BGE 83 III 1 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
1. Entscheid vom 14. Februar 1957 i.S. Mühlethaler. | |
Regeste |
Rekurs an das Bundesgericht (Art. 19 SchKG) gegen kantonale Rechtsvorschriften oder interne Dienstanweisungen der kantonalen Aufsichtsbehörden? | |
Sachverhalt | |
1 | |
"Anmerkung für den Schuldner: Der Schuldner hat jeden Wechsel der Arbeitsstelle dem Betreibungsamt unverzüglich zu melden, ebenso jede Änderung in den Verdienstverhältnissen. Es wird ausdrücklich auf Art. 96 SchKG, sowie die Strafbestimmungen der Art. 169 und 323 des Strafgesetzbuches aufmerksam gemacht."
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Diese Anmerkung stützt sich auf Art. 147 der Anweisung des Obergerichtes des Kantons Zürich zum SchKG sowie zum GebT vom 11. Februar 1952, dessen Absatz 1 lautet:
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"Der Schuldner ist in der Pfändungsurkunde anzuweisen, dem Betreibungsamt jeden Wechsel der Arbeitsstelle zu melden. Unterlässt er dies, so hat das Betreibungsamt die Aufforderung zu wiederholen, sofern ihm die neue Arbeitsstelle nicht bekannt ist."
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Der Hinweis auf Art. 96 SchKG und die Aufforderung, ausser einem Stellenwechsel auch jede Änderung in den Verdienstverhältnissen dem Betreibungsamt zu melden, sind dem der obergerichtlichen Anweisung beigefügten Beispiel einer Pfändungsurkunde mit Lohnpfändung entnommen (Anhang XIX/9, S. 223).
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Gegen die wiedergegebene Anmerkung führte der Schuldner Beschwerde mit dem Antrag, sie sei als unzulässig aufzuheben. Von der untern und mit Entscheid vom 29. Januar 1957 auch von der obern kantonalen Aufsichtsbehörde abgewiesen, rekurriert er an das Bundesgericht mit dem Antrag, jene Anmerkung sei als unzulässig und Art. 147 der Anweisung des zürcherischen Obergerichtes als gesetzwidrig zu erklären.
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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: | |
1. Der Antrag, Art. 147 der obergerichtlichen Anweisung sei als gesetzwidrig zu erklären, ist neu. Da bereits die untere Aufsichtsbehörde diese Bestimmung angerufen hatte, hätte der Rekurrent Gelegenheit gehabt, diesen Antrag schon vor der obern kantonalen Aufsichtsbehörde zu stellen. Das hat er nicht getan. In der Begründung seines Rekurses an die Vorinstanz bemerkte er zwar, er "widersetze" sich der fraglichen Bestimmung, "da ein solches Vorgehen ... Freiheit raubend und gesetzwidrig ist." Die Aufhebung dieser Bestimmung hat er aber damals noch nicht beantragt. Auf den hierauf gerichteten Antrag im Rekurs an das Bundesgericht ist daher schon gemäss Art. 79 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) nicht einzutreten.
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Hievon abgesehen erweist sich dieser Antrag auch deswegen als unzulässig, weil das Bundesgericht im Rekursverfahren gemäss Art. 19 SchKG nur die in konkreten Fällen getroffenen Entscheidungen, nicht dagegen kantonale Rechtsvorschriften oder die internen Dienstanweisungen der kantonalen Aufsichtsbehörden wegen Gesetzwidrigkeit aufheben oder abändern kann. Mit einer solchen Dienstanweisung hat man es beim erwähnten Erlass des zürcherischen Obergerichtes (der laut dem Alphabetischen Titelregister der am 1. Januar 1956 geltenden Gesetzgebung des Kantons Zürich nicht in der Gesetzessammlung veröffentlicht wurde) zu tun. Das Bundesgericht kann zu solchen Anweisungen im Rekursverfahren nur insofern Stellung nehmen, als es dann, wenn die kantonalen Instanzen sie in einem bestimmten Fall angewendet haben, frei prüfen kann, ob sie mit dem Bundesrecht vereinbar seien.
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2. Die Aufforderung an den Schuldner, dem Betreibungsamt jeden Stellenwechsel und jede Änderung in den Verdienstverhältnissen zu melden, kann sich nicht auf den Art. 91 SchKG stützen, den die Vorinstanz in ihrem Entscheid in erster Linie anruft. Diese Bestimmung verpflichtet den Schuldner nur, der Pfändung beizuwohnen oder sich bei derselben vertreten zu lassen und seine Vermögensgegenstände mit Einschluss der nicht in seinem Gewahrsam befindlichen Sachen sowie seiner Forderungen und Rechte gegenüber Dritten anzugeben, soweit dies zu einer genügenden Pfändung nötig ist, und dem Beamten auf Verlangen Räumlichkeiten und Behältnisse zu öffnen. Sie bezieht sich also ausschliesslich auf das Verhalten des Schuldners im Zeitpunkt des Pfändungsvollzuges, nicht dagegen auf sein späteres Verhalten im Falle, dass seine Verhältnisse sich ändern.
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Ebensowenig lässt sich die dem Schuldner auferlegte Meldepflicht aus Art. 96 SchKG ableiten, auf den das Betreibungsamt in Übereinstimmung mit dem der obergerichtlichen Anweisung beigefügten Beispiel hingewiesen hat. Das hier aufgestellte Verbot der Verfügung über gepfändete Gegenstände, auf das der Beamte den Schuldner bei der Pfändung aufmerksam zu machen hat, schliesst nicht das Gebot in sich, dem Betreibungsamt Stellenwechsel und Änderungen des Verdienstes mitzuteilen.
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Die Zulässigkeit der an den Rekurrenten gerichteten Aufforderung ergibt sich dagegen aus dem Wesen der Lohnpfändung und den hieraus sich ergebenden Grundsätzen für die Durchführung dieser Massnahme.
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a) Die Lohnpfändung erfasst künftige Lohnguthaben des Schuldners. Sie muss deshalb allfälligen Änderungen der Verdienstverhältnisse, die während ihrer Dauer eintreten, angepasst werden. Gläubiger und Schuldner können dies erreichen, indem sie beim Betreibungsamt ein Revisionsgesuch stellen (BGE 50 III 124,BGE 77 III 69,BGE 78 III 129Erw. 2). Das Betreibungsamt hat die Lohnpfändung aber auch ohne Begehren eines Beteiligten von Amtes wegen zu revidieren, sobald es auf irgendeine Weise erfährt, dass die derzeitige Bemessung den Verhältnissen nicht mehr entspricht (vgl. den zuletzt angeführten Entscheid). Die für die Festsetzung der pfändbaren Lohnquote erheblichen Tatsachen sind nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich von Amtes wegen abzuklären (BGE 54 III 236,BGE 74 III 71, BGE 81 III 152). Demnach muss das Betreibungsamt berechtigt sein, über allfällige Änderungen der Verdienstverhältnisse des Schuldners, welche die Festsetzung des Lohnabzuges beeinflussen können, vor allem also über Änderungen der Höhe oder Art der Entlöhnung, die nötigen Erhebungen zu machen und den Schuldner anzuhalten, ihm hierüber Meldung zu erstatten und alle Auskünfte zu geben, die für die neue Bestimmung der pfändbaren Lohnquote erforderlich sind. Die dem Rekurrenten erteilte Weisung, dem Betreibungsamt solche Änderungen anzuzeigen, ist also zweifellos gerechtfertigt.
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b) Zulässig ist aber auch die Aufforderung, dem Betreibungsamt jeden Stellenwechsel zu melden, und zwar gilt dies auch dann, wenn mit dem Stellenwechsel keine Änderung der für die Bestimmung der pfändbaren Lohnquote massgebenden Verhältnisse verbunden ist. Die Lohnpfändung erfasst nicht nur den Lohn aus dem Dienstverhältnis, in welchem der Schuldner zur Zeit des Pfändungsvollzuges gerade steht, und geht daher im Falle des Stellenwechsels nicht unter, sondern beschlägt fortan ohne weiteres den Lohn aus dem neuen Dienstverhältnis (BGE 78 III 128). Da die in Art. 99 SchKG vorgeschriebene Anzeige an den Drittschuldner keine wesentliche Bedingung des Pfändungsvollzuges ist, sondern eine zu diesem hinzutretende Sicherungsmassnahme darstellt (vgl. den eben angeführten Entscheid und die dortigen Hinweise), hängt die Fortgeltung der Lohnpfändung nicht von der Anzeige an den neuen Arbeitgeber ab. Der Gläubiger hat aber Anspruch darauf, dass diese Anzeige unverzüglich erfolgt, da sonst der Schuldner die Wirksamkeit der Lohnpfändung praktisch vereiteln könnte. Der rechtzeitige Erlass dieser Anzeige setzt voraus, dass das Betreibungsamt vom Stellenwechsel sofort Kenntnis erhält. Hiefür ist eine Meldung des Schuldners notwendig. Es gehört also zur richtigen Durchführung der Lohnpfändung, dass das Betreibungsamt den Schuldner beim Pfändungsvollzug zu einer solchen Meldung auffordert.
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Die Weisung, die das Betreibungsamt dem Rekurrenten im ersten Satz der angefochtenen Anmerkung erteilt hat, ist demnach zu billigen. Sie stellt so wenig wie die Lohnpfändung selber, in deren Natur sie begründet ist, einen unzulässigen Eingriff in die Freiheit des Schuldners dar.
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Art. 169 StGB, der die Verfügung über gepfändete, arrestierte oder amtlich aufgezeichnete Sachen unter Strafe stellt, kommt in diesem Falle nicht zur Anwendung. Die Missachtung der Aufforderung, dem Betreibungsamt Stellenwechsel und Änderungen der Verdienstverhältnisse zu melden, bedeutet offensichtlich keine derartige Verfügung. (Art. 169 StGB greift hingegen dann ein, wenn der Schuldner eigenmächtig zum Nachteil der Gläubiger über gepfändete Lohnbeträge verfügt, die z.B. deswegen, weil dem neuen Arbeitgeber die Lohnpfändung mangels Meldung des Stellenwechsels noch nicht angezeigt werden konnte, an ihn statt an das Betreibungsamt ausbezahlt wurden; vgl. BGE 82 IV 187, wo sogar die Verfügung über gepfändete Trinkgelder unter diese Bestimmung gezogen wurde.)
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Art. 323 StGB, den das Betreibungsamt neben Art. 169 StGB angeführt hat, stellt die Nichtbefolgung der hier in Frage stehenden Weisung ebenfalls nicht unter Strafe. Da die Pflicht des Schuldners, die ihm vom Betreibungsamt vorgeschriebene Meldung zu erstatten, sich nicht aus Art. 91 SchKG ableiten lässt (vgl. Erw. 2), ist es (entgegen der Auffassung, dieBGE 78 III 129, Erw. 1 am Ende, zugrunde zu liegen scheint) nicht möglich, die Verletzung dieser Pflicht nach Art. 323 Ziff. 1 oder 2 StGB zu bestrafen, wo der Schuldner mit Strafe bedroht wird, welcher den ihm durch Art. 91 Abs. 1 SchKG auferlegten Pflichten nicht nachkommt.
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Das StGB enthält aber auch sonst keinen besondern Ungehorsamstatbestand, der durch die Missachtung der in Frage stehenden Weisung erfüllt würde. Es handelt sich dabei um einen rein passiven, d.h. in einer blossen Unterlassung bestehenden Ungehorsam. Die Art. 323 und 324, die vom Ungehorsam des Schuldners bzw. dritter Personen in Betreibungs- und Konkurssachen handeln, sind die einzigen Bestimmungen, die für rein passiven Ungehorsam in solchen Angelegenheiten eine besondere (d.h. gerade für diesen Fall geltende) Strafdrohung aufstellen (BGE 81 IV 327 f.).
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Das heisst aber nicht, dass dem Schuldner für den Fall der Missachtung der ihm erteilten Weisung keine Strafe angedroht werden könne. Vielmehr hat das Betreibungsamt die Möglichkeit, die Aufforderung an den Schuldner, ihm jeden Stellenwechsel und jede Änderung der Verdienstverhältnisse unverzüglich zu melden, unter Hinweis darauf zu erlassen, dass ihre Nichtbefolgung als Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung gemäss Art. 292 StGB mit Haft oder mit Busse bestraft würde. Diese subsidiäre Bestimmung greift gerade dort ein, wo ein besonderer Ungehorsamstatbestand fehlt (BGE 70 IV 180,BGE 73 IV 129,BGE 75 III 110,BGE 78 I 178Erw. 2, BGE 81 IV 328 Erw. 2) und kann insbesondere auch im Gebiete des Betreibungs- und Konkursverfahrens Anwendung finden (BGE 70 IV 180,BGE 75 III 110,BGE 78 III 129,BGE 79 III 114lit. b, BGE 81 IV 328 Erw. 2).
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Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
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