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29. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Departement des Innern des Kantons Solothurn (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_784/2010 vom 26. Mai 2011 | |
Regeste |
Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AuG; Begriff und Tragweite des nachehelichen ausländerrechtlichen Härtefalls; Bewilligungsanspruch eines vor der Heirat mit einer Schweizerin in Südafrika anerkannten kongolesischen Flüchtlings. | |
Sachverhalt | |
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Am 4. Januar 2010 verlängerte das Departement des Innern des Kantons Solothurn die Aufenthaltsbewilligung von X. nicht mehr, nachdem sich die Eheleute spätestens Mitte 2009 getrennt hatten. Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn bestätigte diesen Entscheid auf Beschwerde hin am 2. September 2010: X. habe nicht während dreier Jahre in der Schweiz mit seiner Gattin zusammengewohnt, weshalb kein Fall von Art. 50 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20) vorliege; die asyl- und wegweisungsrechtlichen Fragen bildeten nicht Gegenstand des Verfahrens.
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Das Bundesgericht heisst die von X. hiergegen gerichtete Beschwerde gut, hebt das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn auf und weist die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts an dieses zurück.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
Erwägung 3.1 | |
3.1.1 Ausländische Ehegatten von Schweizer Bürgern haben unter Vorbehalt von Art. 51 Abs. 1 AuG Anspruch auf Erteilung und Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit ihrem Partner ![]() | 5 |
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3.1.3 Der Beschwerdeführer hat sich am 20. Mai 2006 in Südafrika verheiratet, kam aber erst am 21. Mai 2007 in die Schweiz und lebte im besten Fall bis Ende Mai 2009 mit seiner Gattin zusammen. Der gemeinsame Haushalt bestand in der Schweiz damit während nur rund 24 Monaten. Die entsprechende Ehegemeinschaft blieb damit unter den gesetzlich geforderten drei Jahren. Diese zeitliche Grenze gilt im Übrigen absolut: Selbst wenn sie nur um wenige Wochen oder Tage verpasst wird, besteht praxisgemäss kein Anspruch auf Verlängerung der Bewilligung mehr (Urteile 2C_195/2010 vom 23. Juni 2010 E. 5.1; 2C_635/2009 vom 26. März 2010 E. 5.2; 2C_711/2009 vom 30. April 2010 E. 2.3.1). Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG lässt den Aufenthaltsanspruch im Anschluss an die Auflösung der ehelichen Gemeinschaft nach frühestens drei Jahren und gleichzeitig erfolgreicher Integration verselbständigt weiter gelten. Soweit der Beschwerdeführer einwendet, nach dem klaren Wortlaut von Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG müsse auch die Dauer der Ehegemeinschaft im Ausland mitberücksichtigt werden, verkennt er, dass das Bundesgericht in Auseinandersetzung mit den von ihm ![]() | 7 |
Erwägung 3.2 | |
3.2.1 Neben Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG (Ehedauer und erfolgreiche Integration) hat der Gesetzgeber als nachehelichen ausländerrechtlichen Härtefall einen Rechtsanspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für den Fall vorgesehen (Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG), dass "wichtige persönliche Gründe" einen "weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen". Dabei geht es darum, Härtefälle bei der Bewilligungsverlängerung nach der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft zu vermeiden (vgl. BGE 136 II 1 E. 5.3 S. 4). Der nacheheliche Härtefall knüpft an den abgeleiteten Anwesenheitsanspruch nach Art. 42 Abs. 1 bzw. Art. 43 Abs. 1 AuG an; bei der Beurteilung der "wichtigen persönlichen Gründe" sind in der Folge aber sämtliche Umstände des Einzelfalles mitzuberücksichtigen. Im Gegensatz zur Ermessensbewilligung nach Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG, wonach die kantonale Bewilligungsbehörde unter Zustimmung des Bundesamts von den Zulassungsvoraussetzungen (Art. 18-29 AuG) abweichen kann, um "schwerwiegenden persönlichen Härtefällen oder wichtigen öffentlichen Interessen Rechnung zu tragen" (allgemeiner ausländerrechtlicher Härtefall), ist hier nicht von Bedeutung, wie stark der einzelne Kanton das öffentliche Interesse an einer restriktiven Einwanderungspolitik gewichtet, sondern allein, wie sich die Pflicht des Ausländers, die Schweiz verlassen zu müssen, nach der gescheiterten Ehe auf seine persönliche Situation auswirkt. Während Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG in Weiterführung von Art. 13 lit. f BVO (AS 1986 1795 f.) als Ermessensbewilligung für sämtliche ausländerrechtliche Härtefälle gilt, hat der Gesetzgeber in Art. 50 AuG den nachehelichen Härtefall als Anspruchsbewilligung geregelt, wobei sich die jeweils zu berücksichtigenden Interessen oder wichtigen Gründe mit den anderen Härtefallregeln überschneiden können (Dauer der Anwesenheit, Integration, Zumutbarkeit der Rückkehr usw.). Der Härtefall nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG ist für Situationen gedacht, in denen die Voraussetzungen der Litera a nicht erfüllt sind, sei es, dass der Aufenthalt während der Ehe von kürzerer Dauer war oder dass die Integration nicht fortgeschritten ist oder es an beidem fehlt (vgl. BGE 137 II 1 ff.), aber - aufgrund sämtlicher weiterer Umstände - eine Härtefallsituation vorliegt, ![]() | 8 |
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3.2.3 Ein wichtiger persönlicher Grund kann sich aber auch aus anderen Umständen oder Aspekten im In- oder Heimatland der betroffenen Person ergeben. Die in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) erwähnten Gesichtspunkte können bei der entsprechenden Wertung eine Rolle spielen, auch wenn sie einzeln betrachtet grundsätzlich noch keinen Härtefall begründen, so etwa der Grad der Integration, die Respektierung der Rechtsordnung, die Familienverhältnisse, die finanziellen Umstände, die Dauer der Anwesenheit oder der Gesundheitszustand des Betroffenen und ![]() | 10 |
Erwägung 3.3 | |
3.3.1 Der Beschwerdeführer ist in der Schweiz beruflich wie gesellschaftlich beschränkt integriert. Nach der Trennung von seiner Frau musste er sein Studium am Technikum in Biel abbrechen und eine Stelle als Küchenhilfe antreten; die entsprechende Anstellung verlor er auf Ende Juli 2010 aus wirtschaftlichen Gründen. Sein Arbeitgeber attestiert, ihn als selbständigen, engagierten und belastbaren Mitarbeiter kennen und schätzen gelernt zu haben; er sei "initiativ und flexibel", wobei er die ihm übertragenen Arbeiten jederzeit "zuverlässig, sauber und zu seiner vollsten Zufriedenheit" erledigt habe; im persönlichen Umgang sei der Beschwerdeführer "stets hilfsbereit, ![]() | 11 |
3.3.2 Ob diese Gründe für die Bewilligungsverlängerung für sich allein bereits ausreichen würden, braucht nicht entschieden zu werden, da der Sachverhalt bezüglich eines entscheidwesentlichen zusätzlichen Elements nicht erstellt ist: Nach Art. 50 Abs. 2 AuG liegen wichtige persönliche Gründe im Sinne von Absatz 1 lit. b AuG auch vor, wenn "die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint": Der Beschwerdeführer ist am 28. Februar 2006 in Südafrika im Sinne des Refugee Acts vom 20. November 1998 als Flüchtling anerkannt worden (vgl. den Text in: "Republic of South Africa", Government Gazette, Vol. 402, Nr. 19544, Nr. 130 von 1998). Durch die Heirat und die damit verbundene definitive Ausreise in die Schweiz hat er diesen Status gemäss dem von ihm eingereichten Asylentscheid verloren ("....on condition that this formal recognition shall become null if he/she departs permanently from the Republic"). Seine Rückkehrmöglichkeit nach Südafrika ist damit infrage gestellt. Soweit die Vorinstanzen eine allfällige Ausreise in die Demokratische Republik Kongo vorsehen, kann dies mit Blick auf Art. 33 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK; SR 0.142.30; "Non-Refoulement") bzw. wegen des Vorliegens von Wegweisungsvollzugshindernissen, welche bei einer Verweigerung der Bewilligung und der damit verbundenen Wegweisung durch die kantonalen Behörden ![]() | 12 |
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