BGE 80 III 117 | |||
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26. Entscheid vom 1. September 1954 i.S. Courvoisier & Co. | |
Regeste |
Verwertung des Anteils an einer unverteilten Erbschaft (Art. 132 SchKG, Art. 9 ff. VVAG). |
Vorschusspflicht der Gläubiger, welche die Auflösung der Erbengemeinschaft verlangen (Art. 68 SchKG). | |
Sachverhalt | |
A.- Das Betreibungsamt Oberrieden pfändete am 13. Juli und 12. September 1953 für die Pfändungsgruppen 61 und 67 den Anteil des Schuldners an der unverteilten Erbschaft seines Vaters. Infolge von Verwertungsbegehren fanden Einigungsverhandlungen gemäss Art. 9 VVAG statt, die aber scheiterten. Hierauf ordnete die untere Aufsichtsbehörde in Anwendung von Art. 10 VVAG die Versteigerung des Anteilsrechtes an.
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B.- Darüber beschwerte sich die als Gläubigerin an der Pfändung beteiligte Rekurrentin, um die Auflösung der Erbengemeinschaft und die Ermittlung des auf den Schuldner entfallenden Treffnisses zu erlangen. Dieses Begehren wurde aber von der obern kantonalen Aufsichtsbehörde am 30. Juni 1954 abgewiesen. Sie liess offen, ob sich der Wert des gepfändeten Erbteils annähernd bestimmen liesse (wobei der Versteigerung ohnehin nichts entgegenstünde). Selbst wenn es nicht der Fall wäre, sei die Versteigerung gerechtfertigt, weil mit einer Erbteilung beträchtliche Schwierigkeiten und Kosten verbunden wären. Nicht nur würde die Betreibung verzögert, sondern das Betreibungsamt liefe Gefahr, an Stelle des Schuldners in einen Prozess verwickelt zu werden, in dem voraussichtlich über die vom Schuldner behauptete Bereicherung der Erbengemeinschaft durch seine Bauaufwendungen eine Expertise durchgeführt werden müsste. Der Erbteil des Schuldners von anfänglich Fr. 2000.-- bis 3000.-- könne sehr wohl durch Verpflichtungen (aus der Benutzung der gemeinsamen Liegenschaft durch ihn) nahezu aufgewogen sein. Jedenfalls sei zweifelhaft, ob der Liquidationserlös auch nur den Prozessaufwand decken würde. "Art. 10 Abs. 3 der Verordnung hat nicht den Sinn, dass sich das Betreibungsamt Prozesskosten aussetzen müsse, deren Kostendeckung aus dem Liquidationserlös fraglich ist, zumal vermutlich weder ein Schuldner noch ein Gläubiger Sicherheit zu leisten bereit wäre."
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C.- Demgegenüber hält die Rekurrentin an ihrer Beschwerde fest.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: | |
1. Der (nach Art. 3 VVAG erst in letzter Linie zu pfändende) Anteil des Schuldners an einem Gemeinschaftsvermögen lässt sich nicht ohne weiteres wie ein Stück seines Alleinvermögens verwerten. Zwar ist die Versteigerung des Anteilsrechtes nicht ausgeschlossen, und es haben die Mitbeteiligten nicht etwa den Eintritt des Ersteigerers an die Stelle des Schuldners zu befürchten. Übertragbar und damit verwertbar ist vielmehr nur der auf den Schuldner entfallende Liquidationsanteil und der auf dessen Ermittlung und Ausrichtung abzielende Anspruch auf Auflösung der Gemeinschaft und Liquidation des gemeinschaftlichen Vermögens mindestens bis zur Zuweisung des Treffnisses an den Schuldner. Art. 132 SchKG trägt diesen besondern Verhältnissen Rechnung, indem er die Bestimmung der Verwertungsart in jedem Falle der Aufsichtsbehörde zuweist. Schon vor Erlass der diese Vorschrift ausführenden Verordnung vom 17. Januar 1923 (VVAG) war anerkannt, dass das Anteilsrecht im allgemeinen nicht als solches versteigert werden solle, bevor der auf den Schuldner entfallende Nettobetrag festgestellt ist (JAEGER, N. 4 zu Art. 132, S. 432 unten). Art. 10 Abs. 3 VVAG schreibt nun ausdrücklich vor, das Anteilsrecht sei "in der Regel" nur dann als solches zu versteigern, wenn sein Wert auf Grund der bei der Pfändung und anlässlich der Einigungsverhandlungen gemachten Feststellungen annähernd bestimmt werden kann. Ist dies auch, wie die Worte "in der Regel" erkennen lassen, kein absolutes Gebot, so darf doch ein Anteilsrecht von unbestimmbarem Werte nur aus besondern Gründen, die dem Schutzzweck der Vorschrift nicht widersprechen, zur Versteigerung gelangen. Man würde dem Art. 10 Abs. 3 VVAG Gewalt antun, wollte man einen Ausnahmefall ohne weiteres dann annehmen, wenn die Unmöglichkeit annähernder Bewertung des Anteilsrechtes darauf beruht, dass sich gewisse Gegenstände des Gemeinschaftsvermögens nur durch Expertise schätzen lassen, oder darauf, dass zwischen dem Schuldner und den Mitbeteiligten Forderungen und Gegenforderungen streitig sind. Denn das sind von alters her die häufigsten Gründe, weshalb sich das Anteilsrecht nicht einigermassen sicher bewerten lässt. Bei einer solchen Sachlage soll eben das Anteilsrecht nicht auf gut Glück versteigert werden, sondern es ist die Liquidation des Gemeinschaftsvermögens herbeizuführen und so das Nettobetreffnis des Schuldners zu ermitteln und wenn möglich (soweit zur Deckung der in Betreibung stehenden Forderungen erforderlich) vom Betreibungsamt einzuziehen. Nur so wird einer Verschleuderung des Anteilsrechtes vorgebeugt, wie dies der erwähnte Art. 10 Abs. 3 VVAG zum Schutze des Schuldners und namentlich auch der betreibenden Gläubiger vorschreibt.
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Der angefochtene Entscheid lässt zwar offen, ob sich der gepfändete Erbteil schon jetzt annähernd bewerten liesse. Das ist aber ausgeschlossen, da die Betreibungsbehörden die zwischen dem Schuldner und den Miterben streitigen Ansprüche nicht beurteilen können.
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2. Dem Begehren der Rekurrentin ist daher grundsätzlich zu entsprechen. Dass mit der Erbteilung besondere Nachteile verbunden wären, die den von der erwähnten Vorschrift angestrebten Schutz vereiteln würden (wie etwa eine fortschreitende Entwertung des Gemeinschaftsvermögens), ist nicht ersichtlich. Allerdings wurde in der Praxis mitunter die Versteigerung eines Anteilsrechtes gebilligt, weil den betreibenden Gläubigern nicht zuzumuten sei, die Kosten eines langwierigen Teilungsprozesses mit unsicherm Ergebnis auf sich zu nehmen (BlZR 1926 Nr. 220, 1939 Nr. 98; vom Bundesgericht am 26. Juni 1954 bestätigter Entscheid der zürcherischen Aufsichtsbehörde i.S. Bader). Allein, wenn aus diesem Gesichtspunkt einem Rekurs des Schuldners der Erfolg versagt wurde, lässt sich nicht dem Gläubiger selbst, der die Erbteilung gerade verlangt, entgegenhalten, dieses Vorgehen sei ihm nicht zuzumuten. Wenn die Rekurrentin einer Versteigerung des Anteilsrechtes von ganz ungewissem Werte die gehörige Ermittlung des auf den Schuldner entfallenden Nettobetreffnisses vorzieht, darf ihr dieses als Regel vorgeschriebene Vorgehen, das keineswegs von vornherein zu keinem guten Betreibungsergebnis führen kann, nicht verweigert werden.
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3. Der Rekurs ist indessen nicht schlechthin gutzuheissen, sondern nur unter Vorbehalt der die Rekurrentin (und jeden andern der beteiligten Gläubiger, der ebenfalls die Durchführung der Erbteilung verlangen möchte) treffenden Kostenvorschusspflicht nach Art. 68 SchKG. Dass diese Pflicht auch für das Stadium der Verwertung gilt (entgegen dem mit dem Gesetz nicht zu vereinbarenden Art. 3 Abs. 1 der bundesrätlichen Verordnung I vom 18. Dezember 1891), ist längst anerkannt (BGE 37 I 344= Sep.-Ausg. 14 S. 173; Ziff. 2 der Erläuterungen auf dem obligatorischen Formular Nr. 27 für das Verwertungsbegehren). Und zwar fallen gleich den Handlungen des Betreibungsamtes auch die nach Art. 132 SchKG und Art. 9 ff. VVAG den Aufsichtsbehörden obliegenden Verrichtungen zur Verwertung von Gemeinschaftsanteilen in Betracht. Die Vorinstanz befürchtet somit zu Unrecht ein Kostenrisiko des Betreibungsamtes, d.h. des Staates. Es darf auch nicht einfach vermutet werden, die Rekurrentin und alle andern an der Pfändung des Erbteils beteiligten Gläubiger seien zu keiner Vorschussleistung bereit. Dies um so weniger, als es sich vorderhand nur darum handelt, die nach Art. 609 ZGB zuständige Behörde anzugehen, was übrigens jeder Pfändungsgläubiger auch selber tun kann. Mit erheblichen Kosten der Betreibungsbehörden ist somit gar nicht sicher zu rechnen. Im übrigen bleibt ihnen die Nachforderung weiterer Vorschüsse vorbehalten, was etwa in Frage kommen wird, wenn das Betreibungsamt seinerseits von einem mit der Erbteilung befassten Gericht um Bevorschussung von Kosten ersucht werden sollte. Den Gläubigern ist zur Vorschussleistung eine Frist anzusetzen mit der Androhung, es werde andernfalls das Anteilsrecht als solches versteigert (was ja auch in Art. 13 VVAG als letztes Mittel vorbehalten ist). Kommt die Rekurrentin (oder ein anderer Gläubiger) der Vorschusspflicht nach, so ist es auch den andern zuzumuten, das Ergebnis der Erbteilung abzuwarten, deren Durchführung eben mehr Gewähr für eine vollständige Auswertung des Erbanspruchs des Schuldners bietet als die Versteigerung des unbereinigten Anteilsrechtes.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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In grundsätzlicher Gutheissung des Rekurses wird der angefochtene Entscheid in dem Sinne aufgehoben, dass der Rekurrentin (wie auch den übrigen beteiligten Gläubigern) vor Anordnung einer Versteigerung Gelegenheit zu geben ist, unter angemessener Sicherstellung der dadurch den Betreibungsbehörden mutmasslich entstehenden Kosten und Auslagen die Erbteilung herbeizuführen.
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