BGE 80 III 15 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
4. Entscheid vom 22. Mai 1954 i. S. Scholl. | |
Regeste |
Nicht als Berufsgerät im Sinne von Art. 92 Ziff. 3 SchKG zu betrachten ist das Automobil, das der Schuldner im Betrieb einer Aktiengesellschaft, deren einziger Aktionär er ist, verwendet. | |
Sachverhalt | |
A.- Armin Scholl ist der einzige Aktionär, Verwaltungsrat und Geschäftsführer einer nach ihm benannten Aktiengesellschaft. Diese befasst sich mit der Ein- und Ausfuhr und mit dem Vertrieb von Waren verschiedener Art. 1m Namen und für Rechnung der Gesellschaft verkauft Scholl namentlich Papeterie- und Lederwaren sowie Reiseartikel. Mit einem ihm selbst gehörenden Personenwagen Marke VW, Jahrgang 1953, Limousine mit Flachdach, pflegt er die Kunden (Ladengeschäfte) in der ganzen Schweiz und in Liechtenstein aufzusuchen. Dabei führt er nach seinen Aussagen gewöhnlich sieben oder noch mehr Koffer mit Reisemustern, im Gewicht von etwa 70 kg insgesamt, mit.
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B.- In drei von Privatgläubigern gegen Scholl angehobenen Betreibungen wurde neben andern Sachen das erwähnte Automobil gepfändet. Scholl beschwerte sich darüber, indem er vorbrachte, er könnte ohne das Automobil seinen Beruf als Reisevertreter nicht mehr, jedenfalls nicht in konkurrenzfähiger Weise ausüben. Mit Bahn und Postautomobil liesse sich nur ein Fünftel der Kundenbesuche ausführen. Dementsprechend ginge der Umsatz zurück. Er könnte nur noch zwei Musterkoffer mit sich nehmen und müsste wesentliche Teile der Kollektion zuhause lassen. Die Konkurrenzgeschäfte pflegten ihre Kunden gleichfalls mit Automobilen zu bedienen. Schliesslich sei er noch besonders wegen eines rheumatischen Leidens auf das Automobil angewiesen, um sich zu schonen und das Tragen schwerer Koffer zu vermeiden.
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C.- In beiden kantonalen Instanzen abgewiesen, hält Scholl mit vorliegendem Rekurs an der Beschwerde fest.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: | |
Der Rekurrent kann Unpfändbarkeit von Sachen nach Art. 92 Ziff. 3 SchKG nur dann für sich in Anspruch nehmen, wenn er einen Beruf ausübt und hiefür das gepfändete Automobil nötig hat. Nun verwendet er es aber im Betrieb einer Aktiengesellschaft, und zwar nicht als deren Angestellter, der (wie dies gelegentlich bei Geschäftsreisenden vorkommt) die Kunden mit eigenem Wagen zu besuchen hätte. Vielmehr kommt ihm als einzigem Aktionär und Verwaltungsrat die Stellung eines Betriebsinhabers zu. Bei dieser Sachlage muss er aber wie die Aktiengesellschaft selbst als Unternehmer, nicht als Berufsmann, betrachtet werden. Und gleichwie der Aktiengesellschaft als juristischer Person von vornherein kein Unpfändbarkeitsanspruch nach Art. 92 Ziff. 3 (allenfalls in Verbindung mit Art. 224 SchKG) zusteht, da sie naturgemäss keinen Beruf ausüben kann (BGE 63 III 17), so steht es auch dem einzigen oder Haupt-Aktionär als Inhaber des Betriebes nicht zu, die dabei verwendeten, ihm gehörenden Werkzeuge und Gerätschaften als Kompetenzstücke in Anspruch zu nehmen und dem Zugriff seiner Privatgläubiger zu entziehen.
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Nun versucht der Rekurrent freilich daraus, dass neben ihm im wesentlichen nur seine Ehefrau im Geschäfte der Aktiengesellschaft tätig sei, herzuleiten, es handle sich in Wirklichkeit um einen (nur eben in Form einer solchen Gesellschaft geführten) Kleinbetrieb mit Berufscharakter. Dem ist jedoch nicht beizustimmen. Die Aktiengesellschaft ist ihrem Wesen nach Kapitalunternehmung (Art. 620 Abs. 1/621 OR). Auch die Einmanngesellschaft verliert diesen Charakter nicht, der eben der Aktiengesellschaft notwendig innewohnt. Nichts Abweichendes folgt daraus, dass bei solchen Verhältnissen die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft sich mit denen des einzigen oder Haupt-Aktionärs decken. Ist es auch gerechtfertigt, wegen dieser wirtschaftlichen Identität der beiden Rechtssubjekte gewisse Rechtsverhältnisse einer solchen Aktiengesellschaft auf den sie tragenden Hauptbeteiligten auszudehnen, und umgekehrt (vgl. BGE 72 II 76mit Hinweisen; GUHL, Schweizerisches Obligationenrecht, 4. Auflage, 444), so ist doch für die Natur des Betriebes die Art der Gesellschaft massgebend, in deren Namen und für deren Rechnung er geführt wird. Dass dies eine Unternehmung ist, bei der die kapitalistischen Erwerbsfaktoren bestimmend sind, ergibt sich übrigens im vorliegenden Falle auch noch aus der Art der Geschäfte (Grosshandel mit einem normalen Jahresumsatz von Fr. 150'000.-- bis 180'000.-- laut Aussagen des Rekurrenten) und dem Werte des Warenlagers (Fr. 20'000.--) und der Betriebseinrichtungen (Fr. 10'000.--).
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Vollends geht es nicht an, über die Tatsache, dass das gepfändete Automobil einem als Aktiengesellschaft betriebenen Handelsunternehmen dient, hinwegzusehen und das Fahrzeug einfach deshalb, weil es dem Rekurrenten gehört und ihm dank seiner persönlichen Tätigkeit in jenem Unternehmen zu einem Erwerb verhilft, als Berufsgerät anzusehen. Damit würde einerseits die dem Rekurrenten nach dem Gesagten zuzuschreibende Unternehmerstellung verkannt, und anderseits wäre dieser Standpunkt darauf angelegt, die Interessen der Unternehmung, also der Aktiengesellschaft, auf Kosten der Privatgläubiger des Rekurrenten zu wahren, was als rechtsmissbräuchlich erschiene. Es ist nicht etwa die Rede davon, der Rekurrent stehe im Begriff, die Unternehmung aufzulösen oder in andere Hände übergehen zu lassen und mit seinem Automobil eine andere Tätigkeit aufzunehmen, die unter Umständen als Beruf im Sinne von Art. 92 Ziff. 3 SchKG zu gelten hätte. Daher mag ungeprüft bleiben, ob ein solches im Zeitpunkt der Pfändung noch nicht verwirklichtes, aber in Ausführung befindliches Vorhaben gegebenenfalls zu Gunsten des Schuldners berücksichtigt werden könnte.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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