BGE 141 II 83 | |||
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6. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Steuerverwaltung des Kantons Zug (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_1218/2013 / 2C_1219/2013 vom 19. Dezember 2014 | |
Regeste |
Art. 58 Abs. 1 lit. a-c DBG; Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz; Bilanzberichtigung und Bilanzänderung; Zeitpunkt; Rückstellung für Steuern. |
Im System der Gegenwartsbemessung ist grundsätzlich bei jeder Aufrechnung gestützt auf Art. 58 Abs. 1 lit. b oder c DBG die Rückstellung für die darauf zu entrichtenden Steuern entsprechend zu erhöhen (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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Mit definitiven Veranlagungsverfügungen 2009 und 2010 nahm die Steuerverwaltung des Kantons Zug verschiedene Aufrechnungen vor. Im Einschätzungsvorschlag, den sie der Steuerpflichtigen vorgängig unterbreitet hatte, begründete die Steuerverwaltung diese Aufrechnung näher.
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Mit Einsprache vom 21. Juni 2012 reichte die Steuerpflichtige "neue (definitive) Jahresrechnungen" zusammen mit "überarbeiteten" Steuererklärungen 2009 und 2010 ein und beantragte, entsprechend diesen veranlagt zu werden. Zur Begründung führte sie aus: Nachdem die Steuerverwaltung nach Prüfung der "provisorischen Jahresabschlüsse" signalisiert habe, dass die beiden Positionen "fees sale aircraft" von Fr. 1'100'000.- (2009) und "political risks" von Fr. 700'000.- (2010) nicht anerkannt werden könnten, habe sie (die Steuerpflichtige) in den mit der Einsprache eingereichten, nunmehr "definitiven" Jahresrechnungen 2009 und 2010 diese beiden Positionen erfolgswirksam aufgelöst. Infolge dieser Auflösung hätten auch die Höhe des Aktivdarlehens der Muttergesellschaft und dessen Verzinsung angepasst und die Wechselkursentwicklung für die Jahresrechnungen 2009 und 2010 neu berechnet werden müssen. Daraus ergäben sich die mit der Einsprache geltend gemachten neuen Steuerfaktoren.
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Mit Entscheid vom 14. März 2013 wies die Rechtsmittelkommission der Steuerverwaltung des Kantons Zug die Einsprache ab. Das Zuger Verwaltungsgericht wies mit Urteil vom 5. November 2013 Rekurs und Beschwerde ab.
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Gegen dieses Urteil führt die Steuerpflichtige Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, mit welcher sie die gleichen zahlenmässigen Anträge stellt wie in Einsprache, Rekurs und Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
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3.2 Der Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz wirkt sich auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht aus: Die steuerpflichtige Gesellschaft muss sich nach diesem Prinzip grundsätzlich bei der von ihr in ihren ordnungsgemäss geführten Büchern erscheinenden Darstellung der Vermögenslage des Jahresergebnisses behaften lassen (Urteil 2C_515/2010 vom 13. September 2011 E. 2.2, in: StE 2011 B 23.41 Nr. 5, StR 66/2011 S. 954, mit Hinweis). Unter welchen Voraussetzungen eine bei der Steuerverwaltung mit der Steuererklärung eingereichte Bilanz dennoch korrigiert werden kann, ergibt sich nicht aus dem DBG, sondern ist durch Auslegung unter Berücksichtigung des Massgeblichkeitsprinzips und des Grundsatzes von Treu und Glauben zu ermitteln (Urteil 2A.275/1998 vom 6. März 2000 E. 3 a/bb).
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Bilanzberichtigungen können - solange keine rechtskräftigen Veranlagungen vorliegen - immer vorgenommen werden und sind von Amtes wegen durchzuführen, weil damit die Richtigstellung einer Bilanzposition erreicht wird, welche gegen zwingende handelsrechtliche Vorschriften verstösst (Urteil 2C_787/2012 / 2C_788/2012 vom 15. Januar 2013 E. 2.2, in: StE 2013 B 72.11 Nr. 23, RDAF 2013 II S. 380 mit weiteren Hinweisen; ferner Urteil 2A.275/1998 vom 6. März 2000 E. 3 a/bb; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, 2. Teil, 2004, N. 15, 21 zu Art. 58 DBG). Sie werden von den Steuerbehörden in der Steuerbilanz von Amtes wegen berücksichtigt (LOCHER, a.a.O., N. 18 ff. zu Art. 58 DBG, mit Hinweis auf das Urteil 2A.275/1998 vom 6. März 2000 E. 3a/bb, in: NStP 54/2000 S. 46, 49). Bilanzberichtigungen können sich zu Gunsten oder zu Ungunsten steuerpflichtiger juristischer Person auswirken (LOCHER, a.a.O. N. 15 zu Art. 58 DBG; Urteil 2C_911/2013 / 2C_912/2013 vom 26. August 2014 E. 6.1.2). Ist indessen die Veranlagung in Rechtskraft erwachsen, ist eine Bilanzberichtigung nur bei einem Revisionsgrund zulässig (zu Gunsten des Steuerpflichtigen) oder im Falle eines Nachsteuerverfahrens (zu Ungunsten des Steuerpflichtigen; zit. Urteil 2C_911/2013 / 2C_912/2013 ebenda; LOCHER, a.a.O., N. 21 zu Art. 58 DBG).
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3.4 Anders verhält es sich bei Bilanzänderungen. Auszugehen ist hier vom Grundsatz, dass die Bilanz von einem gewissen Zeitpunkt an endgültig ist und nachträgliche Änderungen nicht mehr vorgenommen werden können. Nach der Rechtsprechung ist eine Änderung der Bilanz nur bis zur Einreichung der Steuererklärung zulässig (Urteile 2C_515/2010 vom 13. September 2011 E. 2.2, in: StE 2011 B 23.41 Nr. 5, StR 66/2011 S. 954, mit Hinweis; 2C_29/2012 vom 16. August 2012 E. 2.1, in: StE 2012 B 72.1 Nr. 22, StR 67/2012 S. 756; 2C_911/2013 / 2C_912/2013 ebenda, mit weiteren Hinweisen; DANIELLE YERSIN, Les corrections et modifications apportées par une entreprise à sa comptabilité et leurs conséquences fiscales, RDAF 1977 S. 371, 378). Eine Änderung der Bilanz durch die steuerpflichtige Gesellschaft im Laufe des Veranlagungsverfahrens ist grundsätzlich nur noch zulässig, wenn sich zeigt, dass sie in einem entschuldbaren Irrtum über die steuerlichen Folgen gewisse Buchungen vorgenommen hat (Urteil 2C_29/2012 ebenda; Urteil 2A.275/1998 vom 6. März 2000 E. 3 a/bb; LOCHER, a.a.O., N. 23 zu Art. 58 DBG mit weiteren Hinweisen). In der Regel ausgeschlossen sind hingegen Bilanzänderungen, mit denen Wertänderungen zum Ausgleich von Aufrechnungen im Veranlagungsverfahren erfolgen oder die lediglich aus Gründen der Steuerersparnis vorgenommen werden (zit. Urteil 2C_29/2012 E. 2.1; Urteile 2P.140/2004 / 2A.313/2004 vom 9. Dezember 2004 E. 5.4.1, in: StR 60/2005 S. 429 ff., 433 f.; 2A.275/ 1998 vom 6. März 2000 E. 3a/bb). "Bilanzberichtigungen" aus solchen Motiven sind gleichfalls nur mit äusserster Zurückhaltung anzuerkennen (zit. Urteil 2C_29/2012 E. 2.1 in fine, in: StE 2012 B 72.11 Nr. 22, StR 67/2012 S. 756).
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5.1 Mit der Rückstellung wird dem laufenden Geschäftsjahr ein tatsächlich oder zumindest wahrscheinlich verursachter, in seiner Höhe aber noch nicht genau bekannter Aufwand oder Verlust, der sich erst in einer späteren Periode geldmässig verwirklicht, gewinnmindernd angerechnet (Kommission Steuerharmonisierung, Harmonisierung des Unternehmenssteuerrechts, 1995, S. 35; REICH, a.a.O., § 15 Rz. 91 S. 394). Betriebswirtschaftlich und handelsrechtlich ist allgemein anerkannt, dass für geschuldete Steuern schon vor der Veranlagung Rückstellungen oder passive Rechnungsabgrenzungsposten gebildet werden müssen. Je nach Wahrscheinlichkeit ist am Tag der Bilanzerstellung die Höhe der erforderlichen Rückstellung abzuschätzen (Treuhand-Kammer, Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung [HWP], Bd. I, 2009, S. 244; zum neuen Rechnungslegungsrecht, s. auch HWP, Band "Buchführung und Rechnungslegung", 2014, S. 172, 216, 223). Nachbelastungen bei den Steuern können sich im Rahmen steuerlicher Betriebsprüfungen und hängiger Rechtsmittelverfahren infolge von übersetzten Abschreibungen, steuerlich nicht anerkannten Rückstellungen, verdeckten Gewinnausschüttungen und dergleichen ergeben (HWP, Bd. I, a.a.O.). In der Praxis wird es trotz der handelsrechtlichen Verpflichtung häufig unterlassen, solche Steuernachzahlungen zu passivieren (HWP, Bd. I, a.a.O.).
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Allerdings setzt die Passivierung voraus, dass eine Nachbelastung voraussehbar ist. Der steuerpflichtigen Person kann keine willkürliche Unterlassung einer Rückstellung vorgeworfen werden, wenn die Abweichung von der Deklaration nicht voraussehbar war, z.B. bei unterschiedlichen Auffassungen über die Bewertung (RICHNER UND ANDERE, a.a.O., N. 8 zu Art. 59 DBG). Fraglich ist daher, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Rückstellung für Steuernachforderungen auch noch nachträglich zugelassen werden kann.
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Nach Ansicht der Autoren des Handkommentars zum DBG (RICHNER UND ANDERE, a.a.O., N. 6-8 zu Art. 59 DBG) verlangt das Imparitätsprinzip, dass für die im Zeitpunkt der Bilanzerstellung noch nicht bilanzierten Steuern Rückstellungen gebildet werden; andernfalls bestehe die Gefahr eines doppelten Abzugs, da bezahlte Steuern in jedem Fall geschäftsmässig begründeten Aufwand bilden würden. Unterbleibe eine Rückstellung, könne dies nicht nachgeholt werden, auch wenn sich nachträglich aufgrund einer Aufrechnung durch die Veranlagungsbehörde der steuerbare Gewinn erhöhe.
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5.3 Nach einer neueren Ansicht in der Literatur (LOCHER, a.a.O, N. 11 f. zu Art. 58 DBG) ergibt sich aus dem Prinzip der Massgeblichkeit der nach den Regeln des Handelsrechts erstellten Handelsbilanz für die Steuerbilanz, dass die Steuerbehörde bei Verstoss gegen zwingende handelsrechtliche Grundsätze eine Bilanzberichtigung vorzunehmen habe. Folgerichtig habe sie im System der jährlichen Gegenwartsbemessung bei Aufrechnungen nach Art. 58 Abs. 1 lit. b oder c DBG auch die Rückstellungen für die darauf zu entrichtenden Steuern (Art. 59 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 63 DBG) von Amtes wegen zu erhöhen (LOCHER, a.a.O, N. 11 f. zu Art. 58 DBG).
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Diese Ansicht wird nun auch von BRÜLISAUER/HELBING (in: Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2a, 2. Aufl. 2008, N. 9 zu Art. 59 DBG) und ROBERT DANON (in: Commentaire romand, Impôt fédéral direct, 2008, N. 7 zu Art. 59 DBG) geteilt.
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5.5 Die hauptsächlich von LOCHER und von weiteren Autoren vertretene neuere Auffassung verdient Zustimmung. Im System der Gegenwartsbemessung ist grundsätzlich bei jeder Aufrechnung gestützt auf Art. 58 Abs. 1 lit. b oder c DBG die Rückstellung für die darauf zu entrichtenden Steuern entsprechend zu erhöhen. Zum geschäftsmässig begründeten Aufwand gehören auch die eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Steuern (Art. 59 Abs. 1 lit. a DBG). Dieses Vorgehen ergibt sich somit nicht nur aus handelsrechtlich zwingenden Vorschriften, sondern folgt direkt aus steuerrechtlichen Normen (Art. 58 Abs. 1 lit. b oder c in Verbindung mit Art. 59 Abs. 1 lit. a DBG). Es ist somit nicht zu sehen, inwiefern das Massgeblichkeitsprinzip einer Korrektur in der Steuerbilanz entgegenstehen könnte. Die steuerlichen Vorschriften zur Korrektur in Form der Steuerbilanz nehmen auch nicht Rücksicht darauf, aus welchen Motiven eine Bilanzierung unterblieb und ob die Aufrechnung vorauszusehen war oder nicht. Nicht angängig ist es daher, die Steuerrückstellung davon abhängig zu machen, dass der Steuerpflichtige die Aufrechnung nicht vorhersehen konnte.
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Das Problem, dass Bemessungsperiode und Steuerperiode auseinanderfallen, und die damit zusammenhängende zeitversetzte Berücksichtigung der Steuerrückstellung, stellt sich bei der Gegenwartsbemessung nicht mehr. Auf diesen Aspekt weisen bereits AGNER/JUNG/ STEINMANN (a.a.O, N. 6 zu Art. 59 DBG) hin, wenn sie ausführen, dass das geltende Postnumerando-System mit Gegenwartsbemessung "einen triftigen Grund" darstelle, um die mit dem steuerbaren Gewinn korrelierende Rückstellung für Steuern "gegebenenfalls in mässiger Abweichung vom Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz von Amtes wegen auch zugunsten der Steuerpflichtigen anzuwenden". Eine Bilanzberichtigung für die Steuerrückstellung ist somit auch im vorliegenden Fall von Bundesrechts wegen zu gewähren.
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