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38. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eheleute X. gegen Kantonales Steueramt Nidwalden sowie Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
2A.710/2005 vom 8. Oktober 2007 | |
Regeste |
Zuordnung der Privatwohnung des Betriebsinhabers zum Privat- oder Geschäftsvermögen (Art. 16 Abs. 1 und 3, Art. 18 Abs. 2, Art. 21 DBG). | |
Sachverhalt | |
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Das Kantonale Steueramt Nidwalden veranlagte in der Folge die Eheleute X. für die direkte Bundessteuer 2001 mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 481'100.-. Darin enthalten ist ein Kapitalgewinn von Fr. 411'000.- aus der Überführung der Liegenschaft W.strasse in V. vom Geschäfts- in das Privatvermögen im Zuge der Betriebsaufgabe. Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden bestätigte die grundsätzliche Steuerbarkeit des Überführungsgewinns.
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Die Eheleute X. haben gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie machen geltend, die Steuerbehörden und das Verwaltungsgericht hätten die betreffende Liegenschaft zu Unrecht dem Geschäftsvermögen zugeordnet; richtigerweise liege Privatvermögen vor, weshalb die Besteuerung eines Überführungsgewinns unzulässig sei. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
3.1 Der Einkommenssteuer unterliegen alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte mit Ausnahme der Kapitalgewinne aus der ![]() | 4 |
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Die buchmässige Behandlung eines Gegenstands insbesondere ist im Rahmen der Gesamtwürdigung als Indiz zu werten. Vermag auf der einen Seite die Aufnahme in die Buchhaltung für sich allein die Zuteilung eines Vermögensobjekts zum Geschäftsvermögen nicht zu bewirken, so kann auf der anderen Seite ein Gegenstand - aufgrund seiner technisch-wirtschaftlichen Funktion - auch dann Geschäftsvermögen darstellen, wenn er nicht in die Buchhaltung aufgenommen worden ist. Zu berücksichtigen ist also nicht nur die formelle Aufnahme (oder Nichtaufnahme) des Gegenstands in die Bilanz, sondern die konkrete buchhalterische Behandlung insgesamt (also etwa auch: die Vornahme von Abschreibungen oder die Verbuchungsweise von einschlägigen Aufwands- und Ertragspositionen usw.). Von Bedeutung kann ebenfalls die Qualität der Buchführung des Steuerpflichtigen sein (vgl. dazu ARNOLD, a.a.O., S. 280 f., mit Hinweis).
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3.3 Auch bei Liegenschaften (oder Teilen davon), die sich grundsätzlich sowohl für geschäftliche als auch für rein private Nutzung eignen, entscheidet in erster Linie deren konkrete ![]() | 7 |
Eine wesentliche Neuerung brachte hingegen der in Art. 18 Abs. 2 DBG begründete Wechsel (von der Wertzerlegungs-) zur Präponderanzmethode. Nach dieser werden ab dem 1. Januar 1995 diejenigen gemischt, d.h. teils geschäftlich, teils privat genutzten Objekte, die ganz oder vorwiegend der selbständigen Erwerbstätigkeit dienen, in ihrer Gesamtheit dem Geschäftsvermögen zugewiesen. Die nicht vorwiegend geschäftlich genutzten Objekte gehören demgegenüber gesamthaft zum Privatvermögen, auch wenn sie teilweise geschäftlich genutzt werden.
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Nach den Richtlinien der Eidgenössischen Steuerverwaltung sind alle den geschäftlich genutzten Liegenschaftsteil betreffenden Erträge ins Verhältnis zum Gesamtertrag aus der Liegenschaft zu setzen. Dieser umfasst sämtliche auf die Liegenschaft entfallenden Einkünfte gemäss Art. 21 DBG, unter Einbezug des zum Marktwert festgesetzten Eigenmietwerts für den geschäftlich genutzten Teil. Beträgt der so ermittelte Anteil der geschäftlichen Nutzung mehr als 50 %, liegt eine vorwiegend geschäftliche Nutzung vor und gilt die Liegenschaft insgesamt als Geschäftsvermögen (vgl. Ziff. 2.1 des Merkblatts "Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit nach Artikel 18 DBG. Ausdehnung der Kapitalgewinnsteuerpflicht, Übergang zur Präponderanzmethode und deren Anwendung", Anhang zum gleichnamigen Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 12. November 1992, in: ASA 61 S. 507 ff.; vgl. auch PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, Therwil/Basel 2001, N. 146 ff. zu Art. 18 DBG; MARKUS REICH, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht [I/2a], Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], Basel/Genf/München 2000, N. 54 ff. zu Art. 18 DBG; FELIX RICHNER/ WALTER FREI/STEFAN KAUFMANN, Handkommentar zum DBG, Zürich 2003, N. 81 f. zu Art. 18 DBG; vgl. auch Urteil 2A.700/ 2004 vom 26. Mai 2005, E. 3.3 und 3.4, mit Hinweisen).
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Im Fall eines Bäckerei- und Gastwirtschaftsbetriebs beurteilte das Bundesgericht die zwei vom damaligen Betriebsinhaber und seiner Familie im Haus belegten Wohnungen als zum Geschäftsbetrieb gehörend, weil diese Verwendung offensichtlich den Geschäftsinteressen entsprochen habe; denn die Bäckerei/Konditorei und die ![]() | 14 |
In einem Urteil aus dem Jahr 1986, wo ebenfalls die Zuordnung der Privatwohnung eines Bäckers umstritten war, erkannte das Bundesgericht, eine Zuteilung der privat genutzten Wohnung zum Geschäftsvermögen könne "in den Fällen ausnahmsweise sachgerecht sein, wo der Steuerpflichtige aus geschäftlichen Gründen in besonderem Masse daran interessiert ist, im gleichen Haus zu wohnen, wo er beispielsweise sein Ladengeschäft betreibt". Auf den Einwand des damaligen Betriebsinhabers hin, er habe die Broterzeugnisse schon seit mehreren Jahren von einer Gemeinschaftsbäckerei bezogen und nicht mehr selbst hergestellt, räumte das Bundesgericht ein, mit dem Wegfall der selbständigen Brotherstellung sei in der Tat ein gewichtiger Grund für die Zuweisung der Privatwohnung zum Geschäftsvermögen beim Bäckermeister weggefallen. Es liess aber die "Frage der sachlich richtigen Zuordnung" in jenem Fall ausdrücklich offen, weil die gesamte Liegenschaft bis zur Geschäftsaufgabe zu 100 % in der Geschäftsbuchhaltung als Aktivum enthalten war und der betreffende Beschwerdeführer selber die Qualifikation der Privatwohnung als Geschäftsvermögen bis zur Aufgabe der eigenen Brotherstellung als begründet anerkannt hatte (ASA 57 S. 271, E. 3 S. 274 f.).
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In einem Urteil aus dem Jahr 1998 bestätigte das Bundesgericht den Grundsatz, dass die Zuweisung des zu privaten Wohnzwecken genutzten Teils einer Liegenschaft zum Geschäftsvermögen "nur ausnahmsweise" erfolge, wenn "das Wohnen im Geschäftsgebäude eine rationelle Geschäftsführung erst ermöglicht oder wesentlich fördert". Diese restriktiven Voraussetzungen erachtete das Bundesgericht für die in jenem Fall von einem Gastwirt selbst genutzte Wohnung (2-Zimmerwohnung mit Kochnische) als erfüllt (Urteil 2A.391/1995 vom 2. September 1998, E. 3a, mit Hinweisen, publ. in: StE 1999 B 23.2 Nr. 21).
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4.4 Diese Kasuistik aus der Rechtsprechung zum alten Recht (BdBSt) belegt, dass die Zuteilung einer vom Betriebsinhaber selbst genutzten Wohnung zum Geschäftsvermögen nur ausnahmsweise als sachgerecht erachtet wurde. Dabei wurden die Voraussetzungen für eine solche Zuweisung mit der Zeit tendenziell verschärft: Genügte es anfänglich, dass das "private" Wohnen in der Betriebsliegenschaft ![]() | 17 |
Im Vergleich dazu umschreibt das neue Recht (Art. 18 Abs. 2 DBG) die Voraussetzungen nunmehr noch enger, indem Betriebswohnungen nur dann Geschäftsvermögen darstellen, wenn sie "ganz oder vorwiegend der selbständigen Erwerbstätigkeit dienen". Zudem hat die Zuweisung zur einen oder anderen Vermögensmasse steuerlich eine grössere Tragweite erhalten, weil nach der nach neuem Recht geltenden Präponderanzmethode der Kapital- oder Überführungsgewinn auf der ganzen Liegenschaft entweder steuerbar oder steuerfrei ist (vgl. oben E. 3.3).
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Der vorliegende Fall gibt Anlass, die aufgeworfene Frage unter Berücksichtigung der erwähnten rechtlichen Neuerungen sowie der geänderten tatsächlichen Verhältnisse neu zu überdenken und zu beantworten.
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Es ist eine Erfahrungstatsache, dass etwa traditionelle Bäckereien oder vergleichbare Herstellungsbetriebe mehr und mehr die eigene Produktion eingestellt haben und die Verkaufsware nach Bedarf von Grosslieferanten beziehen (vgl. das erwähnte Urteil in ASA 57 S. 271, E. 3b S. 275, wo dieser Vorgang bereits unter der Geltung des BdBSt als gewichtiges Indiz für die Zuteilung der Betriebsleiterwohnung ![]() | 21 |
Generell kann bei den heutigen gesellschaftlichen Gegebenheiten (Organisationsstrukturen, Mobilität etc.) nicht mehr behauptet werden, dass eine rationelle Betriebsführung erst ermöglicht oder wenigstens wesentlich gefördert werde, wenn der Inhaber in der Betriebsliegenschaft wohne. Das gilt grundsätzlich für jede Art von Betrieben (Bäckereien, Gastwirtschaften, Metzgereien, Hotels, Garagen, Läden etc.) und Praxen (Ärzte, Apotheken etc.). In diesem Sinn hat sich aus steuerlicher Sicht mit dem Wegfall der betrieblichen Notwendigkeit gleichzeitig die technisch-wirtschaftliche Funktion der vom Inhaber (und seiner Familie) selbst genutzten Wohnung geändert. Wohl mag es unter Umständen nach wie vor von Vorteil sein, in der Betriebsliegenschaft oder in der Nähe zu wohnen (z.B. für einen Hotelier oder einen Wirt), doch dürfte dies selbst dort eher privaten Kommoditätsgründen als wirklichen betrieblichen Bedürfnissen entsprechen; solche Gründe waren im Übrigen schon nach der Rechtsprechung zum BdBSt nicht ausreichend für eine Zuordnung zum Geschäftsvermögen (vgl. FABIAN AMSCHWAND, Geschäftsvermögen oder Privatvermögen? Eine Übersicht, in: StR 55/2000 S. 480 ff., insbesondere S. 488 f.).
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Die aufgezeigte gewandelte Funktion der Wohnung des Betriebsinhabers bringt es mit sich, dass diese unter der Geltung des Art. 18 Abs. 2 DBG in aller Regel dem Privatvermögen zuzuordnen ist. Die bisherige Praxis ist in diesem Sinn den veränderten Verhältnissen anzupassen. Vorbehalten bleibt der (von den Steuerbehörden zu erbringende) Nachweis, dass das betreffende Objekt im konkreten (Ausnahme-)Fall vorwiegend tatsächlich der Erwerbstätigkeit des Betriebsinhabers dient. Weiter schliesst das Gesagte nicht aus, dass eine Wohnung in gewissen Fällen aufgrund der konkreten Umstände und ihrer technisch-wirtschaftlichen Funktion Geschäftsvermögen darstellen kann (z.B. Angestelltenwohnungen im Haus für Abwart, Sicherheitsdienst, Lehrlinge etc.).
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5. Im vorliegenden Fall bewohnen die Beschwerdeführer in der Liegenschaft W.strasse eine 7 1/2-Zimmer-Maisonette-Wohnung. Das ![]() | 24 |
Ist somit der Nachweis nicht erbracht, dass die Wohnung tatsächlich vorwiegend der selbständigen Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführer gedient hat, so gehört sie zwingend zu ihrem Privatvermögen (Art. 18 Abs. 2 Satz 3 erster Teil DBG e contrario).
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Zum gleichen Ergebnis käme man im Übrigen, wenn das buchhalterische Vorgehen insgesamt steuerlich gewürdigt würde: Die Beschwerdeführer haben sich für eine Aufnahme der Liegenschaft in die Bilanz entschieden. Wollte man allein daraus auf die Geschäftsvermögensqualität der Privatwohnung schliessen, so müsste das auch für die beiden an Dritte vermieteten Wohnungen gelten. Das hat die Steuerverwaltung richtigerweise nicht getan, obwohl die Mietzinseinnahmen in der Erfolgsrechnung der Geschäftsbuchhaltung erfasst sind. Es kommt hinzu, dass auf jener "Geschäftsliegenschaft" nie Abschreibungen vorgenommen wurden, weder auf dem geschäftlich noch auf dem privat genutzten Teil. Daraus ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführer selber die Liegenschaft - trotz deren Bilanzierung - insgesamt, und damit insbesondere auch die selbst genutzte Maisonette-Wohnung, materiell nie als Geschäftsvermögen betrachtet haben.
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Überwiegt beide Male die private Nutzung, so braucht die Frage der zutreffenden Ausscheidungswerte nicht weiter geprüft zu werden. Die Liegenschaft W.strasse ist in Anwendung der Präponderanzmethode insgesamt dem Privatvermögen der Beschwerdeführer zuzuweisen. Eine Überführung vom Geschäfts- in das Privatvermögen konnte insofern gar nicht stattfinden, und es gab folglich auch keinen Überführungsgewinn.
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