BGE 140 II 298 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
27. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Zweckverband A. gegen B. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
8C_864/2013 vom 14. Mai 2014 | |
Regeste |
§ 71 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG) in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 404 ZPO. | |
Sachverhalt | |
A. B. war ab 1. Juni 2002 im Spital A. tätig. Am 20. Juli 2010 wurde ihr mitgeteilt, dass ihre Stelle bei unveränderter Lohnhöhe infolge Neugestaltung der Lohnstufen von der Lohnklasse 18/Stufe 11 in die Lohnklasse 18/Stufe 19 überführt worden sei. Mit Brief vom 25. September 2010 an den Pflegedienstleiter des Spitals bekundete B. unter Verweis auf ein persönliches Gespräch ihr Nichteinverständnis; auf Grund der Neueinteilung der Hebammen in eine höhere Lohnklasse durch die Regierung und angesichts der Geburtenzahlen sei sie der Lohnklasse 19 zuzuordnen. Nachdem das Spital A. ihr schriftliches Begehren vom 3. April 2011 um rückwirkende Einteilung per 1. Juli 2010 in die Lohnklasse 19/Stufe 19 am 25. Mai 2011 abgelehnt und am 8. August 2011 entsprechend verfügt hatte, gelangte B. an den Verwaltungsrat des Zweckverbands A. (nachfolgend: Zweckverband). Dieser wies ihr Begehren am Freitag, 23. Dezember 2011 ab. Der gleichentags der Post übergebene Entscheid traf bei der Poststelle der Rechtsvertreterin von B. am Samstag, 24. Dezember 2011 ein und wurde am Dienstag, 3. Januar 2012 abgeholt.
| 1 |
Auf den Rekurs von B. vom 1. Februar 2012 trat der Bezirksrat mit Beschluss vom 26. September 2012 nicht ein. Das Gesuch von B. vom 5. Oktober 2012 um Fristwiederherstellung lehnte er mit Beschluss vom 23. Oktober 2012 ab.
| 2 |
B. B. liess am 25. Oktober 2012 Beschwerde gegen den Beschluss vom 26. September 2012 und am 23. November 2012 gegen den Beschluss vom 23. Oktober 2012 erheben.
| 3 |
Mit Entscheid vom 23. Oktober 2013 vereinigte das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die beiden Verfahren und wies die Sache in Gutheissung der Beschwerde gegen den Beschluss vom 26. September 2012 an den Bezirksrat zurück, während es die Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. Oktober 2012 als gegenstandslos abschrieb.
| 4 |
C. Der Zweckverband führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. (...)
| 5 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
| 6 |
(Auszug)
| 7 |
Aus den Erwägungen: | |
8 | |
Soweit kantonales Recht Bundeserlasse oder Teile davon als massgebend erklärt, gelten diese nicht als Bundesrecht, sondern stehen mit der Verweisungsnorm auf kantonaler Stufe (vgl. BGE 138 I 232 E. 2.4 S. 236). Dementsprechend besteht auch diesbezüglich eine eingeschränkte Überprüfungsbefugnis gemäss Art. 95 BGG.
| 9 |
10 | |
11 | |
Der Zweckverband bestreitet nicht, dass nach den altrechtlichen kantonalen Bestimmungen ein zweiter Zustellversuch hätte vorgenommen werden müssen und dass das Rechtsmittel unter Geltung des alten Rechts rechtzeitig erhoben worden sei. Er rügt aber, es seien die ab 1. Januar 2011 geltenden Vorschriften anwendbar, namentlich infolge Verweises in § 71 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG; LS 175.2) jene der schweizerischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (ZPO; SR 272).
| 12 |
13 | |
14 | |
15 | |
16 | |
5.3 Vorliegend geht es nicht um ein zivilrechtliches Verfahren, weshalb Art. 62 ZPO, der auf zivilrechtlichen Verfahrensformen basiert, nicht einschlägig sein kann. Im hier zu beurteilenden Verwaltungsverfahren gilt - anders als im Zivilrecht - nicht die Dispositionsmaxime; vielmehr kann ein Verfahren des öffentlichen Rechts auch von Amtes wegen eingeleitet werden, weshalb die Frage der Rechtshängigkeit nicht einzig vom Verhalten der rechtsuchenden Person abhängen kann. Im öffentlichen Recht besteht oft Anlass zu staatlich initiiertem Handeln, so dass diesfalls ein Verfahren von Amtes wegen eröffnet wird (vgl. zum Ganzen BERTSCHI/PLÜSS, in: Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], Griffel [Hrsg.], 3. Aufl. 2014, N. 29 Vorbem. zu §§ 4-31, KÖLZ/BOSSHART/RÖHL, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl. 1999, N. 23 Vorbem. zu §§ 4-31, FELIX UHLMANN, Die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens, in: Das erstinstanzliche Verwaltungsverfahren, Häner/Waldmann [Hrsg.], 2008, S. 2 f. oder MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, Kommentar zum Gesetz vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern [VRPG; BSG 155.21], 1997, N. 1 ff. zu Art. 16 VRPG; vgl. auch E. 5.4 und 5.5).
| 17 |
18 | |
5.5 In casu bestand zwischen den Parteien seit längerem ein öffentlich-rechtliches Anstellungsverhältnis. Auf Grund der kantonalen Vorschriften war der Zweckverband gehalten, seine Lohnvorschriften anzupassen, was er per 1. Juli 2010 tat. In diesem Rahmen eröffnete er der Beschwerdegegnerin die neue Lohneinstufung mit Schreiben vom 20. Juli 2010. Diese war nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz mit ihrer Einstufung nicht einverstanden, suchte das Gespräch mit der vorgesetzten Pflegedienstleitung und teilte dieser am 25. September 2010 mit, sie sei mit dem in der Mitteilung vom 20. Juli 2010 erwähnten, gleichbleibenden Lohn nicht einverstanden.
| 19 |
Daraus ergibt sich, dass das erstinstanzliche Verfahren bereits mit der Mitteilung vom 20. Juli 2010, womit der Zweckverband als öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber der Beschwerdegegnerin die Lohneinstufung nach den neuen Bestimmungen eröffnete, eingeleitet, d.h. rechtshängig wurde. Der Zweckverband war zur Eröffnung dieser Lohneinstufung, die Gegenstand des späteren Rechtsmittelverfahrens war, verpflichtet. Die Festsetzung der Einstufung musste von Amtes wegen zu jenem Zeitpunkt erfolgen, um die monatliche Lohnauszahlung korrekt vornehmen zu können. Es stand dem Arbeitgeber nicht frei, mit der entsprechenden Mitteilung noch zuzuwarten. Die Lohnhöhe gehört zum wesentlichen Inhalt eines Arbeitsverhältnisses und kann nicht einfach ungeregelt bleiben. Der Zweckverband war denn auch letztlich gehalten - auf Aufforderung der Beschwerdegegnerin hin - darüber zu verfügen. Daran ändert nichts, dass die Pflegedienstleitung zum Erlass der entsprechenden Verfügung nicht zuständig war. Entscheidend ist, dass die zuständigen Instanzen des Zweckverbands, nämlich der Vorgesetzte und der Personaldienst, das Verfahren mit der schriftlichen Mitteilung der künftigen Lohneinstufung eröffneten. Diese Einstufung war in der Folge Streitgegenstand. Die Litispendenz kann schon deshalb nicht auf einen späteren Zeitpunkt angesetzt werden, weil die kantonalrechtlich vorgeschriebene Regelung per 1. Juli 2010 eingeführt wurde. Es ist daher folgerichtig, die Rechtshängigkeit spätestens auf den ersten Zeitpunkt, zu dem sich die Beschwerdegegnerin konkret zur Lohneinstufung äussern konnte, festzusetzen. Ebenfalls unbeachtlich ist der Umstand, dass die angefochtene Verfügung nicht durch die Spitalverwaltung, sondern durch den offenbar zuständigen Verwaltungsrat erging. Die Litispendenz bleibt selbst dann bestehen, wenn eine unzuständige Instanz das Verfahren eröffnet hat (vgl. dazu THOMAS FLÜCKIGER, in: VwVG, Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], 2009, N. 27 zu Art. 8 VwVG, und MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, a.a.O., N. 1 zu Art. 4 VRPG und N. 5 zu Art. 16 VRPG; im Ergebnis ebenso: BERTSCHI/PLÜSS, a.a.O., N. 33 Vorbem. zu §§ 4-31, und KÖLZ/BOSSHART/RÖHL, a.a.O., N. 26 Vorbem. zu §§ 4-31). Sie hängt nicht davon ab, ob die verfügungsbefugte Instanz das Verfahren selber eröffnet hat oder dies durch eine ihr unterstellte Stelle, wie hier durch die Pflegeleitung in Zusammenarbeit mit dem Personaldienst, geschah. Es ist durchaus üblich, jedenfalls nicht aussergewöhnlich, dass ein Verfahren durch eine hierarchisch untergeordnete Verwaltungsstelle eröffnet wird.
| 20 |
6. Bei dieser Rechtslage erweist sich die Feststellung der Vorinstanz, wonach die bis 31. Dezember 2010 geltenden Verfahrensbestimmungen anwendbar sind, als bundesrechtskonform. Nachdem der Zweckverband im Übrigen keine Einwände gegen den kantonalen Entscheid vorbringt und auch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, wonach dieser (offensichtlich) bundesrechtswidrig wäre, hat es beim Rückweisungsentscheid der Vorinstanz sein Bewenden.
| 21 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |