BGE 136 II 489 | |||
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45. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Verkehrsbetriebe Zürich, Stadt und Bezirksrat Zürich (Subsidiäre Verfassungsbeschwerde) |
2C_689/2009 vom 26. August 2010 | |
Regeste |
Art. 72 ff., 82 ff. und 113 ff. BGG, Art. 16 und 50 TG; Rechtsmittelweg bei der Anfechtung eines Kontrollzuschlages für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsbetriebes ohne gültigen Fahrschein. |
Zwar wurde im Kanton der falsche, nämlich der öffentlich-rechtliche Rechtsmittelweg durchlaufen; es handelt sich dabei hier aber nicht um einen besonders schweren und offensichtlichen Mangel, der zur Nichtigkeit des kantonal letztinstanzlichen Urteils führt, die von Amtes wegen zu berücksichtigen wäre (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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A.a X. wurde am 10. Januar 2007 in einem Tram der Linie 10 der städtischen Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ; nachfolgend: Verkehrsbetriebe) bei der Haltestelle Milchbuck kurz nach acht Uhr morgens kontrolliert. Da er lediglich einen erst ab neun Uhr gültigen Fahrausweis (Monats-Abonnement mit beschränkter zeitlicher Gültigkeit) bei sich trug, händigten ihm die Kontrolleure um 08.06 Uhr einen mit der Aufforderung zur Zahlung eines Taxzuschlags von Fr. 80.- verbundenen Einzahlungsschein aus. Gleichentags um zehn Uhr kaufte X. einen während eines Monats gültigen Netzpass des Zürcher Verkehrsverbundes (ZVV) für Fr. 219.-.
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A.b Am 27. März 2007 gewährten die Verkehrsbetriebe X. eine (...) Ratenzahlung. Nachdem die am 28. Januar 2008 fällige erste Rate von Fr. 20.- bis zum 7. März 2008 nicht geleistet worden war, verfügte der Direktor der Verkehrsbetriebe, X. werde zur Bezahlung von insgesamt Fr. 130.- (für Taxzuschlag zuzüglich Bearbeitungsaufwand) verpflichtet.
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B.
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B.a Am 9. Juli 2008 wies der Stadtrat von Zürich eine dagegen gerichtete Einsprache von X. ab (...).
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B.b Mit Entscheid vom 2. April 2009 wies der Bezirksrat Zürich einen dagegen gerichteten Rekurs ebenfalls ab (...).
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B.c Am 17. Juli 2009 wies der Einzelrichter am Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eine dagegen erhobene Beschwerde ab, soweit er darauf eintrat (...).
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C.
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C.a Mit als "staatsrechtliche Beschwerde" bezeichneter Eingabe vom 16. Oktober 2009 an das Bundesgericht beantragt X., den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben; für das bundesgerichtliche Verfahren sei ihm die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren.
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C.b Die Stadt Zürich und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Der Bezirksrat Zürich hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesamt für Verkehr stellt für das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) Antrag auf Gutheissung der Beschwerde und Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
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Erwägung 2 | |
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2.2 In Frage kommt zunächst die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid, gegen den diese Beschwerde grundsätzlich offensteht, falls es sich um einen Entscheid im Anwendungsbereich des öffentlichen Rechts handelt. Die kantonalen Instanzen haben den Streitfall als öffentlich-rechtlichen behandelt. Ob dies zutrifft, ist jedoch fraglich und wird insbesondere vom Bundesamt für Verkehr indirekt in Frage gestellt. Dieses macht - allerdings in der Sache und nicht unter dem Gesichtspunkt einer Sachurteilsvoraussetzung - geltend, es handle sich vorliegend um einen zivilrechtlichen Streit, weshalb die Verkehrsbetriebe gar nicht hätten verfügen dürfen.
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2.4 Nach Art. 50 TG werden vermögensrechtliche Streitigkeiten zwischen dem Kunden und der Transportunternehmung durch den Zivilrichter beurteilt (Abs. 1). Für die übrigen Streitigkeiten gelten die Vorschriften der Bundesverwaltungsrechtspflege (Abs. 2). Die herrschende Lehre leitet daraus ab, dass die Transportverträge selbst dem Privatrecht unterstehen (URS ACHERMANN, Privatisierung im öffentlichen Verkehr, 2008, S. 115; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2006, Rz. 285 f.; UHLMANN/HINDERLING, Transportrecht, in: Verkehrsrecht, Georg Müller [Hrsg.], SBVR Bd. IV, 2008, Rz. 38 und 49). Jedenfalls handelt es sich bei Streitigkeiten über den Fahrpreis um vermögensrechtliche Auseinandersetzungen, die zum Zivilrecht zu zählen sind. Zwar beruhen die Fahrpreise auf einem im Transportgesetz vorgeschriebenen Tarif (vgl. Art. 9-11 TG), der über eine möglicherweise öffentlich-rechtliche oder gemischt-rechtliche Natur verfügt (vgl. BGE 102 Ib 314 E. 3a S. 317). Auch die Zuschläge sind von Gesetzes wegen im Tarif zu regeln (Art. 16 Abs. 2 TG). Sie haben aber keinen Bussen- oder Strafcharakter, sondern entgelten einzig den Kontrollaufwand auf Seiten der Transportunternehmung (vgl. Art. 16 Abs. 5 TG; BBl 1983 II 186; Urteil des Bundesgerichts 2A.602/2004 vom 21. Oktober 2004 E. 2.1). Die Zuschläge sind zwar Gebühren oder anderen vergleichbaren Kausalabgaben ähnlich, stellen aber - nicht anders als der Fahrpreis - keine solchen, sondern Forderungen aus dem privatrechtlichen Transportverhältnis dar. Bei der Leistung des Zuschlags handelt es sich daher um die Erfüllung einer im Tarif kodifizierten zivilrechtlichen Nebenpflicht des Transportvertrages (vgl. dazu schon das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil A-420/2007 vom 3. September 2007 E. 1.4 sowie BGE 102 Ib 314 E. 3a S. 317).
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Daran ändert nichts, dass die Zuschläge im Transportgesetz über eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage verfügen (Art. 16 TG), deren Rechtsnatur erneut gemischt-rechtlich sein dürfte; vielmehr beruht dies letztlich darauf, dass den Bundesbahnen eine staatliche Aufgabe übertragen ist, weshalb sie auch im privatrechtlichen Tätigkeitsbereich an die Grundrechte gebunden sind (vgl. Art. 35 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 1 BV; GEORG MÜLLER, Schutzwirkung der Grundrechte, in: Handbuch der Grundrechte [...], Bd. VII/2: Grundrechte in der Schweiz und in Liechtenstein, Merten/Papier [Hrsg.], 2007, Rz. 14 ff.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 295 f.; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009, § 42 Nr. 6) bzw. die aus dem allgemeinen Legalitätsprinzip nach Art. 5 Abs. 1 BV abgeleiteten Anforderungen zu wahren haben (vgl. etwa ACHERMANN, a.a.O., S. 106 ff.; PETER UEBERSAX, Privatisierung der Verwaltung, in: ZBl 102/2001 S. 409).
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2.6 Zu prüfen ist diesfalls, ob eventuell die Beschwerde in Zivilsachen nach Art. 72 BGG zulässig wäre. Allerdings setzt eine solche einen Streitwert von mindestens 30'000.- Franken voraus (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG), der hier bei weitem nicht vorliegt. Die Beschwerde ist - von hier nicht interessierenden weiteren Ausnahmetatbeständen abgesehen - trotzdem zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG), wobei in der Beschwerdeschrift auszuführen ist, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 III 439 E. 2.2.2.1 S. 442). Die vorliegende Beschwerdeschrift enthält keine entsprechenden Ausführungen, weshalb die Beschwerde in Zivilsachen schon aus diesem Grunde ausgeschlossen ist. Im Übrigen sind die Anforderungen der Rechtsprechung nicht erfüllt, wonach eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dann vorliegt, wenn diese zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt und daher dringend einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf (vgl. BGE 135 III 397 E. 1.2 S. 399 f.). Das würde allenfalls höchstens auf die Frage des kantonalen Instanzenzugs zutreffen, doch erhebt der Beschwerdeführer eine entsprechende Rüge gerade nicht (vgl. E. 3), weshalb nicht daraus die grundsätzliche Bedeutung des vorliegenden Falles abgeleitet werden kann.
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2.8 Das Bundesgericht wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an, prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber nur auf Rechtsverletzungen hin, die von den Beschwerdeführern geltend gemacht werden (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Dabei gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten, insbesondere des Willkürverbots, eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254, BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 399). Insbesondere tritt das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Willkürrüge auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht ein (vgl. BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 399; BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 mit Hinweis).
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Erwägung 3 | |
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3.3 Immerhin wäre die Unzuständigkeit von Amtes wegen zu berücksichtigen, wenn der angefochtene Entscheid geradezu nichtig wäre. Zwar kann die funktionelle oder sachliche Unzuständigkeit einer Behörde einen Nichtigkeitsgrund für deren Entscheide darstellen (vgl. BGE 127 II 32 E. 3g S. 47 f. mit Hinweisen). Vorausgesetzt ist aber, dass der Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird (BGE 132 II 342 E. 2.1 S. 346). Im vorliegenden Fall war die fehlende Kompetenz der öffentlich-rechtlichen Instanzen indessen nicht offensichtlich. Die Unzuständigkeit der öffentlich-rechtlichen Rechtsmittelinstanzen ist lange Zeit nicht klar gewesen und wurde den beteiligten Behörden erst in den letzten Jahren allmählich bewusst. Bezeichnenderweise haben sich die Vorinstanzen ohne Zögern als kompetent erachtet. Ausserdem haben sich alle Verfahrensbeteiligten vorbehaltlos auf das Verfahren eingelassen. Es verträgt sich daher nicht mit der Rechtssicherheit und rechtfertigt sich nicht, nunmehr in letzter Instanz von Amtes wegen auf Nichtigkeit zu erkennen und die ganze Sache von Anfang an an den Zivilrichter zu verweisen. Das Bundesgericht hat dies bei analoger prozessualer Ausgangslage in einem auch inhaltlich ähnlich gelagerten Streitfall im Urteil 2A.602/2004 vom 21. Oktober 2004 ebenfalls nicht getan. Es hat den damaligen Fall sogar im vereinfachten Verfahren entschieden und sich überhaupt nicht zur Zuständigkeit der öffentlich-rechtlichen Instanzen bzw. zum damals beschrittenen öffentlich-rechtlichen Rechtsmittelweg geäussert. Damit ist nicht von einer offensichtlichen Unzuständigkeit auszugehen, die mit der Nichtigkeitsfolge verbunden wäre. Die zuständigen Behörden und betroffenen Beteiligten werden in künftigen Fällen die Zuständigkeitsordnung aber zu beachten haben.
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