BGE 81 III 61 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
18. Auszug aus dem Entscheid vom 4. Mai 1955 i. S. Eheleute Brechbühl. | |
Regeste |
Doppelaufruf des zu verwertenden Grundstücks: Unter welchen Voraussetzungen ist er in den Steigerungsbedingungen vorzusehen, und in welchen Fällen hat der zweite Aufruf alsdann stattzufinden? | |
Sachverhalt | |
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A.- Der am 9. November 1953 verstorbene Fritz Pfäffii hatte seinem Mieter Hans Schleith durch Vertrag vom 20. Juni 1953 ein Kaufsrecht in bezug auf seine Liegenschaften in Murten eingeräumt. Der Preis wurde auf Fr. 20'995.-- festgesetzt, zahlbar durch Übernahme der Hypothekarschulden von Fr. 16'000.-- Kapital und Barleistung des Restbetrages an die Berechtigten. Das Kaufsrecht darf nach den vertraglichen Bestimmungen erst nach dem Tode des Eigentümers ausgeübt werden. Es ist seit dem 10. Juli 1953 im Grundbuch vorgemerkt.
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B.- In der Grundpfandbetreibung gegen die Verlassenschaft Pfäffii kam es am 7. März 1955 zur Steigerung. In den vom 14. Februar an aufgelegten Steigerungsbedingungen war bemerkt: "Es erfolgen zwei Ausrufe: 1/Ausruf: mit Kaufrecht zu Gunsten des Hans Schleith...; 2/Ausruf: ohne das Kaufrecht." An der Steigerung bot nun beim ersten Ausruf (mit dem Kaufsrecht) Hans Schleith Fr. 20'995.--, während sich keine andern Bieter meldeten. Hierauf nahm das Betreibungsamt einen zweiten Aufruf (ohne das Kaufsrecht) vor, wobei die Eheleute Brechbühl den Zuschlag zum Höchstangebot von Fr. 23'500.-- erhielten.
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C.- Auf Beschwerde des Hans Schleith hob die kantonale Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 8. April 1955 den Zuschlag samt den ihm vorausgegangenen Verwertungsmassnahmen auf.
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D.- Mit vorliegendem Rekurs beantragen die Eheleute Brechbühl die Aufhebung des kantonalen Entscheides, die Abweisung der von Schleith geführten Beschwerde und die Bestätigung des an sie erfolgten Zuschlages zum Preise von Fr. 23'500.-- ohne Belastung mit dem Kaufsrecht.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: | |
1. Ein doppelter Aufruf ist in dem (nach Art. 156 SchKG auch im Grundpfandverwertungsverfahren anwendbaren) Art. 142 SchKG für den Fall vorgesehen, dass eine Liegenschaft ohne Zustimmung des vorgehenden Grundpfandgläubigers mit einer Dienstbarkeit oder Grundlast belastet ist. Damit wird der Vorschrift von Art. 812 Abs. 2 ZGB Rechnung getragen, der bestimmt, dass das Grundpfandrecht einer später ohne Zustimmung der Pfandgläubiger auf das Grundstück gelegten Dienstbarkeit oder Grundlast vorgehe, und dass die spätere Belastung zu löschen sei, "sobald bei der Pfandverwertung ihr Bestand den vorgehenden Pfandgläubiger schädigt." Nach Art. 104 VZG sind - zweifellos dem Sinn der erwähnten Gesetzesvorschriften entsprechend - die im Grundbuch vorgemerkten persönlichen Rechte ebenfalls der für Dienstbarkeiten und Grundlasten geltenden Regelung unterworfen. Im übrigen wird die Anordnung eines Doppelaufrufs von einem Begehren von Pfandgläubigern abhängig gemacht, wofür ihnen bei Zustellung des Lastenverzeichnisses Frist anzusetzen ist. Für die Durchführung der Verwertung nach dem Prinzip des Doppelaufrufs enthält Art. 56 VZG nähere Anweisungen, die nach Art. 102 VZG auch bei der Grundpfandverwertung gelten. Danach bleibt der Meistbieter im ersten Aufruf (mit der Last) bei seinem Angebot behaftet bis nach Schluss eines allfälligen zweiten Aufrufs ohne die Last. Namentlich aber soll ein zweiter Aufruf gar nicht stattfinden, wenn der erste bereits ein zur Befriedigung des Gläubigers ausreichendes Angebot zeitigt oder der durch die Last Begünstigte einen Fehlbetrag sofort bezahlt. Denn unter solchen Umständen wirkt sich eben die Last (oder Vormerkung) nicht zum Nachteil der vorgehenden Grundpfandgläubiger aus, was allein (nach der grundlegenden Bestimmung von Art. 812 Abs. 2 ZGB) ihre Löschung rechtfertigen würde.
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Der angefochtene Entscheid tut zutreffend dar, dass bei der Vorbereitung und Durchführung der Steigerung in verschiedener Hinsicht gegen diese Vorschriften verstossen wurde. Einmal liegt nichts dafür vor, dass ein Grundpfandgläubiger den doppelten Aufruf der Liegenschaften verlangt hätte. Indessen darf auch nicht angenommen werden, die Grundpfandgläubiger seien damit einverstanden gewesen, dass die Liegenschaften mit dem Kaufsrecht versteigert würden. Vielmehr war die Vormerkung dieses Rechtes gar nicht (unter der Rubrik "Andere Lasten") im Lastenverzeichnis aufgeführt, weshalb die in dessen gedrucktem Text enthaltene Fristansetzung sich nicht auf das streitige Kaufsrecht beziehen liess. Diese Lücke des Lastenverzeichnisses dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der vom Betreibungsamt eingeholte Grundbuchauszug die Vormerkung unerwähnt gelassen hatte. Vor allem aber wurde, obwohl sich beim ersten Aufruf (mit dem Kaufsrecht) ein die Grundpfandforderungen völlig deckendes Angebot ergeben hatte, ein zweiter Aufruf (ohne das Kaufsrecht) vorgenommen, also grundlos und entgegen der ausdrücklichen Vorschrift von Art. 56 lit. a VZG. Das Betreibungsamt hat dies denn auch in seinem Bericht zur Beschwerde des Hans Schleith zugegeben und die Gutheissung der Beschwerde beantragt. Bei dieser Sachlage war der regelwidrige Zuschlag samt dem in verschiedener Hinsicht fehlerhaften vorausgegangenen Verfahren in der Tat aufzuheben.
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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