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24. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Migration gegen X. sowie Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_253/2008 vom 7. Juli 2008 | |
Regeste |
Art. 89 Abs. 2 lit. a und Art. 46 BGG; Art. 78 und 112 AuG; Verhältnismässigkeit der Verlängerung einer Durchsetzungshaft, welche dreizehn Monate gedauert hat. |
Nach Art. 112 Abs. 1 AuG richten sich die Verfahren der Bundesbehörden grundsätzlich nach den allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege; der Friststillstand gemäss Art. 46 BGG gilt deshalb auch für bundesgerichtliche Verfahren betreffend ausländerrechtliche Zwangsmassnahmen (E. 1.2). |
Es ist jeweils aufgrund aller Umstände im Einzelfall zu prüfen, ob eine Durchsetzungshaft (noch) geeignet bzw. erforderlich erscheint und nicht gegen das Übermassverbot verstösst. Ein erklärtes, konsequent unkooperatives Verhalten bildet dabei bloss einen unter mehreren zu berücksichtigenden Gesichtspunkten (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Am 17. Januar 2007 nahm das Ausländeramt des Kantons St. Gallen X. in Durchsetzungshaft. Der Einzelrichter der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen genehmigte diese am 19. Januar 2007 und verlängerte sie in der Folge - jeweils in Schritten von zwei Monaten - bis zum 16. Februar 2008. Ein weiteres Gesuch des Ausländeramts, die Haft um zwei Monate zu verlängern, wies er am 14. Februar 2008 ab: Die Fortsetzung der Durchsetzungshaft erscheine trotz Fehlens von Haftbeendigungsgründen nicht mehr verhältnismässig, da der "Haftvollzug seinen Zweck bis zur gesetzlichen Haftbeendigung in fünf Monaten voraussichtlich nicht mehr ![]() | 2 |
Das Bundesgericht heisst die vom Bundesamt für Migration hiergegen eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gut und hebt den haftrichterlichen Entscheid auf.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
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1.2 Der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen ging dem Bundesamt für Migration am 22. Februar 2008 zu. Dieses hat seine Beschwerde - unter Inanspruchnahme des Friststillstands über Ostern (Art. 46 Abs. 1 lit. a BGG) - am 28. März 2008 eingereicht. Die I. öffentlich-rechtliche Abteilung hat entschieden, dass der gesetzliche Friststillstand von Art. 46 Abs. 1 BGG bei der strafprozessualen Haft nicht zur Anwendung komme (vgl. BGE 133 I 270 E. 1.2.2); diese Rechtsprechung kann indessen nicht auf die ausländerrechtlichen Festhaltungen übertragen werden: Der Friststillstand gilt nicht in Verfahren betreffend aufschiebende Wirkung und andere vorsorgliche Massnahmen sowie in der Wechselbetreibung und auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe (Art. 46 Abs. 2 BGG). Die ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen fallen unter keine dieser Ausnahmen. Art. 112 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20; in Kraft seit dem 1. Januar 2008) sieht ausdrücklich vor, ![]() | 5 |
Erwägung 2 | |
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Erwägung 2.2 | |
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2.2.4 Was der Haftrichter hiergegen einwendet, überzeugte - jedenfalls zum Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids, auf den abzustellen ist - nicht: Dass sich der Betroffene (immer noch) unkooperativ zeigt, ist Voraussetzung, um die Festhaltung überhaupt verlängern zu können, und insoweit sachimmanent, als der Durchsetzungshaft (auch) die Funktion einer Beugehaft zukommt (vgl. BGE 134 I 92 E. 2.3.1). Allein die Tatsache, dass der Beschwerdegegner sich konsequent geweigert hat, seine Identität offenzulegen oder zu deren Klärung beizutragen, konnte noch nicht bedeuten, dass die Durchsetzungshaft nicht mehr geeignet war, das angestrebte Ziel zu ![]() | 10 |
2.2.5 Dass der Beschwerdegegner jeweils keine mündliche richterliche Haftüberprüfung verlangt hat, ist nicht entscheidend: Es steht dem Betroffenen frei, dies zu tun, ohne dass daraus etwas zu seinen Gunsten oder Ungunsten abgeleitet werden darf. Auch eine Unterscheidung - wie sie der Haftrichter in seiner Vernehmlassung vorschlägt - danach, ob die Identität des Betroffenen erstellt ist und die Rückführung (nur noch) an der Unmöglichkeit eines Sonderflugs scheitert oder aber noch keinerlei bestätigte Angaben zu seinen Personalien vorliegen, überzeugt nicht. Die Verhältnismässigkeit ist - wie dargelegt - jeweils im Einzelfall aufgrund der konkreten Umstände zu überprüfen; die Zwangsmassnahmen können insgesamt bis zu 24 Monaten dauern, wobei nach einer (erfolglosen) Durchsetzungshaft - etwa bei allfälligen Verhandlungen mit dem Heimatstaat bezüglich einer zwangsweisen Rückführung - eine anschliessende Ausschaffungshaft nicht ausgeschlossen ist. Beim Beschwerdeführer wäre in diesem Fall eine weitere Festhaltung von insgesamt 11 Monaten möglich gewesen, womit der Umstand, dass seine Personalien noch nicht erstellt waren, für seine Freilassung nicht ausschlaggebend sein konnte. Das öffentliche Interesse, die Durchsetzungshaft zu verlängern, um die rechtskräftige Wegweisung vollziehen zu können, überwog (zumindest) im Februar 2008 noch jenes des Beschwerdegegners, auf freien Fuss gesetzt zu werden, auch wenn die Verhältnismässigkeit der Durchsetzungshaft desto kritischer zu hinterfragen ist, je länger sie dauert. Die Durchsetzungshaft unterliegt zudem in dem Sinn dem Beschleunigungsgebot, dass die Behörden regelmässig von Amtes wegen zu prüfen haben, ob die Ausschaffung tatsächlich vollzogen werden könnte, falls der Betroffene bereit wäre, zu kooperieren; überdies müssen sie ihn bei seinen Bemühungen, die erforderlichen Papiere zu beschaffen, jeweils aktiv unterstützen (BGE 134 I 92 E. 2.3.1 S. 96).
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