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35. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Oktober 1954 i. S. Reiss gegen Pernikoffs Erben. | |
Regeste |
1. Französisch-schweizerischer Gerichtsstandsvertrag vom 15. Juni 1869. Auslegung von Art. 1 und Abgrenzung gegenüber den intern-schweizerischen (kantonalen und eidgenössischen) Zuständigkeitsnormen (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Bezirksgericht wies die Klage von der Hand mit der Begründung, die Erbschaft sei nicht prozessfähig, die Erben aber habe der Kläger erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit und zudem nicht vollständig genannt; endlich seien diese mit dem betriebenen Schuldner nicht identisch.
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C.- Einen hiergegen vom Kläger erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons Zürich am 8. April 1954 ab aus folgenden Gründen:
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Es könne dahingestellt bleiben, ob die Begründung des bezirksgerichtlichen Entscheides zutreffe. Die zürcherischen Gerichte seien zur Beurteilung einer Klage gegen in Frankreich wohnhafte Franzosen über persönliche Ansprüche ohnehin nicht zuständig nach Art. 1 der Verordnung des Bundesgerichts vom 29. Juni 1936 betreffend die Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 zum Gerichtsstandsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869. Zwar mache der Kläger geltend, er sei polnischer Staatsangehöriger und daher der Gerichtsstandsvertrag auf ihn nicht anwendbar. Allein es könne nicht als wahrer Sinn des Gerichtsstandsvertrages gelten, dass Angehörige von Drittstaaten besser gestellt sein sollten als in der ![]() | 4 |
D.- Mit vorliegender Berufung, eventuell Nichtigkeitsbeschwerde, hält der Kläger an der Zuständigkeit der von ihm angerufenen zürcherischen Gerichte fest und erneuert das Klagebegehren. Eventuell verlangt er die Rückweisung der Sache an die kantonalen Gerichte. Er hält nach wie vor die vom Obergericht herangezogenen Bestimmungen auf ihn als polnischen Staatsangehörigen nicht für anwendbar.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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3. Das Obergericht hält dem Kläger - auch angenommen, er sei, wie behauptet, polnischer Staatsangehöriger - den Art. 1 des französisch-schweizerischen Gerichtsstandsvertrages vom 15. Juni 1869 entgegen. Diese Vorschrift gilt indessen ausdrücklich nur in Streitigkeiten zwischen Schweizern und Franzosen, also wenn einander als Parteien Schweizer (als Kläger) und Franzosen (als Beklagte) oder umgekehrt Franzosen auf Kläger- und Schweizer auf Beklagtenseite gegenüberstehen. Dass dies der wahre Wille des Staatsvertrages ist, wurde in ständiger Rechtsprechung angenommen und wiederholt dargelegt (vgl. das kürzlich ergangene Urteil, Seite 156/7 hievor, mit Zitaten; EUGEN CURTI, Der Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich... S. 16 ff.). Der angefochtene Entscheid glaubt hievon abgehen zu sollen, weil es nicht angehe, einen Ausländer als Kläger besser zu stellen als einen Schweizer, der (gleichgültig wo er wohnt, vgl.BGE 57 I 217) einen in Frankreich wohnenden Franzosen für persönliche Ansprüche nach der erwähnten Vorschrift in Frankreich belangen muss. Diese Betrachtungsweise fasst ![]() ![]() | 7 |
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"Die Angehörigen eines der vertragschliessenden Teile geniessen auf dem Gebiete des andern hinsichtlich ihrer rechtlichen Stellung, ihres beweglichen und unbeweglichen Eigentums, ihrer Rechte und Interessen, die gleiche Behandlung wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation";
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(Originaltext:)
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"Les ressortissants de chaque Partie Contractante recevront sur le territoire de l'autre Partie Contractante par rapport à leur situation juridique, leurs biens mobiliers et immobiliers, leurs droits et intérêts, le même traitement que celui accordé aux ressortissants de la nation la plus favorisée."
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Wieso diese Klausel im vorliegenden Falle zum Nachteil des Klägers (sofern er polnischer Staatsangehöriger ist) in dem Sinne anzuwenden sei, dass ihm der Gerichtsstand des Arrestortes nicht zur Verfügung stehe, ist im angefochtenen Urteil nicht ausgeführt. Indessen ist die Klausel hier nicht anwendbar. Meistbegünstigungsklauseln gelten in der Regel nur für die Rechtsbeziehungen, die den Gegenstand des eine solche Klausel enthaltenden Staatsvertrages bilden. Daher hat (abweichend von einem Urteil des Tribunal de commerce de Rennes vom 23. Oktober 1912, CLUNET, Journal de droit international privé 1913 p. 894) der französische Kassationshof es in einem Urteil vom 22. Dezember 1913 abgelehnt, die im Frankfurter Vertrag zwischen Frankreich und Deutschland enthaltene Meistbegünstigungsklausel auf Art. 1 des französischschweizerischen Gerichtsstandsvertrages anzuwenden (Recueil SIREY 1914 p. 233 mit Erläuterungen von LYON- ![]() | 13 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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