BGE 147 II 186 | |||
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15. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Staatsrat des Kantons Wallis (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) |
1C_243/2019 vom 25. November 2020 | |
Regeste |
Art. 11 Abs. 5 JSG; Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 9 VEJ; Verbot der Jagd und Zulassung des Abschusses von jagdbaren Tieren in Jagdbanngebieten. | |
Sachverhalt | |
Die Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere des Kantons Wallis ersuchte das Bundesamt für Umwelt (BAFU) am 18. Mai 2018 um Erteilung einer Bewilligung zum Ausscheiden eines Teilgebiets des eidgenössischen Jagdbanngebiets Aletschwald und zur Durchführung der jagdlichen Regulation im geplanten Rahmen. Sie begründete ihr Gesuch damit, dass der Aletschwald vom Rotwild seit Jahren als Zufluchtsort aufgesucht werde, um sich den verschiedenen Störungen zu entziehen. Trotz des erhöhten Jagddrucks und der Nachjagden in den Jahren 2014 und 2016 sei der Rotwildbestand weiter markant angestiegen und verursache im Aletschwald selber sowie auf der Südseite erhebliche Schäden. Auch bei einer massiven Reduktion des Rotwildbestands um 50 % im fraglichen Gebiet würden sich die verbleibenden Tiere im Aletschwald aufhalten und eine Erholung des Waldes verhindern. Es sei eine regelmässige Störung durch eine massvolle Bejagung innerhalb des Schutzperimeters erforderlich, um eine Verteilung des Rotwildbestands im Aletschgebiet zu bewirken. Eine Regulation mittels Nachjagd auf der Südseite sei zwar ebenfalls zwingend erforderlich, genüge aber für sich alleine nicht. Der auf der Hochjagd beizubringende Abschuss im Aletschwald selber sei ein notwendiges Element, um sowohl die Zielsetzungen des Schutzbeschlusses als auch der eidgenössischen Jagdbanngebietsverordnung zu erfüllen.
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Das BAFU stimmte den Rothirschabschüssen im eidgenössischen Jagdbanngebiet Aletschwald am 11. Juni 2018 unter folgenden Auflagen zu: Die Anzahl zu erlegender Tiere beschränkte sich auf maximal 40 Stück, wobei nur Kahlwild sowie geringe Spiesser zum Abschuss freigegeben wurden. Die Jagd war auf den Zeitraum bis 9.00 Uhr vormittags und auf das kartographisch festgelegte Gebiet beschränkt. Schliesslich hatte der Kanton dem BAFU nach dem Ende der Abschüsse Bericht über die effektiv getätigten Abschüsse zu erstatten.
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Am 20. Juni 2018 beschloss der Staatsrat des Kantons Wallis den Nachtrag 2018 über die Ausübung der Jagd im Kanton Wallis, dem Folgendes zu entnehmen war:
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"Art. 1 Offene Teilgebiete von Banngebieten für das Jahr 2018
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Folgende Teilgebiete von Banngebieten sind für die Rotwildjagd 2018 offen:
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[...]
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EBG [eidgenössisches Banngebiet] Nr. 1 Aletsch (neu)
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Vom Hotel Riederfurka den Weg entlang bis zum Wegweiser bei der Verzweigung Riederhorn - Casselweg Süd; von hier in direkter nordwestlicher Linie bis zur Bergstation der Sesselbahn Riederfurka; von hier weiter in nordwestlicher Richtung den Markierungen entlang abwärts hinunter zum Wegweiser bei Nessul bei P. 1956, den Weg aufwärts bis zur Riederfurka und von hier dem Moränenweg entlang bis zur Verzweigung beim Wegweiser bei P. 2146; von hier den Weg aufwärts bis zum Grat bei P. 2235 und von hier dem Grat entlang (Zaun SBN) über Hohflüoh bis zum Hotel Riederfurka, Ausgangspunkt.
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N.B. In diesem Teilgebiet darf die Jagd nur bis um 09h00 ausgeübt werden. Danach dürfen sich die Jäger nur noch zum Zwecke des Wildtransports im Gebiet aufhalten."
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Diesen Beschluss des Staatsrats focht A. beim Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, an. Er machte geltend, der Aletschwald sei nicht nur ein eidgenössisches Jagdbanngebiet, sondern auch ein kantonales Naturschutzgebiet. Der entsprechende Schutzentscheid des Staatsrats des Kantons Wallis unterwerfe das Gebiet einem strengen Schutz. Insbesondere gelte ein Wegegebot, dürften keine Tiere getötet werden und sei die Jagd verboten. Zwar dürften Abschüsse im Interesse des Schutzgebiets sowie der Wildbestände erfolgen, die zugelassene Jagd liege jedoch weder im Interesse des Schutzgebiets noch der Wildbestände. Sie beeinträchtige die ungestörte Entwicklung des Gebiets, schade den anderen Wildtierarten, insbesondere dem Birkhuhn, könne nicht mit der (bestrittenen) Artenkonkurrenz zwischen Hirsch und Gämse begründet werden und würde zu noch mehr Verbissschäden führen. Zudem sei die Wirkung der durchgeführten Hegeabschüsse unklar, hätten die Abschussquoten in der Vergangenheit immer erreicht werden können und bestünden besser geeignete Massnahmen zur Steuerung der Rotwildbestände, welche auch weit weniger schädliche Auswirkungen auf das Naturschutzgebiet Aletschwald hätten. Er bezweifelte denn auch die Zunahme des Hirschbestands im Aletschwald.
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Das Kantonsgericht Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, wies die Beschwerde von A. mit Urteil vom 15. März 2019 ab, da die Teilöffnung des Jagdbanngebiets Aletschwald auf sachlichen Gründen beruhe, nämlich der Reduktion und Zerstreuung der Hirschpopulation zwecks Verminderung der Waldschäden. Der Staatsrat habe sein Ermessen nicht überschritten, wenn er davon ausgegangen sei, die stark eingeschränkte Jagdtätigkeit von insgesamt 24 Stunden sei zur Erhaltung der Waldverjüngung geboten und stelle für die Tierwelt im Banngebiet, insbesondere das Birkhuhn, eine geringere Belastung dar als eine zu hohe Rotwildpopulation.
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Gegen dieses Urteil gelangt A. mit Eingabe vom 8. Mai 2019 an das Bundesgericht und beantragt dessen Aufhebung.
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Das Kantonsgericht Wallis und der Staatsrat des Kantons Wallis beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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Das BAFU führt in seiner Vernehmlassung aus, bei den Regulierungsmassnahmen gemäss Art. 11 Abs. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1986 über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz, JSG; SR 922.0) seien die Voraussetzungen und Rechtsfolgen abschliessend geregelt; Art. 18 Abs. 1ter des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) komme aufgrund der Vorbehaltsregelung gemäss Art. 18 Abs. 4 NHG nicht zur Anwendung. In den Jagdbanngebieten sei die Jagd grundsätzlich verboten. Der Entscheid über die Zulassung des Abschusses von jagdbaren Tieren innerhalb von Jagdbanngebieten bedürfe einer Interessenabwägung. Aus Sicht des BAFU hat der Kanton die verschiedenen Interessen berücksichtigt und in korrekter Weise gegeneinander abgewogen und ist das kantonsgerichtliche Urteil im Einklang mit dem Bundesrecht ergangen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt das angefochtene Urteil auf.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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Es stellt sich die Frage, inwiefern zwischen der "Jagd" in Satz 1 und dem "Abschuss" in Satz 2 unterschieden werden muss, zumal auch im französischen und italienischen Gesetzestext in Satz 1 und Satz 2 des Art. 11 Abs. 5 JSG unterschiedliche Begriffe verwendet werden ("la chasse" und "le tir" bzw. "la caccia" und "l'abbattimento").
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Erwägung 4.1 | |
4.1.1 Jagdbanngebiete gibt es in der Schweiz bereits seit mehreren hundert Jahren. So wurde das Gebiet "Kärpf" im Kanton Glarus im Jahr 1548 ausgeschieden (NINA DAJCAR, Natur- und Heimatschutz-Inventare des Bundes, 2011, S. 13). Der bundesrätlichen Botschaft vom 26. Mai 1875 zum ersten eidgenössischen Jagdgesetz ist zu entnehmen, "nirgends [werde] die Verfolgung zuchtloser und die Ausrottung erfolgreicher betrieben, als von den Gebirgsjägern". Die Steinböcke seien ihnen bereits im ganzen Land, die Gämsen und Murmeltiere in vielen Teilen des Landes erlegen. Hier sei der Schutz des Wildbestands "allerdings am notwendigsten". Auf die Errichtung zahlreicher Banngebiete für alles Hochwild werde der höchste Wert gelegt. Diese Freiberge müssten aber, wenn der Zweck erreicht werden solle, angemessen ausgewählt, von der Sohle bis zum Scheitel, absolut gebannt und in ständiger, aufmerksamer Wildhut durch eidgenössisches Personal gehalten werden (Botschaft des Bundesrat[h]es an die hohe Bundesversammlung vom 26. Mai 1875 betreffend Entwurf eines Bundesgese[t]zes über die Jagd und den Schu[t]z der nü[t]zlichen Vögel, BBl 1875 III 29 f.; vgl. auch Botschaft vom 27. April 1983 zu einem Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz der wildlebenden Säugetiere und Vögel [JSG], BBl 1983 II 1209).
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Während die Teilrevision des Jagdgesetzes von 1925 vor allem der Optimierung des bereits 1875 eingeschlagenen Weges diente, wurden im Jahr 1962 wegen der zunehmenden Wildschäden und des Rückgangs verschiedener wildlebender Tiere substanzielle Änderungen vorgenommen. Zwar wurde am Grundsatz, die Bestände von Rehen, Gämsen, Hirschen und Steinböcken anzuheben, festgehalten, gleichzeitig wurden aber Bestimmungen zur Schadensabwehr und zur Vergütung von Wildschäden eingeführt. Auch der Gedanke des Naturschutzes fand nun Eingang: Luchs, Bär, Biber, Fischotter, Auerhuhn, Haselhuhn und Adler wurden geschützt (zum Ganzen: HANS-JÖRG BLANKENHORN, Jagd, Von 1875 bis heute, in: Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 6, 2007, S. 739). In seiner Botschaft vom 12. September 1961 hielt der Bundesrat hinsichtlich der eidgenössischen Jagdbanngebiete insbesondere fest, dass solche nur für Kantone mit Patentsystem vorgeschrieben seien. Jedoch könne der Bundesrat im Einverständnis derjenigen Kantone, die zum Reviersystem übergingen, bestehende eidgenössische Banngebiete beibehalten (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 12. September 1961 zum Entwurf eines Gesetzes betreffend die Revision des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz, BBl 1961 II 410).
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Der Botschaft zum aktuellen Jagdgesetz ist sodann zu entnehmen, dass dank der strengen Bestimmungen der Jagdgesetze seit 1876 heute wieder an vielen Orten gute Wildbestände anzutreffen seien. In einigen Gebieten seien die Bestände sogar überhöht, was die Frage aufwerfe, ob die eidgenössischen Jagdbanngebiete deshalb überflüssig geworden seien. Dazu ist in der Botschaft festgehalten, dass die heutigen Verhältnisse es nicht mehr erlauben würden, Jagdbanngebiete nur gerade zur Hebung der Wildbestände auszuscheiden; dies wäre zu einseitig. Ein modernes Konzept für Schutzgebiete müsse vielmehr von der anhaltenden Zerstörung der Lebensräume durch mannigfaltige zivilisatorische Tätigkeiten, von der zunehmenden Störung der Wildarten in den verbleibenden Lebensräumen durch Tourismus, Sport und intensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung, sowie vom zunehmenden Jagddruck in einzelnen Gebieten auf gewisse Tierarten ausgehen. Jagdbanngebiete, die diesen Bedrohungen der freilebenden Tierwelt entgegenwirkten, seien deshalb genauso sinnvoll und notwendig wie die früheren, mit denen man die Tiere vor einer ungeregelten Jagd und vor starkem Wildfrevel geschützt habe. Betont werden müsse, dass für jedes Gebiet eine klare Zielsetzung mit dem Hauptgewicht auf der Erhaltung des Lebensraums für das Wild erarbeitet werden sollte. Dieses Schutzkonzept könne durchaus auch hegerische Eingriffe in die Wildbestände einzelner Schutzgebiete erfordern (BBl 1983 II 1209 f.). Zum heutigen Art. 11 Abs. 5 JSG ist der Botschaft sodann zu entnehmen, dass mit diesem Absatz verhindert werden solle, dass bestimmte Tierarten in einzelnen Schutzgebieten wegen eines zu strengen Schutzes zu hohe Bestände entwickelten, was zu grossen Schäden führen und die Entfaltung anderer Arten nachhaltig beeinträchtigen könne (BBl 1983 II 1210).
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Schliesslich ist die Jagd auf jegliches Wild oder auf speziell bestimmte Tierarten in den Jagdbanngebieten auch gemäss Art. 18 Abs. 1 lit. a des Gesetzes des Kantons Wallis vom 30. Januar 1991 über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz, kJSG/VS; SGS 922.1) verboten.
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4.1.2 Mit den Jagdbanngebieten wurden demnach die Gebiete definiert, in denen die Jagd verboten ist. Dass dieses Jagdverbot in den Jagdbanngebieten wegen der in der Zwischenzeit zum Teil wieder angewachsenen Wildbestände aufgehoben oder relativiert werden sollte, ist namentlich auch mit Blick auf die Botschaft zum aktuellen Jagdgesetz nicht ersichtlich. Vielmehr sollen die Jagdbanngebiete heute auch der Bedrohung durch den zunehmenden Jagddruck auf gewisse Tierarten in einzelnen Gebieten entgegenwirken. Gleichzeitig wurde erkannt, dass sich zu hohe Bestände auf die Flora und Fauna ihres Lebensraums schädlich auswirken können und "hegerische Eingriffe" notwendig werden können. Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch nicht die Rede davon, in den Jagdbanngebieten die Jagd zuzulassen oder die Jagdbanngebiete für die Jagd zu öffnen. Sowohl das Gesetz (Art. 11 Abs. 5 Satz 1 JSG) als auch die Verordnung (Art. 5 Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 30. September 1991 über die eidgenössischen Jagdbanngebiete [VEJ; SR 922.31]) verbieten die Jagd in den Jagdbanngebieten ausdrücklich (vgl. BVGE 2011/21 E. 3.1 S. 429; MARKUS GREDIG, Der Schutz des UNESCO-Welterbes in der Schweiz, 2014, S. 195 f., 197). Dass mit Art. 11 Abs. 5 Satz 2 JSG, wonach die kantonalen Vollzugsorgane den Abschuss von jagdbaren Tieren in den Jagdbanngebieten unter bestimmten Voraussetzungen zulassen können, das in Satz 1 statuierte Jagdverbot (teilweise) aufgehoben oder relativiert werden sollte, ist mit Blick auf die nachfolgenden Erwägungen ebenfalls nicht ersichtlich.
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Die Verordnung sieht vor, dass das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Departement) befugt ist, die Bezeichnung der Objekte im Einvernehmen mit den Kantonen geringfügig zu ändern, sofern die Artenvielfalt erhalten bleibt (Art. 3 VEJ). Geringfügig sind die Änderung des Perimeters um höchstens fünf Prozent der Fläche des Objekts (lit. a), die Verkleinerung des Perimeters um höchstens zehn Prozent der Fläche des Objekts, wenn der Perimeter mit einem mindestens gleich grossen neuen Gebietsteil erweitert wird (lit. b) sowie Massnahmen für die Regulierung von Beständen jagdbarer Arten (lit. c). Mit dem Randtitel "Besondere Massnahmen bei der Aufhebung oder Abänderung von Banngebieten" bestimmt Art. 4 VEJ, dass die Kantone in den neu für die Jagd offenen Gebieten dafür sorgen, dass die Bejagung schonend einsetzt und erst nach einer angemessenen Übergangsfrist in vollem Umfang erfolgt. Bereits in der bundesrätlichen Botschaft vom 20. März 1922 war die Rede davon, dass den "Schlächtereien bei Öffnung bisheriger Bannbezirke" vorgebeugt werden soll. Die kantonalen Behörden wurden gesetzlich dazu verpflichtet, Massnahmen zu treffen, um einen zu grossen Abschuss des Wildes zu verhüten (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 20. März 1922 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz, BBl 1922 I 369, 379).
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Diese Bestimmungen unterstreichen die Bedeutung des in den Jagdbanngebieten herrschenden Jagdverbots. Soll ein Jagdbanngebiet (teilweise) für die Jagd geöffnet werden, muss dieses im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufgehoben oder durch das Departement im Einvernehmen mit den Kantonen (geringfügig) geändert werden. Selbst dann darf die Jagd in diesen Gebieten aber nicht ohne Weiteres aufgenommen werden, sondern hat schonend einzusetzen (vgl. Art. 4 VEJ).
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Nachdem die Jagd in den Jagdbanngebieten (auch gemäss Art. 18 Abs. 1 lit. a kJSG/VS) verboten ist, ist deren Gebiet vom Kantonsgebiet, auf welchem das Jagdpatent die Jagd erlaubt, ausgenommen (vgl. in diesem Zusammenhang auch oben E. 4.1.1 sowie www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/biodiversitaet/fachinformationen/ massnahmen-zur-erhaltung-und-foerderung-der-biodiversitaet/nachhaltige-nutzung-der-biodiversitaet/jagd.html [besucht am 11. November 2020]).
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Der bundesrätlichen Botschaft zum heutigen Jagdgesetz lässt sich diesbezüglich nichts Konkretes entnehmen; es ist lediglich die Rede von "hegerischen Eingriffen" in die Wildbestände einzelner Schutzgebiete, welche das Schutzkonzept erfordern könne (vgl. oben E. 4.1.1).
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4.2.1 Gemäss Botschaft des Bundesrats vom 26. Mai 1875 war das "Jagen und Flintentragen" in den Jagdbanngebieten allen verboten, ausser den angestellten Wildhütern (vgl. Art. 16). Die Verfolgung von Raubtieren in den Banngebieten müsse sodann an ganz spezielle und strenge Bedingungen geknüpft werden, sonst sei "dem Frevel die Türe" geöffnet. Die Verfolgung "schädlicher und reissender Tiere" in den Jagdbanngebieten durfte insbesondere "den übrigen Wildstand" nicht gefährden und hatte "während einer bestimmten Zeit, durch eine beschränkte Anzahl zuverlässiger, in besondere Verpflichtung genommener Jagdberechtigter" sowie mit ausdrücklicher Bewilligung des Bundesrats zu erfolgen (vgl. Art. 7 und 17; zum Ganzen: BBl 1875 III 30, 34, 37). In der bundesrätlichen Botschaft vom 12. September 1961 war nicht mehr von der "Verfolgung von Raubwild", sondern von "Hegeabschüssen" die Rede. Darunter wurden zum Beispiel auch Abschüsse von Gämsen im Interesse des Bestandes verstanden. Die Kantone durften Hegeabschüsse in den eidgenössischen Jagdbanngebieten nur mit Zustimmung der Bundesbehörden anordnen (vgl. Art. 18). Allerdings war das Einverständnis der Bundesbehörden für Abschüsse von verletzten oder kranken Tieren gemäss Botschaft "selbstverständlich" nicht einzuholen, sondern nur für grössere, geplante Hegeabschüsse (zum Ganzen: BBl 1961 II 410, 419).
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Auch wenn die Jagd in den Jagdbanngebieten verboten war, konnte demnach der Abschuss von Tieren in den Jagdbanngebieten bereits in der Vergangenheit unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen werden, wobei dieser Abschuss stark eingeschränkt und reglementiert war und grundsätzlich die Bundesbehörden beigezogen werden bzw. zustimmen mussten.
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4.2.2.1 Art. 9 VEJ hat die Bestandesregulierungen zum Gegenstand. Demnach sorgen die Kantone dafür, dass die Bestände jagdbarer Huftierarten in den Banngebieten stets den örtlichen Verhältnissen angepasst sind und eine natürliche Alters- und Geschlechtsklassenstruktur aufweisen. Dabei berücksichtigen sie die Anliegen der Landwirtschaft, des Natur- und Landschaftsschutzes und der Walderhaltung (Abs. 1). In den nachfolgenden Absätzen sind im Wesentlichen die Ausscheidung integral und partiell geschützter Gebiete (Abs. 2), die Mitwirkung des BAFU (Abs. 3 und 4), die Verwendung von Hunden (Abs. 5) und die Möglichkeit des Beizugs von Jagdberechtigten (Abs. 6) geregelt.
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Der Begriff des Abschusses wird dabei einzig in Abs. 4 verwendet, in dem von "Abschussplänen" die Rede ist, welche die Kantone für Gebiete mit partiellem Schutz für die einzelnen Wildarten zu erstellen und dem BAFU bekannt zu geben haben. Grenzen Banngebiete verschiedener Kantone aneinander, so sind diese Pläne aufeinander abzustimmen. Mithin müssen Abschüsse zumindest hinsichtlich der betroffenen Tierart und des betroffenen Gebiets genau geplant, festgelegt und vorgegeben werden. Die "Abschussplanung" meint denn auch die qualitative und/oder quantitative (Abschussquote, Geschlechterverhältnis, Jungtieranteil) Festlegung des Abschuss-Solls pro Tierart und Jahr (BAFU, Wald und Wild - Grundlagen für die Praxis, 2010, S. 225).
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Überdies sieht Art. 9 Abs. 6 VEJ vor, dass die Kantone zur Erfüllung dieser Pläne neben den Wildschutzorganen auch Jagdberechtigte beiziehen können. Der grundsätzlich zum Abschuss von Tieren in den Jagdbanngebieten zugelassene Kreis von Personen ist damit eng umgrenzt und klar definiert: Es sind dies in erster Linie die Wildschutzorgane, wobei die Kantone aber auch Jagdberechtigte beiziehen können. Wie aus den obigen Erwägungen hervorgeht, wurde der Personenkreis, der zu Abschüssen in den Jagdbanngebieten berechtigt ist, seit je her beschränkt (vgl. E. 4.2.1): Bereits das erste Jagdgesetz schränkte die Berechtigung zum Abschuss von Tieren in den Jagdbanngebieten (auch) in personeller Hinsicht ein. Aus der grundsätzlichen Zulässigkeit des Beizugs von Jagdberechtigten kann sodann nicht abgeleitet werden, dass sämtliche Jagdberechtigte eines Kantons automatisch zum Abschuss von Tieren in den Jagdbanngebieten berechtigt wären (vgl. im Übrigen oben E. 4.1.4). Vielmehr bedarf es dazu eines individuell angeordneten Beizugs und einer entsprechenden Berechtigung der oder des Jagdberechtigten (vgl. im Zusammenhang mit Vogelreservaten: Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 12. März 1997, in: ZBl 99/1998 S. 129). Ob sich Art. 9 Abs. 6 VEJ lediglich auf Art. 9 Abs. 4 VEJ (Auffassung des Beschwerdeführers) oder auf sämtliche Massnahmen (Auffassung des BAFU) bezieht, kann vorliegend offenbleiben, zumal die Unterscheidung zwischen integral und partiell geschützten Gebieten nicht im Gesetz angelegt ist.
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4.2.2.2 Der zweite, in Art. 5 Abs. 1 lit. a VEJ genannte Vorbehalt gemäss Art. 2 Abs. 2 VEJ gibt den Inhalt des Bundesinventars der eidgenössischen Jagdbanngebiete in abstrakter Weise vor (vgl. nicht publ. E. 3). In Bezug auf den Aletschwald ist als Zielsetzung unter anderem die Regulierung des zu hohen Rothirschbestands im Inventar genannt. Als besondere Massnahme ist vorgesehen, dass in der Zeit vom 1. Oktober bis zum 30. November zwischen Bitsch und bis auf die Höhe des Sparrhorns zusätzlich zur ordentlichen Jagd Abschüsse von Rothirschen im Schutzgebiet getätigt werden.
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Aus dieser Formulierung geht ebenfalls klar hervor, dass zwischen der ordentlichen Jagd und den Abschüssen zu unterscheiden ist und die Regulierung im Jagdbanngebiet nicht im Rahmen der ordentlichen Jagd zu erfolgen hat.
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4.2.2.3 Der Begriff des Abschusses wird in der Verordnung zudem in Art. 10 VEJ verwendet, in welchem von "Hegeabschüssen" die Rede ist (Randtitel von Art. 10 VEJ). Demzufolge können die Wildschutzorgane der Banngebiete kranke oder verletzte Tiere jederzeit erlegen, wenn dies zur Verhinderung der Ausbreitung von Krankheiten oder aus Tierschutzgründen notwendig ist (Abs. 1). Solche Abschüsse haben sie umgehend der kantonalen Fachstelle zu melden (Abs. 2).
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Damit handelt es sich beim Abschuss auch gemäss dieser Norm um eine Massnahme, die nur von bestimmten Personen durchgeführt werden darf, sich auf einzelne, definierte Tiere bezieht und nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist.
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Wie die Vorinstanz in ihrer Erwägung 1.2.3 festhält, richtete sich der vorliegend streitgegenständliche Nachtrag 2018 des Staatsrats des Kantons Wallis "an ein Kollektiv, nämlich alle zur Jagd berechtigten Personen. Er regelt Rechte und Pflichten mit Bezug auf einen konkreten Fall; er benennt die einzelnen Gebiete, in denen die Patentinhaber im Jahr 2018 jagen dürfen und legt die Abgrenzungen der Gebiete sowie Einschränkungen der Jagd für bestimmte Gebiete fest." Damit aber mangelt es an einer individuell-konkreten Anordnung im vorgenannten Sinn.
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Im Fall des Aletschwalds ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich auch um ein im Sinne von Art. 18 i.V.m. Art. 18b NHG geschütztes Biotop handelt, das der Staatsrat des Kantons Wallis mit Entscheid vom 12. Januar 2011 betreffend den Schutz des Aletschwaldes, Gemeinde Riederalp (SGS 451.111) als Naturwaldreservat und besonders schützenswerte Landschaft zum Naturschutzgebiet erklärt hat. Das BAFU führt diesbezüglich aus, es handle sich um ein sowohl landschaftlich als auch faunistisch äusserst reiches und vielfältiges Gebiet, das zahlreiche geschützte Arten beherberge. So hätten 73 Brutvogelarten nachgewiesen werden können, wovon 44 national prioritäre Arten und vier Arten der Roten Liste seien.
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Ausserdem sind die Berner Hochalpen sowie das Aletsch-Bietschhorn-Gebiet (südlicher Teil) in das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) aufgenommen (BLN 1706/1507; Objektblatt auffindbar unter: www.bafu.admin.ch/ bafu/de/home/themen/landschaft/fachinformationen/landschaftsqualitaet-erhalten-und-entwickeln/landschaften-von-nationaler-bedeutung/bundesinventar-der-landschaften-und-naturdenkmaeler-von-national/beschreibungen-der-bln-objekte.html [besucht am 11. November 2020]). Der Aletschwald ist dabei als einer der Gründe für die nationale Bedeutung des gesamten Raums aufgeführt (Objektblatt, S. 3). Gemäss Objektblatt ist er auf einer Moräne des Aletschgletschers entstanden und seit 1933 ein Waldreservat mit einem hohen Anteil an Arven und Lärchen, die sich am besten an die rauen Bedingungen angepasst haben. Der Aletschwald sei mit einigen bis zu tausend Jahre alten Arven bestockt, die zu den ältesten Bäumen der Schweiz zählten. Zudem gehöre er zum grössten Jagdbanngebiet der Schweiz und sei damit Refugium für wild lebende Säugetiere und Vögel (Objektblatt, S. 4). Mit dem lückigen Baumbestand sei er Lebensraum für die beiden stark gefährdeten und störungsempfindlichen Vögel, das Birkhuhn und oberhalb der Waldgrenze das Alpenschneehuhn. Der Erhalt des Aletschwalds als eindrückliches Beispiel der Sukzessionsabfolge und der jahrhundertealten Bäume ist denn auch als Schutzziel des betroffenen Teilraums definiert (Objektblatt, S. 9). Diese Bedeutung des Aletschwalds ist bei der Bewilligung von Abschüssen im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung mitzuberücksichtigen.
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Zu Recht führt das BAFU im Rahmen seiner Vernehmlassung zudem aus, die zu ergreifenden Massnahmen seien im Sinne der Schutzziele so auszugestalten, dass Störungen für weitere im Gebiet lebende (geschützte) Arten auf ein Minimum reduziert würden. Dies gilt aber nicht nur in sachlicher, örtlicher und zeitlicher, sondern insbesondere auch in personeller Hinsicht, wobei sowohl entsprechende quantitative als auch qualitative Kriterien festzulegen sind, so dass nur bestimmte, dazu befähigte Personen mit Ortskenntnissen zum Abschuss von Tieren in den Jagdbanngebieten berechtigt werden. Dieser Aspekt wurde von der Vorinstanz nicht berücksichtigt.
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