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3. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Versicherung X. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_460/2013 vom 20. November 2013 | |
Regeste |
Art. 21 lit. a StG; Art. 36 Abs. 2 VAG; Art. 137 AVO; Gegenstand der Stempelabgabe; Verwendung von Überschussanteilen aus einer "Rentenversicherung mit Rückgewähr". |
Sowohl nach einer wirtschaftlichen (E. 3.4.2) wie auch einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise (E. 3.4.3) stellt die Verwendung von Überschussanteilen aus einer "Rentenversicherung mit Rückgewähr" keine Prämienzahlung im Sinne von Art. 21 lit. a StG dar und unterliegt damit nicht der Stempelabgabe. Der Versicherungsnehmer hat hier keinen vertraglichen Anspruch auf Auszahlung der Überschussbeteiligung und er erhält mit der überschussfinanzierten Rentenerhöhung auch keine erhöhte Versicherungsdeckung (E. 3.4.3.2). Bestätigung der Praxis, wonach Leistungen aus Gewinnbeteiligung steuerlich stets das Schicksal der zu Grunde liegenden Versicherungsleistung teilen (E. 3.4.3.4). | |
Sachverhalt | |
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Im November 2010 kontrollierte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) die Deklarationen der Stempelabgaben der Jahre 2006 bis 2009 und stellte bei den Einmaleinlagen im Bereich der aufgeschobenen Leibrenten mit Rückgewähr Differenzen fest. Die ESTV führte aus, der Einbau der angesammelten Überschüsse in eine zusätzliche lebenslängliche Rente sei nicht in die Abgabeberechnung einbezogen worden; die Verwendung des Überschusses stelle für die zusätzliche Rente eine "Einmalprämie" dar, die der Stempelabgabe unterliege. Die Versicherung X. bestritt die Ausführungen der ESTV und machte geltend, bei den Überschusszuweisungen an den Versicherungsnehmer handle es sich um Rückvergütungen aufgrund der vorsichtig berechneten Prämie; diese Vergütungen stellten keine stempelabgaberechtlichen Versicherungsprämien dar.
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B. Mit Verfügung vom 4. Juli 2011 entschied die ESTV, die Versicherung X. schulde der ESTV für die Jahre 2006 bis 2009 Stempelabgaben in der Höhe von Fr. 35'342.63, zuzüglich des gesetzlich geschuldeten Verzugszinses. Die gegen diesen Entscheid erhobene Einsprache wies die ESTV mit Entscheid vom 12. Juli 2012 ab. Die ESTV stellte fest, die Versicherung X. habe der ESTV die Stempelabgabe 2006 von Fr. 12'378.07 mit einem Verzugszins von 5 % seit dem 30. Juni 2006 bis zur Abgabeentrichtung, die Stempelabgabe 2007 von Fr. 4'302.90 mit einem Verzugszins von 5 % seit dem 30. Juni 2007 bis zur Abgabeentrichtung, die Stempelabgabe 2008 von Fr. 7'775.12 mit einem Verzugszins von 5 % seit dem 30. Juni 2008 ![]() | 3 |
(...)
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Das Bundesgericht heisst die von der Versicherung X. erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gut und hebt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. April 2013 auf.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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In einem Versicherungsvertrag verpflichtet sich der Versicherungsnehmer, als Hauptleistung gegenüber dem Versicherer die vereinbarte Prämie zu bezahlen, d.h. den Preis, den der Versicherungsnehmer dafür entrichtet, dass der Versicherer im Schadenfall die vereinbarte Leistung erbringt (JAUSSI/GEHRIGER, in: Bundesgesetz über die Stempelabgaben [StG], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 2006, N. 17 zu Art. 21 StG). Die Abgabe beträgt für die Lebensversicherung 2,5 Prozent der Barprämie (Art. 24 Abs. 1 StG). Für die Festsetzung der Abgaben ist sodann der wirkliche Inhalt der Urkunden oder Rechtsvorgänge massgebend; von den Beteiligten gebrauchte unrichtige Bezeichnungen und Ausdrucksweisen fallen nicht in Betracht (Art. 27 Abs. 1 StG).
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2.2 Kapital bildende Lebensversicherungsverträge haben typischerweise eine lange Vertragsdauer, wobei sowohl die Versicherungsleistungen als auch die Höhe der Prämien bereits bei Vertragsschluss festgelegt werden. Mit der Berechnung der Prämienhöhe legt das Versicherungsunternehmen zum Voraus einen garantierten Höchstpreis für das Versicherungsprodukt fest. Die Modellbetrachtungen ![]() | 9 |
Ein gesetzlicher Anspruch auf eine Überschussbeteiligung besteht nicht. Ein Überschussanspruch hängt somit von einer entsprechenden Zusage einer Versicherungsgesellschaft ab (PFLEIDERER, a.a.O., S. 55 und 59) bzw. davon, ob überhaupt Überschüsse erwirtschaftet werden (Urteil 2A.255/2002 vom 22. April 2003 E. 3.3).
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2.3 Gemäss Art. 36 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 2004 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG; SR 961.01) haben Versicherungsunternehmen, welche die direkte Einzel- oder Kollektivlebensversicherung betreiben und Lebensversicherungsverträge mit Überschussbeteiligung erfüllen müssen, den Versicherten jährlich ![]() | 11 |
Erwägung 3 | |
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3.2 Das dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zu Grunde liegende Versicherungsprodukt "Rentenversicherung mit Rückgewähr" ist - soweit entscheidrelevant - im Wesentlichen wie folgt ausgestaltet: Gemäss den "Allgemeinen Bedingungen für aufgeschobene Leibrente" (Ausgabe 1997; im Folgenden: AVB 97) gibt die Versicherung Anspruch auf Rentenzahlungen ab dem in der Police vereinbarten Zeitpunkt (vgl. Ziff. 3 AVB 97). Die Rentenversicherung ist an den Überschüssen der Beschwerdeführerin, soweit sie aus der Vermögensanlage herrühren, nach einem mit dem Bundesamt für Privatversicherungswesen (heute: Eidgenössische Finanzmarktaufsicht) vereinbarten Plan beteiligt (Ziff. 6.1 AVB 97). Während der Zeit bis zum Beginn der Rentenzahlung werden die Überschüsse einem Sparkonto zugewiesen; das Guthaben wird verzinst und im Zeitpunkt des Rentenbeginns zur Erhöhung der Leibrente verwendet ![]() | 13 |
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3.3.2 Die Beschwerdeführerin hält dagegen, es liege keine Prämienzahlung im Sinne von Art. 21 lit. a StG vor, da als Prämie nur Leistungen des Versicherungsnehmers zu qualifizieren seien. Die auf den Prämien erzielten Überschüsse stellten keine weiteren Leistungen des Versicherungsnehmers dar; die Leistungserhöhung beruhe ausschliesslich auf dem "partiarischen Charakter" des Überschusses. Vertragsrechtlich habe der Versicherungsnehmer nie einen Anspruch auf die Auszahlung des Überschusses; dieser werde vielmehr "automatisch" in die Renten eingebaut. Damit könne der Überschuss auch nicht mit einer (konstruierten) Prämienschuld verrechnet werden. Der Überschuss bilde vielmehr von Beginn des Versicherungsvertrages an Bestandteil des Vertrages und damit eine Einheit; durch diese Einheit ergebe sich, dass kein Anspruch auf Auszahlung des ![]() | 16 |
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3.4.3.1 Die Vorinstanz hat dazu ausgeführt, die Überschussbeteiligung sei gemäss AVO mit ihrer Zuteilung geschuldet und der Versicherungsnehmer habe damit eine Forderung gegenüber dem Versicherer. Der Versicherungsnehmer verwende diese Forderung, um eine zusätzliche Versicherungsdeckung einzukaufen. Er schulde dafür eine Prämie, die er durch Verrechnung mit der ihm zustehenden Überschussbeteiligung tilge (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.3.3).
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3.4.3.2 Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass gemäss Art. 137 Abs. 2 Satz 2 AVO die Überschussanteile den Anspruchsberechtigten entsprechend den vertraglichen Regelungen auszuschütten sind. Die vertragliche Regelung (vgl. Ziff. 6 AVB 97) begründet hier aber eben gerade keinen Anspruch auf Auszahlung der Überschussanteile (ausser im Zusammenhang mit einem hier nicht zur Diskussion stehenden Rückkauf nach Ablauf von zehn Jahren); vielmehr führt ein positiver Geschäftsverlauf zu einer "automatischen" Rentenerhöhung. Der Versicherungsnehmer hat damit keinen vertraglichen Anspruch auf Auszahlung der Überschussbeteiligung. Es wird auch kein neuer Versicherungsvertrag abgeschlossen, für den wieder eine Prämie zu entrichten wäre. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.3.2) erhält der Versicherungsnehmer mit der überschussfinanzierten Rentenerhöhung keine zusätzliche Versicherungsdeckung. Vielmehr erhält er für die ursprünglich vertraglich vereinbarte und bereits bezahlte Prämie eine erhöhte Versicherungsleistung (vgl. Art. 94 VVG), nämlich diejenige Rente, die gemäss ursprünglicher Vereinbarung geschuldet ist, sofern der Geschäftsverlauf besser ist als derjenige, welcher der pessimistischen Minimalkalkulation zu Grunde liegt.
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Damit scheitert auch die von der Vorinstanz bejahte Verrechnungsmöglichkeit (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.3.3 und 2.3.3) daran, dass im Zeitpunkt, in dem die Überschussrente berechnet wird, keine fällige Forderung (vgl. Art. 120 Abs. 1 OR) auf Auszahlung der Überschussbeteiligung besteht.
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3.4.3.3 Der Vorinstanz kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie ausführt, die Überschussbeteiligung sei keine Versicherungsleistung (vgl. angefochtener Entscheid E. 4.3.2). Die vertragliche Regelung sieht hier vor, dass bei positivem Geschäftsverlauf (und entsprechendem Überschuss) eine höhere Rente als die Minimalrente ![]() | 24 |
3.4.3.4 Sodann entspricht es der bundesgerichtlichen Praxis, dass Leistungen aus Gewinnbeteiligung (wie etwa der Überschussbeteiligung) steuerlich stets das Schicksal der zu Grunde liegenden Versicherungsleistung teilen (BGE 130 I 205 E. 7.6.6 S. 220; vgl. auch schon Urteil vom 17. Juli 1941 E. 3, in: ASA 10 S. 211). Auch die Lehre geht - wie die Vorinstanz in E. 4.2.2.1 des angefochtenen Entscheids richtig festgehalten hat - davon aus, dass die Kapitallebensversicherung mit Beteiligung am Überschuss wirtschaftlich und rechtlich ein einheitliches und umfassendes Vertragsverhältnis darstellt (PFLEIDERER, a.a.O., S. 62 f. und 65). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist es hier nicht entscheidend, dass die erwähnte Praxis sich auf die direkte Bundessteuer bezieht. Wenn beim primär wirtschaftlich auszulegenden Ertragsbegriff die Überschussbeteiligung das Schicksal der zu Grunde liegenden Versicherungsleistung teilt, so müsste dies für die primär zivilrechtlich auszulegende Stempelabgabe (vgl. E. 3.4.1 hiervor) erst recht gelten.
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An diesem Resultat ändert schliesslich auch der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall ein gewisses Langleberisiko trägt. Abgesehen davon, dass dieses Risiko im Vergleich zu einer anfänglich weniger pessimistischen Berechnung der Rente wohl ohnehin kleiner ist, hat der Versicherungsnehmer diese Versicherungsleistung (mit Einschluss der bedingten Überschussrente) mit der bereits entrichteten und versteuerten Prämie bezahlt.
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