BGE 81 III 11 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
4. Entscheid vom 7. Februar 1955 i.S. Hudec. | |
Regeste |
Unpfändbarkeit von Berufswerkzeugen. Art. 92 Ziff. 3 SchKG. |
Übt der Schuldner seinen Beruf im Ausland aus, so liegt es ihm ob, allfällige dort bestehende Besonderheiten nachzuweisen. | |
Sachverhalt | |
A.- Gegen den Rekurrenten, der in den Vereinigten Staaten Wohnsitz hat, wurde an seinem zeitweiligen Aufenthaltsorte Zürich Arrest auf verschiedene Gegenstände und namentlich auf einen Photoapparat, Marke Kodak Retina I A, genommen. Über den vom Betreibungsamte Zürich 10 am 29. September 1954 vollzogenen Arrest beschwerte sich der Schuldner, mit dem Vorbringen, als frei erwerbender Ingenieur benötige er die (samt Lederetui auf Fr. 100.-- geschätzte) Kamera für technische Aufnahmen und zur Reproduktion von Zeichnungen, Patenten und Literaturauszügen nach dem Mikrofilm-System.
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C.- Mit vorliegendem Rekurs hält der Schuldner an der Beschwerde fest. Er führt im wesentlichen aus:
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"Ein Vervielfältigungsapparat ist für einen frei schaffenden Ingenieur unerlässlich, weil er unmöglich seine eigenen Zeichnungen und sonstigen Unterlagen so oft anfertigen kann, wie er sie benötigt. Ebenso wenig kann er sich alle erforderlichen Zeichnungen und Unterlagen, die aus andern Quellen stammen, selbst abzeichnen oder abschreiben. Es ist anders als bei andersartigen Berufen, wo solche Anforderungen nur gelegentlich auftreten.
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Es handelt sich bei einem frei schaffenden Ingenieur auch nicht darum, wie die obere Aufsichtsbehörde angenommen hat, sich irgendwelche Archive anzulegen, sondern vielmehr um die Bereitstellung der für ihn notwendigen Informationen (in U.SA nennt man es künstliches Gedächtnis), die ihm jederzeit zur Verfügung stehen, die für ihn sofort greifbar sein müssen. Nur so kann er seine Konkurrenzfähigkeit erhalten."
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Im übrigen bringt er vor, für die Arbeit an Forschungs- und Entwicklungsaufgaben sei ihm ein eigenes Vervielfältigungsgerät notwendiger als etwa einem Planungsingenieur. Er weist auf eine Entscheidung in BIZüR 28 Nr. 94 hin und fügt bei, in den Vereinigten Staaten müsse jeder Berufsmann über viel mehr technische Einrichtungen verfügen als in Europa.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: | |
Der angefochtene Entscheid fasst nur die in der Schweiz bestehenden Verhältnisse ins Auge und kommt zum Ergebnis, es sei hierzulande nicht allgemeine Gepflogenheit frei erwerbender Ingenieure, sich einer Kleinfilmkamera zu bedienen. "Sollten besondere Verhältnisse des Beschwerdeführers oder anders gestaltete Verhältnisse am Arbeitsorte (USA) zu einer andern Schlussfolgerung führen, so hätte der Beschwerdeführer sie darlegen müssen." In der Tat ist es nicht Aufgabe der schweizerischen Betreibungsbehörden, die grundsätzlich von Amtes wegen vorzunehmende Abklärung der für die Frage der Unpfändbarkeit nach Art. 92 Ziff. 3 SchKG massgebenden Tatsachen über das Gebiet der Schweiz hinaus auszudehnen (BGE 57 III 17). Und was der Schuldner nun in seinem Rekurs an das Bundesgericht über die in Amerika zur Berufsausübung erforderlichen technischen Einrichtungen vorbringt, kann als neue Behauptung nicht in Betracht fallen (Art. 79 Abs. 1 zweiter Satz OG).
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Im übrigen ist der kantonalen Aufsichtsbehörde darin beizustimmen, dass eine Kleinfilmkamera für einen Ingenieur, anders als für einen Berufsphotographen, keines jener für die Berufsarbeit als solche unentbehrlichen Werkzeuge darstellt wie etwa Reisszeug und Zeichnungstisch. Es handelt sich um ein Hilfsmittel, das die berufliche Betätigung erleichtern kann, jedoch nicht als unentbehrlich erscheint, sofern die in diesem Berufsstand herrschenden Gepflogenheiten und die Konkurrenzverhältnisse nicht zu einer gegenteiligen Annahme führen. Dies ist aber nach der im wesentlichen auf der Feststellung von Tatsachen beruhenden, in rechtlicher Beziehung einwandfreien vorinstanzlichen Entscheidung nicht der Fall. Bei dieser Sachlage ist dem Rekurrenten in der Tat zuzumuten, sich die Einsichtnahme in allgemein zugängliches Material (Literatur Patenturkunden, Pläne usw.) jeweilen nach Bedarf zu verschaffen und, um sich eine allenfalls als wünschbar erscheinende zukünftige Benutzung zu erleichtern, mit Notizen, Abschriften und sonstigen Wiedergaben zu behelfen, ohne selber (mit eigener Kamera) solche auf photographischem Wege herzustellen.
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Dass entgegen der vorinstanzlichen Entscheidung in der Schweiz bereits anerkannt sei, dass einem frei schaffenden Ingenieur eine Kleinfilmkamera als unentbehrliches Berufsgerät belassen werden müsse, trifft nicht zu. Der vom Rekurrenten angerufene Entscheid des zürcherischen Obergerichts (BIZüR 28 Nr. 94) bezieht sich gar nicht auf einen Photoapparat, sondern erklärt bloss die Schreibmaschine, nicht dagegen Schreibmaschinentischchen und -stuhl und Rollpult als unpfändbare Geräte eines frei erwerbenden Ingenieurs. Eine "Vervielfältigungsmaschine" (duplicateur) zur Herstellung einer grossen Anzahl von Zirkularen wurde einem Geschäftsvertreter als Kompetenzstück belassen, dem Gläubiger aber vorbehalten, ihm ein billigeres Ersatzstück zu verschaffen, um das andere in Pfändung behalten zu können (BGE 59 III 240). Daraus ist nichts zu Gunsten des Rekurrenten zu folgern. Er beansprucht als unpfändbar ein Vervielfältigungsgerät ganz anderer Art und zu anderem Zwecke (neben einer Schreibmaschine, die ihm als Kompetenzstück belassen worden ist). Dass er eine zahlreiche Kundschaft mit photographisch herzustellenden Skizzen usw. zu bedienen habe, ist nicht einmal behauptet. Was aber den Eigengebrauch (das vom Rekurrenten erwähnte künstliche Gedächtnis) betrifft, so ist ihm eine Kleinfilmkamera - nach schweizerischen Verhältnissen, auf die, wie dargetan, abgestellt werden durfte - nicht unentbehrlich.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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