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22. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Gemeinde Riniken und Mitb. gegen Axpo AG und Bundesamt für Energie (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_398/2010 vom 5. April 2011 | |
Regeste |
Plangenehmigung für eine Starkstromleitung (Art. 16 EleG): Freileitung oder Verkabelung eines Teilstücks? |
Eingriffe in das Landschaftsbild setzen nach Art. 3 NHG eine umfassende Interessenabwägung voraus; dies gilt auch für Landschaften von mittlerer bzw. lokaler Bedeutung (E. 4.1 und 4.2). |
Grundsatz der sparsamen und rationellen Energieverwendung (Art. 89 Abs. 1 BV; Art. 3 EnG); dazu gehört ein effizienter Energietransport mit möglichst geringen Verlusten (E. 4.3). |
Ergänzung des Sachverhalts, u.a. bezüglich Trassenauslegung (E. 6.1), Ausfallrisiko und Reparaturdauer (E. 6.3), Bodenerwärmung und -austrocknung (E. 6.4) und Investitionskosten (E. 6.5). |
Gesamtkostenvergleich: Die erheblich höheren Stromverlustkosten der Freileitung gleichen die höheren Investitionskosten der Kabelanlage weitgehend aus (E. 6.7). |
Die Interessenabwägung fällt vorliegend zugunsten der Teilverkabelung der Hochspannungsleitung aus (E. 7). | |
Sachverhalt | |
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Mit Schreiben vom 23. Dezember 2003 verlangte das Bundesamt für Energie (BFE) eine Variantenstudie für eine Teilverkabelung in den Räumen Riniken, Umiken und Unterbözberg. Im Mai 2004 erstellte die NOK eine Studie zur Teilverkabelung Riniken. Diese kam zum Ergebnis, dass die Verkabelung einer Strecke von ca. 1 km rund 12 bis 15 Mal teurer wäre als eine Freileitung; zudem weise die ![]() | 2 |
Mit Verfügung vom 31. Oktober 2006 erteilte das BFE die Teil-Plangenehmigung für eine 380/220-kV-Freileitung Beznau-Birr, Teilstrecke Rüfenach (Mast Nr. 20) bis Habsburg (Mast Nr. 37) und wies die dagegen gerichteten Einsprachen ab.
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B. Dagegen gelangten die Gemeinde Riniken und Mitbeteiligte an die Eidgenössische Rekurskommission für Infrastruktur und Umwelt (REKO/INUM). Sie rügten u.a. die Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil die Vorinstanz trotz des rasanten technischen Fortschritts im Bereich der Verkabelung von Hochspannungsleitungen keine neutrale Expertise eingeholt habe. In der Sache verlangten sie die Verkabelung der Hochspannungsleitung im Gebiet Gäbihübel (Mast Nr. 28).
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Per 1. Januar 2007 übernahm das Bundesverwaltungsgericht die bei der REKO/INUM hängigen Verfahren. Am 2. Juli 2008 wies es die Beschwerde ab.
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C. Auf Beschwerde der Gemeinde Riniken und Mitbeteiligten hob das Bundesgericht am 29. Januar 2009 den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts wegen Verletzung des Rechts auf eine öffentliche Verhandlung auf. Die Angelegenheit wurde an das Bundesverwaltungsgericht zur Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und zu neuer Beurteilung zurückgewiesen (1C_386/2008).
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D. Im neuen Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht reichten die Gemeinde Riniken und Mitbeteiligte ein Gutachten von Prof. Heinrich Brakelmann, Professor für Energietransport und Energiespeicherung an der Universität Duisburg-Essen, zur Teilverkabelung Riniken vom Juli 2009 ein (im Folgenden: Gutachten Brakelmann I). Dieses kommt zum Ergebnis, dass die Verkabelungstechnik seit der Studie der NOK von 2004 erhebliche Fortschritte gemacht habe. Bei Berücksichtigung des Stands der Technik sei von bedeutend geringeren Investitionskosten auszugehen. Zudem seien bei einer Gesamtkostenrechnung die geringeren Energieverluste der Kabelleitung einzubeziehen.
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Das Bundesverwaltungsgericht führte am 13. August 2009 eine öffentliche Verhandlung durch.
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Die Beschwerdeführer erwiderten am 15. Februar 2010 und reichten ein Zusatzgutachten von Prof. Brakelmann vom Januar 2010 zu den Akten (im Folgenden: Gutachten Brakelmann II).
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Mit Urteil vom 1. Juli 2010 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden ab.
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E. Dagegen haben die Gemeinde Riniken und Mitbeteiligte am 10. September 2010 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht erhoben. Sie beantragen u.a. die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und der Teil-Plangenehmigung des BFE vom 31. Oktober 2006.
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F. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache an das BFE zurück mit der Vorgabe, dass die Axpo AG ein konkretes Projekt für die Teilverkabelung Riniken auszuarbeiten hat.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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An diesem Ergebnis - so das Bundesverwaltungsgericht - änderten auch die von den Beschwerdeführern eingereichten Gutachten Brakelmann I und II nichts. Das Bundesverwaltungsgericht ![]() | 17 |
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Für das gesamte Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 19 VwVG in Verbindung mit Art. 40 BZP [SR 273]). Danach haben die Bundesbehörden und -gerichte die Beweise frei, ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, sowie umfassend und pflichtgemäss zu würdigen. Für das Beschwerdeverfahren bedeutet dies, dass der Richter alle Beweismittel, unabhängig davon, von wem sie stammen, objektiv zu prüfen hat (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Expertisen, die von einer Partei eingeholt und in das Verfahren als Beweismittel eingebracht ![]() | 19 |
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Im Gutachten wird dargelegt, dass das zeitabhängige Überlastverhalten von Kabeln nicht schlechter, sondern erheblich günstiger sei als das von Freileitungen, und die Ausfallraten der Kabel in der NOK- Studie um einen Faktor von 5 bis 10 zu hoch angesetzt worden seien. Die Angaben der NOK zur Bodenerwärmung durch Kabel seien überzogen. Auch die Zugänglichkeit und die Freihaltung der gesamten Kabelstrecke während des Betriebs seien nicht erforderlich; vielmehr sei eine uneingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung direkt über der Kabeltrasse möglich.
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Das Gutachten geht, aufgrund der geänderten technischen Ansätze, von wesentlich verringerten Kosten der Teilverkabelung aus. Vergleiche man lediglich die Investitionskosten, so sei die Verkabelung rund 8 Mal (und nicht 12 bis 15 Mal) teurer als die Freileitung. Ein sinnvoller Wirtschaftlichkeitsvergleich sei jedoch nur über eine Gesamtkostenbetrachtung möglich. Hierbei sei von Bedeutung, dass die Stromverluste einer Freileitung 3 bis 4 Mal höher seien als bei Kabelanlagen. Dies ergebe schon bei der vorliegenden kurzen Übertragungsstrecke über eine Betriebsdauer von 80 Jahren ![]() | 23 |
Der Gutachter empfahl abschliessend die Nutzung neuartiger Tunneltechnologien, die nicht nur kostenmässig günstiger seien als die direkte Erdverlegung, sondern auch vielfältige betriebliche Vorteile aufwiesen (Zugänglichkeit, mechanischer Schutz der Kabel, Herabsetzung der Fehlerraten). Bei einer Waldquerung erlaube der Tunnel ein Minimum an Schneisenbreite.
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Zur Tunnellösung wird das Angebot eines deutschen Unternehmens vorgelegt, das bereit sei, unter den gegebenen Randbedingungen des Transports und der Trassenbeschaffenheit auf der Basis der Schweizer Gesetze einen begehbaren Infrastrukturkanal zu errichten; dieses Angebot bestätige die Kostenansätze des ersten Gutachtens. Dasselbe Bauunternehmen biete auch die Erstellung eines Kabelgrabens als Rohrblock (direkte Erdverlegung) an. Auch zu den Kabelkosten holte der Gutachter ein Angebot ein. Dieses weise aus, dass die Kabelpreise unter Druck geraten seien, sodass die Kabelkosten trotz stark angestiegener Metallpreise geringer seien als im ersten Gutachten angenommen. Der Gutachter überprüfte ebenfalls die konkreten Transportbedingungen zur Baustelle und kam zum Ergebnis, dass diese optimal seien.
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Die Axpo AG hatte in ihrer Stellungnahme für die Gesamtwirtschaftlichkeitsberechnung die Senkung des internen Zinsfusses auf 3,75 % sowie die Einführung einer Teuerungsrate von 1,7 %/Jahr im Hinblick auf spätere Reinvestitionen verlangt. Prof. Brakelmann kommt dieser Forderung nach, berücksichtigt aber auch bei den Verlustkosten eine jährliche Teuerungsrate von 1,7 % (Szenarien 1 und 2) bzw. 3,5 % (Szenario 3).
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Das Gutachten Brakelmann II kommt zum Ergebnis, dass die Freileitung über ihre Betriebsdauer auf der Teilstrecke Riniken Verluste aufweist, die um 50'000 bis 110'000 MWh höher liegen als bei der Kabellösung. Dies sei nicht nur ökologisch bedenklich, sondern auch sehr teuer. Während die Investitionskostenfaktoren zwischen 5,69 (für die Tunnellösung) und 6,82 (für die direkte Erdverlegung im Rohrblock) liegen, schwankten die Gesamtkostenfaktoren (je nach Szenario) zwischen 0,68 und 1,63 für die Tunnellösung und zwischen 0,66 und 1,83 für die direkte Erdverlegung. Dies bedeute, dass beim pessimistischsten Szenario der Verlustkostenentwicklung die Kabellösungen der Freileitung wirtschaftlich spürbar überlegen seien.
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Das Gutachten Brakelmann II trägt den Vorgaben und Einwänden der Axpo AG und des EStI in weitem Umfang Rechnung, und zwar selbst dort, wo der Gutachter die Vorgabe als unsinnig betrachtet (Stromhöchstwert 1920 A als Dauerlast) oder weitere ![]() | 31 |
Unter diesen Umständen hätte das Bundesverwaltungsgericht nicht an den Einwänden der NOK und des EStI festhalten dürfen, ohne sich mit dem Gutachten Brakelmann II näher auseinanderzusetzen.
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Die Genehmigung von Plänen für Werke und Anlagen zur Beförderung von Energie stellt eine Bundesaufgabe gemäss Art. 2 Bst. b des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) dar. Bei der Erfüllung einer solchen Bundesaufgabe haben die Bundesbehörden dafür zu sorgen, dass das heimatliche Landschafts- und Ortsbild, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kulturdenkmäler geschont werden und, wo das allgemeine Interesse an ihnen überwiegt, ungeschmälert erhalten bleiben. ![]() | 35 |
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Bei seiner Interessenabwägung berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht, dass eine Verkabelung zu einer Schonung der Landschaft in diesem Gebiet beitragen und sich wohl auch positiv auf die Wohnqualität in den angrenzenden Quartieren auswirken würde. Dagegen stelle die Freileitung für den Wald die schonendere Lösung dar. Die Kabelleitung hätte sodann in Bezug auf die Belastung mit elektromagnetischer Strahlung gewisse Vorteile, doch sei die Verordnung vom 23. Dezember 1999 über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV; SR 814.710) auch bei der Freileitungsvariante eingehalten, weshalb aus dieser Sicht eine Verkabelung grundsätzlich nicht verlangt werden könne.
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Den genannten Vorteilen stünden - so das Bundesverwaltungsgericht - verschiedene Nachteile einer Kabelleitung gegenüber. Diese seien einmal technischer/betrieblicher Natur: Die Betriebssicherheit bei Kabelleitungen von 50 kV und höheren Spannungsebenen sei nicht im selben Ausmass gewährleistet wie bei Freileitungen; insbesondere seien Fehler auf Freileitungen einfacher und schneller zu orten als bei erdverlegten Kabeln und Schadensfälle bzw. Reparaturen seien bei Kabeln deutlich aufwändiger und mit erheblich längeren Ausschaltzeiten als bei der Freileitung verbunden (...).
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Gemäss konstanter Rechtsprechung sei eine Verkabelung einer Freileitung von 50 kV und höher aus landschaftsschützerischen Gründen nur dann vorzunehmen, wenn es gemäss den Bestimmungen des NHG gelte, ein besonders schützenswertes Objekt zu erhalten (Entscheid des Bundesrates vom 27. März 1991, in: VPB 1992 Nr. 7 S. 52 E. 3c.bb S. 59; BGE 115 Ib 311 E. 5f S. 324 mit Hinweisen). Eine Verkabelung von Leitungen in Landschaften von mittlerer Schutzwürdigkeit hätte wegen des Prinzips der Gleichbehandlung recht lange Kabelstrecken und damit eine beachtliche Verteuerung der Stromkosten zur Folge (BGE 99 Ib 70 E. 4 S. 82; vgl. auch BGE 100 Ib 404 E. 4b S. 414 f.). Gestützt auf Art. 3 NHG könne eine Verkabelung nur ausnahmsweise, unter speziellen Voraussetzungen, verlangt werden (Urteil des Bundesgerichts 1A.84/2001 vom 12. März 2002 E. 2 mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben.
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Werden Kabelanlagen aufgrund technischer Fortschritte leistungsfähiger, zuverlässiger und kostengünstiger, so mindert dies das Gewicht der gegen eine (Teil)Verkabelung sprechenden Gründe. Dies ![]() | 42 |
Insofern waren die in den Gutachten Brakelmann I und II aufgezeigten neuen technischen Möglichkeiten der Verkabelung und die Kostenvergleiche mit der Freileitung für die Interessenabwägung relevant, auch - und gerade - wenn es um den Schutz einer Landschaft von "nur" mittlerer Bedeutung ging.
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Hinzu kommt, dass der Stromverlustanteil auch aus ökologischer Sicht ein wichtiges Kriterium ist, das bei einer umfassenden Interessenabwägung nicht ausser Acht gelassen werden darf. Art. 89 Abs. 1 BV und Art. 3 des Energiegesetzes vom 26. Juni 1998 (EnG; SR 730) gebieten eine sparsame und rationelle Energieverwendung; dazu zählt ein effizienter Energietransport mit möglichst kleinem Verlustanteil.
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4.5 Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass die Aussagen des Gutachtens Brakelmann II für die Interessenabwägung wesentlich gewesen wären. Dies gilt insbesondere für den Gesamtkostenvergleich unter Berücksichtigung der Stromverlustkosten, aber auch für die betrieblichen und technischen Aspekte der Verkabelung ![]() | 47 |
Die Nichtberücksichtigung des Gutachtens Brakelmann II durch das Bundesverwaltungsgericht ist daher als Verletzung des rechtlichen Gehörs zu werten.
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Im vorliegenden Fall liegen jedoch bereits umfangreiche Studien und Stellungnahmen zur Frage der Teilverkabelung Riniken vor. Die Gemeinde Riniken wurde von Prof. Brakelmann beraten, der ein anerkannter Fachmann in Fragen des Energietransports ist. Die Axpo AG verfügt ihrerseits als grösste Stromproduzentin der Schweiz mit einem bedeutenden Übertragungs- und Verteilnetz über eigene ausgewiesene Fachleute in Fragen der Energieübertragung. Die Axpo AG hat sich ausführlich mit den Aussagen des Gutachtens Brakelmann I auseinandergesetzt; ihren Einwänden wurde im Gutachten Brakelmann II Rechnung getragen bzw. darauf erwidert. Vor Bundesgericht kam es zu einem weiteren Austausch von Stellungnahmen (Vernehmlassung der Axpo AG und Stellungnahme Brakelmann III); schliesslich wurde beiden Seiten Gelegenheit zu Schlussbemerkungen gegeben. In diesem "Dialog" von Experten auf beiden Seiten wurden alle für das vorliegende Verfahren bedeutenden Fragen vertieft behandelt. Unter diesen Umständen würde die Einholung eines gerichtlichen Gutachtens keine wesentlichen zusätzlichen Erkenntnisse bringen. Auf die Beauftragung eines neutralen Gutachters kann daher verzichtet werden. Dies gilt jedenfalls, wenn - nach Würdigung der Stellungnahmen der Parteien - keine für die Interessenabwägung erheblichen Fragen offenbleiben. Dies ist im Folgenden zu prüfen.
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6.1 Aufgrund des Schriftenwechsels vor Bundesgericht besteht inzwischen Einigkeit darüber, dass die von der Axpo AG geforderte Übertragungsleistung (1920 A als Dauerlast) mit nur zwei ![]() | 52 |
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Zwar sind die Ausfallzeiten für die Reparatur von Kabelanlagen regelmässig länger als bei Freileitungen. Sie können jedoch auf ein Minimum beschränkt werden, wenn - wie im Gutachten Brakelmann II vorgeschlagen - ein komplettes Reservekabel mitverlegt wird. Diese Variante gewährleistet eine hohe Versorgungssicherheit.
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Im Gutachten Brakelmann II wird dargelegt, das im Rohrblock verlegte Kabel führe zu einer Erhöhung der Bodentemperatur von weniger als 1 °C, die zudem auf die Trassenbreite beschränkt sei, weshalb weder eine Bodenaustrocknung noch eine Beeinflussung des ![]() | 57 |
Die Axpo AG hält zwar an ihren Berechnungen mit weit höheren Temperaturen fest. Diese beruhen aber, wie sie selbst einräumt, auf dem Worst Case Szenario, d.h. auf einem Dauerbetrieb mit einer Höchstlast von 1920 A. Diese Höchstlast wird jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen (beim gleichzeitigen Ausfall mehrerer Stromkreise) und für kurze Dauer erreicht, die in aller Regel nicht genügt, um die Temperatur des Rohrblocks und des darüber befindlichen Bodens wesentlich zu erhöhen.
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Die Kostenschätzungen im Gutachten Brakelmann II stützen sich auf konkrete Angebote von Kabelherstellern und Bauunternehmen und erscheinen daher plausibel.
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(Zusammenfassung: Einwände der Axpo AG gegen das Angebot betreffend die Erstellung des Infrastrukturtunnels.)
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Letztlich kann die Frage offenbleiben, wenn für den Gesamtkostenvergleich auf die Variante der direkten Erdverlegung (im Rohrblock) abgestellt wird. Gegen das diesbezügliche Angebot des deutschen Bauunternehmens hat die Axpo AG keine (substanziierten) Einwände erhoben.
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Auch diese Fragen können jedoch offenbleiben. Für den Gesamtkostenvergleich spielen sie keine Rolle, da im Gutachten Brakelmann II die Kostenschätzung der NOK für die Übergangsbauwerke zugrunde gelegt wurde. Aufgrund der Ausführungen des Gutachters ist davon auszugehen, dass selbst bei unveränderter Grösse der Übergangsbauwerke Möglichkeiten bestehen, deren Landschaftsverträglichkeit zu verbessern.
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Die Axpo AG ging davon aus, dass die Stromverluste der Kabelanlage höher lägen, wenn Kabel mit einem Durchschnitt von 2'500 mm2 (anstatt von 3'200 mm2 Kabel) verwendet würden; zudem könne der Stromwärmeverlust der Freileitung durch die Verwendung von Viererbündeln verbessert werden. Überdies wurde kritisiert, dass die Gesamtkostenrechnung in Brakelmann I ohne Berücksichtigung der Teuerungsrate durchgeführt worden sei.
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Im Gutachten Brakelmann II wurden daher die Stromverluste neu für Kabel mit einem Durchschnitt von 2'500 mm2 berechnet. Die Stromkosten orientieren sich - den Empfehlungen der Professoren Fröhlich und Glavitsch folgend - am SWEP (Swiss Energy Price Index). Bei den Reinvestitionskosten (insb. Erneuerung der Kabel nach 40 Jahren), aber auch bei den Stromverlustkosten, wurden (wie von der Axpo AG vorgeschlagen) eine Teuerungsrate von 1,7 % und ein Zinssatz von 3,75 % berücksichtigt. Nur in Szenario 3 ("hohe Verlustkosten") wurde von einem höheren (aber immer noch mässigen) Anstieg der Stromkosten von 3,5 % ausgegangen.
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Dagegen wurden die Stromverluste der Freileitung weiterhin für Zweierbündel berechnet. Dies erscheint gerechtfertigt, da der grösste Teil der Freileitungsstrecke Beznau-Birr-Oberfelden bereits mit Zweierbündel-Konstruktion errichtet worden ist und Viererbündel nach Aussage der Axpo AG nicht dem bisherigen Schweizer Standard entsprechen. Eine Umrüstung der bestehenden Freileitung auf Viererbündel würde viele Millionen Franken kosten und ist von der Axpo AG nicht geplant. Vor Bundesgericht hat die Axpo AG denn auch die in Brakelmann II berechneten Stromverluste und die sich daraus ergebenden Kosten nicht mehr substanziiert bestritten.
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Insofern kann grundsätzlich auf die Stromverlustkosten gemäss Gutachten Brakelmann II abgestellt werden. Das Gutachten berechnet drei Szenarien (mittlere, minimale und hohe Verluste), die sich nach Auslastung des Systems, Ausgangskosten der kWh und Teuerungsrate unterscheiden. Danach weist die Freileitung auf der zur Diskussion stehenden Teilstrecke Riniken über eine Betriebsdauer von 80 Jahren Verluste auf, die (je nach Szenario) 50'000 bis 110'000 MWh höher sind als diejenigen einer Kabelanlage. Dies führt zu Mehrkosten zwischen 2,3 Mio. und 13,8 Mio. Fr.
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Zwar betragen die Investitionskosten der Teilverkabelung Riniken ein Mehrfaches der Investitionskosten für den Freileitungsabschnitt. Bei der Gesamtkostenrechnungen müssen aber auch die erheblich grösseren Energieverlustkosten der Freileitung mitberücksichtigt werden. Dies führt für eine Betriebsdauer von 80 Jahren zu einer Annäherung der Gesamtkosten von Kabel und Freileitung. Sollten die Energiekosten in den nächsten Jahren stärker ansteigen als die allgemeine Teuerungsrate, kann die Verkabelung sogar wirtschaftlich günstiger sein als die Freileitung.
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Für die Verkabelung spricht das gewichtige energiepolitische Interesse an der Vermeidung unnötiger Stromverluste.
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Mit dem Bundesverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass die Verkabelung aus Sicht des Landschaftsschutzes die beste Lösung darstellt, und zwar selbst dann, wenn Übergangsbauwerke für den Anschluss der Kabelsysteme an die Freileitung erforderlich sind. Könnte - wie vom Gutachter vorgeschlagen - ganz auf ![]() | 76 |
Die Gefahr einer Austrocknung der Vegetation durch Bodenerwärmung erscheint vernachlässigbar (vgl. oben E. 6.4). Wie bereits aufgezeigt wurde (oben E. 4.4), sprechen im vorliegenden Fall auch keine Gründe des Gewässerschutzes gegen die Verkabelung.
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Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgericht erscheint die Freileitung auch nicht als günstigere Lösung für den Wald: Die geplante Freileitung würde den Wald "Loohölzli" queren, der nicht nur durch die Mastfundamente, sondern insbesondere durch Niederhaltungsservitute beeinträchtigt würde. Dagegen verläuft die Kabeltrasse im Wesentlichen durch Wiesengelände und am Waldrand.
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Die Sache ist daher mit dieser Vorgabe an die erste Instanz zurückzuweisen. (...)
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Die Axpo AG wird ein konkretes Projekt für die Teilverkabelung Riniken ausarbeiten müssen. Hierbei steht ihr ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Allerdings liegt es in ihrem und im Interesse der Allgemeinheit, Erfahrungen mit den neuen, vom Gutachter vorgeschlagenen technischen Möglichkeiten zur Optimierung der Kabelanlage zu sammeln.
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Zu betonen ist, dass der vorliegende Fall eine kurze Teilstrecke (950 m) in einem gut zugänglichen Gebiet ohne besondere topografische oder geologische Schwierigkeiten betrifft. Die vorstehenden Erwägungen und Kostenvergleiche können somit nicht ohne Weiteres auf andere Strecken übertragen werden; vielmehr ist immer einer Prüfung der Verhältnisse des Einzelfalls erforderlich.
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