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16. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen unique zurich airport Flughafen Zürich AG und Kanton Zürich sowie Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 10 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) |
1E.7/2007 vom 14. April 2008 | |
Regeste |
Enteignung nachbarrechtlicher Abwehransprüche infolge Fluglärms sowie von Abwehrrechten gegen den direkten Überflug; Bemessung der Entschädigung für eine Baulandparzelle. |
Unvorhersehbarkeit der Lärmeinwirkungen bejaht bei einer Baulandparzelle, die vor dem 1. Januar 1961 erworben wurde und damals nicht im Sinne der heutigen Gesetzgebung erschlossen und überbaubar war (E. 6). |
Da es sich bei der Parzelle um eine der letzten Baulücken im fraglichen Siedlungsgebiet handelt, darf der Boden aufgrund der Praxis der Baudirektion trotz des Fluglärms als zonengemäss nutzbares Bauland qualifiziert werden (E. 11.1). Massgeblich für die Bewertung des enteigneten Grundstücks sind die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten am Schätzungsstichtag. Die fluglärmbedingte erhebliche Werteinbusse ist zu vergüten, unabhängig davon, ob die Baulandparzelle verkauft oder vom heutigen Grundeigentümer selbst überbaut werden wird (E. 11.2). Berechnung der Entschädigung (E. 11.3). Kann der Eigentümer sein Grundstück trotz Beanspruchung durch den Enteigner weiterhin im bisherigen Rahmen nutzen, ist kein Zins im Sinne von Art. 76 Abs. 5 Satz 3 EntG geschuldet (E. 11.4). | |
Sachverhalt | |
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Aus den Erwägungen: | |
5. Zu untersuchen bleibt, ob dem Beschwerdeführer ein Entschädigungsanspruch für die Unterdrückung seiner nachbarlichen Abwehrrechte gegenüber Lärmeinwirkungen zustehe. Ein solcher setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass - kumulativ - die drei Bedingungen der Unvorhersehbarkeit der Lärmimmissionen, der sog. Spezialität der Immissionen sowie der Schwere des immissionsbedingten Schadens gegeben sind (vgl. etwa BGE 123 II 481 E. 7 S. 490 ff.; BGE 130 II 394 E. 7.1 S. 402, E. 9.2 S. 410, E. 12 S. 414, je mit Hinweisen).
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Die Schätzungskommission hält zwei dieser drei Voraussetzungen für erfüllt. Im angefochtenen Entscheid wird ausgeführt, dass das fragliche Bauland seit 1945 im Eigentum der Familie des Beschwerdeführers stehe und von diesem 1975 durch Erbvorbezug übernommen worden sei. Damit sei die Voraussetzung der Unvorhersehbarkeit im Sinne der Rechtsprechung erfüllt. Da die Immissionsgrenzwerte im fraglichen Gebiet, das der Empfindlichkeitsstufe II (ES II) ![]() | 3 |
Die Argumentation der Schätzungskommission wird von beiden Parteien kritisiert.
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5.1 Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass die Verkehrswert- und Minderwertsschätzung aufgrund der Verhältnisse am ![]() | 5 |
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Zur Voraussetzung der Schwere des Schadens bringen die Enteigner vor, in Fällen der Enteignung nachbarrechtlicher Abwehrbefugnisse wegen übermässigen Lärms könne - infolge der Nähe und der Verwandtschaft zur materiellen Enteignung - nur dann von einem schweren Schaden ausgegangen werden, wenn der Minderwert wegen Fluglärms einen Drittel des Verkehrswertes einer Liegenschaft übersteige. Weiter weisen die Enteigner auf die durch den Flughafen bewirkten Wertsteigerungen sowie auf künftige Lärmabnahmen hin, die durch die technologische Entwicklung ermöglicht würden. Diesen Gegebenheiten müsse bei der Entschädigungsbemessung durch Abzüge Rechnung getragen werden. Schliesslich bezeichnen ![]() | 7 |
6. Das Bundesgericht hat in BGE 130 II 394 E. 12.1 S. 415 ausdrücklich bestätigt, dass die für die (Un-)Vorhersehbarkeit der Fluglärm-Immissionen massgebende Schwelle, die in der Rechtsprechung auf den 1. Januar 1961 gelegt worden ist, auch für die durch den Abflugverkehr betroffenen Grundeigentümer in Opfikon-Glattbrugg gilt. Hat ein Anwohner sein Grundstück erst nach diesem Zeitpunkt anders als durch Erbgang erworben, gelten die Einwirkungen als vorhersehbar und kann kein Entschädigungsanspruch entstehen (vgl. BGE 131 II 137 E. 2.1 S. 142 mit zahlreichen Hinweisen). Ebenso wenig ist eine Entschädigung für ein Gebäude zu leisten, das erst nach diesem Datum erstellt worden ist (vgl. BGE 110 Ib 43 E. 4 S. 50; BGE 111 Ib 233 E. 2a; Urteil E.22/1992 vom 24. Juni 1996, E. 3b, während in BGE 121 II 317 E. 6c/aa die Frage offengelassen worden ist).
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Es ist an sich unbestritten, dass das hier fragliche Bauland schon lange vor 1961 von den Vorfahren des heutigen Beschwerdeführers erworben wurde und infolge Erbvorbezugs auf diesen übergegangen ist. Die Beeinträchtigung dieses Landes durch den Fluglärm darf daher als unvorhersehbar gelten und gibt, sofern auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind, Anspruch auf Entschädigung. Daran ändert der Hinweis der Enteigner darauf, dass das Land am 1. Januar 1961 nicht im Sinne der heutigen Gesetzgebung erschlossen und überbaubar gewesen sei, nichts. Einerseits kann nicht verlangt werden, dass ein Grundstück im Jahre 1960 hinsichtlich der Überbaubarkeit schon den Anforderungen entsprochen habe, die erst durch später geschaffene Gesetze aufgestellt worden sind. Andererseits kann der Umstand, dass die zuständigen Planungsbehörden Boden dem Baugebiet zugewiesen haben, obschon die Fluglärm-Immissionen bereits voraussehbar waren, den Grundeigentümern nicht zur Last gelegt werden und ihnen im enteignungsrechtlichen Entschädigungsverfahren nicht zum Nachteil gereichen. Unter dem Gesichtswinkel der Voraussehbarkeit der Immissionen ist für die Entstehung und den Umfang der Entschädigungspflicht allein ausschlaggebend, ob der Ansprecher oder sein Vorfahre schon am 1. Januar 1961 Eigentümer des fraglichen Grundstücks gewesen sowie ob dieses überbaut gewesen oder eine Überbauung im Gang gewesen sei. Eine andere - später zu behandelnde - Frage ist, ob und wie ein unüberbautes Grundstück nach dem Auftreten übermässigen Lärms noch überbaut werden könne.
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(...)
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Gemäss der Praxis der Baudirektion des Kantons Zürich wird die Schliessung von einzelnen Baulücken generell als überwiegendes Interesse im Sinne von Art. 31 Abs. 2 LSV eingestuft (vgl. Kreisschreiben der Baudirektion des Kantons Zürich vom 28. Februar 2006 über die "Raumplanung in der Flughafenregion - Anpassung der Praxis bezüglich Planungsverfahren und Baubewilligungen bei Grenzwertüberschreitungen durch Fluglärm"). Da es sich bei der Parzelle Kat.-Nr. 7561, wie sich aus den Akten ergibt, um eine der letzten Baulücken im fraglichen Siedlungsgebiet handelt, darf mit der Schätzungskommission davon ausgegangen werden, dass der Boden trotz des Fluglärms Bauland bleibt und zonengemäss überbaut werden kann.
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Die Listen des statistischen Amtes des Kantons Zürich über die Zahl der Verkäufe und die für unbebautes, erschlossenes Wohnbauland erzielten Preise in den einzelnen Zürcher Gemeinden ergeben jedoch ein anderes Bild (vgl. www.statistik.zh.ch/bodenpreise): Nach den Erhebungen des Amtes haben in der Gemeinde Opfikon im Jahre 1997 13 Verkäufe stattgefunden und ist ein Durchschnittspreis von Fr. 803.-/m2 und ein Median (Wert, der von der Hälfte der Verkäufe unter- bzw. überschritten wird) von Fr. 800.-/m2 erreicht worden. Im Jahr 1998 beläuft sich der Durchschnittswert für fünf Verkäufe auf Fr. 936.-/m2 und der Medianwert auf Fr. 818.-/m2, im Jahr 1999 Fr. 744.-/m2 bzw. Fr. 624.-/m2 für zehn Verkäufe. In den Jahren 1996 und 2000 fanden praktisch keine Verkäufe statt und werden keine Zahlen ausgewiesen.
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Das Vorbringen der Enteigner, wonach das Preisniveau in Opfikon am dies aestimandi erheblich niedriger gewesen sei, als die Schätzungskommission angenommen hat, findet in den genannten Zahlen keinen Rückhalt. Wohl ist nicht bekannt, welche Lage die verkauften Grundstücke aufgewiesen haben, welche Ausnützungsmöglichkeiten sie geboten haben und wie stark sie vom Fluglärm betroffen waren. Andererseits kann festgestellt werden, dass die Baulandparzelle des Beschwerdeführers zwar keine hohe Ausnützung zulässt, sich aber - abgesehen vom Fluglärm - zweifellos in einer der besten Wohnlagen Opfikons befindet. Angesichts dessen, dass der Verkehrswert von Fr. 820.-/m2 für Bauland ohne Fluglärmbelastung festgelegt worden ist und im vorliegenden Fall nur ein Bruchteil dieses Wertes abgegolten werden muss, besteht kein Anlass zu weiteren Abklärungen über die Preisverhältnisse im fraglichen Gebiet.
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