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9. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Greenpeace Schweiz gegen Kernkraftwerk Leibstadt AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_394/2016 vom 27. September 2017 | |
Regeste |
Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 und Art. 9 BGÖ; Art. 4 Abs. 1 Aarhus-Konvention; Art. 10g USG; Art. 19 Abs. 1bis DSG; Gesuch um Zugang zu den Abluftdaten (sog. EMI-Daten) am Kamin des Kernkraftwerks Leibstadt (KKL). |
Informationen über Emissionen stellen grundsätzlich keine Geschäftsgeheimnisse im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. g BGÖ bzw. Art. 4 Abs. 4 lit. d Aarhus-Konvention dar (E. 3.1). |
Die Güterabwägung nach Art. 19 Abs. 1bis lit. b DSG zwischen dem öffentlichen Zugangsinteresse und den - in erster Linie - privaten Interessen am Schutz von Personendaten kann in Umweltangelegenheiten in einem Spannungsverhältnis zum Ausnahmegrund von Art. 4 Abs. 4 lit. f Aarhus-Konvention stehen, zumal dieser einzig personenbezogene Daten von natürlichen, nicht aber von juristischen Personen - wie hier diejenigen des KKL - schützt. (E. 4.4-4.10). | |
Sachverhalt | |
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Das ENSI teilte Greenpeace mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 mit, es könne dem Gesuch nicht entsprechen, da man nicht mehr über ![]() | 2 |
B. Nachdem Greenpeace beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) einen Schlichtungsantrag gestellt hatte, regte dieser mit Empfehlung vom 5. Oktober 2015 an, das ENSI solle sich die im Gesuch genannten Abluftdaten wiederbeschaffen und Greenpeace den Zugang dazu gewähren. Ausserdem solle es die Emissionsdaten der Kaminabluft von Kernkraftwerken gestützt auf Art. 19 der Verordnung vom 24. Mai 2006 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (VBGÖ; SR 152.31) auf seiner Website publizieren.
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C. Die Kernkraftwerk Leibstadt AG verlangte daraufhin vom ENSI den Erlass einer Verfügung im Sinne von Art. 15 BGÖ. In dieser verpflichtete das ENSI die Kernkraftwerk Leibstadt AG dazu, innert 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft seines Entscheids die Abluftdaten am Kamin des KKL (sog. EMI-Daten) aus dem Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 1. November 2014 auf einem elektronischen Datenträger einzureichen, so dass Greenpeace der Zugang dazu gewährt werden könne (Dispositiv-Ziff. 1). Ausserdem verzichte es ab Rechtskraft der Verfügung auf die automatische Löschung von EMI-Daten des KKL bzw. bewahre diese systematisch auf (Dispositiv-Ziff. 2) und veröffentliche sie jeweils monatsweise gebündelt, zusammen mit den Abgabebilanzen der Kaminabluft, auf seiner Website (Dispositiv-Ziff. 3).
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Die dagegen von der Kernkraftwerk Leibstadt AG erhobene Beschwerde hiess das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 15. Juni 2016 (A-7874/2015) gut und hob die Verfügung des ENSI vom 3. November 2015 auf (Urteilsdispositiv-Ziff. 1). Es auferlegte Greenpeace die Verfahrenskosten von Fr. 2'000.- (Urteilsdispositiv-Ziff. 2) und verpflichtete sie, die Kernkraftwerk Leibstadt AG mit Fr. 15'000.- zu entschädigen (Urteilsdispositiv-Ziff. 3).
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D. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 25. August 2016 gelangt Greenpeace an das Bundesgericht und beantragt, Dispositiv-Ziffer 1 des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts sei insoweit aufzuheben, als damit Dispositiv-Ziffer 1 der Verfügung des ENSI aufgehoben worden sei. Die Kernkraftwerk Leibstadt AG sei zu verpflichten, dem ENSI innert 30 Tagen nach Erlass des bundesgerichtlichen Urteils die Abluftdaten am Kamin des KKL (sog. ![]() | 6 |
E. Das Bundesgericht hat die Angelegenheit am 27. September 2017 öffentlich beraten.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
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Gemäss den für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) sind die am Kamin des KKL angebrachten Messgeräte zur Erfassung von EMI-Daten so kalibriert, dass sie in Notfallsituationen, mithin bei der Abgabe grosser Mengen von radioaktiven Stoffen, realistische Werte liefern können. Unter Normalbedingungen dient die kontinuierliche Datenübermittlung an das ENSI einer Funktionskontrolle des Messsystems. Obschon die radioaktiven Abgaben im Normalbetrieb sehr gering sind, liegen sie nur teilweise unterhalb der Nachweisgrenze, was auch die ins Recht gelegten Messreihen des KKL belegen. Diesfalls vermögen sie, auch wenn sie sich unterhalb der sog. ![]() | 12 |
Im Weiteren ist dem von der Beschwerdeführerin gestellten Zugangsgesuch zu entnehmen, dass es ihr offensichtlich nicht darum geht, Einsicht in die Rohdaten (als sog. ASCII-Datei) zu erhalten. Vielmehr bezweckt ihr Begehren, diese in einer lesbaren Form erhältlich zu machen. Da das ENSI gemäss den Darlegungen der Vorinstanz dazu bereit ist, den Aufwand für die Erstellung eines Dokuments aus den ihm übermittelten EMI-Daten selbst zu tragen, kann mit der Vorinstanz dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Datenumwandlung um einen einfachen elektronischen Vorgang im Sinne von Art. 5 Abs. 2 BGÖ handelt. Diese Problematik wird denn auch von den Parteien im bundesgerichtlichen Verfahren nicht mehr aufgegriffen.
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2.4.1 Unstreitig ist vorliegend, dass das ENSI nicht mehr über die anbegehrten EMI-Daten verfügt, da sie gelöscht worden sind. Gemäss Art. 96 Abs. 5bis der Strahlenschutzverordnung vom 22. Juni 1994 (StSV; SR 814.501) kann das ENSI bei Betrieben, bei denen ![]() | 16 |
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Die Vorinstanz wandte einen überzeugenden, differenzierenden Ansatz an. Sie erwog, dass es stossend wäre, wenn sich eine Behörde ihrer Offenlegungspflicht gemäss BGÖ entziehen könnte, indem sie sich bestimmter Dokumente entledigte. Diesfalls erscheine es gerechtfertigt, eine Wiederbeschaffungspflicht zu bejahen. Dasselbe gelte auch insoweit, als Dokumente in der Obhut einer Behörde verloren gingen. Demgegenüber dürfte eine Pflicht zur Wiederbeschaffung abzulehnen sein, wenn die Behörde den Besitz an einem Dokument rechtmässig oder vorschriftsgemäss aufgegeben habe, namentlich weil die damit verbundene Aufgabe erfüllt sei (vgl. E. 6.3.1 des angefochtenen Entscheids).
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2.4.4 Die Beschwerdeführerin bringt ferner vor, die Löschung der dem ENSI übermittelten EMI-Daten verstosse gegen dessen Pflicht zur systematischen Aktenführung. Dabei beruft sie sich auf die Weisungen vom 13. Juli 1999 über die Aktenführung in der Bundesverwaltung, die vom Eidgenössischen Departement des Innern gestützt auf Art. 8 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (RVOG; SR 172.010) i.V.m. Art. 22 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 2 lit. k der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 1998 (RVOV; SR 172.010.1) erlassen worden sind. Danach unterstützt die Aktenführung die Geschäftsbearbeitung und sichert ein nachvollziehbares und transparentes Verwaltungshandeln (Art. 2 Abs. 1); sie ermöglicht der Verwaltung namentlich, Dritten Rechenschaft über ihre geschäftlichen Aktivitäten abzulegen (Art. 2 Abs. 2 lit. c). Die Geschäftstätigkeit der Verwaltungseinheiten stützt sich unter anderem auf die ordnungsgemässe Aktenführung; diese besteht aus der systematischen Aufzeichnung des Geschäftsprozesses (Aktenbildung) sowie der Verwaltung der dabei entstehenden Unterlagen (Art. 4 Abs. 1). Diese müssen ![]() | 20 |
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Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, dass die Übermittlung der EMI-Daten ausserhalb von Notfallsituationen, wie bereits dargelegt (vgl. E. 2.2 f. hiervor), das störungsfreie Funktionieren der Messsysteme am Abluftkamin nachzuweisen bezweckt. Der Datentransfer steht insoweit im Zusammenhang mit einer öffentlichen Aufgabe, zumal er die vom ENSI über die Kernkraftwerkbetreiberinnen im Rahmen der Sicherheitsvorsorge ausgeübte aufsichtsrechtliche Kontrolltätigkeit unterstützt. Die Übertragung der EMI-Daten unter Normalbedingungen kann aber auch als Nachweis dafür dienen, dass für das ENSI aufgrund der geringen Menge der durch das Kernkraftwerk an die Luft abgegebenen radioaktiven Stoffe kein Anlass bestand, Schutzvorkehrungen oder sonstige Massnahmen zu treffen. Insofern ist die Datenweitergabe auch im Normalbetrieb geschäftsrelevant, erlaubt sie es doch, das Verwaltungshandeln und die Prozessabläufe nachzuvollziehen. Da die Emissionen radioaktiver Stoffe in der Abluft überdies die Nachweisgrenzen der Messgeräte teilweise erreichen, unterscheiden sich die anbegehrten EMI-Daten mit Blick auf ihren Informationsgehalt denn auch von Dokumententypen wie Adressverzeichnissen, Kalendern, Abwesenheitsmeldungen, Reiseunterlagen oder Telefonlisten, die das Schweizerische Bundesarchiv (BAR) als Beispiele für in Negativlisten aufzunehmende Unterlagen aufführt (vgl. BAR, Merkblatt Negativliste, abrufbar unter www.bar.admin.ch/bar/de/home/informationsmanagement/geschaeftsverwaltung.html, besucht am 27. September 2017).
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Das ENSI hält die Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht der Kernkraftwerkbetreiberinnen während der Betriebsdauer unter gleichzeitiger Löschung der ihm von diesen in Normalsituationen übermittelten EMI-Daten für sachgerecht, weil dadurch Doppelspurigkeiten vermieden werden könnten. Damit lässt sich zwar die im ANPA-Reglement vorgesehene Datenlöschung durch das ENSI erklären. Diese kann aber nicht zur Folge haben, dass die nachgesuchten EMI-Daten nicht mehr als im Besitz der Behörde im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. b BGÖ zu betrachten sind. Da es sich dabei um aufzuzeichnende Informationen handelt, die für den Nachweis der Geschäfts- und Verwaltungstätigkeit von Bedeutung sind, lässt sich aus der Vermeidung von Doppelspurigkeiten vielmehr schliessen, dass die Kernkraftwerkbetreiberinnen die EMI-Daten während der Betriebsdauer stellvertretend für das ENSI aufbewahren, bevor sie diesem nach Abschluss der Stilllegung der Kernkraftwerke wieder zu übergeben sind. Die (vorübergehende) Datenaufgabe bzw. der mit der Auslagerung der Datenaufbewahrung verbundene Verlust der tatsächlichen Verfügungsgewalt lässt somit das Kriterium des Besitzes gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. b BGÖ nicht dahinfallen. Anders zu entscheiden hiesse, dass der Zugangsanspruch zu EMI-Daten, die älter als 30 Tage sind, während der Betriebsdauer des Kernkraftwerks zu verneinen, nach Abschluss seiner Stilllegung aber zu bejahen wäre, da das ENSI alsdann wieder über die anbegehrten Daten verfügen würde. Dies ergäbe wenig Sinn.
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2.4.6 Zum selben Ergebnis führt auch die Auslegung des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention; SR 0.814.07). Dieses verpflichtet in seinem Art. 4 Abs. 1 die ![]() | 25 |
Wie das BGÖ verpflichtet aber auch die Aarhus-Konvention die Behörden nicht dazu, in umfassender Weise Zugang zu Umweltinformationen zu gewähren; vielmehr sind Ausnahmen möglich. Insofern kann gemäss Art. 4 Abs. 3 lit. a Aarhus-Konvention ein Antrag auf Information über die Umwelt abgelehnt werden, wenn die Behörde, an die der Antrag gerichtet ist, nicht über die beantragten Informationen verfügt. Diese Bestimmung deckt sich mit jener in Art. 5 Abs. 1 lit. b BGÖ (vgl. Botschaft vom 28. März 2012 zur Genehmigung und Umsetzung der Aarhus-Konvention und von deren Änderung, BBl 2012 4323, 4353 f. Ziff. 3.2.2; SALOME SIDLER, La ratification projetée par la Suisse: impact et enjeux de la Convention d'Aarhus pour le droit fédéral, URP 2009 S. 735; ALEXANDRE FLÜCKIGER, La transparence des administrations fédérales et cantonales à l'épreuve de la Convention d'Aarhus sur le droit d'accès à l'information environnementale [nachfolgend: La transparence], URP 2009 S. 770). Nach den Materialien und der Lehre greift dieser Ablehnungsgrund aber nicht, wenn die Behörde Umweltinformationen Dritter, über die zu verfügen sie berechtigt ist, aus praktischen Gründen bei diesen belässt, ansonsten der Umfang des Zugangsanspruchs im Belieben der Behörde stünde (vgl. United Nations Economic Commission for Europe, The Aarhus Convention, An Implementation Guide, 2. Aufl. 2014, S. 83; DANIELA THURNHERR, Öffentlichkeit und ![]() | 26 |
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Die Vorinstanz lehnte eine solche zwar mit der Begründung ab, die Beschwerdegegnerin sei mit der laufenden Datenübermittlung zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 1. November 2014 ihren Verpflichtungen gemäss Art. 96 Abs. 5bis StSV bzw. dem ANPA-Reglement nachgekommen; eine erneute Herausgabe lediglich zum Zweck der Zugangsgewährung könne weder aus diesen Bestimmungen noch aus dem BGÖ abgeleitet werden. Diese Argumentation greift jedoch zu kurz. Es leuchtet nicht ein, weshalb das ENSI, das die Kernkraftwerkbetreiberinnen gestützt auf Art. 96 Abs. 5bis StSV zur permanenten Übertragung der EMI-Daten anhalten kann, nicht auch befugt sein soll, diese zur erneuten Übermittlung eines bereits gelieferten Datensatzes zu verpflichten. Dies umso mehr, als die Beschwerdegegnerin als Kernkraftwerkbetreiberin nach dem Vorerwähnten die EMI-Daten während der Betriebsdauer bis zum Abschluss der Stilllegung bloss stellvertretend für das ENSI aufbewahrt. Überdies sind gemäss Art. 73 Abs. 1 des Kernenergiegesetzes vom 21. März 2003 (KEG; SR 732.1) der Aufsichtsbehörde sämtliche Auskünfte zu geben und Unterlagen einzureichen oder auf Verlangen herauszugeben, die für eine umfassende Beurteilung oder Kontrolle erforderlich sind (vgl. ähnlich Art. 35 Abs. 2 des Strahlenschutzgesetzes vom 22. März 1991 [StSG; SR 814.50]). Es ist somit nicht ersichtlich,weshalb das ENSI die anbegehrten EMI-Daten nicht gestützt auf die ![]() | 28 |
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Die Beschwerdegegnerin räumt zwar ein, dass Emissionen als solche grundsätzlich keine Geschäftsgeheimnisse darstellen. Damit trägt sie Art. 4 Abs. 4 lit. d Aarhus-Konvention Rechnung, wonach Informationen über Emissionen, die für den Schutz der Umwelt von Bedeutung sind, bekanntzugeben sind (Satz 2). Sie sieht ihre Geschäftsgeheimnisse aber insoweit gefährdet, als durch eine ![]() | 32 |
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Erwägung 4 | |
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4.2 Der im BGÖ verwendete Begriff der Personendaten entspricht dem Begriff, wie er in Art. 3 DSG definiert wird (vgl. Botschaft zum BGÖ, BBl 2003 1963, 2016 Ziff. 2.2.3.4). Nach Art. 3 Abs. 1 lit. a DSG ![]() | 36 |
Bei den dem ENSI übermittelten EMI-Daten handelt es sich um Emissionsmesswerte der radioaktiven Stoffe in der Abluft des KKL. Sie lassen sich direkt mit der Beschwerdegegnerin in Verbindung bringen. Dieser ist daher darin beizupflichten, dass es sich bei den anbegehrten Informationen um Personendaten handelt.
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Ist eine Anonymisierung nicht möglich, muss das Zugangsgesuch nach Art. 19 DSG beurteilt werden (Art. 9 Abs. 2 Satz 1 BGÖ).
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Die zweite Voraussetzung verlangt nach einer Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Zugang zu den amtlichen Dokumenten und den - in erster Linie - privaten Interessen am Schutz der darin enthaltenen Personendaten (vgl. Botschaft zum BGÖ, BBl 2003 1963, 2033 Ziff. 2.5.2.1; EHRENSPERGER, a.a.O., N. 44 zu Art. 19 DSG; AMMANN/LANG, a.a.O., S. 924; SCHEFER, a.a.O., S. 88). Dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Schutz der Privatsphäre im Rahmen von Art. 19 Abs. 1bis lit. b DSG zu berücksichtigen sind, lässt sich bereits aus dem Zweckartikel des DSG (vgl. Art. 1 DSG) sowie aus Art. 13 BV herleiten. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gewährleistet Art. 13 BV allgemein das Recht auf eine Privat- und Geheimsphäre, wobei Abs. 2 im Besonderen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt. Dieser Anspruch impliziert, dass jede Person gegenüber fremder, staatlicher oder privater Bearbeitung von sie betreffenden Informationen bestimmen können muss, ob und zu welchem Zweck diese Informationen über sie bearbeitet werden (BGE 140 I 2 E. 9.1 S. 22 f., BGE 140 I 381 E. 4.1 S. 384; BGE 138 II 346 E. 8.2 S. 359 f.; BGE 129 I 232 E. 4.3.1 S. 245; je mit Hinweisen).
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Demgegenüber gilt das DSG für das Bearbeiten von Daten natürlicher und juristischer Personen durch Bundesorgane (Art. 2 Abs. 1 lit. b DSG; BGE 142 II 268 E. 6.2 S. 280; BGE 126 II 126 E. 5a/aa S. 131). Der Begriff des Bearbeitens umfasst aus datenschutzrechtlicher Sicht auch die Bekanntgabe, d.h. das Einsichtgewähren, Weitergeben oder ![]() | 45 |
4.7 Die Vorinstanz räumte den Interessen an der Geheimhaltung der nachgesuchten EMI-Daten den Vorrang ein. Sie erwog im Wesentlichen, die Daten seien während des Normalbetriebs des Kernkraftwerks nur von beschränkter Aussagekraft. Wenngleich bereits mehrere Zugangsgesuche dazu gestellt worden seien, lasse dies nicht auf ein (genügend) breites öffentliches Interesse an deren Bekanntgabe schliessen. Dies umso weniger, als das ENSI die Ergebnisse des Messsystems zur automatischen Dosisüberwachung in der Umgebung der Kernkraftwerke (sog. MADUK-Daten) sowie die bilanzierten radioaktiven Abgaben, die repräsentativ für die radiologische Bewertung des Normalbetriebs seien, auf seiner Website veröffentliche. Demgegenüber sei die Beschwerdegegnerin als ![]() | 46 |
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4.9 Demgegenüber ist von einem gewichtigen öffentlichen Interesse an deren Offenlegung auszugehen. Neben dem allgemeinen, durch das Öffentlichkeitsprinzip statuierten öffentlichen Interesse an der Transparenz der Verwaltungstätigkeit ist zu berücksichtigen, dass gemäss den vorinstanzlichen Erwägungen die durch das KKL an die Luft abgegebenen radioaktiven Stoffe auch im Normalbetrieb ![]() | 48 |
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann diesem verstärkten Bedürfnis nach Transparenz nicht mit der Veröffentlichung der MADUK-Daten bzw. der bilanzierten Abgabedaten auf der Homepage des ENSI nachgekommen werden. Bei Ersteren handelt es sich nach ihren Darlegungen um Informationen, die das ENSI anhand eines eigenen Messsystems erhebt, das insgesamt 57 Immissionsmessstationen in vier Teilnetzen mit je zwölf bis 17 Stationen im Umkreis von rund sechs Kilometern um die schweizerischen Kernkraftwerke (und das Paul Scherrer Institut) umfasst (vgl. E. 4.2 des angefochtenen Entscheids). Obschon diese Messstationen relativ nahe an der hier interessierenden Emissionsquelle liegen, vermögen sie den - auch nur ungefähren - Beitrag des KKL an die auf den ![]() | 49 |
4.10 Im Ergebnis vermögen die geltend gemachten privaten Interessen an einer Zugangsverweigerung zu den nachgesuchten EMI-Daten des KKL nicht gegen das durch das Öffentlichkeitsprinzip statuierte Transparenzinteresse aufzukommen. Insofern hält die von der Vorinstanz vorgenommene Interessenabwägung, bei der es sich entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht um einen Ermessensentscheid handelt, nicht vor Bundesrecht stand. Da die Beschwerdegegnerin bereits im Sinne von Art. 11 Abs. 1 BGÖ angehört worden ist, kann der Beschwerdeführerin der Zugang zu den anbegehrten EMI-Daten des KKL für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 1. November 2014 gewährt werden. Diesem steht das durch die Beschwerdegegnerin vorgebrachte Zweckbindungsgebot gemäss Art. 4 Abs. 3 DSG, wonach die Beschaffung von Personendaten und insbesondere der Zweck ihrer Bearbeitung für die betroffene Person erkennbar sein muss, nicht entgegen: Daten werden in aller Regel nicht mit dem Ziel erhoben, diese auf ein individuelles Zugangsgesuch gemäss BGÖ hin zugänglich zu machen. Verneinte man deshalb die Bekanntgabe der in einem amtlichen Dokument enthaltenen Informationen gestützt auf das Zweckbindungsgebot, würde der mit dem BGÖ vollzogene Paradigmenwechsel hin zum Öffentlichkeitsprinzip weitgehend ausgehöhlt. Für den Grundsatz der ![]() | 50 |
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