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11. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Amt für Migration des Kantons Luzern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_304/2009 vom 9. Dezember 2009 | |
Regeste |
Art. 42 Abs. 1 i.V.m. Art. 51 Abs. 1 lit. a AuG; Art. 43 Abs. 1 i.V.m. Art. 51 Abs. 2 lit. a AuG; Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG; Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Auflösung der Ehegemeinschaft; Anwendungsbereich des Rechtsmissbrauchsverbots; Berechnung der Dauer der ehelichen Gemeinschaft. |
Für die Beantwortung der Frage, ob eine Ehegemeinschaft im Zeitpunkt der Auflösung drei Jahre bestanden hat (Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG), ist einzig das Zusammenleben im Inland massgeblich (E. 3.3). | |
Sachverhalt | |
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Am 25. Februar 2008 ersuchte X. erneut um Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung. Auf dem entsprechenden Formular deklarierte er erstmals, dass seine Ehefrau und er mittlerweile in separaten Haushalten wohnten. Aufgrund dieser Deklaration lehnte das Amt für Migration des Kantons Luzern das Verlängerungsgesuch mit Verfügung vom 3. Juli 2008 ab. Die Behörde hielt fest, dass X. nach Aufgabe des gemeinsamen ehelichen Wohnsitzes kein Aufenthaltsrecht in der Schweiz mehr zustehe.
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B. Hiergegen beschwerte sich X. beim Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, welches die Angelegenheit zuständigkeitshalber an das kantonale Verwaltungsgericht weiterleitete. Dieses wies die Beschwerde in seinem Urteil vom 8. April 2009 ab.
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C. Mit Eingabe vom 12. Mai 2009 führt X. Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Er beantragt, die Entscheide der Vorinstanzen seien aufzuheben und es sei seine Aufenthaltsbewilligung angemessen zu verlängern. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung ans Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zurückzuweisen. Unabhängig vom Verfahrensausgang seien sämtliche Kosten den Vorinstanzen zu überbinden. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ab, soweit es darauf eintritt.
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(Auszug)
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Erwägung 3 | |
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Wie bereits ausgeführt, hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang erwogen, dass den Akten verschiedene Hinweise zu entnehmen seien, dass der Beschwerdeführer nicht drei Jahre seit Erhalt der Aufenthaltsbewilligung mit seiner Ehefrau in einer Haushaltsgemeinschaft gelebt habe. Letztlich könne dies indes offenbleiben, zumal der streitige Anspruch in jedem Fall unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbotes stehe (Art. 51 Abs. 2 lit. a AuG). Ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Beschwerdeführers liege hier vor: Mit dem einzigen Ziel, sich die Aufenthaltsbewilligung zu sichern, berufe er sich auf eine inhaltsleere, nur noch formell bestehende Ehe.
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Der Beschwerdeführer bestreitet demgegenüber die Rechtsmissbräuchlichkeit seines Verhaltens. Er habe länger als seine Ehefrau mental an der Ehe festgehalten. Im Frühjahr 2008 habe er sich jedoch eingestehen müssen, dass man in getrennten Haushalten lebe, was er dann gegenüber dem Amt für Migration auch korrekt deklariert habe. In der Folge sei im Kosovo ein Scheidungsverfahren eingeleitet und am 24. Oktober 2008 die Scheidung ausgesprochen worden. Die Ehe habe demzufolge über dreieinhalb Jahre Bestand gehabt, weshalb das Fristerfordernis von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG erfüllt sei. Die Vorinstanz interpretiere das Gesetz falsch, wenn sie hierfür voraussetze, dass er, der Beschwerdeführer, drei Jahre seit Erhalt der Aufenthaltsbewilligung mit seiner Ehefrau in einer Hausgemeinschaft gelebt haben müsse.
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3.2 Dem Verwaltungsgericht kann insofern nicht gefolgt werden, als es einzig unter Hinweis auf das Scheitern der Ehe bereits von Rechtsmissbrauch ausgeht: Vielmehr kommen die in Art. 50 AuG statuierten Ansprüche überhaupt erst nach Auflösung der ehelichen ![]() | 10 |
Die bundesgerichtliche Praxis zur Rechtsmissbräuchlichkeit der Berufung auf eine inhaltsleere, nur noch formell bestehende Ehe hatte ihren Ursprung in der Regelung von Art. 7 Abs. 1 des bis zum 31. Dezember 2007 in Kraft gewesenen Bundesgesetzes vom 26. Mai 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; BS 1 121): Gemäss dieser Bestimmung war bereits der formelle Bestand der Ehe hinreichend, um dem ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers einen Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu vermitteln. Das neue Ausländerrecht verlangt demgegenüber bezüglich einem aus der Ehe abgeleiteten Bewilligungsanspruch grundsätzlich das Zusammenwohnen der Ehegatten (Art. 42 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 1 AuG; vgl. E. 3.1); bei getrennten Wohnorten müssen dafür wichtige Gründe bestehen (Art. 49 AuG). Zwar stehen auch die vom AuG gewährleisteten Rechtsansprüche unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbotes (vgl. Art. 51 Abs. 1 lit. a und Art. 51 Abs. 2 lit. a AuG). Jedoch beschränkt sich dessen Anwendung - aufgrund der veränderten Anspruchsvoraussetzungen - im Wesentlichen auf solche Fälle, in denen Ehepartner nur zum Schein zusammenwohnen. Fehlt es dagegen an einem Zusammenwohnen, so scheitert der Bewilligungsanspruch bereits an den gesetzlichen Voraussetzungen und die Frage des Rechtsmissbrauchs erübrigt sich.
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Gleiches gilt bezüglich dem hier streitigen Fortbestehen eines Bewilligungsanspruchs trotz Auflösung der Ehegemeinschaft: Bevor ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Beschwerdeführers in Betracht zu ziehen ist, sind die Anspruchsvoraussetzungen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG zu prüfen (vgl. E. 3.3 hiernach), d.h. es ist abzuklären, ob die eheliche Gemeinschaft zwischen der ausländischen Person und dem Niedergelassenen oder schweizerischen Staatsangehörigen rückblickend überhaupt drei Jahre Bestand gehabt hat. Nur wenn dies der Fall ist, kann sich - bei Vorliegen entsprechender Indizien - die Frage stellen, ob die Eheleute lediglich der Form halber zusammenwohnten und die Dauer der Wohngemeinschaft deshalb - in Beachtung des Rechtsmissbrauchsverbotes - nicht bzw. nicht vollumfänglich berücksichtigt werden kann.
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Die beschlossene Fassung des Gesetzeswortlautes geht auf den Mehrheitsantrag der vorbereitenden parlamentarischen Kommission zurück (AB 2004 N 1060). Ob die eidgenössischen Räte bezüglich der ![]() | 16 |
Diese (langjährige) Praxis der Zürcher Verwaltungsbehörden verlangte für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines ausländischen Ehegatten nach Aufgabe des ehelichen Zusammenlebens das mindestens dreijährige Bestehen der ehelichen Gemeinschaft in der Schweiz (vgl. Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich RRB Nr. 702/2008 vom 21. Mai 2008 E. 5.b). Dies leuchtet ein: Vor dem Inkrafttreten des AuG stand ein solcher Verlängerungsentscheid im Ermessen der kantonalen Behörden (Art. 7 Abs. 1 ANAG e contrario bzw. Art. 17 Abs. 2 ANAG e contrario, jeweils in Verbindung mit Art. 4 ANAG). Bei der Ausübung ihres Ermessens stellten die Kantone auf die "Weisungen und Erläuterungen über Einreise, Aufenthalt und Arbeitsmarkt, ANAG-Weisungen" (2. Aufl. 2004) des damaligen Bundesamtes für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) ab, welche in Ziff. 654 insbesondere die Dauer der Anwesenheit als massgeblich bezeichneten (vgl. hierzu die Urteile des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. September 2007 E. 2.2 sowie vom 16. November 1998, in: GVP 1998 Nr. 22). Es ging mithin um den gemeinsamen Aufenthalt im Inland.
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Die Entstehungsgeschichte von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG weist demnach darauf hin, dass ein Bewilligungsanspruch gemäss dieser Bestimmung eine dreijährige Ehegemeinschaft in der Schweiz voraussetzt.
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3.3.2 Zum gleichen Schluss führt auch die systematische Auslegung von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG: Der Gesetzeswortlaut spricht von einem "Weiterbestehen" der Ansprüche nach Art. 42 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 1 AuG. Diese sind im Gesetz unter dem Titel "Familiennachzug" aufgeführt und erlangen erst dann Bedeutung, wenn die nachzugsberechtigte Person mit ihrem nachzuziehenden Angehörigen in der Schweiz zusammenleben möchte. Der Bestand und die Qualität einer ehelichen Verbindung vor diesem Zeitpunkt sind im Rahmen der Prüfung dieser Ansprüche nicht zu berücksichtigen. Sinngemäss gleich verhält es sich mit dem Anspruch auf Erteilung der ![]() | 19 |
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Es erhellt ohne weiteres, dass sich Angaben über im Ausland gelebte Ehegemeinschaften oftmals nur unzureichend oder sogar überhaupt nicht verifizieren lassen. Wäre die gemeinsam im Ausland verbrachte Zeit im Rahmen der Dreijahresfrist von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG mitzuberücksichtigen, müssten die kantonalen Bewilligungsbehörden diesbezüglich oft auf die blossen Behauptungen der Gesuchsteller vertrauen. Eine solche Lösung wäre kaum praktikabel, zumal einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten auf diese Weise nicht entgegen gewirkt werden könnte.
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3.4 Selbst wenn auf die Angaben des Beschwerdeführers abgestellt wird, dauerte das eheliche Zusammenleben in der Schweiz zwischen ihm und seiner Gattin keine drei Jahre (vom 8. April 2005 bis längstens zum 25. Februar 2008), womit es bereits an der ersten Anspruchsvoraussetzung von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG fehlt. Ob sich der Beschwerdeführer in der Schweiz erfolgreich integriert hat, muss daher nicht mehr geprüft werden. Ebenso kann offenbleiben, ob die eheliche Gemeinschaft bereits per 1. Mai 2006 aufgelöst wurde, wie dies das Amt für Migration in seiner Verfügung vom 3. Juli 2008 festgehalten hat. So oder anders steht dem Beschwerdeführer kein Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung zu. Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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