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28. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen A. und X. SA (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_941/2014 vom 20. August 2015 | |
Regeste |
Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 5 und Art. 10 Abs. 4 StAhiG; Art. 41 Abs. 1 lit. c VwVG; Art. 1 VStrR; internationale Amtshilfe in Steuersachen; Bussenverfügung. |
Die Bussenverfügung ist keine Schlussverfügung i.S.v. Art. 19 Abs. 1 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 StAhiG (E. 4.2). Anwendbarkeit des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes bejaht (E. 4.3-4.6), folglich Anfechtung der Bussenverfügung mittels Einsprache bei der ESTV (E. 4.6 und 4.7). | |
Sachverhalt | |
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Mit Verfügung vom 29. August 2014 auferlegte die ESTV der X. SA in Anwendung von Art. 9 Abs. 5 und Art. 10 Abs. 4 StAhiG eine Busse von Fr. 7'000.-, wobei diese Busse gegenüber A. als statutarisch verantwortlichem Organ der Gesellschaft ausgesprochen wurde. In der Rechtsmittelbelehrung führte die ESTV aus, "gegen diese Schlussverfügung" könne innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde geführt werden.
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B. Mit Beschwerde vom 18. September 2014 an das Bundesverwaltungsgericht beantragten A. und die X. SA, die Aufforderungen der ESTV vom 21. Januar, 19. März, 7. Juli und 25. Juli 2014 an die ![]() | 3 |
C. Mit Urteil vom 30. September 2014 trat das Bundesverwaltungsgericht auf die Beschwerde nicht ein (Ziff. 1) und stellte weiter fest, dass die Bussenverfügung der ESTV vom 29. August 2014 nichtig sei (Ziff. 2). Zur Begründung führte es einerseits aus, die Bussenverfügung stelle keine Schlussverfügung im Sinne des Steueramtshilfegesetzes dar. Andererseits hielt das Gericht fest, es stelle sich allenfalls die Frage der Überweisung der Streitsache gemäss Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172. 021). Das Gericht kam zum Schluss, die Frage erübrige sich, da nicht von einer Zuständigkeit der ESTV zur Ausfällung der vorliegenden Busse nach Art. 9 Abs. 5 bzw. Art. 10 Abs. 4 StAhiG ausgegangen werden könne; diese Busse sei vielmehr durch die ordentlichen Straf(gerichts)behörden auszufällen und die Verfügung der ESTV sei nichtig.
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D. Gegen dieses Urteil des Bundesverwaltungsgerichts führt die ESTV mit Eingabe vom 13. Oktober 2014 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache zur materiellen Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht.
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A. und die X. SA beantragen die Abweisung der Beschwerde. (...)
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
3.1 Gemäss Art. 1 Abs. 1 StAhiG regelt das Steueramtshilfegesetz den Vollzug der Amtshilfe nach den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und nach anderen internationalen Abkommen, die einen auf Steuersachen bezogenen Informationsaustausch vorsehen. Unter der Marginalie "Zuständigkeit" bestimmt Art. 2 StAhiG, dass die ESTV die Amtshilfe aufgrund ausländischer Ersuchen vollzieht. In Art. 9 Abs. 5 sieht das Steueramtshilfegesetz vor, dass die betroffene Person mit Busse bis zu 10'000 Franken bestraft wird, wenn sie einer von der ESTV unter Hinweis auf die Strafdrohung dieser Bestimmung ergangenen vollstreckbaren Verfügung zur ![]() | 8 |
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Als Behörde im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes gelten gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. a VwVG u.a. die den Departementen unterstellten Dienstabteilungen der Bundesverwaltung.
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Der abweichenden Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts kann nicht gefolgt werden. Sie stützt sich darauf, dass sich den Art. 9 Abs. 5 und 10 Abs. 4 StAhiG nichts zur Zuständigkeit der ESTV entnehmen lasse. Bei dieser Argumentation wird ausser Acht gelassen, dass Art. 2 StAhiG die Zuständigkeit der ESTV für sämtliche im StAhiG vorgesehenen Massnahmen begründet und dass sich insbesondere ihre Kompetenz zur in den Art. 9 Abs. 5 und 10 Abs. 4 StAhiG stipulierten Bussenerhebung gestützt auf Art. 5 Abs. 1 StAhiG i.V.m. Art. 41 Abs. 1 lit. c VwVG ergibt. An dieser grundsätzlichen Zuständigkeit der ESTV vermag nichts zu ändern, dass Art. 21a Abs. 5 StAhiG die ESTV im Zusammenhang mit der Bestrafung von Verstössen gegen das Informationsverbot explizit als verfolgende und urteilende Behörde bezeichnet. Die Vorinstanz will daraus e ![]() | 12 |
3.4 An der Zuständigkeit der ESTV vermag auch die Argumentation der Beschwerdegegner, das Akkusationsprinzip (bzw. das Anklageprinzip) werde verletzt, nichts zu ändern. Sie sehen die Verletzung des Anklageprinzips darin, dass es an der notwendigen institutionellen Trennung von Ankläger und Richter zum einen, von Anklage und Urteil zum anderen fehle. Dabei beachten sie jedoch nicht, dass es sich bei den Bussen nach den Art. 9 Abs. 5 bzw. 10 Abs. 4 StAhiG zwar wohl um echte Strafen handelt, diese jedoch der Sache nach in erster Linie ein Mittel des Verwaltungszwangs darstellen. Verwaltungsstrafen sanktionieren Verstösse gegen verwaltungsrechtliche Pflichten und bezwecken damit die Durchsetzung des Verwaltungsrechts. Sie sind insofern ein Mittel des Verwaltungzwangs ![]() | 13 |
Die in den genannten Bestimmungen geregelte Bestrafung von Verfahrenspflichtverletzungen ist nicht Selbstzweck. Sie dient vielmehr der Durchsetzung derjenigen Pflichten, die der betroffenen Person oder dem Informationsinhaber auferlegt sind, um der Steuerbehörde die ordnungsgemässe Abwicklung des Steueramtshilfeverfahrens zu ermöglichen. Erfüllt die betroffene Person oder der Informationsinhaber diese Pflichten nicht, besteht die Gefahr, dass das Amtshilfeverfahren vereitelt wird. Dieser Gefahr war sich der Gesetzgeber bewusst, weshalb er für die Unterlassung der gesetzlich gebotenen Mitwirkung eine Busse vorsah. Konsequenz aus dem Verwaltungszwangscharakter der fraglichen Bussen ist, dass die Auferlegung der Busse als Zwangsmassnahme in der Kompetenz der zuständigen Verwaltungsbehörde verbleibt. Das Anklageprinzip wird dadurch nicht verletzt; vielmehr ist es vollumfänglich dadurch gewahrt, dass es dem Gebüssten offensteht, die Bussenverfügung anzufechten und im gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen. Es verhält sich diesbezüglich analog wie im von den Beschwerdegegnern selber erwähnten Strafbefehlsverfahren. Wenn die Beschwerdegegner argumentieren, für das Strafbefehlsverfahren bestehe anders als vorliegend eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage, so übersehen sie, dass, wie sogleich zu sehen ist (E. 4), mit dem - hier zur Anwendung kommenden - Verwaltungsstrafrecht eine gesetzliche Grundlage gegeben ist.
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4. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob sich das Bundesverwaltungsgericht richtigerweise als nicht zuständig zur Beurteilung der ![]() | 16 |
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4.3 Gemäss Art. 31 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (VGG; SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Nach Art. 32 Abs. 2 lit. b VGG ist die Beschwerde unzulässig gegen Verfügungen, die nach einem anderen Bundesgesetz ![]() | 19 |
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4.5 Am Verwaltungsstrafverfahren wurde insofern schon früh Kritik geübt, als etwa bei gleichzeitigem Erlass von Massnahmen oder Administrativsanktionen, die in einem einzelnen Verwaltungsgesetz vorgesehen sind (z.B. eine Verwarnung, eine Amtsenthebung oder ein Bewilligungsentzug), sowie einer Ordnungsbusse, sich die Verhängung Letzterer nach Verwaltungsstrafverfahren richtet, im Übrigen aber das Verwaltungsverfahrensgesetz anwendbar ist. Entgegen der Regelung im VStrR wäre es vorzuziehen gewesen, ![]() | 21 |
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4.7 Vorliegend steht die Beurteilung der Bussenverfügung der ESTV vom 29. August 2014 zur Diskussion. Gemäss den vorstehenden Feststellungen stellt die Bussenverfügung, entgegen der ![]() | 23 |
4.8 Die Beschwerde der ESTV ist somit insoweit teilweise gutzuheissen, als die Vorinstanz die Zuständigkeit der ESTV zur Ausfällung der Busse nach Art. 9 Abs. 5 StAhiG verneinte und die Nichtigkeit der Bussenverfügung vom 29. August 2014 feststellte. Ziff. 2 des angefochtenen Urteils ist dementsprechend aufzuheben. Dagegen ist das Bundesverwaltungsgericht zu Recht nicht auf die Beschwerde gegen die Bussenverfügung eingetreten, da sich das Verfahren nach Verwaltungsstrafrechtsgesetz richtet und gegen die Bussenverfügung zunächst Einsprache bei der ESTV zu erheben ist. Insoweit ist die Beschwerde abzuweisen.
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