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34. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Kanton Graubünden gegen X. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_382/2009 vom 5. Mai 2010 | |
Regeste |
Art. 89 Abs. 1 BGG; Legitimation einer Kantonsregierung zur Anfechtung eines Entscheides über kantonale Nachlasssteuern; analoge Anwendung der "Star-Praxis" auf das Gemeinwesen; Rechtsfolgen der Verletzung der Ausstandspflicht durch einen kantonalen Richter. |
Keine analoge Anwendung der "Star-Praxis" auf das Gemeinwesen (E. 3). |
Der Umstand, dass am vorinstanzlichen Urteil ein Richter mitgewirkt hat, der wegen Befangenheit hätte in den Ausstand treten müssen, kann nicht als derart schwer wiegend bezeichnet werden, dass er die Nichtigkeit des angefochtenen Entscheids bewirkt (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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B. Mit Eingabe vom 11. Juni 2009 erhebt der Kanton Graubünden, vertreten durch die Regierung des Kantons Graubünden, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und die Bestätigung des Einspracheentscheids der Steuerverwaltung. Eventualiter sei das Urteil wegen Verletzung von Parteirechten aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
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Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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2.3 Nach dem allgemeinen Beschwerderecht von Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ![]() | 8 |
2.4 Das Gemeinwesen kann in bestimmten Fällen auch in hoheitlichen Interessen derart berührt sein, dass die Rechtsprechung von einem schutzwürdigen Interesse im Sinne von Art. 89 Abs. 1 BGG ausgeht (BGE 135 II 12 E. 1.2.1 S. 15; BGE 134 II 45 E. 2.2.1 S. 47; zur Heranziehung der früheren Praxis bei der Auslegung: BGE 133 II 400 E. 2.4.1 S. 406). Das kann namentlich bei wichtigen vermögensrechtlichen Interessen der Fall sein (BGE 135 I 43 E. 1.3 S. 47; vgl. die Beispiele bei HANSJÖRG SEILER, in: Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 35 f. zu Art. 89 BGG; BERNHARD WALDMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 43 f. zu Art. 89 BGG; ALAIN WURZBURGER, in: Commentaire de la LTF, 2009, N. 41 zu Art. 89 BGG). Bei Eingriffen in spezifische eigene Sachanliegen wird die Beschwerdebefugnis des Gemeinwesens bejaht, wenn es in qualifizierter Weise betroffen ist (BGE 135 I 43 E. 1.3 S. 47); dies ist dann anzunehmen, wenn ein Hoheitsakt wesentliche öffentliche Interessen in einem Politikbereich betrifft, der ihm zur Regelung zugewiesen wurde (BGE 135 II 12 E. 1.2.2 S. 15 f.). In jedem Fall aber setzt die Beschwerdebefugnis zur Durchsetzung hoheitlicher Anliegen eine erhebliche Betroffenheit in wichtigen öffentlichen ![]() | 9 |
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2.6 Daraus folgt, dass der Kanton Graubünden durch die Auslegung und Anwendung der umstrittenen Übergangsbestimmung nicht qualifiziert in eigenen hoheitlichen Interessen und damit nicht in ![]() | 11 |
Erwägung 3 | |
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3.2 Im Ergebnis verlangt der Kanton Graubünden damit die analoge Anwendung der sogenannten "Star-Praxis" auf das vorliegende Verfahren. Danach kann ein Beschwerdeführer, der in der Sache selbst nicht zur Beschwerdeführung berechtigt ist, dem aber im kantonalen Verfahren Parteistellung zukam, die Verletzung von Parteirechten rügen, die ihm von Verfassungs wegen zustehen (BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 312 f., auch zum Folgenden). Im Vordergrund stehen dabei Verstösse gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Ausgeschlossen sind aber Vorbringen, die auf eine Überprüfung des Sachentscheides abzielen oder hinauslaufen.
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3.3 Die "Star-Praxis" wurde unter der Herrschaft des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz, OG; BS 3 531) zur staatsrechtlichen Beschwerde entwickelt; sie ermöglichte privaten Beschwerdeführern, die keine materiellen "rechtlich geschützten Interessen" (vgl. Art. 88 OG und dazu BGE 113 Ia 247 E. 2 S. 249) geltend machen konnten, die Durchsetzung von rechtlich geschützten Verfahrensinteressen. Bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, zu deren Ergreifung schon befugt war, wer durch einen Entscheid betroffen war und an dessen Aufhebung oder Änderung ein schutzwürdiges eigenes (rechtliches oder auch nur tatsächliches) Interesse geltend machen konnte (Art. 103 lit. a OG; BGE 98 Ib 63 E. 2c S. 70 f.), erwies sich die "Star-Praxis" aber als entbehrlich. Dementsprechend hat das Bundesgericht im Bereich des öffentlichen Rechts nach der Einführung des BGG die "Star-Praxis" übernommen, wo die Beschwerdeführung vor dem Bundesgericht ein rechtlich geschütztes Interesse voraussetzt und nur die subsidiäre Verfassungsbeschwerde zur ![]() | 14 |
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Auf die Verfassungsrügen der Regierung ist daher auch unter diesem Gesichtswinkel nicht einzutreten.
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4.1 Die Verletzung der Ausstandsregeln und somit der Garantie des unabhängigen Richters kann ausnahmsweise, in besonders schwer wiegenden Fällen, die Nichtigkeit des Entscheids zur Folge haben; die Nichtigkeit ist in solchen Fällen von Amtes wegen zu beachten und festzustellen. Zu den besonders schwer wiegenden Fällen ist dabei insbesondere die Verfolgung persönlicher Interessen zu zählen (BGE 120 IV 226 E. 7b S. 241; vgl. auch BGE 114 Ia 153 E. 3a/bb ![]() | 18 |
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4.4 Vorliegend steht eine solche Betroffenheit zur Diskussion: Der mitwirkende Verwaltungsrichter V. scheint durch die von der Vorinstanz vorgenommene Auslegung der Übergangsbestimmung in bedeutendem Mass persönlich betroffen, weil er offenbar ein Veranlagungsverfahren zu gewärtigen hat, in dem die genau gleiche ![]() | 21 |
Die weiteren Umstände schliessen die Möglichkeit unerlaubter Einflussnahme nicht aus. So hat die Regierung - wiederum unwidersprochen - darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis seine bisherige Praxis bezüglich des Zeitpunkts, in dem die Steuerpflicht für Vorempfänge entsteht bzw. entstand, geändert hat, was den persönlichen Interessen von Verwaltungsrichter V. entgegenkam. Das Verwaltungsgericht hat sein Ergebnis im Weiteren auf Argumente (Wegfall der gesetzlichen Grundlage) gestützt, die im unterinstanzlichen Verfahren und in den Rechtsschriften gar nicht vorgebracht worden waren (dort ging es nur um die Verjährung), sondern erstmals von ihm selber releviert worden sind.
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4.5 Allerdings kann der gerügte Mangel - sollte er zutreffen - nicht als derart schwer wiegend bezeichnet werden, dass er geradezu die Nichtigkeit des angefochtenen Erkenntnisses bewirken muss (vgl. BGE 133 II 366 E. 3.2 S. 367 mit Hinweis). Für den ausstandspflichtigen Richter ergibt sich kein direkter persönlicher Vorteil aus dem angefochtenen Urteil, sondern nur ein indirekter, abgeleiteter. Zudem muss in Steuerfällen, wie in E. 4.3 erwähnt, eine gewisse Reflexwirkung auf die persönlichen Interessen der mitwirkenden Richter von vornherein als systemimmanent und unvermeidlich in Kauf genommen werden. Weiter handelt es sich um eine Steuer, die aufgehoben wurde, weshalb den noch zu besteuernden Fällen keine besondere Bedeutung für die künftige Rechtsanwendung mehr zukommen kann. Schliesslich ist es den kantonalen Behörden unbenommen, in einem weiteren Fall eine neuerliche verwaltungsgerichtliche Beurteilung der interessierenden Fragestellung (Steuerfreiheit der bis Ende 2007 noch nicht besteuerten Erbvorbezüge) zu provozieren und dabei zu verlangen, dass Verwaltungsrichter V. in den Ausstand tritt. Diese Umstände sprechen letztlich gegen die ![]() | 23 |
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