BGE 146 II 80 | |||
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8. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Helvetia Nostra gegen Baugesellschaft B. und Gemeinde Laax (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_161/2019 vom 23. Januar 2020 | |
Regeste |
Art. 75b BV; Art. 26 ZWG; Baugesuch für Zweitwohnungen gestützt auf einen projektbezogenen Sondernutzungsplan, der vor Aufnahme des Zweitwohnungsartikels in die Bundesverfassung genehmigt wurde. | |
Sachverhalt | |
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Am 4. November 2011 verabschiedeten die Stimmberechtigten der Gemeinde Laax eine Gesamtrevision der Ortsplanung. Ein Bestandteil des Revisionsvorhabens bildete das kommunale Gesetz über die Einschränkung und Lenkung des Zweitwohnungsbaus und zur Förderung von Erstwohnungen und gewerblichen Nutzungen. Mit Beschluss vom 8. Mai 2012 genehmigte die Regierung des Kantons Graubünden die Gesamtrevision.
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Nachdem fünf Mehrfamilienhäuser (Etappen 1 bis 5) gebaut und für zwei weitere (Etappen 6 und 7) die Baubewilligungen erteilt worden waren, reichte die Baugesellschaft B. Baugesuche für die Mehrfamilienhäuser G und F (Etappen 8 und 9) ein. Diese Baugesuche wurden am 17. November 2017 publiziert. Am 6. Dezember 2017 erhob der Verein Helvetia Nostra Einsprache und machte geltend, dass die Erstellung neuer Zweitwohnungen unzulässig sei. Der Gemeindevorstand wies die Einsprache am 6. Februar 2018 ab und erteilte mit separatem Entscheid gleichen Datums die Baubewilligungen.
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Eine von Helvetia Nostra dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Urteil vom 12. Februar 2019 ab, soweit es darauf eintrat. Zur Begründung führte es insbesondere aus, die Baubewilligungen stützten sich auf einen projektbezogenen Sondernutzungsplan, der auf die Erstellung von Zweitwohnungen ausgerichtet sei, und könnten nach Art. 26 des Bundesgesetzes vom 20. März 2015 über Zweitwohnungen (Zweitwohnungsgesetz, ZWG; SR 702) bewilligt werden.
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B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht beantragt Helvetia Nostra, das Urteil des Verwaltungsgerichts sowie die Baueinspracheentscheide und Baubewilligungen der Gemeinde Laax seien aufzuheben und die Baugesuche seien abzuweisen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 4 | |
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In der Gemeinde Laax übersteigt der Zweitwohnungsanteil die Grenze von 20 % deutlich, weshalb im Grundsatz keine Baubewilligungen mehr für Zweitwohnungen erteilt werden dürfen. Umstritten ist, ob aufgrund des am 17. August 2010 beschlossenen Quartiergestaltungsplans "Wohnüberbauung Lag-Pign" nach Art. 26 ZWG eine Ausnahme von diesem Grundsatz möglich ist. Abs. 1 dieser Bestimmung sieht Folgendes vor:
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1In Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent dürfen Wohnungen, die Gegenstand eines projektbezogenen und mindestens zu einem wesentlichen Teil auf die Erstellung von Zweitwohnungen ausgerichteten Sondernutzungsplans bilden, ohne Nutzungsbeschränkung nach Artikel 7 Absatz 1 bewilligt werden, wenn dieser Plan:
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a. vor dem 11. März 2012 rechtskräftig genehmigt wurde; und
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b. die wesentlichen Elemente der Baubewilligung betreffend Lage, Stellung, Grösse und Gestaltung der Bauten und Anlagen sowie deren Nutzungsart und Nutzungsmass regelt.
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Grundsätzlich müssen auch Gestaltungspläne gemäss Art. 26 RPG (SR 700) durch eine kantonale Behörde genehmigt werden. Die Rechtsprechung lässt indessen eine Abweichung von diesem Grundsatz zu, wenn der Gestaltungsplan lediglich Art und Mass der im Zonen- oder Bebauungsplan festgelegten Nutzung verfeinert bzw. Abweichungen davon bereits im kommunalen Baureglement vorgesehen sind, welches selbst Teil der Grundordnung bildet und von einer kantonalen Behörde genehmigt worden ist (Urteile 1C_78/2015 vom 29. Mai 2015 E. 4.2 und 4.3.3; 1C_580/2014 vom 25. November 2015 E. 3.2; je mit Hinweisen).
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Die Beschwerdeführerin geht auf diese Rechtsprechung inhaltlich nicht ein. Weshalb sie davon ausgeht, die dargelegten Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht seien nicht erfüllt, legt sie nicht dar. Auf ihre Rüge ist mangels Begründung nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unklar bleibt auch, was die Beschwerdeführerin konkret meint, wenn sie vorbringt, dem Quartiergestaltungsplan fehle die Eigenschaft der Nutzungsplanung. Eine Verletzung von Art. 26 ZWG ist insofern jedenfalls nicht nachvollziehbar dargetan.
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4.6 Wie bereits erwähnt, enthielt die Art. 26 ZWG entsprechende, bis am 1. Januar 2016 in Kraft stehende Bestimmung von Art. 8 aZWV noch keine explizite Anforderung, wonach der Sondernutzungsplan mindestens zu einem wesentlichen Teil auf die Erstellung von Zweitwohnungen ausgerichtet zu sein hatte. Allerdings galt nach der Praxis bereits damals, dass das Projekt die Erstellung von Zweitwohnungen bezwecken musste. In zwei Urteilen hielt das Bundesgericht die in Frage stehenden Quartierpläne unter dem Gesichtspunkt von Art. 8 aZWV unter anderem deshalb für ungenügend, weil die betreffenden Quartierplanvorschriften die Nutzung als Zweitwohnungen nicht bzw. nicht hinreichend klar vorsahen (Urteile 1C_860/2013 vom 18. September 2014 E. 6.2; 1C_42/2014 vom 16. September 2014 E. 2.3). In zwei weiteren Urteilen hielt es fest, eine solche Zweckbestimmung könne sich implizit aus der Gesamtheit der rechtlichen und tatsächlichen Umstände ergeben, da sich vor der Annahme von Art. 75b BV nicht notwendigerweise eine explizite Angabe im Sondernutzungsplan aufgedrängt habe (Urteil 1C_508/2014 vom 30. Juli 2015 E. 3.3, wo insbesondere die touristische Ausrichtung der geplanten Anlage und insoweit auch deren Lage berücksichtigt wurden; s. auch Urteil 1C_580/2014 vom 24. November 2015 E. 5.1). In einem weiteren Fall war Art. 8 aZWV in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar, weshalb das Bundesgericht den in Frage stehenden Quartierplan direkt gestützt auf den Vertrauensgrundsatz (Art. 9 BV) beurteilte. Weil der Plan jegliche Nutzung zu Wohnzwecken erlaubte und keine nähere Aufschlüsselung im Sinne einer Zweitwohnungsnutzung vorsah, konnte er nicht als baurechtsähnlicher (Vor-)Entscheid über die Erstellung neuer, unbewirtschafteter Zweitwohnungen eingestuft werden; die Bestrebungen zur Gewinnerzielung genügten nicht, um eine vertrauensbegründende Erwartung hervorzurufen (Urteil 1C_40/2015 vom 18. September 2015 E. 5.3 mit Hinweisen).
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Art. 26 ZWG ist gegenüber Art. 8 aZWV einerseits insofern strenger, als der Sondernutzungsplan danach "mindestens zu einem wesentlichen Teil" auf die Erstellung von Zweitwohnungen ausgerichtet sein muss. Andererseits geht die Literatur zu Recht davon aus, dass diese Zweckbestimmung auch unter der Geltung des Zweitwohnungsgesetzes nicht explizit vermerkt sein muss (BERNHARD WALDMANN, Zweitwohnungsbau: Zulässigkeit von neuen Zweitwohnungen, die auf einem früheren projektbezogenen Sondernutzungsplan beruhen, BR 2016 S. 93; HAUSER/JÄGER, in: Zweitwohnungsgesetz [ZWG] - unter Einbezug der Zweitwohnungsverordnung [ZWV], 2017, N. 12 zu Art. 26 ZWG). Daran ändert auch die in der Rechtsprechung gelegentlich verwendete Formulierung, die Verordnung verlange im Gegensatz zum Gesetz keine "förmliche" Angabe, nichts (vgl. Urteile 1C_508/2014 vom 30. Juli 2015 E. 3.3; 1C_580/2014 vom 24. November 2015 E. 5.1). Somit trifft die erwähnte, mit Blick auf Art. 8 aZWV formulierte und sich auf Vertrauensschutzgesichtspunkte stützende bundesgerichtliche Erwägung, wonach sich vor der Annahme von Art. 75b BV nicht notwendigerweise eine explizite Angabe im Sondernutzungsplan aufgedrängt habe, weiterhin zu. Allerdings muss aus dem Plan immerhin mit hinreichender Klarheit hervorgehen, dass mindestens zu einem wesentlichen Teil die Erstellung von Zweitwohnungen bezweckt wird.
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Zur zeitlichen Anwendbarkeit von Art. 26 ZWG gilt es weiter zu berücksichtigen, dass der Bundesrat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zwei verschiedene Varianten in die Vernehmlassung gegeben hatte. Auf die strengere, welche Ausnahmebewilligungen gestützt auf projektbezogene Sondernutzungspläne nur befristet zugelassen hätte, wurde nach der Vernehmlassung verzichtet, weil sie als kaum praktikabel erschien (Botschaft vom 19. Februar 2014 zum Bundesgesetz über Zweitwohnungen, BBl 2287 2293 Ziff. 1.3). In den Räten wurde der Vorschlag des Bundesrats diskussionslos übernommen (AB 2014 S 970; AB 2015 N 74).
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Abgesehen von diesem im Zusammenhang mit der Frage der Baustellenerschliessung erfolgten, beiläufigen Hinweis auf die kommunale Kontingentierungsregelung enthält der Quartiergestaltungsplan allerdings keine Ausführungen zum Thema des Zweitwohnungsbaus. Eine verbindliche Festlegung in irgendeiner Form besteht nicht, insbesondere auch nicht in den Quartierplanvorschriften. Es verhält sich insofern gleich wie in den bereits erwähnten Urteilen 1C_860/2013 vom 18. September 2014 E. 6.2 und 1C_42/2014 vom 16. September 2014 E. 2.3, wo ebenfalls keine Vorschriften über die Nutzung existierten bzw. die Nutzung als Zweitwohnung lediglich als ein Grundsatz mit Vorbehalt von Ausnahmen verankert war. Dass die Beschwerdegegnerin die Absicht hatte, zu einem wesentlichen Teil oder sogar ausschliesslich Zweitwohnungen zu erstellen, mag zutreffen, ist jedoch nicht ausschlaggebend (vgl. in diesem Zusammenhang das ebenfalls bereits erwähnte Urteil 1C_40/2015 vom 18. September 2015 E. 5.3, wonach das Motiv, Gewinn zu erzielen, nicht genügt, um eine vertrauensbegründende Erwartung hervorzurufen).
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Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Kontingentierungsregelung des kommunalen Zweitwohnungsgesetzes, die die Gemeinde gemäss dem angefochtenen Entscheid offenbar bis ins Jahr 2012 anwendete, Höchstgrenzen und Verfahrensvorschriften, jedoch keinen Rechtsanspruch auf die Zuteilung von Kontingenten enthält. Nichts anderes gilt für den in den Akten befindlichen Beschluss des Gemeindevorstands vom 15. April 2009 zur Präzisierung der Planungszone vom 16. Oktober 2008 betreffend Förderung von Erstwohnungen und Lenkung des Zweitwohnungsbaus. Dieser Beschluss hat gemäss den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nur bis zum Inkrafttreten des Gesetzes gegolten. Art. 10 Abs. 3 und 4 des Gesetzes sehen zudem vor, dass die Jahreskontingente periodisch und spätestens alle fünf Jahre überprüft werden, dass über allfällige Anpassungen die Gemeindeversammlung zu entscheiden hat und dass die Jahreskontingente nur für eine Periode von fünf Jahren seit Beschluss des Gesetzes freigegeben werden können. Insofern kann nicht von einem schutzwürdigen Vertrauen in die Zuteilung von Zweitwohnungskontingenten gesprochen werden.
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Schliesslich ist nicht erkennbar, dass sich aufgrund der geografischen Lage die Bestimmung zur Nutzung als Zweitwohnungen aufdrängen würde. Die Wohnüberbauung ist nicht peripher gelegen, sondern fügt sich in das bestehende Siedlungsgebiet einer Gemeinde ein, die zudem gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen zu wenig Wohn-, Misch- und Zentrumszonen und somit einen Bedarf nach Erstwohnungen aufweist (vgl. nicht publ. E. 3.4 sowie Urteil 1C_508/2014 vom 30. Juli 2015 E. 3.3).
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Dass der Quartiergestaltungsplan "Wohnüberbauung Lag-Pign" einen beiläufigen Hinweis auf die kommunale Kontingentierungsregelung enthält und eine Etappierung vorsieht, reicht vor dem Hintergrund der genannten tatsächlichen und rechtlichen Umstände nicht aus, um ihn als einen mindestens zu einem wesentlichen Teil auf die Erstellung von Zweitwohnungen ausgerichteten Sondernutzungsplan im Sinne von Art. 26 ZWG zu qualifizieren. Die Kritik der Beschwerdeführerin ist in diesem Punkt berechtigt.
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