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23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Nikon AG gegen Wettbewerbskommission (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_1065/2014 vom 26. Mai 2016 | |
Regeste |
Art. 25 Abs. 4, Art. 28 Abs. 2, Art. 48 Abs. 1 KG; Art. 3 lit. e und f, Art. 2 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. c, Art. 17 und 19 DSG; Art. 162 StGB; Voraussetzung der Veröffentlichung einer Verfügung der WEKO. |
Umfang von Geschäftsgeheimnissen im KG (E. 5.1 und 5.2). |
Zur Anwendung des Datenschutzgesetzes im Rahmen des Kartellgesetzes (E. 6.1-6.4). | |
Sachverhalt | |
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C. Am 4. Juni 2012 erliess die WEKO folgende Verfügung:
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"Aufgrund des Sachverhalts und der vorangehenden Erwägung verfügt das Sekretariat der Wettbewerbskommission mit einem Mitglied des Präsidiums:
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1. Es wird festgestellt, dass die von Nikon bezeichneten Textstellen hinsichtlich der Randziffern 268, 273, 299, 338, 420, 507, 510, 511 und 515 der Verfügung der Weko vom 28. November 2011 die an Geschäftsgeheimnisse zu stellenden Anforderungen erfüllen und im Rahmen der Publikation abgedeckt werden. Die von Nikon in den Randziffern 390, 393, 410 und 462 der Verfügung der Weko vom 28. November 2011 bezeichneten Bandbreiten werden im Sinne der Erwägungen offengelegt.
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2. Es wird festgestellt, dass die übrigen von Nikon bezeichneten Textstellen die an Geschäftsgeheimnisse zu stellenden Anforderungen nicht erfüllen und folglich im Rahmen der Publikation nicht abgedeckt werden.
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3. Die Verfügung der Wettbewerbskommission vom 28. November 2011 wird - nach Eintritt der Rechtskraft der vorliegenden Verfügung - in der von Nikon mit Schreiben vom 22. Februar 2012 vorgelegten Form veröffentlicht, mit Ausnahme der in Ziffer 1 dieses Dispositives ausdrücklich genannten Textstellen.
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4. Die Verfahrenskosten von insgesamt CHF 7'986.50 werden Nikon im Umfang von 4/7, ausmachend CHF 4'563.70, auferlegt.
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5. [Mitteilung]."
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Dagegen hat die Nikon AG Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht geführt. Dieses hat mit Urteil vom 15. Oktober 2014 entschieden:
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"1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Ziff. 2, 3 und 4 der Verfügung vom 4. Juni 2012 werden insoweit aufgehoben, als die Vorinstanz angewiesen wird, die Textstellen Rz. 89, 154a, 302, 306, 306b und 318 der Verfügung vom 28. November 2011, wie vorstehend wiedergegeben (8.3-8.4), in der Publikation abzudecken.
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3. Soweit weitergehend wird die Beschwerde abgewiesen.
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4. Der Beschwerdeführerin werden die Kosten für das Beschwerdeverfahren in Höhe von Fr. 2'500.-
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auferlegt und nach Rechtskraft dieses Urteils teilweise dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 1'000.- entnommen. Den Restbetrag von Fr. 1'500.- hat sie innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu bezahlen.
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5. Der Beschwerdeführerin wird zulasten der Vorinstanz eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 2'000.-
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(inkl. MWST) zugesprochen.
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6. [Mitteilung]."
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D. Vor Bundesgericht stellt die Nikon AG folgende Begehren:
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"1. Dispositiv Ziffern 2 und 4 des Urteils der Vorinstanz vom 15. Oktober 2014 seien vollumfänglich aufzuheben. Dispositiv Ziffer 3 des Urteils der Vorinstanz vom 15. Oktober 2014 sei in Bezug auf die in Beilage 3 zu dieser Beschwerde bezeichneten Textstellen der Verfügung vom 28. November 2011 aufzuheben.
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2. Die Wettbewerbskommission sei anzuweisen, die in Beilage 3 zu dieser Beschwerde bezeichneten Textstellen der Verfügung vom 28. November 2011 in der publizierten Fassung abzudecken.
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3. Eventualiter zu Rechtsbegehren 2 sei die Wettbewerbskommission anzuweisen, die in Beilage 3 zu dieser Beschwerde bezeichneten Textstellen der Verfügung vom 28. November 2011 in der publizierten Fassung bis zum Eintritt der Rechtskraft der Verfügung vom 28. November 2011 abzudecken.
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4. Sub-eventualiter zu Rechtsbegehren 3 seien die von der Beschwerdeführerin in Beilage 4 zu dieser Beschwerde vorgeschlagenen Texte für die Umschreibung des wesentlichen Inhalts der in Beilage 3 zu dieser Beschwerde bezeichneten Textstellen der Verfügung vom 28. November 2011 zu verwenden.
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5. Sub-sub-eventualiter zu Rechtsbegehren 4 sei die Sache mit der Anweisung, im Sinne der Erwägungen des Bundesgerichts zu entscheiden an die Wettbewerbskommission bzw. an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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6. Es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen. [...]"
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Sie begründete die Beschwerde mit einer Verletzung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK (Unschuldsvermutung), Verfassungs- (Verletzung des Persönlichkeitsrechts, der Unschuldsvermutung, des Verhältnismässigkeitsprinzips und der Begründungspflicht) und Bundesgesetzesrecht (KG, DSG).
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Mit Verfügung vom 12. Dezember 2014 erkannte der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 4 | |
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4.2.2 Nach Art. 48 Abs. 1 KG können die Wettbewerbsbehörden, d.h. u.a. die WEKO und ihr Sekretariat (vgl. etwa TERCIER/MARTENET, in: Droit de la concurrence, Martenet/Bovet/Tercier [Hrsg.],2. Aufl. 2013, N. 13 zu Art. 48 KG), ihre Entscheide veröffentlichen; ![]() | 33 |
Daneben orientieren das Sekretariat und die Wettbewerbskommission die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit (Art. 49 Abs. 1 KG).
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4.2.3 Wie das Wort "können" ausdrückt, steht den Wettbewerbsbehörden ein Ermessen zu (vgl. etwa MOOR/FLÜCKIGER/MARTENET, Droit administratif, Bd. I, 2012, S. 740); die Handhabung dieses Ermessens ist eine Frage der Angemessenheit. Angemessenheit ist die den Umständen angepasste Lösung im rechtlich nicht normierten Handlungsspielraum (BGE 118 Ib 317 E. 3c S. 324) oder Zweckmässigkeit bzw. Opportunität (BGE 129 II 193 E. 5.1 S. 208). Die Frage der Angemessenheit kann sich dementsprechend nur dort stellen, wo das Recht - selbst der Verhältnismässigkeitsgrundsatz - als Regulativ nicht mehr hinkommt (vgl. TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2014, § 26 Rz. 4 Abs. 2). Hält sich die Behörde an den Ermessensspielraum und übt ihr Ermessen unzweckmässig aus, handelt sie unangemessen, aber nicht rechtswidrig. Übt sie dagegen ihr Ermessen in einer Weise aus, dass die getroffene Anordnung dem Zweck der gesetzlichen Ordnung widerspricht, liegt Ermessensmissbrauch vor. Dazu gehört u.a. die unverhältnismässige Handhabung des Ermessens (vgl. MOOR/FLÜCKIGER/MARTENET, a.a.O., S. 743; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., § 26 Rz. 14 und 18).
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4.2.4 Verfügungen haben direkte Wirkung bloss zwischen den Parteien. Insofern würde daher eine Eröffnung nur an diese genügen; Veröffentlichungen sieht das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht deshalb einzig dann vor, wenn eine Eröffnung an die Parteien nicht möglich oder deren ausdrückliche Bezeichnung besonders schwierig ist (vgl. Art. 36 VwVG). Das Kartellgesetz hält demgegenüber fest, dass Verfügungen nicht nur an die Parteien eröffnet werden, sondern auch veröffentlicht werden können. Es beruht auf einem besonderen Grund, dass das KG - was auch für andere wirtschaftsrechtliche Bundesgesetze zutrifft (vgl. dazu etwa WATTER/KÄGI, Öffentliche Information über Verfahren und Entscheide in der Finanzmarktaufsicht - zwischen Transparenz und Pranger, AJP 2005 S. 39 ff.; THOMAS ISELI, Veröffentlichung von Verfügungen durch die FINMA, ![]() | 36 |
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4.2.5.1 Erstens haben Entscheide im Rahmen des Kartellgesetzes einen Einfluss auf das Wirtschaften der Unternehmer; es ist deshalb naheliegend, dass die Verfügungen der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden (u.a. quasi als Warnung: vgl. diesbezüglich auch Art. 10 Abs. 4 UWG [SR 241]), damit diese ihr Verhalten an derPraxis der Wettbewerbsbehörden ausrichten können. Dies ist zum einen wegen der geringen Anzahl von höchstrichterlichen Entscheiden und angesichts der - aufgrund von zu beantwortenden komplexen Fragen - langen Verfahrensdauer und zum anderen wegen der Tatsache, dass nicht jede ursprünglich strittige Frage bis vor das Bundesgericht getragen wird, besonders angezeigt. Insofern dient die Veröffentlichung zunächst der Prävention und der Rechtssicherheit (vgl. STEFAN KOLLER, in: Kartellgesetz, 2007, N. 1 zu Art. 48 KG; TERCIER/MARTENET, a.a.O., N. 8 zu Art. 48 KG; NYDEGGER/NADIG, in: Basler Kommentar, Kartellgesetz[nachfolgend: BSK KG], Amstutz/Reinert [Hrsg.], 2010, N. 7 zu Art. 48 KG).
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4.2.5.2 Die Veröffentlichung von Verfügungen der WEKO dient zweitens auch der Transparenz der Verwaltungsaktivitäten, insb. über die Rechtsanwendung und Rechtsfortentwicklung. Das KG hat deshalb teilweise - wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat - die mit dem Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 2004 (BGÖ; SR 152.3) in der Bundesverwaltung implementierte Politik des "open government", um Informationsbedürfnisse zu befriedigen und zur aktiven Verwaltungskontrolle und zu einem Wandel der Verwaltungskultur beizutragen (vgl. dazu etwa Botschaft vom 12. Februar 2003 zum Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung [Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ], BBl 2003 1963 ff. [nachfolgend: Botschaft BGÖ], 1973 f.; GABOR P. BLECHTA, in: Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, Öffentlichkeitsgesetz [nachfolgend: BSK DSG - BGÖ], 2014, N. 3 ff. zu Entstehung u. Systematik BGÖ), vorweggenommen. Das BGÖ selber ist hier indes nicht anwendbar, allerdings aus einem anderen Grund, als die Beschwerdeführerin geltend macht, gemäss welcher von einem Strafverfahren auszugehen sei. Das Verfahren auf Erlass einer Sanktionsverfügung nach Art. 49a KG stellt kein ![]() | 39 |
Die Veröffentlichung der Verfügung soll zudem auch Auskunft über die Stichhaltigkeit bzw. Nichtstichhaltigkeit der Eröffnung der Untersuchung geben. Es soll mit anderen Worten der der Öffentlichkeit unterbreitete Vorwurf bei Untersuchungseröffnung mit dem begründeten Resultat der Untersuchung von der Öffentlichkeit abgeglichen werden können.
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4.2.5.3 Drittens sollen mit der Veröffentlichung der Verfügungen die verschiedenen, mit Wirtschaftsfragen befassten kantonalen und Bundesbehörden über die Praxis der Spezialisten informiert werden (vgl. TERCIER/MARTENET, a.a.O., N. 9 zu Art. 48 KG). Es geht mit anderen Worten nicht nur darum, dass die WEKO für sich und die Unternehmen ihre Praxis publiziert, sondern zum einen auch für kantonale Behörden für zivilrechtliche Verfahren (vgl. Art. 12 KG) oder für Verwaltungsverfahren (z.B. BGBM [SR 943.02])und zum anderen für andere Bundesbehörden (z.B. BGBM).
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4.2.5.4 Sinn und Zweck der Veröffentlichung der Entscheide der WEKO decken sich somit im Wesentlichen mit dem Sinn und Zweck der Publikation gerichtlicher Entscheide (vgl. PAUL TSCHÜMPERLIN, Die Publikation gerichtlicher Entscheide, in: Kommentar zum Publikationsgesetz des Bundes, Kettiger/Sägesser [Hrsg.], 2011, S. 69 ff., 70). Insofern erachtete der Gesetzgeber eine Parallelität der Publikation von Entscheiden der WEKO und der Gerichte als notwendig, um volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern und somit wirksamen Wettbewerb verwirklichen zu können (vgl. Art. 1 KG). Er nimmt dabei in Kauf, dass publizierte Verfügungen der WEKO in einem späteren Verfahrensstadium auch aufgehoben oder korrigiert werden können.
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Erwägung 5.2 | |
5.2.1 Regelungen über die Beachtung oder über ein Verbot der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen finden sich neben Art. 25 Abs. 4 KG auch in unzähligen anderen Erlassen (z.B. Art. 162, 273 StBG [SR 311.0], Art. 4c, 6 UWG [SR 241], Art. 47 Abs. 1 lit. a BankG[SR 952.0], Art. 65 Abs. 1, Art. 68, 77 Abs. 3, Art. 86e PatG [SR232.14], Art. 27 Abs. 2, Art. 48b DesG [SR 232.12], Art. 26 Abs. 2StromVG [SR 734.7], Art. 51 Abs. 2, Art. 77b URG [SR 231.1]).Alle Formulierungen greifen auf den traditionellen Geheimnisbegriff zurück (vgl. JEAN NICOLAS DRUEY, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, S. 255; TRECHSEL/JEAN-RICHARD, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, Stefan Trechsel und andere [Hrsg.], 2008, N. 2 zu Art. 162 StGB; in Bezug auf das KG ![]() | 47 |
Erwägung 5.2.2 | |
5.2.2.1 Entsprechend diesem Begriff bilden Gegenstand eines Geschäfts geheimnisses (1) alle weder offenkundig noch allgemein zugänglichen Tatsachen (relative Unbekanntheit), (2) die der Geheimnisherr tatsächlich geheim halten will (Geheimhaltungswille) und (3) an deren Geheimhaltung der Geheimnisherr ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse bzw. "un intérêt légitime" bzw. "un interesse legittimo" (objektives Geheimhaltungsinteresse) hat (zum Ganzen BGE 118 Ib 547 E. 5a S. 559; BGE 109 Ib 47 E. 5c S. 56; BGE 103 IV 283 E. 2b und 2c S. 284 ff.; BGE 80 IV 22 E. 2a S. 27 ff.; NIGGLI/HAGENSTEIN, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 10 zu Art. 162 StGB m.H.; DRUEY, a.a.O., S. 255 ff.; TRECHSEL/JEAN-RICHARD, a.a.O., N. 2 zu Art. 162 StGB; BANGERTER, a.a.O., N. 52, 54 zu Art. 25 KG; VINCENT MARTENET, in: Droit de la concurrence, Martenet/Bovet/Tercier [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 44 ff. zu Art. 25 KG; RENFER, a.a.O., S. 697 f.; RAMON MABILLARD, Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2010, N. 8 ff. zu Art. 6 UWG; BALZ STÜCKELBERGER, Unternehmensinformation und Recht, 2004, S. 45 ff.; MARKUS R. FRICK, in: Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb, Hilty/Arpagaus [Hrsg.], 2013, N. 10 ff. zu Art. 6 UWG; BAUDENBACHER/GLÖCKNER, in: Lauterkeitsrecht, Kommentar zum [...] UWG, Baudenbacher [Hrsg.], 2001, N. 30 ff. zu Art. 6 UWG; GEORGES BINDSCHEDLER, Der strafrechtliche Schutz wirtschaftlicher Geheimnisse, 1981, S. 19 ff.; MARTIN SCHNEIDER, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung. Eine rechtssystematische Untersuchung, 1989, S. 45 ff.). Das Interesse an der Geheimhaltung stellt ein objektives Kriterium dar (vgl. NIGGLI/HAGENSTEIN, a.a.O., N. 15 zu Art. 162 StGB; STÜCKELBERGER, a.a.O., S. 47), massgebend ist insofern, ob die Informationen objektiv gesehen als geheimhaltungswürdig gelten.
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5.2.2.2 Im Rahmen des Elementes des berechtigten Geheimhaltungsinteresses stellt sich die Frage, ob auch rechtswidrigen Handlungen und Zuständen, d.h. z.B. Handlungen, die gegen das Gesetz verstossen, Geheimnisschutz zu gewähren ist. Die schweizerische Literatur ist sich hier nicht einig, auch wenn die Mehrheit eher der Auffassung folgt, dass solchen Handlungen der Schutz zu verweigern ![]() | 49 |
5.2.2.3 Ob im Geltungsbereich des KG rechtswidrige Handlungen (z.B. unzulässige Kartellabsprachen [vgl.BAUDENBACHER/GLÖCKNER, a.a.O., N. 52 zu Art. 6 UWG; BINDSCHEDLER, a.a.O., S. 25; BANGERTER, a.a.O., N. 54 zu Art. 25 KG]) und Zustände einen ![]() | 50 |
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(...)
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6.1 Das DSG bezweckt den Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte von Personen, über die Daten bearbeitet werden (Art. 1 DSG), oder mit anderen Worten gelten die Vorschriften des DSG für die Bearbeitung von persönlichen Daten, die den grundrechtlichen Anspruch auf Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV) verletzen können (BGE 138 II 346 E. 3.2 S. 352; BGE 126 II 126 E. 4 S. 130; vgl. WALDMANN/BICKEL, in: Datenschutzrecht, Grundlagen und öffentliches Recht [nachfolgend: Datenschutzrecht], Belser/Epiney/Waldmann [Hrsg.], 2011, § 12 N. 4). Personendaten sind dabei alle Angaben, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare - natürliche oder juristische (Art. 3 lit. b DSG; BGE 136 II 508 E. 3.2 S. 314; STEPHAN C. BRUNNER, Persönlichkeitsschutz bei der behördlichen Information der Öffentlichkeit von Amtes wegen: Ein Leitfaden, ZBl 2010 S. 595 ff., 596) - Person beziehen. Der Begriff ![]() | 55 |
Im vorliegenden Fall handelt es sich beim Inhalt der Verfügung vom 28. November 2011 um Personendaten. Daten über Sanktionen stellen zudem besonders schützenswerte Personendaten dar (Art. 3 lit. c DSG; dazu etwa BLECHTA, in: BSK DSG - BGÖ, a.a.O., N. 43 f. zu Art. 3 DSG), was vorliegendenfalls ebenfalls zutrifft. Bearbeiten umfasst das Bekanntgeben (Art. 3 lit. e DSG) und dieses wiederum das Veröffentlichen (Art. 3 lit. f DSG). Art. 48 Abs. 1 KG spricht von "Veröffentlichung" und meint dasselbe wie Art. 3 lit. f DSG.
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Zu beachten ist allerdings, dass der Gesetzgeber in bereichsspezifischen Regelungen von den im DSG vorgesehenen Prinzipien, Grundsätzen oder Ansprüchen abweichen kann, so dass einzelnen Bestimmungen des DSG daneben (materiell) keine eigenständige Bedeutung mehr zukommt (vgl. BGE 126 II 126 E. 5b S. 132 f.; EPINEY/CIVITELLA/ZBINDEN, Datenschutzrecht in der Schweiz, 2009, S. 41).
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Erwägung 6.4 | |
6.4.1 Für das Bearbeiten von Personendaten durch Bundesorgane bedarf es einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Art. 5 Abs. 1 BV). Das ![]() | 60 |
Besteht nach Art. 19 Abs. 1 ff. DSG eine gesetzliche Grundlage für die Bekanntgabe von Personendaten, so lehnt nach Art. 19 Abs. 4 lit. a und b DSG das Bundesorgan die Bekanntgabe trotzdem ab, schränkt sie ein oder verbindet sie mit Auflagen, wenn wesentliche öffentliche Interessen oder offensichtlich schutzwürdige Interessen einer betroffenen Person oder gesetzliche Geheimhaltungspflichten oder besondere Datenschutzvorschriften es verlangen. Insofern bedarf es einer Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem privaten Geheimhaltungsinteresse (vgl. WALDMANN/BICKEL, a.a.O., § 12 N. 91; EPINEY/CIVITELLA/ZBINDEN, a.a.O., S. 53; YVONNE JÖHRI, in: Handkommentar zum Datenschutzgesetz, Rosenthal/Jöhri [Hrsg.], 2008, N. 98 zu Art. 19 DSG).
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6.4.2 Art. 48 Abs. 1 KG bildet die nach Art. 19 Abs. 1 DSG erforderliche formell gesetzliche Grundlage, um Personendaten zu ![]() | 62 |
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Nach Art. 48 Abs. 1 KG ist die Veröffentlichung von Verfügungen zulässig. Geschäftsgeheimnisse dürfen bei Veröffentlichungen der Wettbewerbsbehörden nicht preisgegeben werden (Art. 25 Abs. 4 KG). Auch im DSG werden in Art. 19 Abs. 4 lit. b Geheimhaltungspflichten (= Nichtveröffentlichung von Geschäftsgeheimnissen) erwähnt. Allerdings unterliegen diese einer Interessenabwägung (WALDMANN/BICKEL, a.a.O., § 12 N. 93), woraus nicht in jedem Fall eine Verweigerung einer Bekanntgabe folgt (vgl. BGE 124 III 170 E. 3 S. 170 ff.; EPINEY/CIVITELLA/ZBINDEN, a.a.O., S. 53; JÖHRI, a.a.O., N. 103 ff. zu Art. 19 DSG; WALDMANN/BICKEL, a.a.O., § 12 N. 93). Das KG ist demgegenüber bei Veröffentlichungen der Wettbewerbsbehörden strikter: Geschäftsgeheimnisse dürfen nicht preisgegeben werden (vgl. nicht publ. E. 5.3.2). Insofern hat der Gesetzgeber in Bezug auf die Veröffentlichungen der Wettbewerbsbehörden, welche Geschäftsgeheimnisse enthalten können, bereits im KG die Abwägung mit den relevanten öffentlichen und privaten Interessen vorgenommen und die Veröffentlichung von Personendaten, welche Geschäftsgeheimnisse darstellen, untersagt. Dies ist angesichts der kartellrechtlichen Orientierung am Wettbewerb als solchem und insbesondere an der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit Einzelner (vgl. KÜNZLER, a.a.O., S. 318) auch naheliegend; eine Bekanntgabe von Geschäftsgeheimnissen im Rahmen der Publikation von Verfügungen nach einer erfolgten Interessenabwägung nach Art. 19 Abs. 4 DSG könnte eine verfassungswidrige Wettbewerbsverfälschung darstellen. ![]() | 64 |
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