BGE 140 II 129 | |||
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13. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A.X. und B.X. gegen Amt für Migration des Kantons Luzern und Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_536/2013 vom 30. Dezember 2013 | |
Regeste |
Art. 50 AuG; "nacheheliche" Härtefälle. | |
Sachverhalt | |
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A.a A.X. (geboren 1983), kosovarischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 1993 mit seiner Mutter im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz ein und erhielt in der Folge die Niederlassungsbewilligung. Mit Urteil des Strafgerichts des Kantons Zug vom 14. September 2006 wurde A.X. zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt. Das Amt für Migration des Kantons Luzern verfügte am 27. Mai 2007 deshalb die Ausweisung. Diese wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 22. Januar 2008 aufgehoben.
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A.b Am 8. August 2008 heiratete A.X. in seiner Heimat die kosovarische Staatsangehörige B.X. (geboren 1989), welche deshalb am 8. April 2009 in der Schweiz die Aufenthaltsbewilligung erhielt. Am 8. Januar 2010 kam der Sohn C.X. zur Welt, am 17. August 2012 der Sohn D.X.
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A.c Im Nachgang an das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. Januar 2008 wurde A.X. wie folgt strafrechtlich verurteilt:
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- am 13. März 2008 wegen Tätlichkeit zu einer Busse von Fr. 250.-;
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- am 7. April 2010 wegen Hehlerei zu einer Geldstrafe von acht Tagessätzen à Fr. 100.-;
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- am 10. Oktober 2010 wegen Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (141 km/h ausserorts) zu 280 Stunden gemeinnütziger Arbeit;
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- am 19. Dezember 2011 wegen versuchten Diebstahls, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 82 Tagessätzen à Fr. 80.-.
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A.d Mit Verfügung vom 6. September 2011 widerrief das Amt für Migration des Kantons Luzern die Niederlassungsbewilligung von A.X. und lehnte es ab, die Aufenthaltsbewilligung von B.X. zu verlängern. Zudem verfügte es die Wegweisung der ganzen Familie.
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B. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern hiess mit Entscheid vom 5. September 2012 die dagegen erhobene Beschwerde teilweise gut und hob die Verfügung des Amtes für Migration insoweit ab, als sie die Wegweisung von C.X. betraf. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab und setzte A.X. und B.X. Frist zum Verlassen der Schweiz bis zum 31. Oktober 2012.
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C. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies mit Urteil vom 30. April 2013 die dagegen erhobene Beschwerde ab und setzte A.X. und B.X. eine neue Frist zum Verlassen der Schweiz bis Ende Juni 2013. (...)
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
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Erwägung 3 | |
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"1 Nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft besteht der Anspruch des Ehegatten und der Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach den Artikeln 42 und 43 weiter, wenn:
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a. die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht; oder:
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b. wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen.
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2 Wichtige persönliche Gründe nach Absatz 1 Buchstabe b können namentlich vorliegen, wenn die Ehegattin oder der Ehegatte Opfer ehelicher Gewalt wurde und die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint.
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(...)."
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3.3 Der Wortlaut von Art. 50 AuG ist klar: Er setzt voraus, dass die Familiengemeinschaft aufgelöst worden ist. Dasselbe ergibt sich aus dem Marginale "Auflösung der Familiengemeinschaft". Im vorliegenden Fall sind die Beschwerdeführer weder geschieden noch gerichtlich getrennt und sie machen selber nicht geltend, ihre Familiengemeinschaft aufgelöst zu haben. Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann sich die Beschwerdeführerin 2 deshalb nicht auf diese Bestimmung berufen. Es bleibt zu prüfen, ob sich eine Auslegung gegen den Wortlaut rechtfertigt.
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3.5 Art. 50 AuG statuiert eine Ausnahme von diesen Grundsätzen: Der darin geregelte Anspruch schliesst an den abgeleiteten Anwesenheitsanspruch nach Art. 42 Abs. 1 bzw. Art. 43 Abs. 1 AuG an (vorne E. 3.4), besteht aber unter den genannten Voraussetzungen verselbständigt weiter. Der Entwurf des Bundesrates zum AuG hatte vorgesehen, dass nach Auflösung der Familiengemeinschaft der Anspruch der Ehegatten und Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach den Artikeln 41-43 (des Entwurfs) weiterbesteht, wenn wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Art. 49 des Entwurfs). In der Botschaft wurde dazu ausgeführt, es sei vorgesehen, dass das Aufenthaltsrecht "auch nach Auflösung der Ehe oder der gemeinsamen Wohnung weiter besteht"; die vorgeschlagene Lösung entspreche dem vom Nationalrat gutgeheissenen Vorschlag zur parlamentarischen Initiative 96.461 "Rechte für Migrantinnen". Ein weiterer Aufenthalt in der Schweiz könne sich etwa dann als erforderlich erweisen, wenn der in der Schweiz lebende Ehepartner verstorben sei oder wenn aufgrund der gescheiterten Ehe die familiäre und soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark erschwert werde. Dies gelte auch, wenn gemeinsame Kinder vorhanden seien, zu denen eine enge Beziehung bestehe und die in der Schweiz gut integriert seien. Zu berücksichtigen seien jedoch stets auch die Umstände, die zur Auflösung der Gemeinschaft geführt hätten (Botschaft vom 8. März 2002 zum AuG, BBl 2002 3754 Ziff. 1.3.7.6). Im Nationalrat als Erstrat (AB 2004 N 1060 ff.) wurde auf Antrag der Kommissionsmehrheit die Gesetz gewordene Fassung angenommen. Die Kommission wollte damit eine ausgewogene Lösung realisieren, die einerseits Missbräuche mit Scheinehen vermeidet und andererseits verhindern soll, dass Ehegatten den ausländerrechtlichen Status ihrer Partner(innen) missbrauchen, um ihnen gegenüber Gewalt auszuüben (Kommissionssprecher Beck). Dem Antrag der Kommissionsmehrheit standen einschränkendere und weiter gehende Anträge gegenüber. Einig waren sich aber alle, dass es um Ansprüche nach Auflösung der Ehe geht (schriftliche Begründung Antrag Wasserfallen; Voten Christen, Pfister, Kommissionssprecher Beck) bzw. um ein Aufenthaltsrecht für Geschiedene und Getrennte (Votum Thanei). Der Gesetzgeber hatte namentlich gewaltbetroffene Migrantinnen im Blickfeld, die sich von ihrem Partner trennen: Es gelte zu vermeiden, dass solche Frauen wieder allein in ihr Heimatland zurückkehren müssten, evtl. in eine Familie, die sie zwangsverheiratet hat oder die sie wegen der Trennung bzw. Scheidung verstösst (Voten Vermot-Mangold, Menétrey-Savary). Der Ständerat schloss sich der nationalrätlichen Fassung kommentarlos an (AB 2005 S 310 f.).
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Nach der gesetzgeberischen Zielsetzung geht es also in Art. 50 AuG darum, die Ehegatten nach Auflösung der Ehe zu schützen: Sie sollen sich nicht vor das Dilemma gestellt sehen, entweder in einer unzumutbaren ehelichen Gemeinschaft zu verbleiben oder allein in ein gesellschaftliches Umfeld zurückzukehren, wo sie wegen ihrer Trennung oder Scheidung möglicherweise geächtet werden (vgl. BGE 138 II 229 E. 3.1 S. 231 f.). Auch nach Rechtsprechung und Lehre visiert Art. 50 AuG den Fall des (definitiven) Scheiterns der ehelichen Gemeinschaft an (BGE 138 II 229 E. 2 S. 231; CESLA AMARELLE, Migrations et regroupement familial, 2012, S. 64; MARTINA CARONI, a.a.O., N. 8 und 10 zu Art. 50 AuG; ZÜND/ARQUINT HILL, Beendigung der Anwesenheit [...], in: Ausländerrecht, 2009, S. 344 Rz. 8.52).
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3.6 Die Situation der Beschwerdeführerin 2 entspricht nicht derjenigen, welche dem Gesetzgeber vor Augen stand. Sie sieht sich nicht vor das Dilemma gestellt, in einer unzumutbaren Ehesituation zu verbleiben oder allein in ihre Heimat zurückzukehren. Sie kann zusammen mit ihrem Ehemann, zu dem sie in die Schweiz gezogen ist und von dessen Aufenthaltsrecht sie ihr eigenes abgeleitet hat, in die gemeinsame Heimat zurückkehren und dort das Familienleben wie bisher weiterführen. Es ist im Lichte der gesetzgeberischen Zielsetzung von Art. 50 AuG gerechtfertigt, diese Situation anders zu behandeln als diejenige, die nach Auflösung der Familiengemeinschaft eintritt.
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3.7 Es sind somit keine triftigen Gründe ersichtlich, um vom klaren Wortlaut des Gesetzes abzuweichen. Da die Ehegemeinschaft nicht aufgelöst ist, kann sich die Beschwerdeführerin 2 nicht auf Art. 50 AuG berufen. Auch eine bloss missbräuchliche Berufung auf eine angebliche (in Wirklichkeit aber nicht erfolgte) Auflösung der Familiengemeinschaft würde keinen solchen Anspruch begründen (Art. 51 Abs. 2 lit. a AuG).
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