![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
5. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) gegen Pfizer AG sowie Wettbewerbskommission (Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_75/2014 vom 28. Januar 2015 | |
Regeste |
Art. 3 Abs. 1 KG; Art. 31 und 32 Abs. 2 lit. a HMG; Arzneimittel-Werbeverordnung (AWV); Frage eines Ausschlusses von Wettbewerb. |
Art. 32 Abs. 2 lit. a HMG stellt keine Wettbewerbs-, sondern eine gesundheitspolizeiliche Norm dar; diese ist neben dem KG anwendbar (E. 3). Der Wettbewerb ist indes weniger breit (E. 4.2.3). |
Ein Wettbewerbsausschluss muss sich aus der i.S.v. Art. 3 Abs. 1 KG vorbehaltenen Norm ergeben. Der Schamfaktor findet sich nicht in den Normen des HMG; er ist nur eine empirische Erscheinung (E. 4.2.1). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
B. Am 10. Mai 2005 eröffnete das Sekretariat der Wettbewerbskommission (im Folgenden: Sekretariat) eine Vorabklärung, da Eli Lilly, Bayer und Pfizer zu Cialis, Levitra und Viagra unverbindliche Publikumspreisempfehlungen an Grossisten und Verkaufsstellen abgaben bzw. über eine Datenbankbetreiberin an diese weiterleiten liessen. Am 26. Juni 2006 hat das Sekretariat gestützt auf Art. 27 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) eine Untersuchung gegen "die Pfizer AG, die Eli Lilly SA, die Bayer AG, die Grossistinnen Galexis AG, Voigt AG, Unione Farmaceutica Distribuzione SA, Amedis-UE AG, die Apothekerinnen und Apotheker, die selbstdispensierenden Ärztinnen und Ärzte und die e-mediat AG" (vgl. BBl 2006 9123) eröffnet. Am 2. November 2009 hat die ![]() | 2 |
"1. Es wird festgestellt, dass das Veröffentlichen und das Befolgen von Publikumspreisempfehlungen für Cialis, Levitra und Viagra in der bisherigen Form und im bisherigen Umfang eine unzulässige Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 4 KG darstellt.
| 3 |
2. Den Herstellern Pfizer, Eli Lilly und Bayer wird verboten, die Publikumspreisempfehlungen für Cialis, Levitra und Viagra weiterhin zu veröffentlichen.
| 4 |
3. Die Grossisten Galexis, Unione Farmaceutica Distribuzione, Voigt und Amedis-UE und e-mediat dürfen bezüglich dieser Publikumspreisempfehlungen keine Gehilfenhandlungen (z.B. Weiterleiten, Aufbereiten, Publizieren von Preisempfehlungen etc.) mehr vornehmen.
| 5 |
4. Die Hersteller Pfizer, Bayer und Eli Lilly werden für das unter Ziff. 1 dieses Dispositivs genannte Verhalten für den Zeitraum vom 1. April 2004 bis 31. Dezember 2008 gestützt auf Art. 49a Abs. 1 KG mit folgenden Beträgen belastet: [...]
| 6 |
5. Im Übrigen wird die Untersuchung eingestellt.
| 7 |
6. Zuwiderhandlungen gegen diese Verfügung können mit Sanktionen gemäss Art. 50 bzw. 54 KG belegt werden.
| 8 |
7. Die Verfahrenskosten von insgesamt CHF 692'118.- Franken werden den drei Pharmaunternehmen Pfizer AG, Eli Lilly SA und Bayer (Schweiz) AG jeweils zu einem Sechstel, d.h. je CHF 115'353.- Franken, und unter solidarischer Haftung auferlegt.
| 9 |
8. [Rechtsmittelbelehrung].
| 10 |
9. [Eröffnung].
| 11 |
10. [Eröffnung durch amtliche Publikation]."
| 12 |
C. Die Sanktionsverfügung hat Pfizer am 18. Januar 2010 beim Bundesverwaltungsgericht angefochten. Dieses hat am 3. Dezember 2013 folgenden Entscheid gefällt:
| 13 |
"1. Die Beschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, gutgeheissen. Die Ziffern 1, 2, 4 und 7 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung werden, soweit sie sich auf die Beschwerdeführerin beziehen, aufgehoben.
| 14 |
2. Der Beschwerdeführerin werden (ermässigte) Verfahrenskosten von Fr. 1'200.- auferlegt. Sie werden mit dem geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 24'000.- verrechnet. Der Restbetrag von Fr. 22'800.- wird der Beschwerdeführerin nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zurückerstattet.
| 15 |
16 | |
4. [Mitteilung]."
| 17 |
Begründet wurde die Gutheissung damit, dass vorbehaltene Vorschriften i.S.v. Art. 3 Abs. 1 KG existieren würden, weshalb das KG nicht zur Anwendung käme.
| 18 |
D. Am 24. Januar 2014 hat das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben und u.a. beantragt, die Dispositiv-Ziffern 1, 2 und 3 des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 2013 (B-364/2010) aufzuheben und die materiell-rechtlichen Bestimmungen des Kartellgesetzes für anwendbar zu erklären sowie die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das WBF vertritt die Auffassung, dass keine vorbehaltenen Vorschriften i.S.v. Art. 3 Abs. 1 KG vorhanden seien.
| 19 |
E. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde und die Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils. Die Vorinstanz, die WEKO und das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) verzichten sowohl auf eine Vernehmlassung als auch auf einen Antrag.
| 20 |
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
| 21 |
(Auszug)
| 22 |
Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
23 | |
![]() | 24 |
2.2.1 Mit Art. 3 Abs. 1 KG sieht der Gesetzgeber vor, dass wegen Marktversagens oder sozial unerwünschten Verteilungen der Markt als Regelsystem der Wirtschaftsbeziehungen durch "Die sichtbare Hand des Rechts" (ERNST-JOACHIM MESTMÄCKER, 1978) ersetzt wird, allerdings nur so weit, als die staatlichen Vorschriften auf einem Markt für bestimmte Waren oder Leistungen Wettbewerb nicht zulassen (vgl. BGE 129 II 497 E. 3.3.1 S. 514; Botschaft vom 23. November 1994 zu einem Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen [Kartellgesetz, KG], BBl 1995 I 468, 537 f. Ziff. 223.1 [nachfolgend: Botschaft KG]; ROGER ZÄCH, Schweizerisches Kartellrecht, 2. Aufl. 2005, N. 279 f.; PATRIK DUCREY, in: von Büren/Marbach/Ducrey, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2008, S. 282 f.; WEBER/VOLZ, Fachhandbuch Wettbewerbsrecht, 2013, S. 28 f.; MARKUS SCHOTT, Staat und Wettbewerb, 2010, S. 519; GERMAN GRÜNIGER, Nachfragemacht des Staats im Kartellrecht, 2003, S. 189 Rz. 511; RUDOLF RENTSCH, Deregulierung durch Wettbewerbsrecht, 2000, S. 166 ff.; DAVID/JACOBS, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 2012, Rz. 581; JÜRG BORER, in: Wettbewerbsrecht, Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2011, N. 2 i.f., 5 zu Art. 3 KG; MARTENET/CARRON, in: Droit de la concurrence, Martenet/Bovet/Tercier [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 29 ff., insbes. 32 zu Art. 3 Abs. 1 KG; RETO JACOBS, Gesundheitswesen und Kartellgesetz, in: Gesundheitsrecht im wettbewerblichen Umfeld, Poledna/Jacobs [Hrsg.], 2010, S. 1 ff., 5 N. 8; PETER MÜNCH, in: Basler Kommentar, Kartellgesetz, 2010, N. 6 ff. zu Art. 3 Abs. 1 KG). Insofern ist nicht nur zu prüfen, ob staatliche Marktregulierungen den Wettbewerb in einem bestimmten Bereich ausschliessen, sondern vor allem auch, wieweit sie dies tun (vgl. MÜNCH, a.a.O., N. 6 zu Art. 3 Abs. 1 KG).
| 25 |
2.2.2 Für die Beurteilung der Reichweite sind nur solche staatliche Regulierungen zu berücksichtigen, welche darauf abzielen, ein Marktversagen oder sozial unerwünschte Verteilungen mit Hilfe eines staatlich verordneten Ausschlusses des Wettbewerbs ("Marktersatz durch Normen": WALTER A. STOFFEL, Wettbewerbsrecht und staatliche Wirtschaftstätigkeit, 1994, S. 273; RENTSCH, a.a.O., S. 179 f. Fn. 784) ![]() | 26 |
2.2.3 Entsprechend der Intention der Revision und des Wortlauts ("soweit ... nicht zulassen") des Kartellgesetzes von 1995 ist dem Vorbehalt von Art. 3 Abs. 1 KG nur in restriktiver Weise Geltung zu verschaffen. Dasselbe ergibt sich entsprechend der Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftsverfassung (Art. 94 Abs. 4 und Art. 96 Abs. 1 BV) auch aus dem Zweck und der verfassungskonformen Auslegung von Art. 3 Abs. 1 KG (vgl. zum Ganzen BGE 129 II 497 E. 3.3.3 S. 516; Botschaft KG, BBl 1995 I 536; BORER, a.a.O., N. 5 zu Art. 3 KG; MARTENET/CARRON, a.a.O., N. 39 zu Art. 3 Abs. 1 KG; JACOBS, a.a.O., Rz. 8; GRÜNIGER, a.a.O., Rz. 517; WEBER/VOLZ, a.a.O., Rz. 1.84). Ein Ausschluss ist deshalb nur gestützt auf eine klare gesetzliche Grundlage möglich, die ein ![]() | 27 |
2.2.4 Die Reichweite des Ausschlusses von Wettbewerb ist durch Gesetzesauslegung zu ermitteln (vgl. BGE 129 II 497 E. 3.3.2 S. 515; MÜNCH, a.a.O., N. 7 zu Art. 3 Abs. 1 KG; BORER, a.a.O., N. 4 zu Art. 3 KG; MARTENET/CARRON, a.a.O., N. 17 zu Art. 3 Abs. 1 KG). Es ist zu prüfen, ob das Gesetz den Wettbewerb ausschliessen wollte. Massgebend ist der aufgrund aller Auslegungselemente eruierte Normsinn (vgl. BGE 129 II 497 E. 3.3.2 i.f. S. 515); es geht mithin um die Auslegung einer generell-abstrakten Norm, die für einen bestimmten Markt für Waren oder Leistungen möglicherweise Anwendung finden soll (vgl. STOFFEL, a.a.O., S. 278).
| 28 |
29 | |
Im vorliegenden Fall nennt die Vorinstanz Bundeserlasse, welche vorbehalten sind; es besteht diesbezüglich kein Anlass, kantonale oder kommunale Vorschriften in Betracht zu ziehen; es ist deshalb nicht zu prüfen, ob auch solche vorbehalten werden (in diesem Sinne BGE 129 II 497 E. 3.3.4 S. 516 mit der herrschenden Lehre; a.A. JACOBS, a.a.O., passim).
| 30 |
31 | |
32 | |
![]() | |
2.3.1 Der Kartellgesetzgeber hat bereits auf Gesetzesebene die vorbehaltenen Vorschriften mit zwei Beispielen konkretisiert: zum einen mit Vorschriften, die eine staatliche Markt- oder Preisordnung begründen (Art. 3 Abs. 1 lit. a KG); eine solche liegt dann vor, wenn die massgeblichen ökonomischen Parameter in entscheidender Weise durch zwingende Vorschriften festgelegt werden (vgl. BGE 129 II 497 E. 3.3.1 S. 514; ZÄCH, a.a.O., N. 284; MÜNCH, a.a.O., N. 15 zu Art. 3 Abs. 1 KG; CARCAGNI/TREIS/DURRER/HANSELMANN, in: Kartellgesetz, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2007, N. 4 zu Art. 3 KG; MARTENET/CARRON, a.a.O., N. 36 ff. zu Art. 3 Abs. 1 KG); staatliche Markt- und Preisordnungen schliessen den Wettbewerb in einem bestimmten Wirtschaftsbereich praktisch vollständig aus (vgl. BGE 129 II 497 E. 3.3.1 S. 514; SCHMIDHAUSER, a.a.O., N. 8 zu Art. 3 KG); zum anderen mit Vorschriften, die einzelne Unternehmen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben mit besonderen Rechten ausstatten (Art. 3 Abs. 1 lit. b KG). Entscheidend ist dabei, dass solchen Unternehmen durch rechtliche Vorschriften eine wettbewerbliche Sonderstellung zukommt (vgl. ZÄCH, a.a.O., N. 287 i.f.; MARTENET/CARRON, a.a.O., N. 40 ff. zu Art. 3 Abs. 1 KG). Besondere Rechte sind insbesondere staatliche Monopole und Regale (vgl. BGE 129 II 497 E. 3.3.1 S. 515).
| 33 |
34 | |
Erwägung 2.4 | |
2.4.1 Im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 KG sind normtheoretisch zwei Arten von Normen zu unterscheiden: zum einen Normen, welche den gleichen Sachverhalt unter gleichen Gesichtspunkten unterschiedlich beurteilen; es liegt eine klassische Normkollision vor; zum anderen Normen, welche einen Sachverhalt nach unterschiedlichen Gesichtspunkten regeln, d.h. Rechtsfolgen an unterschiedliche Tatbestandsmerkmale anknüpfen oder unterschiedliche Ziele verfolgen; es liegt eine positive oder kumulative Normenkonkurrenz bzw. ![]() | 35 |
Normen, welche demgegenüber einen Sachverhalt nach unterschiedlichen Gesichtspunkten regeln, gelangen nebeneinander zur Anwendung und schliessen sich nicht gegenseitig aus (vgl. BGE 137 II 199 E. 3.4 S. 207; Urteil 2A.142/2003 vom 5. September 2003 E. 4.1.3 i.f.; MARTENET/CARRON, a.a.O., N. 22 zu Art. 3 Abs. 1 KG; siehe auch RENTSCH, a.a.O., S. 201). Sie haben demzufolge nicht eine preis- und wettbewerbsrechtliche Ordnung zum Regelungsgegenstand, sondern eine andere Ordnung (als Beispiel: BGE 137 II 199 : Fernmelderecht neben Kartellrecht). Die Normen, welche zum KG hinzutreten, müssen deshalb nicht vorbehalten werden, da sie ohnehin unabhängig vom KG Anwendung finden.
| 36 |
Da nur wettbewerbsmodifizierende Normen in Konflikt mit dem KG kommen können, muss nur zwischen diesen eine Lösung gefunden werden. Nicht wettbewerbsrechtliche Regelungen, welche zum KG hinzutreten, stellen insofern keine neue Kategorie der in Art. 3 Abs. 1 KG vorbehaltenen Vorschriften dar, sondern sind Normen, welche parallel zum KG anwendbar sind und auch vollumfängliche Anwendbarkeit zwecks Erfüllung ihres Verfassungsauftrags (z.B. Gesundheitsschutz) erheischen.
| 37 |
![]() | 38 |
39 | |
Erwägung 3 | |
40 | |
41 | |
Dies ist indes nicht notwendig. Zwar spricht Art. 3 Abs. 1 KG von "einem Markt für bestimmte Waren oder Leistungen". Der Markt ist indes im Hinblick auf die vorbehaltene Norm zu bestimmen, und diese regelt nur in generell-abstrakter Weise den Umgang mit einer Ware (vgl. STOFFEL, a.a.O., S. 278). Das HMG spricht deshalb grundsätzlich nicht von Medikamenten gegen erektile Dysfunktionen, sondern von Arzneimitteln, von Medizinprodukten, von verschreibungspflichtigen oder nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Die ![]() | 42 |
43 | |
2 Unzulässig ist Publikumswerbung für Arzneimittel, die:
| 44 |
a. nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürfen;
| 45 |
Art. 32 HMG handelt von der unzulässigen Werbung und findet sich im 5. Abschnitt (Werbung und Preisvergleiche) des 2. Kapitels, das von Arzneimitteln handelt. In Art. 31 HMG ist der Grundsatz der Werbung enthalten.
| 46 |
47 | |
48 | |
3.3.3 Der Bundesrat begründete das Publikumswerbeverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel nach Art. 32 Abs. 2 lit. a E-HMG (= Art. 32 Abs. 2 lit. a HMG) damit, dass Patienten aufgrund der Werbebotschaften die für die Verschreibung und Abgabe verantwortlichen Fachpersonen derart beeinflussen würden, dass diese ihren Entscheid nicht mehr gestützt auf ihr Fachwissen, sondern gemäss der durch die Werbung bei den Patienten erzeugten Erwartungen fällen würden (vgl. Botschaft vom 1. März 1999 zu einem Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte [Heilmittelgesetz, HMG; nachfolgend:Botschaft HMG],BBl 1999 III 3453, 3518 zu Art. 32; siehe auch ![]() | 49 |
50 | |
Aus teleologischer Sicht werden die bisherigen Erkenntnisse bestätigt: Art. 32 HMG konkretisiert die Vorgaben des Zweckartikels (Art. 1 HMG; vgl. URS JAISLI, in: Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, 2006, N. 1 zu Art. 32 HMG; siehe auch EGGENBERGER STÖCKLI, a.a.O., N. 5 zu Art. 1 AWV; dieselbe, Werbung für Heilmittel, in: Gesundheit und Werbung, Poledna [Hrsg.], 2005, S. 61 ff., 64 f.). Das Publikumswerbeverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel basiert auf dem Schutz der öffentlichen Gesundheit (vgl. BGE 129 V 32 E. 6.4.1 S. 48) und dem Schutz der Konsumenten vor Täuschung über Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln (vgl. Urteil 2A.607/2005 vom 23. Juni 2006 E. 2, in: sic! 2007 S. 126 ff.; JAISLI, a.a.O., N. 17 zu Art. 31 HMG; EGGENBERGER STÖCKLI, a.a.O., N. 44 zu Art. 2 AWV; siehe auch bereits zum alten, kantonalen Recht BGE 123 I 201 E. 4 S. 205 f.). Dementsprechend hat das HMG auch folgerichtig darauf verzichtet, Regelungen gegen überhöhte Preise und der so genannten Preisbindung zweiter Hand (d.h. die Einhaltung des gleichen ![]() | 51 |
52 | |
1 Grundsätzlich zulässig ist:
| 53 |
a. Werbung für alle Arten von Arzneimitteln, sofern sie sich ausschliesslich an Personen richtet, die diese Arzneimittel verschreiben oder abgeben;
| 54 |
b. Publikumswerbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel.
| 55 |
2 Der Bundesrat regelt die Voraussetzungen für die Bekanntgabe von Preisvergleichen für verschreibungspflichtige Arzneimittel.
| 56 |
3 Er kann zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz gegen Täuschung die Werbung für bestimmte Arzneimittel oder Arzneimittelgruppen beschränken oder verbieten sowie für die grenzüberschreitende Werbung Bestimmungen erlassen.
| 57 |
Mit dem systematischen Element wird bestätigt, was der Wortlaut von Art. 32 Abs. 2 lit. a HMG bereits nahegelegt hat: Werbung ist grundsätzlich zulässig; Ausnahmen davon ergeben sich aus Gründen des Gesundheitsschutzes, was mit Art. 31 Abs. 3 HMG zusätzlich bestätigt wird. Durch die ausdrückliche Nennung der "Publikumswerbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel" (Art. 31 Abs. 1 lit. b HMG) bestimmt Art. 31 HMG, dass Publikumswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel unzulässig ist (e contrario-Argument). Das Verbot hängt insofern mit der Verschreibung von Arzneimitteln zusammen; Patienten sollen nicht durch Werbung beeinflusst werden, um den Verschreibenden wiederum zu beeinflussen. Im systematischen Element bestätigen sich die bisherigen Ausführungen. ![]() | 58 |
59 | |
60 | |
61 | |
Erwägung 4 | |
4.1 Diese Auffassung teilt die Vorinstanz nicht: Diese geht davon aus, dass das in Art. 32 Abs. 2 lit. a HMG (i.V.m. Art. 14 und 21 AWV) verankerte Publikumswerbeverbot im Interesse des Gesundheitsschutzes im Ergebnis eine praktisch preiswettbewerbsfreie Sphäre schaffe, was zweifellos einen einschneidenden Eingriff in den Wettbewerb, insbesondere in die Wirtschaftsfreiheit bedeute. So erlaube das aus gesundheitspolizeilichen Gründen eingeführte Publikumswerbeverbot keine wirksame Preispublizität unter Apotheken und selbstdispensierenden Ärzten und lasse keine für Patienten leicht zugängliche Preistransparenz herstellen, welche aber unabdingbare Voraussetzung ![]() | 62 |
63 | |
4.2.1 Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Wettbewerbsausschluss bzw. die "Verunmöglichung" oder Verminderung des Wettbewerbs aus dem Normsinn der nach Art. 3 Abs. 1 KG vorbehaltenen Norm ergeben muss. Ein "Schamfaktor" als wettbewerbsausschliessendes Element ist deshalb nur dann relevant, wenn sich dieses aus der Norm zumindest ableiten lässt. Dies trifft nicht zu: Die von der Vorinstanz genannten Bestimmungen regeln die Werbung, näherhin das Publikumswerbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel. ![]() | 64 |
65 | |
66 | |
Nach Auffassung der Vorinstanz schaffe das Verbot der Publikumswerbung praktisch eine preiswettbewerbsfreie Sphäre, es erlaube keine wirksame Preispublizität unter Apotheken und selbstdispensierenden Ärzten und daher lasse sich keine für Patienten leicht zugängliche Preistransparenz herstellen.
| 67 |
Mit dem Verbot der Publikumswerbung fehlt zwar der Angebotsseite eines ihrer wirksamsten Instrumente, um ihre Angebote bekannt zu machen, und die Nachfrageseite hat demzufolge geringeres Wissen (nur bezüglich Preis) über die Angebote. Damit geht indes - wie ![]() | 68 |
4.2.4 Entgegen der Auffassung der Vorinstanz, wonach Art. 31 Abs. 2 HMG sinnvollerweise nur als Korrektiv gegen fehlenden Preiswettbewerb verstanden werden könne, spricht Sinn und Zweck von Art. 31 Abs. 2 HMG gerade für den Wettbewerb. Trotz des Publikumswerbeverbots soll das Publikum über Informationen verfügen dürfen, damit es vom Wettbewerb profitieren kann. Der Patient soll ohne grosse Suchkosten mögliche Preisunterschiede von Arzneimitteln ermitteln können. So sollen namentlich auch die Krankenkassen ihre Versicherten auf günstige Bezugsquellen aufmerksam machen dürfen. Absatz 2 hält deshalb die Zulässigkeit von Preisvergleichen bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch für den Fall fest, dass diese Art Werbung sich ans Publikum richtet (Botschaft HMG, BBl 1999 III 3517 zu Art. 31). Da in diesem Fall ![]() | 69 |
4.2.5 Insofern besteht - zusammenfassend - durchaus Wettbewerb; angesichts einer gesundheitsrechtlichen Rahmenordnung sind die Möglichkeiten allerdings nicht so breit wie in einem weniger regulierten Markt; Wettbewerb wird damit aber nicht ausgeschlossen und die Auffassung der Vorinstanz kann nicht bestätigt werden; das Kartellgesetz ist anwendbar.
| 70 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |