überdurchschnittliche ![]() | 27 |
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Erwägung 5.1 | |
5.1.1 Diesbezüglich wird im angefochtenen Entscheid erwogen, es sei nicht rechtsgenüglich abgeklärt, ob der Beschwerdeführer an einer schizophrenen Erkrankung leide und wie sich diese gegebenenfalls auf die Fahreignung auswirke. Es sei lediglich im psychiatrischen Gutachten vom 13. Januar 1998 eine Verdachtsdiagnose auf ![]() | 31 |
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Das Verwaltungsgericht war nicht gehalten, beim Beschwerdeführer einen Zustand geistiger und seelischer Gesundheit anzunehmen, nur weil es sich gestützt auf die vorhandenen Gutachten und den persönlichen Eindruck an der Parteiverhandlung ausserstande sah, diesbezüglich eine verbindliche Feststellung zu treffen. Dass der Beschwerdeführer rechtswissenschaftliche Prüfungen besteht und familiäre Pflichten wahrnimmt, sind Indizien, die gegen das Vorliegen einer akuten psychiatrischen Erkrankung sprechen; diese Indizien genügen aber nicht, um ein allenfalls latentes Krankheitsbild auszuschliessen. Der Beschwerdeführer verkennt, dass seine psychiatrische Situation aufgrund des Gutachtens von 1998 mit grösserer Vorsicht einzuschätzen ist als diejenige einer Drittperson, bei der bislang keine psychischen Auffälligkeiten diagnostiziert worden sind.
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Im Übrigen hat das verkehrspsychologische Gutachten eine leichte Beeinträchtigung der Fahreignung in psychophysischer Hinsicht ergeben (vgl. E. 4.2). Bei leistungsmässigen Defiziten kann ein Verdachtsgrund für fehlende Fahreignung auch ohne Krankheitsdiagnose bejaht werden (vgl. Expertengruppe Verkehrssicherheit, Verdachtsgründe fehlender Fahreignung, Massnahmen, Wiederherstellung der Fahreignung - Leitfaden für die Administrativ-, Justiz- und Polizeibehörden, Abschnitt II/5.2, in: Handbuch der verkehrsmedizinischen Begutachtung, Bern 2005, S. 113 ff., 118).
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Erwägung 5.2 | |
5.2.1 Das Verwaltungsgericht ging unter Hinweis auf VOLKER DITTMANN (Schizophrenien und Wahnerkrankungen, in: Handbuch der verkehrsmedizinischen Begutachtung, Bern 2005, S. 50 f.) davon aus, dass das Vorliegen einer Schizophrenie-Erkrankung die Fahreignung nur in der Regel und nicht zwingend ausschliesse. Daher ![]() | 35 |
5.2.2 Bei der gegebenen Sachlage (vgl. E. 5.1 hiervor) besteht ein hinreichender Anlass für das vom Verwaltungsgericht verlangte zusätzliche Gutachten. Dessen Einholung ist verhältnismässig, zumal die Verpflichtung, sich für eine psychiatrische Begutachtung zur Verfügung zu halten, grundsätzlich keinen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt (vgl. BGE 124 I 40 E. 3c S. 43 und E. 5a S. 47). Der vom Verwaltungsgericht abgesteckte Untersuchungsgegenstand ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
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Aufgrund der bisherigen Prozessgeschichte und der vom Beschwerdeführer nach wie vor klar geäusserten Ablehnung psychiatrischer Untersuchungen ist es vertretbar, wenn das Verwaltungsgericht eine Aufhebung des provisorischen Führerausweisentzugs während des Instruktionsverfahrens ablehnt. Da das Verfahren allerdings bereits längere Zeit in Anspruch genommen hat, hat die Verwaltungsbehörde sicherzustellen, dass das Zusatzgutachten beförderlich erstattet werden kann.
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