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12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Kantonales Steueramt St. Gallen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_884/2018 vom 30. Januar 2019 | |
Regeste |
Art. 135 Ziff. 1 OR; Art. 120 Abs. 3 lit. b DBG; Art. 47 Abs. 1 StHG. Nur die "ausdrückliche" Anerkennung der Steuerforderung unterbricht den Lauf der direktsteuerlichen Verjährung. | |
Sachverhalt | |
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Am 29. Dezember 2014 teilte das KStA/SG der Steuerpflichtigen mit, mangels vollständiger Unterlagen könne die Veranlagung 2008 noch nicht vorgenommen werden. Mit dem vorliegenden Schreiben werde der Lauf der Veranlagungsverjährung unterbrochen. Am 18. Dezember 2015 erging ein gleiches Schreiben zur Steuerperiode 2009. In der Folge setzte das KStA/SG die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons St. Gallen und die direkte Bundessteuer, Steuerperioden 2008-2010, mit Veranlagungsverfügungen vom 6. April 2016 fest. Die Steuerpflichtige focht die Verfügungen an. In den Einspracheentscheiden vom 3. Januar 2017 (2008 und 2009) bzw. 4. Januar 2017 (2010) erkannte das KStA/SG, die Einrede der Veranlagungsverjährung sei unbegründet (2008-2010). Die Verwaltungsrekurskommission bestätigte dies am 20. Juni 2017.
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Die Steuerpflichtige rief das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen an, das die Beschwerden am 27. August 2018 abwies. Das Verwaltungsgericht erkannte, mit ihren E-Mails vom 29. Oktober 2010 bzw. 20. Januar 2011 (Steuerperiode 2008) und den Steuererklärungen vom 15. März 2011 bzw. 19. Juli 2011 (Steuerperioden 2009 und 2010) habe die Steuerpflichtige die laufende Veranlagungsverjährung unterbrochen. Die Veranlagungsverfügungen vom 6. April 2016 seien ![]() | 3 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Steuerpflichtigen ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
II. Direkte Bundessteuer
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Erwägung 2 | |
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Erwägung 2.2 | |
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"Die Verjährung beginnt neu mit (...) jeder ausdrücklichen Anerkennung der Steuerforderung durch den Steuerpflichtigen oder den Mithaftenden."
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"Un nouveau délai de prescription commence à courir (...) lorsque le contribuable ou une personne solidairement responsable avec lui reconnaît expressément la dette d'impôt."
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"Un nuovo termine di prescrizione decorre con (...) ogni riconoscimento esplicito del debito fiscale da parte del contribuente o del corresponsabile dell'imposta."
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Die direkte Gegenüberstellung zeigt auf, dass die drei Sprachfassungen im hier wesentlichen Punkt grammatikalisch übereinstimmen: Verjährungsunterbrechend ist das Verhalten der steuerpflichtigen oder der mithaftenden Person nur, aber immerhin, falls und soweit die Anerkennung der Steuerforderung (dette d'impôt, debito fiscale) "ausdrücklich", "expressément" oder "esplicito" erfolgt.
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2.2.3 Besonders bedeutsam für die Auslegung von Art. 120 Abs. 3 lit. b DBG ist aus naheliegenden Gründen das harmonisierte Steuerrecht von Kantonen und Gemeinden. Die Veranlagungsverjährung findet in Art. 47 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14] lediglich eine rudimentäre Regelung. Der Gesetzgeber ergänzt einzig, dass die Veranlagungsverjährung bei Stillstand oder Unterbrechung "spätestens 15 Jahre" nach Ablauf der Steuerperiode eintrete. Auf diese Weise ermöglicht er es den Kantonen und Gemeinden, die Veranlagungsverjährung kantonal- und kommunalrechtlich bereits vor Ablauf der bundesrechtlichen 15-jährigen Frist eintreten zu lassen (so etwa die zehnjährige Frist gemäss Art. 125 Abs. 4 des Steuergesetzes des Kantons Graubünden vom 8. Juni 1986 [StG/GR; BR 720.000] in der inzwischen revidierten Fassung vom 10. März 1996; dazu BGE 144 II 427 E. 9 S. 451). Das Nähere zu Stillstand und Unterbrechung bleibt ungeregelt (dazu MICHAEL BEUSCH, in: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und der Gemeinden [StHG] ![]() | 14 |
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2.2.6 Der konzeptionelle Unterschied zwischen Art. 120 Abs. 3 lit. b DBG bzw. Art. 47 Abs. 1 StHG einerseits und Art. 135 Ziff. 1 OR ![]() | 17 |
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2.2.8 Gleich verhält es sich mit einer vorbehaltlos beglichenen Ratenzahlung (auch dazu BGE 90 I 18 E. 2b S. 25; MARKUS BINDER, Die Verjährung im schweizerischen Steuerrecht, 1985, S. 281). Im Bereich der Mehrwertsteuer ist an die Quartals- oder Semesterabrechnungen zu denken, auch an später nachgereichte ![]() | 19 |
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Erwägung 3 | |
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Erwägung 3.2 | |
3.2.1 Zunächst ist die Steuerperiode 2008 zu prüfen. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen trat das KStA/SG mit Schreiben vom 29. Dezember 2014 an die Steuerpflichtige heran. Zu Ratenrechnungen, früheren Korrespondenzen und dergleichen hat die ![]() | 22 |
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3.2.4 Die in Gang gesetzte neue Frist endete zuletzt am 20. Januar 2016. Die Veranlagungsverfügung 2008 erging freilich erst am 6. April 2016. Das KStA/SG war allerdings mit Schreiben vom 29. Dezember 2014 an die Steuerpflichtige gelangt, unter anderem in der ![]() | 25 |
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Erwägung 3.3 | |
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3.3.2 Die Steuerpflichtige macht geltend, die Vorinstanz habe den Rechtsbegriff der "ausdrücklichen Anerkennung der Steuerforderung" geradezu "widerrechtlich extensiv" ausgelegt. Dem ist nicht zu folgen. Eine vollständig ausgefüllte, eigenhändig unterzeichnete und vorbehaltlos eingereichte Steuererklärung stellt eine ausdrückliche Anerkennung der Steuerpflicht dar (vorne E. 2.2.7). Wollte man der Steuerpflichtigen folgen, wäre anzunehmen, dass der Steuererklärung gewissermassen ein genereller Vorbehalt innewohnt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Veranlagungsbehörde hätte sonst in jedem einzelnen Fall abzuklären, ob die Mitwirkungspflicht (Art. 124 und 125 DBG) mit oder ohne Vorbehalt wahrgenommen worden sei. Das Verfahren der gemischten Veranlagung, wie es die direkte Bundessteuer beherrscht (Art. 123 Abs. 1 DBG; BGE 142 II 69 E. 5.1 S. 76), würde dadurch geradezu ad absurdum geführt. Denn dem ![]() | 28 |
3.3.3 Die Steuerpflichtige hat hinsichtlich ihrer grundsätzlich vollständig ausgefüllten Steuererklärungen 2009 und 2010 keinen Vorbehalt angebracht. Den Eingaben vom 15. März 2011 und vom 19. Juli 2011 kommt verjährungsunterbrechende Wirkung zu. Das KStA/SG unterbrach den Lauf der Verjährung zur Steuerperiode 2009 mit unbestrittenem Schreiben vom 18. Dezember 2015. Die Veranlagungsverfügungen 2009 und 2010 ergingen in der Folge am 6. April 2016, was in beiden Fällen rechtzeitig war. Die Einrede der Verjährung erweist sich auch hinsichtlich der Steuerperioden 2009 und 2010 als unbegründet.
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