BGE 138 II 386 | |||
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28. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. P. gegen Kanton Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_45/2012 vom 11. Juli 2012 | |
Regeste |
Art. 125 BGG; Verhältnis kantonaler ausserordentlicher Rechtsmittel zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. |
Eine Verfahrenspartei, die vor Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens einen Grund entdeckt, der ihres Erachtens die Revision des kantonalen Entscheides begründet, hat ein Revisionsgesuch bei der kantonalen Instanz zu stellen; um zu vermeiden, dass das Bundesgericht während des vorinstanzlichen Revisionsverfahrens materiell über die Beschwerde urteilt, hat die Partei um Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens während der Dauer des vorinstanzlichen Revisionsverfahrens zu ersuchen (E. 7). | |
Sachverhalt | |
A. P. arbeitete seit 2001 bei der Verwaltung des Kantons Bern. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter II war er in der Gehaltsklasse 22 eingereiht. Am 30. November 2009 beantragte P. die Neueinreihung seiner Stelle in die Gehaltsklasse 23. Das Personalamt des Kantons Bern wies dieses Gesuch mit Verfügung vom 14. April 2010 ab. Auf Beschwerde hin stellte die Finanzdirektion des Kantons Bern mit Entscheid vom 18. November 2010 eine Verletzung des rechtlichen Gehörs fest, wies die Beschwerde indessen materiell ab.
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B. Die von P. hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 25. November 2011 ab, soweit es auf sie eintrat. Gegen diesen Entscheid hat P. Beschwerde ans Bundesgericht erhoben (Verfahren 8C_5/2012).
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C. Mit Eingabe vom 23. Dezember 2011 an das kantonale Gericht verlangte P. die Revision des vorinstanzlichen Entscheides. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern trat mit Entscheid vom 28. Dezember 2011 auf dieses Gesuch nicht ein.
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D. Mit Beschwerde beantragt P., das Verwaltungsgericht des Kantons Bern sei zu verpflichten, materiell über sein Revisionsgesuch vom 23. Dezember 2011 zu urteilen.
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Während die Finanzdirektion des Kantons Bern auf eine Vernehmlassung verzichtet, beantragt die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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Erwägung 5 | |
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5.2 Im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren dürfen neue Tatsachen und Beweismittel (Noven) nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt. Neue Begehren sind unzulässig (Art. 99 Abs. 1 und 2 BGG). Während der Geltung des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; BS 3 531) war im Bereich der Verwaltungsrechtspflege die Einreichung von Noven während der bundesgerichtlichen Beschwerdefrist und bis zum Abschluss des Schriftenwechsels in denjenigen Verfahren zulässig, in denen das Bundesgericht nicht an den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt gebunden war. Keine Bindung bestand, wenn nicht eine richterliche Behörde vorinstanzlich entschieden hatte (Art. 105 OG; BGE 109 Ib 246 E. 3 S. 249 f.), und in Streitigkeiten um Bundessozialversicherungsleistungen (Art. 132 lit. b OG). Zur Vermeidung eines Revisionsverfahrens liess das frühere Eidgenössische Versicherungsgericht das Vorbringen von Aktenstücken sogar nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. des Schriftenwechsels zu, wenn diese neue erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel darstellten, die eine Revision des beschwerdeweise angefochtenen vorinstanzlichen Entscheids rechtfertigen konnten (BGE 127 V 353 E. 4b S. 357). Infolge des seit dem Inkrafttreten des BGG auf 1. Januar 2007 für alle Streitigkeiten - auch solche um Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, wo das Bundesgericht an den vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt nicht gebunden ist (Art. 97 Abs. 2 BGG; BGE 135 V 194) - geltenden Novenverbots können neue Tatsachen und Beweismittel nur eingereicht und berücksichtigt werden, wenn erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt. Diese Voraussetzung ist erfahrungsgemäss sehr selten erfüllt. In allen andern Fällen können Revisionsgründe ausschliesslich im Rahmen eines Revisionsverfahren geprüft werden.
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Erwägung 6 | |
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6.2 Nur wenn das Bundesgericht auf die Beschwerde nicht eingetreten ist oder wenn die Gesichtspunkte, für welche die geltend gemachten Revisionsgründe von Bedeutung sein können, vor Bundesgericht gar nicht mehr strittig waren, kann nach Erlass des Bundesgerichtsurteils bei der Vorinstanz die Revision ihres Entscheids verlangt werden. Ist das Bundesgericht hingegen auf die Beschwerde eingetreten, hat sein Urteil - auch im Falle der Beschwerdeabweisung - reformatorische Wirkung und tritt an die Stelle des angefochtenen vorinstanzlichen Entscheids (Urteil 8C_602/2011 vom 30. September 2011 E. 1.3 mit Hinweisen; ELISABETH ESCHER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 3 zu Art. 125 BGG). Mit dem Erlass des bundesgerichtlichen Urteils fehlt es an einem Gegenstand für ein Revisionsgesuch bei der Vorinstanz. Damit verbleibt nur die Möglichkeit, beim Bundesgericht die Revision seines Beschwerdeentscheides zu beantragen, oder aber die Vorinstanz um Revision ihres Entscheides zu ersuchen, so lange das Bundesgericht nicht entschieden hat. Welches Verfahren einzuschlagen ist, ergibt sich aus dem die Revision eines Bundesgerichtsurteils beschränkenden Art. 125 BGG.
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Erwägung 6.3 | |
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6.3.3 Dürfte ein kantonales Gericht gestützt auf das kantonale Prozessrecht auf ein Revisionsgesuch nicht eintreten mit dem Argument, gegen den zu revidierenden Entscheid sei beim Bundesgericht eine Beschwerde hängig, der Entscheid sei in diesem Sinne nicht rechtskräftig geworden, käme Art. 125 BGG kaum je zum Zuge, zumal die meisten Prozessgesetze die Bestimmung kennen, dass sich die Revision nur gegen rechtskräftige Entscheide richten kann.
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6.4 Damit ist festzuhalten, dass eine Vorinstanz des Bundesgerichts auf ein Revisionsgesuch nicht einzig mit der Begründung nicht eintreten darf, gegen den zu revidierenden Entscheid sei Beschwerde beim Bundesgericht erhoben worden. Soweit in den Urteilen 8C_729/2008 und 9C_441/2011 Abweichendes gesagt wurde, kann daran nicht festgehalten werden. Vielmehr hat die Vorinstanz während der Hängigkeit des bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens das bei ihr eingereichte Revisionsgesuch auf der Grundlage des für sie massgeblichen Prozessrechts allseitig zu prüfen und ihren Entscheid allenfalls zu revidieren. Um hinsichtlich der Frage, ob ein Revisionsgrund auch ein vor Bundesgericht zulässiges Novum sein könnte, Widersprüche mit einer abweichenden Qualifikation im späteren Bundesgerichtsentscheid zu vermeiden, hat die Vorinstanz von einer eigenständigen Prüfung dieser Frage und einem so begründeten Nichteintreten auf das Revisionsgesuch unter Hinweis auf den Grundsatz der Subsidiarität der Revision (E. 5) abzusehen.
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Nur der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass nicht alle Tatsachen und Beweismittel, die während der Geltung des OG zulässigerweise im bundesgerichtlichen Verfahren noch vorgebracht werden konnten (E. 5.2), nunmehr als Revisionsgründe bei der Vorinstanz angeführt werden können. Diese ergeben sich vielmehr aus dem für die Vorinstanz geltenden Prozessrecht. Die Möglichkeit der Revision des vorinstanzlichen Urteils tritt nicht quasi an die Stelle des unter dem BGG nicht mehr zulässigen Vorbringens von Noven.
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7. Mit Blick auf Art. 125 BGG hat eine Verfahrenspartei, die vor Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens einen Grund entdeckt, der ihres Erachtens die Revision des kantonalen Entscheides begründet, ein Revisionsgesuch bei der kantonalen Instanz zu stellen. Um zu vermeiden, dass das Bundesgericht während des vorinstanzlichen Revisionsverfahrens materiell über die Beschwerde gegen den angefochtenen, aber in Revision befindlichen vorinstanzlichen Entscheid urteilt, hat die Partei des Weiteren um Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens während der Dauer des vorinstanzlichen Revisionsverfahrens zu ersuchen (ESCHER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, a.a.O.; NICOLE HERZOG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 11 zu Art. 328 ZPO). Je nach Ausgang des vorinstanzlichen Revisionsverfahrens erübrigt sich in der Folge ein bundesgerichtlicher Sachentscheid.
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