BGE 80 III 161 | |||
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35. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Oktober 1954 i. S. Reiss gegen Pernikoffs Erben. | |
Regeste |
1. Französisch-schweizerischer Gerichtsstandsvertrag vom 15. Juni 1869. Auslegung von Art. 1 und Abgrenzung gegenüber den intern-schweizerischen (kantonalen und eidgenössischen) Zuständigkeitsnormen (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
A.- Am 16. Mai 1953 reichte der Berufungskläger F. Reiss in Prosekution einer in Zürich gegen den "unverteilten Nachlass des Pernikoff Ossip,... Paris" eingeleiteten Arrestbetreibung beim Bezirksgericht Zürich Klage auf Zahlung von Fr. 10'296.25 nebst Zins und Kosten ein. Die Klage richtete sich gegen den Nachlass Pernikoff und gegen die anfänglich noch nicht bezeichneten Erben. Nachträglich nannte der Kläger als Erben die in Paris wohnhaften Efim und Nathalie Pernikoff mit der Bemerkung, es sei möglich, dass noch andere Erben vorhanden seien.
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B.- Das Bezirksgericht wies die Klage von der Hand mit der Begründung, die Erbschaft sei nicht prozessfähig, die Erben aber habe der Kläger erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit und zudem nicht vollständig genannt; endlich seien diese mit dem betriebenen Schuldner nicht identisch.
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C.- Einen hiergegen vom Kläger erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons Zürich am 8. April 1954 ab aus folgenden Gründen:
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Es könne dahingestellt bleiben, ob die Begründung des bezirksgerichtlichen Entscheides zutreffe. Die zürcherischen Gerichte seien zur Beurteilung einer Klage gegen in Frankreich wohnhafte Franzosen über persönliche Ansprüche ohnehin nicht zuständig nach Art. 1 der Verordnung des Bundesgerichts vom 29. Juni 1936 betreffend die Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 zum Gerichtsstandsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869. Zwar mache der Kläger geltend, er sei polnischer Staatsangehöriger und daher der Gerichtsstandsvertrag auf ihn nicht anwendbar. Allein es könne nicht als wahrer Sinn des Gerichtsstandsvertrages gelten, dass Angehörige von Drittstaaten besser gestellt sein sollten als in der Schweiz wohnhafte Schweizerbürger. Jedenfalls mache nun die erwähnte Verordnung des Bundesgerichts die Anwendbarkeit von Art. 1 des Gerichtsstandsvertrages nur noch davon abhängig, dass sich die Klage gegen einen in Frankreich wohnenden Franzosen richte.
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D.- Mit vorliegender Berufung, eventuell Nichtigkeitsbeschwerde, hält der Kläger an der Zuständigkeit der von ihm angerufenen zürcherischen Gerichte fest und erneuert das Klagebegehren. Eventuell verlangt er die Rückweisung der Sache an die kantonalen Gerichte. Er hält nach wie vor die vom Obergericht herangezogenen Bestimmungen auf ihn als polnischen Staatsangehörigen nicht für anwendbar.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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3. Das Obergericht hält dem Kläger - auch angenommen, er sei, wie behauptet, polnischer Staatsangehöriger - den Art. 1 des französisch-schweizerischen Gerichtsstandsvertrages vom 15. Juni 1869 entgegen. Diese Vorschrift gilt indessen ausdrücklich nur in Streitigkeiten zwischen Schweizern und Franzosen, also wenn einander als Parteien Schweizer (als Kläger) und Franzosen (als Beklagte) oder umgekehrt Franzosen auf Kläger- und Schweizer auf Beklagtenseite gegenüberstehen. Dass dies der wahre Wille des Staatsvertrages ist, wurde in ständiger Rechtsprechung angenommen und wiederholt dargelegt (vgl. das kürzlich ergangene Urteil, Seite 156/7 hievor, mit Zitaten; EUGEN CURTI, Der Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich... S. 16 ff.). Der angefochtene Entscheid glaubt hievon abgehen zu sollen, weil es nicht angehe, einen Ausländer als Kläger besser zu stellen als einen Schweizer, der (gleichgültig wo er wohnt, vgl.BGE 57 I 217) einen in Frankreich wohnenden Franzosen für persönliche Ansprüche nach der erwähnten Vorschrift in Frankreich belangen muss. Diese Betrachtungsweise fasst jedoch einseitig die Rechtsstellung eines Klägers ins Auge. Sie lässt ausser acht, dass der wesentliche Inhalt der in Frage stehenden staatsvertraglichen Vorschrift in einem näher umschriebenen Gerichtsstandsschutz für den Beklagten besteht. Wenn dieser Schutz eine eigentümliche Art der Umgrenzung erfahren hat, ist die damit getroffene Ordnung doch nicht unverständlich, widerspruchsvoll oder gar unannehmbar, wie denn übrigens Staatsverträge gleichwie Gesetze für die rechtsanwendenden Behörden massgebend sind. Die erwähnte Vorschrift gewährleistet Franzosen und Schweizern als Beklagten den natürlichen Gerichtsstand ihres Wohnortes - so dass die Gerichte des andern Vertragsstaates sich (unter Vorbehalt einer gültigen Prorogation oder Einlassung) als unzuständig zu erklären haben -, nur wenn der Kläger diesem andern Vertragsstaat angehört und die Klage persönliche Ansprüche und dergleichen, gemäss der Umschreibung im Staatsvertrag, betrifft. Danach sind auf Klägerseite nur Schweizer und Franzosen, und zwar nur gegenüber Angehörigen des andern Vertragsstaates, an die Vorschrift gebunden, was das Gegenstück dazu ist, dass auch ihnen allein in der Beklagtenrolle der Schutz der Vorschrift in entsprechender Weise zukommt. Damit schafft der Staatsvertrag kein Privileg für Kläger anderer Staatsangehörigkeit und solche, die keine Staatsangehörigkeit besitzen. Mit ihnen befasst sich die Vorschrift gar nicht, weshalb für sie die innere Zuständigkeitsordnung der Schweiz und Frankreichs (unter Vorbehalt anderweitiger Staatsverträge) uneingeschränkt gilt. Wenn ihnen daraus in der Klägerrolle eine freiere Stellung erwächst, indem sie insbesondere auch gegen einen in Frankreich wohnenden Franzosen an einem schweizerischen Arrestorte klagen können, was einem Schweizer (auch einem in der Schweiz wohnenden) nach Art. 1 des Gerichtsstandsvertrages versagt ist, so muss es dabei sein Bewenden haben. Angehörigen dritter Staaten und Staatenlosen wird eben in der Beklagtenrolle der Schutz der erwähnten Vorschrift auch nicht zuteil. Soweit diese keine Abweichung von der innerstaatlichen Zuständigkeitsordnung begründet, muss die letztere zur Anwendung kommen.
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"Die Angehörigen eines der vertragschliessenden Teile geniessen auf dem Gebiete des andern hinsichtlich ihrer rechtlichen Stellung, ihres beweglichen und unbeweglichen Eigentums, ihrer Rechte und Interessen, die gleiche Behandlung wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation";
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(Originaltext:)
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"Les ressortissants de chaque Partie Contractante recevront sur le territoire de l'autre Partie Contractante par rapport à leur situation juridique, leurs biens mobiliers et immobiliers, leurs droits et intérêts, le même traitement que celui accordé aux ressortissants de la nation la plus favorisée."
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Wieso diese Klausel im vorliegenden Falle zum Nachteil des Klägers (sofern er polnischer Staatsangehöriger ist) in dem Sinne anzuwenden sei, dass ihm der Gerichtsstand des Arrestortes nicht zur Verfügung stehe, ist im angefochtenen Urteil nicht ausgeführt. Indessen ist die Klausel hier nicht anwendbar. Meistbegünstigungsklauseln gelten in der Regel nur für die Rechtsbeziehungen, die den Gegenstand des eine solche Klausel enthaltenden Staatsvertrages bilden. Daher hat (abweichend von einem Urteil des Tribunal de commerce de Rennes vom 23. Oktober 1912, CLUNET, Journal de droit international privé 1913 p. 894) der französische Kassationshof es in einem Urteil vom 22. Dezember 1913 abgelehnt, die im Frankfurter Vertrag zwischen Frankreich und Deutschland enthaltene Meistbegünstigungsklausel auf Art. 1 des französischschweizerischen Gerichtsstandsvertrages anzuwenden (Recueil SIREY 1914 p. 233 mit Erläuterungen von LYON- CAEN). Nun beschränkt sich allerdings die erwähnte Klausel der Handelsübereinkunft zwischen der Schweiz und Polen nicht auf die beidseitigen Handelsbeziehungen (wozu vgl. Art. 1 der Übereinkunft). Allein es kann nicht angenommen werden, die beiden Staaten hätten mit dieser allgemeinen Klausel die ganz besondern Zuständigkeitsnormen des französisch-schweizerischen Gerichtsstandsvertrages als mitvereinbart erklären wollen. Selbst wenn man übrigens davon ausgehen dürfte, die Rechte, die den Franzosen aus Art. 1 des Gerichtsstandsvertrages erwachsen, seien kraft der Meisbegünstigungsklausel auch den Polen zuzuerkennen, würde sich daraus für den vorliegenden Fall nichts ergeben. Denn auch wenn der Kläger (als allfälliger Pole) einem Franzosen gleichgestellt wird, erweist sich Art. 1 des Gerichtsstandsvertrages als nicht anwendbar, weil diese Vorschrift, wie schon bemerkt, nicht für Streitigkeiten zwischen Franzosen gilt und, was beide Parteien anerkennen, die Beklagten Franzosen sind.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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