![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 22.05.2021, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
2. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI gegen A., B. und Mitb. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
2C_537/2019 vom 13. Juli 2020 | |
Regeste |
aArt. 26 Abs. 1 DBA CH-US; Art. 84a BGG; Steueramtshilfe; personelles Spezialitätsprinzip; Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Mit Schreiben vom 12. April 2018 bekräftigte der IRS sein Amtshilfegesuch. Auf Anfrage der ESTV vom 19. April 2018 erklärte sich der IRS mit Schreiben vom 11. Juni 2018 mit einer Schwärzung der Namen von zwei Direktoren der vom Amtshilfeersuchen betroffenen Domizilgesellschaft einverstanden.
| 2 |
B.
| 3 |
4 | |
- Bankunterlagen zur Kundenbeziehungsnummer y. für den Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2011;
| 5 |
- ein "Certificate of Authenticity of Business Records".
| 6 |
Dabei seien diejenigen Informationen, die nicht amtshilfefähig seien und nicht hätten ausgesondert werden können, von der ESTV geschwärzt worden. Überdies seien die Namen von F. und G. in den zu übermittelnden Bankunterlagen geschwärzt worden (Dispositivziffern 1 und 2 der Schlussverfügung). Die ESTV wies ferner ein von C. und der A. gestelltes Begehren um Schwärzung ihrer Namen und übrigen Identifikationsmerkmale in den zu übermittelnden Unterlagen ab (Dispositivziffer 3 der Schlussverfügung). Weiter kündigte die ESTV an, den IRS "bei der Übermittlung der Informationen auf die Einschränkungen bei deren Verwendung und die Geheimhaltungspflichten gemäss Artikel 26 Ziffer 2 DBA-USA 1996 [recte: Art. 26 Abs. 1 Sätze 3 und 4 DBA CH-US i.d.F. vom 2. Oktober 1996] hinzuweisen" (Dispositivziffer 4 der Schlussverfügung).
| 7 |
B.b Mit Beschwerde vom 3. September 2018 beantragten A., C. sowie B. beim Bundesverwaltungsgericht, dass die Schlussverfügung dahingehend zu ändern und teilweise aufzuheben sei, dass "auch die Namen und übrigen Identifikationsmerkmale (wie Unterschrift, Firma, Adresse, Telefon- und Faxnummern, Homepage, E-Mail, Bankverbindung, etc.) der Beschwerdeführerinnen aus den zur Übermittlung vorgesehenen Unterlagen auszusondern oder einzuschwärzen sind". Eventualiter beantragten sie, die Amtshilfe "unter dem Vorbehalt zu gewähren, dass die ersuchende Behörde die übermittelten Informationen nur im Verfahren gegen D. als wirtschaftlich Berechtigten an der H. Corp. für die im Amtshilfeersuchen vom 18. August 2017 genannte Steuererhebung verwenden darf". Die ESTV schloss in ihrer Stellungnahme vom 29. Oktober 2018 auf Abweisung der Beschwerde. Ausserdem reichte sie dem Bundesverwaltungsgericht am 13. Dezember 2018 unaufgefordert ein Schreiben des Direktors des Centre for Tax Policy and Administration der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Pascal Saint-Amans, vom 29. Juni 2017 ein.
| 8 |
B.c Mit Urteil vom 22. Mai 2019 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde teilweise gut. Es ordnete an, dass in den dem IRS auszuhändigenden Unterlagen die Namen und die übrigen ![]() ![]() | 9 |
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 7. Juni 2019 beantragt die ESTV die Aufhebung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 2019 und die Bestätigung ihrer Schlussverfügung vom 2. August 2018.
| 10 |
Die A. (nachfolgend: Beschwerdegegnerin 1), C. (nachfolgend: Beschwerdegegnerin 2) und B. (nachfolgend: Beschwerdegegnerin 3) haben sich vernehmen lassen und beantragen die Abweisung der Beschwerde.
| 11 |
Aus den Erwägungen:
| 12 |
1. (...) | |
13 | |
14 | |
1.3.2 Die ESTV hatte ursprünglich die Auffassung des Bundesgerichts geteilt, änderte aber im Sommer 2017 ihre Praxis und weist die ersuchenden Behörden seither anlässlich der Übermittlung der ersuchten Informationen nicht mehr darauf hin, dass die Informationen nur gegen die vom Ersuchen betroffene Person verwendet ![]() ![]() | 15 |
16 | |
(...)
| 17 |
18 | |
Die ESTV beanstandet, dass das Völkerrecht es den USA nicht verbiete, übermittelte Informationen im Rahmen der Zwecke gemäss aArt. 26 Abs. 1 DBA CH-US auch gegen Dritte zu verwenden, und dementsprechend kein solcher Hinweis an den IRS anzubringen sei.
| 19 |
3.1 In seiner bisherigen Rechtsprechung ist das Bundesgericht stets davon ausgegangen, dass es aArt. 26 Abs. 1 DBA CH-US und vergleichbare Bestimmungen anderer DBA den ersuchenden Staaten untersagen, vom ersuchten Staat übermittelte Informationen gegenüber Dritten zu verwenden, mithin also das Spezialitätsprinzip nicht nur eine sachliche, sondern auch eine persönliche Dimension aufweist (vgl. BGE 144 II 29 E. 4.4 S. 39; BGE 143 II 506 E. 5.4.2 S. 516; BGE 142 II 161 E. 4.6.1 S. 180 f.). Soweit sich die Lehre mit dieser Frage befasst, scheint sie die Auffassung des Bundesgerichts zu teilen (vgl. DANIEL HOLENSTEIN, in: Internationales Steuerrecht, 2015, N. 243 zu Art. 26 OECD-MA; ANDREA OPEL, Zu Verfahrensobjekten degradiert ![]() ![]() | 20 |
21 | |
22 | |
![]() ![]() | 23 |
24 | |
![]() | 25 |
26 | |
3.4.2 Nach dem DBA CH-US und zahlreichen anderen DBA der Schweiz erteilen die Vertragsstaaten in Steuersachen Amtshilfe auf Ersuchen betreffend einzelne Personen oder Gruppen von Personen. Um den Eingriff in die von Art. 13 BV, Art. 8 EMRK und Art. 17 des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche ![]() ![]() | 27 |
3.4.3 Der Wortlaut von aArt. 26 Abs. 1 DBA CH-US lässt unklar, gegenüber welchen Personen der ersuchende Staat die übermittelten Informationen verwenden darf. Die soeben dargestellte Systematik der Amtshilfe auf Ersuchen spricht indessen dafür, dass die Verwendung auf die vom Amtshilfeersuchen betroffenen Personen beschränkt bleiben muss. Schliesslich kann der ersuchte Staat nur für die vom Ersuchen betroffenen Personen prüfen, ob die Informationen für den vorgebrachten Steuerzweck notwendig bzw. voraussichtlich erheblich sind und sich der Eingriff in die Privatsphäre rechtfertigt, der mit der Beschaffung und Übermittlung der ersuchten Informationen verbunden ist. Dürfte der ersuchende Staat die übermittelten Informationen gegenüber Dritten verwenden, stünde ![]() ![]() | 28 |
29 | |
30 | |
3.6.1 Es trifft zu, dass die schweizerischen Steuerbehörden Erkenntnisse aus einem Veranlagungsverfahren in anderen Veranlagungsverfahren verwenden dürfen, ohne dass die im Zweitverfahren betroffene Person am Erstverfahren teilgenommen haben muss (vgl. zur Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen im Erstverfahren betreffend Informationen zu Dritten BGE 142 II 69 E. 5.1.3 S. 77; BGE 133 II 114 E. 3.4 und 3.5 S. 117 f.; Urteil 2C_616/2018 vom 9. Juli 2019 E. 4.2). Dies gilt auch über Kantonsgrenzen hinweg, da sich die schweizerischen Behörden in Steuerfragen gegenseitig umfassend Amtshilfe erteilen (Art. 111 f. des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]; Art. 39 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]). Die Amtshilfe zwischen schweizerischen Behörden ist jedoch im Unterschied zur grenzüberschreitenden Rechts- und Amtshilfe von vornherein nicht geeignet, die Souveränität der ![]() ![]() | 31 |
32 | |
Der Vertreter der OECD ist der Meinung, dass Art. 26 Abs. 2 OECD-MA dem ersuchenden Staat nicht verbiete, übermittelte Informationen für Steuerzwecke betreffend Dritte zu verwenden, solange die Geheimhaltung dieser Informationen gewährleistet sei und das Amtshilfeersuchen Art. 26 Abs. 1 OECD-MA genüge. Diese Meinung wäre näher zu prüfen, wo sich Vertragsstaaten gestützt auf die Art. 26 Abs. 1 OECD-MA nachempfundene DBA-Bestimmung spontane Amtshilfe leisten, da sie insoweit ohnehin von vornherein auf ihre Souveränität verzichten. Wie erwähnt verpflichtet aArt. 26 Abs. 1 DBA CH-US die Vertragsstaaten aber nicht zu spontaner Amtshilfe (vgl. oben E. 3.4.2). Jedenfalls für die Auslegung von aArt. 26 Abs. 1 DBA CH-US ist der Auffassung des Vertreters der OECD zu Art. 26 OECD-MA daher nicht zu folgen.
| 33 |
3.7 Spezialitätsvorbehalte brauchen dem ersuchenden Staat grundsätzlich nur speziell angezeigt zu werden, wenn sie sich nicht direkt aus dem völkerrechtlichen Rechts- oder Amtshilfevertrag ergeben (vgl. BGE 139 IV 137 E. 5.2.1 S. 153 f.; BGE 116 Ib 452 E. 3c S. 457; BGE 112 Ib 576 E. 11a S. 591 ff.). ![]() ![]() | 34 |
Vorliegend ist der Spezialitätsvorbehalt bereits in aArt. 26 Abs. 1 DBA CH-US enthalten. Es wäre deshalb grundsätzlich nicht erforderlich, die USA über diese vertragliche Verpflichtung zu orientieren. Das vorliegende Verfahren und die Praxisänderung der ESTV, die diese im Sommer 2017 im Zusammenhang mit dem Amtshilfeverfahren betreffend französische Kunden der Bank UBS (vgl. BGE 146 II 150) und nach Hinweisen der OECD vollzog, zeigen jedoch, dass international wie national unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, wie weit der Spezialitätsvorbehalt gemäss aArt. 26 Abs. 1 DBA CH-US und den auf Art. 26 Abs. 2 OECD-MA beruhenden Bestimmungen anderer DBA reicht und ob ihm eine persönliche Dimension zukommt. Angesichts dieser Unklarheit ist es angezeigt, dass die ESTV ersuchende Behörden wie den IRS anlässlich der Übermittlung der ersuchten Informationen über den Umfang der Verwendungsbeschränkung informiert, wie dies die Vorinstanz im angefochtenen Urteil angeordnet hat. Das Urteil der Vorinstanz steht in diesem Punkt im Einklang mit dem Völkerrecht und die Beschwerde der ESTV dagegen erweist sich insoweit als unbegründet. ![]() | 35 |
© 1994-2021 Das Fallrecht (DFR). |